OLG Frankfurt – Az.: 15 U 161/15 – Urteil vom 20.04.2017
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 4. September 2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger begehren von der beklagten Versicherung Zahlungen aus einem Wohngebäudeversicherungsvertrag.
Versichertes Objekt ist ein Gebäudekomplex, in welchem die Kläger einen Kfz-Handel betreiben. Die Beklagte gewährte mit Versicherungsschein vom 13. November 2009 Versicherungsschutz unter anderem auch für die Gefahrengruppe LW (Leitungswasserversicherung). Bestandteil des Versicherungsvertrages waren auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, hinsichtlich deren Einzelheiten auf Bd. I Bl. 149 ff. verwiesen wird. Hierin ist im Hinblick auf die Leitungswasserversicherung in § 17 bestimmt, dass nicht benutzte Räume der versicherten Gebäude genügend häufig zu kontrollieren sind oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten sind sowie während der kalten Jahreszeit alle Räume des versicherten Gebäudes genügend zu beheizen sind und dies häufig genug zu kontrollieren ist oder alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten sind.
Am 6. Dezember 2010 meldeten die Kläger der Beklagten den Bruch von Leitungsrohren. Bei der Besichtigung der Räumlichkeiten durch Beauftragte der Beklagten am 8. Dezember 2010 befand sich die Heizungsanlage im Gebäude nicht in Betrieb, verschiedene wasserführende Rohrleitungen waren infolge von Frostschäden gebrochen und ausgetretenes Wasser in den Räumen gefroren.
Im Folgenden kam es wiederholt zu Besichtigungen durch die Beklagte auch durch Einschaltung eines Sachverständigen. Dieser traf Feststellungen zu den Ursachen des Wasserschadens und führte den Ausfall der Heizung mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine ungenügende Versorgung mit Heizöl zurück. Die Kläger stellten dies in Abrede und beriefen sich darauf, in der fraglichen Zeit die Heizung in Betrieb gehalten zu haben. Sie verlangten von der Beklagten Erstattung von Wiederherstellungskosten i.H.v. insgesamt 57.058,23 € netto und beriefen sich hierzu auf einen Kostenvoranschlag einer Heizungsbaufirma.
Die Beklagte berief sich auf eine Obliegenheitsverletzung der Kläger und zahlte lediglich 8.732,64.
Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger den Differenzbetrag nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger ein Betrag i.H.v. 48.320,59 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Mai 2011 sowie weitere 1.641,99 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass nach ihren Feststellungen die Schadensursache darin zu sehen sei, dass die Heizungsanlage nicht hinreichend mit Heizöl versorgt wurde. Hierin sei ein Verstoß gegen die nach den Versicherungsbedingungen zu beachtenden Obliegenheiten gegeben und deswegen sei infolge jedenfalls teilweise eingetretener Leistungsfreiheit durch die vorgerichtliche Zahlung die Verpflichtung der Beklagten aus dem Schadensfall erfüllt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie dessen mündliche Erläuterung. Es hat sodann mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen auch zur Darstellung des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Beklagte verurteilt, an die Kläger 32.005,86 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Kosten in einer Höhe von 1.307,81 € zu zahlen. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass sich eine Obliegenheitsverletzung der Kläger nicht feststellen lasse. Es könne nicht hinreichend sicher festgestellt werden, dass der Schaden dadurch ausgelöst worden sei, dass die Kläger die Heizungsanlagen im versicherten Gebäude überhaupt nicht angeschaltet hatten. Hierfür bestünden zwar einige Hinweise, eine letztendliche Gewissheit bestehe indessen nicht. Hierzu hat sich das Landgericht, stützend auf die Angaben des Sachverständigen, damit befasst, das allerdings auf der Grundlage der Berechnungen des Sachverständigen deutlich werde, dass angesichts des enormen Verbrauchs an Heizöl, der für einen Betrieb der Heizungsanlage notwendig sei, mit den jeweils getankten Mengen der Bedarf im Jahresverlauf nicht gedeckt werden könne. Der Umstand, dass die im Laufe des Jahres 2010 getankte Menge Heizöl nicht für einen längeren Dauerbetrieb ausgereicht hätte, führe nicht dazu, dass mit Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass die Kläger die Heizungsanlage unmittelbar vor dem Schadensfall nicht in Betrieb hatten. Eine ausreichende Menge für einen kurzzeitigen den Betrieb der Heizung sei nach den Feststellungen des Sachverständigen jedenfalls noch vorhanden gewesen, auch wenn sich nur eine geringe Menge noch in den Tanks befunden habe.
Infolgedessen seien sei die Beklagte zum Ersatz der erforderlichen Reparaturkosten verpflichtet. Diese betragen nach den Feststellungen des Sachverständigen unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Betrages noch 32.005,86 €
Gegen dieses der Beklagten am 2. Oktober 2015 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 6. 20. Oktober 2015 eingelegten und am 30. November 2015 begründeten Berufung. Die Beklagte verfolgt ihr Ziel einer vollständigen Abweisung der Klage auch im Berufungsrechtszug weiter. Sie rügt im Wesentlichen eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Landgerichts, welches sich insbesondere mit den durch den von der Beklagten beauftragten, außergerichtlich tätigen Sachverständigen getroffenen Feststellungen nicht auseinandergesetzt habe. Danach könne kein Zweifel daran bestehen, dass letztlich ein Mangel an Heizöl für den Schaden ursächlich gewesen sei.
Die Beklagte beantragt, in Abänderung des Urteils des Landgerichts Kassel vom 29. Mai 2015 die Kläger auch insoweit mit der Klage abzuweisen, als ihr das Landgericht stattgegeben hat, und den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug nahm.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen. Die Beklagte ist infolge einer von den Klägern grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung jedenfalls in einem Umfang leistungsfrei geworden, dass der Anspruch aus der Versicherung durch die vorgerichtlich geleistete Zahlung abgegolten ist.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist für die Frage eines weitergehenden Anspruchs der Kläger nicht entscheidend, ob der Nachweis gelungen ist, dass die Schadensursache für das Platzen der Leitungen infolge Frost dadurch verursacht wurde, dass die Heizung infolge ungenügender Ölmenge ausgefallen ist.
Eine Verletzung der den Klägern nach dem Versicherungsvertrag obliegenden Sicherungspflichten ist auch dann gegeben, wenn die Schadensursache nicht geklärt ist. Die Kläger waren verpflichtet, in der kalten Jahreszeit, also im Winterhalbjahr, für die Beheizung der Räumlichkeiten zu sorgen und zwar dauerhaft und unabhängig von den konkreten Außentemperaturen (BGH VersR 2008, 1207). Da nur ein Teil der Räume (zusätzlich) über Elektroheizgeräte beheizt wurde, und im Übrigen die Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen die Heizung jeweils nach Bedarf an und ausgeschaltet haben, ist der Nachweis dieser Obliegenheitsverletzung bereits dann geführt, wenn feststeht, dass mit den zur Verfügung stehenden Ölvorräten ein durchgängiger Betrieb der Heizung nicht möglich war. Hiervon ist, wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 6. 20. Oktober 2016 ausgeführt hat, auf der Grundlage der Berechnungen des Sachverständigen A auszugehen. Allerdings geht der Sachverständige bei seinen Berechnungen davon aus, dass nur die zuletzt getankten Mengen Heizöl von 1.858 l in die Berechnung Eingang finden kann. Dies ist richtig, wenn man davon ausgeht, dass nur einer der Öltanks verwendet wurde, wie die Beklagte geltend macht. Auch wenn hierfür sehr viel spricht, weil auffälligerweise immer eine Menge um 2.000 ltr., entsprechend der Füllmenge eines Tanks abgenommen wurde, ist die Einlassung der Kläger, es seien regelmäßig zwei Tanks benutzt worden (vgl. die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 07.05.2015 S. 2), nicht widerlegt. Deswegen wird man für eine zur sicheren Überzeugungsbildung ausreichende Berechnung zugunsten der Kläger davon ausgehen müssen, dass ab dem Zeitpunkt der letzten Betankung am 10.02.2010 maximal 4.000 ltr. zur Verfügung standen.
Aber auch in diesem Fall dürfte die getankte Ölmenge nicht ausreichend gewesen sein. Denn in die Berechnung sind nicht nur Frosttage im Winter 2010 unmittelbar vor dem Schadensfall einzubeziehen, sondern es ist zu ermitteln, ob die Heizölvorräte über die gesamte Zeit einer Heizpflicht ausreichen konnten. Deswegen sind auch die im Winterhalbjahr gelegenen Tage vom 10.02.2010 bis zum 31.03.2010 in die Berechnung einzubeziehen. Insgesamt sind also 115 Tage (50 Tage vom 10.02.2010 bis zum 31.03.2010 und 65 Tage vom 01.10.2010 bis zum 04.12.2010) zugrunde zu legen.
Zu einem Betrieb der Heizung in diesem Zeitraum genügte der maximale Bestand an 4.000 Liter Heizöl keinesfalls. Denn nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen benötigt die Heizung bereits an den selbst unter Zugrundelegung einer Minimalberechnung bei einer Betriebsdauer von 12 Stunden am Tag bereits für die 8 Frosttage vom 27.11.2010 bis zum 4.12.2010 einen Heizölbedarf von 1.440 Liter. Die rechnerisch verbleibenden 2.560 Liter genügen nur für weitere rd. 170 Betriebsstunden (25.600 kWh ./. 150 kW). Sollte also die Anlage in den verbleibenden 107 Tagen der Heizperiode tatsächlich in Betrieb gewesen sein, stünden pro Tag durchschnittlich nur 1,6 Stunden Betriebsdauer zur Verfügung. Dass dies ausreichen würde, erscheint angesichts der Ausführungen des Sachverständigen ausgeschlossen.
Da mithin davon auszugehen ist, dass die Heizungsanlage offenbar nicht durchgängig in Betreib war, sondern immer wieder ausgeschaltet wurde, hat die Beklagte zu Recht eine mindestens grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung angenommen. Dies aber hat zur Folge, dass nicht die Beklagte, sondern die Kläger den Beweis zu führen haben, dass die Ursache nicht auf ihre Obliegenheitsverletzung zurückzuführen ist. Denn der Versicherungsnehmer hat nach der Formulierung des § 28 Abs. 3 VVG („Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, …“) die Beweislast für die Frage der Kausalität. Zur Erfüllung der Beweislast muss der Versicherungsnehmer das Nichtvorliegen aller Folgen beweisen, die nach Lage der Dinge oder aufgrund einer substanziierten Darlegung des Versicherers ernstlich in Frage kommen (vgl. Bruck(Möller, VVG , 9. Aufl., § 28 Rn. 220, 221 mwN).
Dieser den Klägern obliegende Kausalitätsgegenbeweis im Sinne des § 28 Abs. 3 VVG dürfte nicht geführt sein, da nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts die eigentliche Schadensursache letztlich offen geblieben ist. Die insoweit von den Klägern genannten möglichen Schadensursachen, die letztlich auf einen unverschuldeten und unvorhersehbaren Ausfall der Heizung hinweisen sollen, sind rein spekulativ. Jedenfalls kann nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine Verschlammung infolge eines ungenügenden Heizölstandes zu dem Ausfall geführt hat, in welchem Fall ebenfalls die angesprochenen Obliegenheitsverletzung der Kläger zum Schaden geführt hat.
Mithin war auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzung des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.