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Berufsunfähigkeitsversicherung – Kulanzentscheidung oder Anerkenntnis des Versicherers

Kulanz oder Anerkenntnis? OLG Dresden urteilt über Berufsunfähigkeitsversicherung

Das Thema des vorliegenden Urteils des OLG Dresden bezieht sich auf eine zentrale Fragestellung im Versicherungsrecht: Inwieweit kann zwischen einer Kulanzentscheidung und einem bindenden Anerkenntnis des Versicherers im Kontext der Berufsunfähigkeitsversicherung unterschieden werden? Diese Unterscheidung hat weitreichende Implikationen für die Rechte und Pflichten sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherungsgeber.

Der Kern des Falles dreht sich um die Frage, ob Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung auf Basis einer Kulanz oder aufgrund eines bindenden Anerkenntnisses des Versicherers erfolgen. Diese Thematik berührt grundlegende Aspekte des Versicherungsrechts, einschließlich der Interpretation von Versicherungsbedingungen, der Bewertung von Leistungspflichten und der Abgrenzung zwischen Kulanzhandlungen und rechtlich verbindlichen Zusagen. Dabei spielen auch weitere relevante Punkte wie der Dynamiknachtrag, die Feststellung der Berufsfähigkeit und die Konsequenzen einer Rücktrittsentscheidung eine wichtige Rolle. Die Entscheidung in diesem Fall kann somit als richtungsweisend für ähnliche Fälle in der Praxis des Versicherungsrechts angesehen werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 943/20  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Dresden hat im Fall OLG Dresden – Az.: 4 U 943/20 vom 22.08.2023 entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 30.11.2018 hat, da die Beklagte mit einem Schreiben vom 21.02.2017 ein bindendes Anerkenntnis abgegeben hat, das sie nicht wirksam rückwirkend befristet hat.

Zusammenfassung der zentralen Punkte:

  1. Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen: Die Klägerin hat Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 30.11.2018.
  2. Bindendes Anerkenntnis: Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 21.02.2017 ein bindendes Anerkenntnis der Leistungspflicht abgegeben.
  3. Keine wirksame rückwirkende Befristung: Die Beklagte konnte das Anerkenntnis nicht wirksam rückwirkend befristen.
  4. Fortdauernde Leistungspflicht: Die Beklagte ist bis zur wirksamen Einstellungsmitteilung in der Klageerwiderung vom 22.08.2018 zur Zahlung verpflichtet.
  5. Rücktritt vom Versicherungsvertrag: Der Rücktritt der Beklagten vom Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 17.08.2016 ist nicht wirksam.
  6. Keine Verweisung auf neue Tätigkeit: Die Klägerin kann nicht auf eine neue Tätigkeit mit geringerem Einkommen verwiesen werden.
  7. Beweislast und Überzeugungsbildung: Für die Feststellung der Berufsunfähigkeit und deren Fortdauer bzw. Wegfall ist die Beweislast und Überzeugungsbildung des Gerichts entscheidend.
  8. Ende der Leistungspflicht: Die Leistungspflicht der Beklagten endet mit der wirksamen Einstellungsmitteilung im August 2018.

Der komplexe Fall der Berufsunfähigkeitsversicherung am OLG Dresden

Im Fokus des jüngsten Urteils des Oberlandesgerichts Dresden stand die Frage, ob es sich bei einer Leistungsmitteilung der Versicherungsgesellschaft um ein bindendes Anerkenntnis oder eine Kulanzentscheidung handelte. Die Klägerin, eine ehemalige PR-Beraterin, verlangte Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aufgrund einer angenommenen Berufsunfähigkeit. Ursprünglich hatte sie diese Versicherung im Jahr 2011 abgeschlossen und 2013 einen Dynamiknachtrag hinzugefügt, der ihr ab Juni 2016 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente sichern sollte.

Hintergründe zur Berufsunfähigkeit und der Versicherungsfall

Die Klägerin beendete ihre Tätigkeit im Jahr 2015 aufgrund von gesundheitlichen Problemen und stellte im Juli 2016 einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Die Versicherung zog diverse medizinische Berichte heran und erklärte einen Rücktritt vom Versicherungsvertrag aufgrund nicht angegebener Vorerkrankungen. Trotzdem erkannte sie später eine teilweise Leistungspflicht an. Dies führte zu rechtlichen Auseinandersetzungen darüber, ob dieses Schreiben als Anerkenntnis der Leistungspflicht zu interpretieren war.

Gerichtliche Bewertung und Entscheidungsfindung

Das Landgericht Dresden sprach der Klägerin im Wesentlichen zu, dass sie wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung berufsunfähig sei und das Schreiben der Versicherung ein Anerkenntnis darstelle. Die Versicherungsgesellschaft hingegen behauptete, es handle sich lediglich um eine Leistungsmitteilung ohne Bindungswirkung. In der Berufung vor dem OLG Dresden wurde dieses Urteil teilweise abgeändert, und die Klägerin erhielt Leistungen für einen begrenzten Zeitraum zugesprochen.

Die Komplexität des Versicherungsrechts

Die juristische Herausforderung dieses Falles lag in der Bewertung, ob die Mitteilung der Versicherung ein verbindliches Anerkenntnis oder eine bloße Kulanzentscheidung darstellte. Dies hatte weitreichende Konsequenzen für die Leistungspflicht der Versicherung. Erschwert wurde die Entscheidungsfindung durch die differenzierte Betrachtung der gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin und die Bewertung ihrer Arbeitsfähigkeit im Zeitverlauf.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Das Urteil des OLG Dresden verdeutlicht die Komplexität von Rechtsfällen im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung. Es zeigt, wie entscheidend die Interpretation von Kommunikation zwischen Versicherungsnehmer und -geber sein kann und wie wichtig eine detaillierte Auseinandersetzung mit den medizinischen und vertraglichen Aspekten in solchen Fällen ist. Für Betroffene und ihre Rechtsberatung bedeutet dies, dass sowohl die korrekte Darlegung des Gesundheitszustands als auch das Verständnis der Versicherungsbedingungen und der kommunikativen Feinheiten entscheidend sind.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche rechtlichen Folgen hat ein Anerkenntnis des Versicherers in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Ein Anerkenntnis des Versicherers in der Berufsunfähigkeitsversicherung hat bedeutende rechtliche Folgen. Es handelt sich dabei um die Bestätigung des Versicherers, dass der Versicherungsnehmer bedingungsgemäß berufsunfähig ist und somit Anspruch auf die vereinbarten Leistungen hat.

In der Regel erfolgt das Anerkenntnis unbefristet, was bedeutet, dass der Versicherer so lange zahlen muss, bis die Berufsunfähigkeit wieder entfallen ist und der Versicherer das sogenannte Nachprüfungsverfahren durchgeführt hat. In diesem Verfahren muss der Versicherer unter bestimmten formellen Voraussetzungen darlegen, dass die Berufsunfähigkeit endet. Dies muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer in einer sogenannten Änderungsmitteilung darstellen. Die Leistung darf dabei frühestens 3 Monate nach dem Zugang der Änderungsmitteilung eingestellt werden.

Es gab jedoch Fälle, in denen Versicherer ein befristetes Anerkenntnis abgaben, das heißt, sie erkannten die Berufsunfähigkeit nur für einen bestimmten Zeitraum an. Dies wurde jedoch vom Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 23. Februar 2022 (Aktenzeichen: IV ZR 101/20) als rechtswidrig beurteilt. Der BGH urteilte, dass rückwirkend befristete Anerkenntnisse gegen das Versicherungsvertragsgesetz verstoßen, weil sie zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen.

Wenn der Versicherer der Ansicht ist, dass die Berufsunfähigkeit zum Zeitpunkt seiner Leistungsentscheidung bereits wieder entfallen ist, so muss er sein Anerkenntnis mit einer Nachprüfungsmitteilung verbinden. Diese muss bestimmte formelle und inhaltliche Voraussetzungen erfüllen, um wirksam zu sein. Ohne formell und materiell wirksame Nachprüfungsmitteilung ist der Versicherer unbefristet zur Leistung verpflichtet.

Sollte der Versicherer dennoch ein befristetes Anerkenntnis abgeben, gilt dieses als unbefristet abgegeben. Der Versicherer muss solange leisten, bis eine inhaltlich und formell wirksame Nachprüfungsmitteilung vorliegt.

Es ist daher ratsam, dass Versicherungsnehmer, die ein befristetes Anerkenntnis erhalten haben, dieses durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht überprüfen lassen.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 943/20 – Urteil vom 22.08.2023

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 09.04.2020 – 8 O 1042/18 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:


1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.556,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.521,10 € ab dem 24.02.2017 sowie aus jeweils 1.122,20 € ab dem 02.03.2017, 02.04.2017, 02.05.2017, aus 1.187,59 € ab dem 02.06.2017, aus jeweils 1.122,20 € ab dem 02.07.2017, 02.08.2017, 02.09.2017, 02.10.2017, 02.11.2017, 02.12.2017, 02.01.2018, 02.02.2018, aus 1.147,17 € ab dem 02.03.2018 und aus jeweils 1.178,00 € ab dem 02.04.2018 und dem 02.05.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.06.2018 bis zum 30.11.2018 aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus der „Wunschpolice“ Nr. 0.0000000.07 eine Berufsunfähigkeitsrente i. H. v. monatlich € 1.122,20, zahlbar monatlich im Voraus zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin volle Befreiung von der Beitragszahlungspflicht für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversicherungen der „Wunsch-Police“ Nr. 0.0000000.07 ab dem 01.03.2017 bis zum 30.11.2018 zu gewähren.

4. Es wird festgestellt, dass die für die Klägerin bei der Beklagten bestehende Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus der „Wunsch-Police“ Nr. 0.0000000.07 durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 17.08.2016 vorgenommenen Erklärungen des Rücktritts und der Kündigung nicht beendet wurde.

5. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.930,66 freizustellen.

6. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 45 % und die Beklagte 55 %.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und für die erste Instanz wird auf jeweils € 95.583,66 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Grundlage ist eine von der Klägerin am 10.05.2011 beantragte (Anlage K5, Seite 2) und mit Wirkung zum 01.06.2011 policierte fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Anlage K1). Mit Wirkung zum 01.06.2013 vereinbarten die Parteien zudem einen Dynamiknachtrag, der der Klägerin unter anderem eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente ab dem 01.06.2016 in Höhe von 1.122,20 € zusicherte. Wegen der Einzelheiten des Dynamikplans bezogen auf die Beitragszahlungen und Rentenleistungen wird auf die Anlage K2 verwiesen. Die 1978 geborene Klägerin war nach Abschluss einer Ausbildung zur Notariatsgehilfin und abgeschlossenem Studium aus dem Bereich der Sprachwissenschaften zunächst im Jahre 2012 als Beraterin in einer PR-Agentur tätig, im Jahre 2013 als PR-Beraterin bei einer Firma in Norwegen und ab dem 01.01.2014 bis zum 31.01.2015 als Referentin für Kommunikation beim F…… der K…… Stiftung in D… (Anlage B 18). Sie beendete diese Beschäftigung zum 31.01.2015 nach ihren Angaben durch „Eigene Kündigung aus gesundheitlichen Gründen und auf Empfehlung des Arztes“ (Seite 6 der Selbstauskunft vom 04.07.2016, Anlage B 5). Erstmalig am 30.04.2015 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, seit Anfang Dezember 2014 wegen Erschöpfung berufsunfähig zu sein. Nach vergeblicher Aufforderung zur Erteilung einer Selbstauskunft und Übersendung aller erforderlichen Unterlagen nebst weiterer vergeblicher Erinnerung durch die Beklagte jeweils am 26.05. und 09.06.2015 bat die Klägerin telefonisch im Juni 2015 um Einstellung der Prüfung. Im September 2015 wurde telefonisch die weitere Zurückstellung der Prüfung vereinbart. Erinnerungen der Beklagten im November und Dezember 2015 (Anlagen B3 und B4) blieben erfolglos. Erstmalig schriftlich beantragte die Klägerin am 04.07.2016 Leistungen wegen Berufsunfähigkeit, die sie selbst auf den Zeitraum 05.12.2014 bis 22.04.2016 datierte (Anlage B 5). Im Rahmen der anschließenden Leistungsprüfung zog die Beklagte einen Bericht der ……klinik H…… in B… K… über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 30.09. bis 04.11.2015 (Anlage B8) und eine Arztauskunft der Praxis Dr. B… & M… (Anlage B10) bei und holte ein psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Prof. S… ein, erstellt am 26.01.2017 (Anlage B7). Auf dieser Grundlage erklärte sie zunächst mit Schreiben vom 17.08.2016 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag (Anlage K5) mit der Begründung, die Klägerin habe ein kurz vor Abschluss des Versicherungsvertrages behandeltes HWS-Syndrom und behandelte Schlafstörungen nicht angegeben. Mit Schreiben vom 21.02.2017 erklärte sie ungeachtet dessen ihre Einstandspflicht für Berufsunfähigkeitsleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis einschließlich zum 30.11.2015 (Anlage K6). Die Klägerin akzeptierte weder den Rücktritt noch die eingeschränkte Gewährung von Berufsunfähigkeitsleistungen und erhob Klage, wobei sie nunmehr eine immer noch fortdauernde Berufsunfähigkeit geltend machte und den Vorwurf der Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag zurückwies. Sowohl beim HWS-Syndrom als auch bei den Schlafstörungen habe es sich um leichteste, nicht anzeigepflichtige Beeinträchtigungen gehandelt. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 21.02.2017 ein bindendes Anerkenntnis auch für die Zukunft abgegeben, da weder in diesem Schreiben noch in der Folgezeit die Beklagte die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Nachprüfungsverfahren erfüllt seien.

Die Beklagte hat dem in der Sache die Feststellungen des Privatgutachters Prof. Dr. S… entgegengehalten und ihre Leistungsentscheidung vom 21.02.2017 als bloße Leistungsmitteilung bezeichnet, mit der kein Anerkenntnis verbunden gewesen sei. Hilfsweise sei jedenfalls nach den Versicherungsbedingungen auch ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis zulässig gewesen. Der Rücktritt sei berechtigt gewesen, weil die Klägerin ihre Pflicht zu wahrheitsgemäßen Gesundheitsangaben mindestens vorsätzlich verletzt habe.

Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines psychosomatisch/ psychotherapeutischen Fachgutachtens des Sachverständigen Dr. Dr. A… vom 27.03.2019 im Wesentlichen stattgegeben. Die Klägerin sei wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung berufsunfähig im Sinne der vereinbarten Bedingungen. Bei der Leistungsmitteilung der Beklagten vom 21.02.2017 habe es sich um ein Anerkenntnis gehandelt. Dessen rückwirkende Befristung sei nicht zulässig gewesen. Den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung nach den Grundsätzen des Nachprüfungsverfahrens sei die Beklagte erstmalig mit der Klageerwiderung vom 22.08.2018 gerecht geworden. Zu einem Rücktritt sei sie nicht berechtigt gewesen, denn die Klägerin habe ihre Anzeigeobliegenheit durch die unterlassene Angabe von Schlafstörungen bereits objektiv nicht verletzt. Dem Beweisangebot der Beklagten sei nicht nachzugehen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der vollumfänglichen Klageabweisung weiter. Sie rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung und eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Landgericht. Zu Unrecht habe das Landgericht die Mitteilung vom 21.02.2017 (Anlage K6) als Anerkenntnis qualifiziert. Es handele sich um eine bloße Leistungsabrechnung ohne Bindungswirkung. Hilfsweise sei das Leistungsanerkenntnis jedenfalls zulässigerweise rückwirkend befristet worden. Selbst unter Zugrundelegung der Grundsätze des Nachprüfungsverfahrens habe die Beklagte den Nachweis der Berufsfähigkeit der Klägerin nach Ablauf des bewilligten Leistungszeitraums erbracht. Das Landgericht hätte seine Entscheidung angesichts der Feststellungen des Privatsachverständigen Prof. S…… nicht unreflektiert auf die Ausführungen des Gerichtssachverständigen Dr. Dr. A… stützen dürfen. Das Landgericht habe sowohl im Hinblick auf die Berufsfähigkeit der Klägerin als auch auf die Voraussetzungen des Rücktritts die Beweisangebote der Beklagten nicht ausgeschöpft. Zu Unrecht habe das Landgericht die Voraussetzungen einer konkreten Verweisung auf die unstreitig von der Klägerin im Anschluss ausgeübte Tätigkeit verneint.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dresden vom 09.04.2020 – 8 O 1042/18 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Obergutachtens des Sachverständigen Dr. S… und dessen mündlicher Anhörung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften vom 13.10.2020 und 27.06.2023 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat zum Teil Erfolg.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen lediglich für die Zeit vom 01.01.2015 bis zum 30.11.2018 auf der Grundlage der §§ 1 Abs. 1, 7, 8 Abs. 1 der zwischen den Parteien vereinbarten besonderen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Im Folgenden: BUZVB) in Verbindung mit § 174 Abs. 2 VVG.

a) Dass die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 01.01. und dem 30.11.2015 bedingungsgemäß berufsunfähig im Sinne von § 1 Abs. 1 BUZVB war, ist zwischen den Parteien unstreitig.

b) Die Beklagte muss den zum 01.01.2015 eingetretenen Zustand der Berufsunfähigkeit auch im weiteren Verlauf bis zur Zustellung der Klageerwiderung gegen sich gelten lassen, denn sie hat diesbezüglich mit Schreiben vom 21.02.2017 ein Anerkenntnis abgegeben (b1). Sie hat das Anerkenntnis weder wirksam rückwirkend befristet (b2) noch hat sie im Wege einer Uno-Actu-Entscheidung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Änderungsmitteilung im Zuge einer Nachprüfungsentscheidung genügt (b3). Das Schreiben der Beklagten vom 11.05.2017 (Anlage K 8) stellt ebenfalls keine wirksame Einstellungsmitteilung dar (b4). Diese ist erstmalig in der Klageerwiderung vom 22.08.2018 enthalten (b5).

b1) Bei der Erklärung der Beklagten vom 21.02.2017 (Anlage K6) handelt es sich um ein Anerkenntnis im Sinne des § 173 Abs. 1 VVG. Ob der Versicherer ein Anerkenntnis abgegeben hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Da für den Versicherungsnehmer die Berufsunfähigkeitsleistungen eine Lohnersatzleistung darstellen, sind sie für ihn von großer Bedeutung. Er ist daher besonders schutzwürdig (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 173 Rz. 1 mit Nachweis auf die Gesetzesbegründung). Hieraus folgt, dass der Versicherer im Interesse des Versicherungsnehmers gehalten ist, seinem Vertragspartner die ihm obliegende Entscheidung mit der erforderlichen Klarheit mitzuteilen. Weil eine Kulanzentscheidung in der Sache die Ablehnung von Versicherungsleistungen bedeutet, muss dies hinreichend deutlich werden. Von einer Kulanzentscheidung kann vor diesem Hintergrund nur ausgegangen werden, wenn die Sachlage unklar und als noch nicht ausermittelt dargestellt wird und der Versicherer dies und auch die Kulanz ausdrücklich zum Ausdruck bringt. Tut er dies nicht hinreichend deutlich, handelt es sich um ein Anerkenntnis (OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.01.2001 – 5 U 737/2000 in: Versicherungsrecht 2002, 877). Das streitgegenständliche Schreiben enthält die Formulierung:

„… Alle erforderlichen Unterlagen liegen jetzt vor. Diese belegen, dass Sie nach den Vertragsbedingungen berufungsunfähig waren.“

Bereits diese Formulierung kann vom Standpunkt eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aus gesehen nicht anders verstanden werden als eine bindende Entscheidung in Form eines Anerkenntnisses. Hinzu kommt, dass die Beklagte mit Schreiben vom 11.05.2017 selbst ausgeführt hat:

„Wir haben somit unsere Leistungen ab dem 01.01.2015 anerkannt. …“

Im Ergebnis ist damit von einem Anerkenntnis auszugehen.

b2) Die Beklagte hat dieses Anerkenntnis, das für sie grundsätzlich bindend ist, nicht wirksam rückwirkend befristet. Zwar enthält die Formulierung:

„Die Leistungen enden am 30.11.2015, da Sie nach Aussage von Prof. Dr. med. S…… seit dem 01.12.2015 wieder ihre berufliche Tätigkeit ausüben können.“

eine solche Befristung. Diese ist allerdings unwirksam. Die Beklagte selbst hat in den unstreitig vereinbarten Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZVB – Anlage K3) die Fälle, in denen sie eine zeitliche Befristung der Leistungspflicht ausspricht, ausdrücklich auf im Einzelnen bezeichnete drei Ausnahmefälle beschränkt (§ 7 Abs. 2 BUZVB). Wörtlich heißt es dort:

„Bis auf die nachstehenden Ausnahmefälle werden wir keine zeitliche Befristung unserer Leistungspflicht aussprechen. Wir können unsere Leistungspflicht einmalig – längstens jedoch für einen Zeitraum von zwölf Monaten – befristen, wenn

– sich Umstände, die für die Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen besteht voraussichtlich ändern werden,

– die medizinischen und beruflichen Gegebenheiten im Zeitpunkt unserer Leistungsentscheidung noch nicht endgültig beurteilt werden können,

– die versicherte Person eine Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme absolviert oder eine solche Maßnahme vorgesehen oder beabsichtigt ist.“

Die Beklagte hat sich mit diesen Versicherungsbedingungen freiwillig der Möglichkeit begeben, rückwirkend befristete Anerkenntnisse auszusprechen, wenn nicht eine der genannten Voraussetzungen vorliegen. Ob ein solches Anerkenntnis auch deswegen unwirksam gewesen wäre, weil rückwirkend befristete Anerkenntnisse für den Fall, dass die Berufsunfähigkeit nach Antragstellung weggefallen ist, nach neuerer Rechtsprechung unwirksam sind (BGH, Urteil vom 31.08.2022 – IV ZR 223/22), kann daher ebenso dahinstehen wie die Frage, ob eine solche Unwirksamkeit auch den Fall erfasst, dass der Leistungsantrag erst nach Wegfall der Berufsunfähigkeit gestellt wird (vgl. hierzu Neuhaus VersR 2023, 73 (74)). Dass aber keiner der drei in den Versicherungsbedingungen genannten von der Beklagten selbst so bezeichneten „Ausnahmefälle“ vorliegt, hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführlich begründet (Seiten 14 bis 15 des Urteils). Hiergegen erinnert die Berufung der Beklagten nichts. Es bestehen auch sonst keine Zweifel an diesen Feststellungen des Landgerichts. Zutreffend hat es ausgeführt, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer § 7 Abs. 2 der BUZVB dahin verstehen kann, dass die Aufzählung abschließend ist, und dass tatsächlich keine der drei Ausnahmen vorlag. Insbesondere ist die dritte Ausnahme nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts dahingehend zu verstehen, dass sich die versicherte Person zum Zeitpunkt der Leistungsablehnung noch in einer Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme befinden muss. Zwar hat die Klägerin ausweislich des von ihr erstellten Lebenslaufes (Anlage B18) zum Zeitpunkt der Leistungs- und Befristungsmitteilung im Februar 2017 eine Weiterbildung im Bereich Wirtschaft und Verwaltung beim BTZ Dresden absolviert (Anlage B18), welche sie selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht als „Wiedereingliederungsmaßnahme“ bezeichnet hat (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2018, Bl. 54 d. A.). Dennoch fällt die vorliegende Befristung nach verständiger Würdigung nicht unter diesen Ausnahmefall. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, st. Rspr., zuletzt Urteil vom 31.05.2023 – IV ZR 58/22 – juris, Rz. 12 m.w.N.). Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen kann die Klausel nicht anders verstanden werden, als dass die Befristung einen Zeitraum umfassen muss, für den Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahmen absolviert oder konkret vorgesehen oder beabsichtigt sind. Hierfür spricht zunächst die Verwendung des Präsens, die sich sinnvollerweise nur auf den Zeitpunkt der Befristung, nicht aber auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Befristung bezieht, sondern auch der ausdrücklich so bezeichnete Ausnahmecharakter einer Befristung. Die Gesamtschau und Würdigung aller drei aufgezählten Ausnahmetatbestände lassen für den um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer keinen anderen Schluss zu, als dass eine Befristung dann und auch nur dann erfolgt, wenn die Lage noch unklar ist, und der Versicherer noch nicht absehen kann, ob durch die laufende Maßnahme oder aufgrund noch offener Umstände die Einstandspflicht demnächst fortbestehen oder wegfallen wird und andererseits der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht in einem für diesen nicht mehr tragbaren Zeitumfang versorgungslos stellen will. Danach kommt es darauf an, ob zum Zeitpunkt des Endes der Befristung – hier also zum 30.11.2015 – einer der Ausnahmetatbestände vorlag. Dies ist nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht der Fall. Die Rehabilitationsmaßnahme in der R…. in B… K… war zum 04.11.2015 beendet, anschließend wurde die Klägerin zwar noch als arbeitsunfähig, aber mit der Einschätzung entlassen, es bestünden „keine quantitativen Einschränkungen hinsichtlich des Leistungsvermögens bezogen auf die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ (Entlassungsbericht der Klinik H…, Anlage B8, Seite 7). Dementsprechend war eine weitere Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme im Sinne des dritten Ausnahmetatbestandes nach § 7 Abs. 2 der BUZVB auch nicht weiter „vorgesehen oder beabsichtigt“. Im Ergebnis lag also zum maßgeblichen Befristungszeitpunkt 30.11.2015 keiner der Ausnahmetatbestände vor, nach denen die Beklagte nach ihren eigenen Bedingungen zur Befristung berechtigt gewesen wäre. Davon abgesehen wäre es in jedem Fall erforderlich gewesen, dann den nach den BUZVB maßgeblichen Grund für die Befristung anzugeben. Dies ist nicht erfolgt.

b3) Eine zulässige Befristung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Uno-Actu-Entscheidung“. Bei der Uno-Actu-Entscheidung handelt es sich um die Verbindung eines rückwirkenden Anerkenntnisses mit einer Leistungseinstellung durch eine Nachprüfungsentscheidung im Sinne der Versicherungsbedingungen und § 174 VVG „in einem Akt“ (Neuhaus, VersR 2023, 79 ff.). Nach Ziffer 8 Abs. 1 BUZVB hatte die Beklagte sich verpflichtet, dem Versicherungsnehmer den Wegfall der Berufsunfähigkeit (“Veränderung“) in Textform darzulegen. Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Mitteilung ist aber deren Nachvollziehbarkeit, also grundsätzlich eine Begründung, aus der für den Versicherten nachvollziehbar wird, warum nach Auffassung seines Vertragspartners die anerkannte Leistungspflicht enden soll (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1999 – IV ZR 155/98, VersR 2000, 171 unter II 2 a [juris Rn. 27]). Geht es um eine Gesundheitsbesserung, so ist im Nachprüfungsverfahren maßgebend der Vergleich desjenigen Gesundheitszustands, den der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – IV ZR 119/09, VersR 2010, 619 Rn. 10). Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Versicherers setzt daher in der Regel voraus, dass mit ihr diese Vergleichsbetrachtung vorgenommen wird und die aus ihr abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 1999 – IV ZR 123/98, VersR 1999, 958 unter II 1 a [juris Rn. 9]; vom 12. Juni 1996 – IV ZR 106/95, VersR 1996, 958 unter 2 b [juris Rn. 12]). Zur Erfüllung der Mindestvoraussetzungen dieser Nachvollziehbarkeit kann es auch genügen, dass der Versicherer dem Versicherten unverkürzt ein Gutachten zugänglich macht, aus dem er seine Leistungsfreiheit herleiten will, und – soweit noch erforderlich – in seiner Mitteilung ergänzend aufzeigt, dass die Gegenüberstellung der Ergebnisse des Gutachtens mit den Feststellungen und Bewertungen, die der Versicherer seinem Leistungsanerkenntnis zugrunde gelegt hat, eine nach den Versicherungsbedingungen maßgebliche Besserung ergeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1993 – IV ZR 155/92, NJW-RR 1993, 1238 unter 1 a [juris Rn. 10]). Wenn der Sachverhalt, der Gegenstand der Nachprüfung des Versicherers ist, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits der Vergangenheit angehört, können Anerkenntnis und Nachprüfungsentscheidung miteinander verbunden werden (BGH, Urteil vom 23.02.2022 – IV ZR 101/20 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Mitteilung der Beklagten vom 21.02.2017 (K6) nicht. Die Klägerin konnte der Mitteilung keine Beschreibung ihres Vorher-Nachher-Zustandes aus der Sicht der Beklagten entnehmen. Die Beklagte führt nicht aus, auf welche konkreten Umstände sie ihre Einschätzung der Berufsunfähigkeit bis zum 30.11.2015 stützt und aufgrund welcher Umstände sie den Wiedereintritt der Berufsfähigkeit der Klägerin sieht. Der schlichte Verweis auf die „Aussage von Prof. Dr. med. Sc…“ genügt hierfür nicht. Wegen der häufig existentiellen Bedeutung der Berufsunfähigkeitsversicherung für den Versicherungsnehmer ist der Versicherer nach Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Deshalb muss die Begründung so gestaltet sein, dass sie für den Versicherungsnehmer nachvollziehbar ist und er seine Rechte aus dem Versicherungsverhältnis hierauf beruhend sachgerecht wahrnehmen kann (BGH, IV ZR 235/18, Rz. 18, 19 jeweils m.w.N.). Im Ergebnis ist im Schreiben vom 21.02.2017 keine wirksame Änderungsmitteilung zu sehen. Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin selbst ursprünglich davon ausging, nur befristet und zum Antragszeitpunkt nicht mehr berufsunfähig gewesen zu sein. Zum einen ist die Beklagte hierauf gerade nicht eingegangen und hat unabhängig davon den Zeitpunkt der Beendigung der Berufsunfähigkeit auf den 30.11.2015 datiert, während die Klägerin in ihrem Leistungsantrag vom 04.07.2016 eine Berufsunfähigkeit bis zum 22.04.2016 geltend gemacht hatte. Zum anderen hat die Klägerin spätestens mit Schreiben der sie damals schon vertretenden Anwälte vom 19.09.2017 (Anlage K 10) klargestellt, dass sie sich weiterhin für berufsunfähig hält. Eine Regulierungserklärung außerhalb des Anwendungsbereiches der §§ 173 – 174 VVG (Schriftsatz der Beklagten vom 28.12.2022), mit der sich der Versicherer den Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung entziehen will, wäre ohnehin nicht anzuerkennen.

b4) Eine wirksame Einstellungsmitteilung liegt auch nicht im Schreiben der Beklagten vom 11.05.2017 (Anlage K 8). Gemessen an den oben genannten Grundsätzen wird auch durch dieses Schreiben der Versicherungsnehmer nicht angemessen in die Lage versetzt, die Entscheidung des Versicherers nachzuvollziehen und dementsprechend seine Rechte auszuüben. Zwar ist dem Schreiben das Gutachten des Prof. S… beigefügt, aus dem Gutachten ergibt sich aber nicht mit hinreichender Deutlichkeit der nach § 174 VVG erforderliche Vergleich zwischen dem vorherigen Gesundheitszustand und der Darlegung der Berufsunfähigkeit gemessen an einem bestimmten Arbeitsbild, sowie der spätere Zustand, ebenfalls gemessen an diesem zugrunde zu legenden Tätigkeitsprofil. Erschwert wird der Klägerin die Nachvollziehung der Einschätzung der Beklagten dadurch, dass der Privatsachverständige Prof. S…… zwar auf zahlreiche Fragen Bezug nimmt, diese Fragen seinem Gutachten aber nicht beigefügt sind. Unabhängig davon wäre es der Klägerin nicht zuzumuten gewesen, sich aus dem insgesamt umfangreichen und für Laien unübersichtlichen Gutachten die für sie maßgeblichen Informationen herauszusuchen ohne zu wissen, auf welche der dort aufgeführten Aspekte die Beklagte ihre Einschätzung gründet.

b5) Die Beklagte hat dann erstmals mit der Klageerwiderung vom 22.08.2018 die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung erfüllt. Eine solche kann nach gefestigter Rechtsprechung auch durch einen Schriftsatz im Prozess erfolgen (BGH, IV ZR 235/18, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 13.03.2019 – IV ZR 124/18, juris Rz. 24). Die Ausführungen in der Klageerwiderung unter Ziffer 3. nehmen ausdrücklich Bezug auf einzelne Aussagen des Sachverständigen Prof. S……, insbesondere die dort vorgenommene Vergleichsbetrachtung zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin vor der stationären Behandlung in der R.-Klinik H… und den in der Folge eingetretenen gesundheitlichen Verbesserungen. Die Beeinträchtigungen und Verbesserungen sind konkret bezeichnet und auch quantitativ wird ihr Arbeitsvermögen beziffert (“bis zu 6 Stunden täglich“) und im Einzelnen begründet. Es wird auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (dort auf Seite 21) verwiesen. Hieraus folgt wegen der grundsätzlichen Bindungswirkung eines einmal abgegebenen Anerkenntnisses – hier am 21.02.2017 -, dass die Beklagte zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen an die Klägerin bis zur wirksamen Einstellungsmitteilung verpflichtet ist, ohne dass es auf die Frage einer tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt fortdauernden Berufsunfähigkeit der Klägerin ankäme.

c) Die Bindungswirkung des Anerkenntnisses ist weder durch den am 21.02.2017 erklärten Rücktritt der Beklagten entfallen (c1), noch durch die von der Klägerin ausgesprochene konkrete Verweisung auf die von der Klägerin ab Januar 2018 ausgeübte Tätigkeit als Veranstaltungs- und Projektmanagerin beim Mercatorforum Migration und Demokratie an der TU Dresden (c2).

c1) Ungeachtet seiner etwaigen Wirksamkeit war der mit Schreiben vom 21.02.2017 erklärte Rücktritt nicht geeignet, die Bindungswirkung des Anerkenntnisses aufzuheben. Dabei kann dahinstehen, dass solche HWS-Probleme als auch Schlaflosigkeit unter anderem auch bei Depressionen oder einer PTBS auftreten können. Entscheidend ist, dass die Beklagte selbst ihre Leistungspflicht ungeachtet des Rücktritts für den hier streitgegenständlichen Versicherungsfall anerkannt hat. In dem Schreiben vom 21.02.2017 heißt es insoweit ausdrücklich:

„Da die nicht angegebenen Erkrankungen mit Ihren jetzigen Beschwerden nicht zusammenhängen, erhalten Sie die vereinbarten Leistungen.“

c2) Die Klägerin muss sich von der Beklagten nicht auf ihre ab Januar 2018 ausgeübte Tätigkeit als Veranstaltungs- und Projektmanagerin beim Mercator Forum an der TU Dresden verweisen lassen. Dies folgt aus den zwischen den Parteien vereinbarten BUZVB. In § 1 Abs. 4 a heißt es unter anderem:

„Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung wird von uns je nach Lage des Einzelfalles auf im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf, vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung, begrenzt. Bei Nichtselbständigen gilt eine Einkommensreduzierung von 20 % und mehr jedoch in jedem Fall als nicht zumutbar.“

Die Beklagte hat die Feststellungen des Landgerichts zum tatsächlichen Bruttoeinkommen der Klägerin in ihrem alten und in ihrem neuen Beruf nicht angegriffen. Daher ist für den ursprünglichen Beruf ein Bruttoeinkommen von 42.005,00 € zugrunde zu legen und für die neue Tätigkeit ein Jahresbruttogehalt von 29.000,00 €, womit die Einkommenseinbuße bei rund 31 % liegt und damit über dem Satz, den die Beklagte selbst als „in jedem Fall als nicht zumutbar“ bezeichnet. Diese Feststellung wird nicht durch den Umstand gehindert, dass die Klägerin in ihrem neuen Beruf nur teilzeitbeschäftigt ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt es ausschließlich auf die tatsächlich erzielten Einkünfte an, auch wenn die Einkommensminderung ausschließlich auf einer geringeren Stundenzahl beruht (BGH, Urteil vom 07.12.2016, IV ZR 434/15 – juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 23.01.2012 – 8 U 607/11, juris LS 2 und Rz. 33).

Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BUZVB erlosch damit die Leistungspflicht der Beklagten nach Ablauf von drei Monaten nach Zugang der wirksamen Einstellungsmitteilung im August 2018, mithin zum 01.12.2018.

3. Die Berufung hat aber insoweit Erfolg, als die Verurteilung zu Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab dem 01.12.2018 aufzuheben war. Der Beklagten ist der ihr obliegende Nachweis gelungen, dass die Klägerin jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berufsunfähig war. Im Anschluss an die ergänzende Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass die Klägerin im Jahr 2015 bedingungsgemäß berufsunfähig war, dieser Zustand aber zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung durch die Beklagte im August 2018 nicht mehr vorlag.

a) Dass die Klägerin ursprünglich mindestens vom 01.01.2015 bis zum 30.11.2015 bedingungsgemäß berufsunfähig war, ergibt sich aus der Gesamtschau der Ausführungen des Gutachters Dr. S… und den durch ihn in Bezug genommenen Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Prof. S…… sowie dem Bericht der R.-Klinik H… in B… K… vom 20.11.2015 (Anlage B 8). Nach der Einschätzung der Ärzte der R.-Klinik, wo sich die Klägerin vom 30.09. bis 04.11.2015 in stationärer Behandlung mit anschließender Rehabilitation befand, litt sie an einer Traumafolgestörung und einer depressiven Symptomatik (Seite 7 des Berichtes). Die depressive Episode bei Einlieferung wurde als mittelgradig bezeichnet (Seite 1 des Berichtes), allerdings unter der Therapie- und Rehabilitation als teilremittiert und aufgehellt. In die gleiche Richtung zielt der im Gutachten von Prof. S…… in Bezug genommene Bericht der Institutsambulanz der TU Dresden vom 09.08.2016, wonach eine mittelgradige Depression, teilremittiert und zusätzlich eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend histrionischen Anteilen gesehen wurden. Auch die von Prof. S…… zitierte fachärztliche Stellungnahme vom 20.10.2016 lässt eine Besserung der Beschwerden im Verlauf erkennen. All dies setzt bereits begrifflich eine zuvor schwerwiegendere Beeinträchtigung voraus. Der Privatgutachter der Beklagten, Prof. S…… gründete seine Einschätzung der Berufsunfähigkeit im Zeitraum Dezember 2014 bis November 2015 auf die ihm vorliegende Aktenlage und Eigenanamnese (Seite 36 des Gutachtens Prof. S……), denen zufolge die depressive Symptomatik von mittlerer Schwere im Sinne einer Episode und eine Traumafolgestörung im Mittelpunkt standen, nicht aber die unter anderem auch von der Institutsambulanz der TU Dresden schon mit festgestellte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit überwiegend histrionischem Anteil. Das bedeutet, dass die Leistungseinschränkungen der Klägerin im damaligen Zeitraum vor allem auf dem Traumaerleben und der damit einhergehenden depressiven Episode beruhte, nicht aber auf den histrionischen Anteilen ihrer – möglicherweise schon immer – vorliegenden Persönlichkeitsstörung. Dieser Einschätzung haben sich sämtliche im Verlauf des Rechtsstreits eingeholten Gutachten angeschlossen, also dasjenige des Dr. Dr. med. A… in erster Instanz und auch des Sachverständigen Dr. S… im Berufungsverfahren. Im Gutachten Dr. Dr. med. A… wir bestätigt, dass die Klägerin zwischen April 2014 und April 2015 zwar an einer ambulanten tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapie bei Dipl.-Psych. B… teilgenommen habe, ihr psychophysischer Zustand in diesem Zeitraum aber nicht entscheidend stabilisiert werden konnte, was die stationäre Reha-Maßnahme in der Klinik in B… K… notwendig gemacht habe. Diese sei nicht etwa vor dem Hintergrund einer histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung oder Störung, sondern aufgrund der damals festgestellten mittelgradig depressiven Episode und Traumafolgestörung erfolgt (Seite 48 Gutachten Dr. A…). Im Zuge der genaueren Auseinandersetzung mit den Anforderungen der damaligen Tätigkeit der Klägerin beim F. Institut kam Dr. Dr. med. A… ebenfalls zu der Einschätzung, jedenfalls bis zum Dezember 2015 sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen, ihre von ihm als anspruchsvoll eingeschätzte Tätigkeit zumindest zu 50 % wieder auszuüben (Seite 51 des Gutachtens). Der vom Senat als Obergutachter eingesetzte Dr. S… hat insoweit die Einschätzungen seiner Vorgutachter bestätigt. Er hat zwar sehr gut nachvollziehbar beschrieben, dass und weshalb eine posttraumatische Belastungsstörung als Ursache für eine Berufsunfähigkeit im Jahre 2015 nicht in Betracht kam, aber in gleicher Weise plausibel geschildert, dass mit dem von der Klägerin als bedrohlich erlebtem Erlebnis auch ein erheblicher Partnerschaftskonflikt einherging, der als Auslöser für eine schwere Krise in Form einer „depressiven Episode“ fungiert habe. Dies werde auch durch den Bericht der Klinik in Bad Kissingen belegt. Dass sich die Einschätzungen der Sachverständigen letztlich „nur“ auf im Wesentlichen zwei Berichte aus dem fraglichen Zeitraum stützen und nicht auf eigenen Untersuchungen im Jahre 2015/2016 beruhen, hindert nicht die Überzeugung des Senats, dass die Beklagte mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Beweismaß das Vorliegen der Berufsunfähigkeit für den genannten Zeitraum nachgewiesen hat. Für den Versicherer ist der Nachweis, dass eine sich aktuell zeigende ausreichende berufliche Leistungsfähigkeit gerade darauf beruht, dass sich ein früher tatsächlich gegebener psychischer Krankheitszustand mit relevanten funktionellen Einschränkungen gebessert hat, schwierig. Organisch manifestierte Zustände – sofern objektive Untersuchungsmöglichkeiten wie bildgebende Verfahren oder Ähnliches existieren – sind typischerweise leicht feststellbar, dementsprechend sind die zu verschiedenen Zeitpunkten erhobenen Befunde miteinander vergleichbar, so dass ein in einem Nachprüfungsverfahren beauftragter Sachverständiger erkennen kann, ob einem aktuell gesunden Zustand ein Genesungsprozess vorausging oder aber ob er unverändert schon immer bestand und eine früher einmal angenommene krankheitsbedingte Leistungseinschränkung auf einer – für das Nachprüfungsverfahren irrelevanten – Fehleinschätzung beruhte. Anders ist dies bei der Erhebung psychischer Befunde im Zusammenhang mit ihrer Natur nach Schwankungen unterworfenen seelischen Erkrankungen wie depressiven Störungen, die offenkundig jedenfalls auch von der Entwicklung äußerer Lebensumstände und psychischer Verarbeitungsprozesse abhängen. Die Seele ist kein fixes Untersuchungsobjekt, bezüglich dessen eine einmal erfolgte Diagnoseerhebung zu jedem beliebigen, gegebenenfalls – wie hier – mehrere Jahre später liegenden Zeitpunkt reproduzierbar wäre. Entsprechend problematisch ist die nachträgliche Klärung von Art und Ausmaß der genauen beeinträchtigenden Auswirkungen einer seelischen Erkrankung, bei welcher der Begutachtende sich zu einem erheblichen Teil auf subjektive Beschwerdeschilderungen und – in gewissem Rahmen vom Betroffenen steuerbare – Testresultate verlassen muss (OLG Saarbrücken, Urteil vom 25.02.2015 – 5 U 31/14 – juris Rz. 104). Vor diesem Hintergrund muss auch bei der dürftigen Beweislage – wie hier – eine Überzeugungsbildung möglich sein, die der Senat vorliegend auf die einhellige Meinung aller mit der Sache befassten Gutachter stützt. Diese Einhelligkeit der Einschätzung wiegt umso mehr, als die Gutachter in anderen Punkten durchaus unterschiedlicher Meinung waren, so dass ein bloßes „Voneinander-Abschreiben“ ausgeschlossen werden kann.

Im Übrigen gilt es, Folgendes zu berücksichtigen: In dem beiden Vertragsparteien Rücksicht auf die Interessen der Gegenseite abverlangenden Nachprüfungsverfahren muss der dem Schutz des Versicherungsnehmers dienende Grundsatz, wonach das Anerkennen der Leistungspflicht eine Selbstbindung des Versicherers herbeiführt, die ihm das Recht abschneidet, den Sachverhalt zu jedem beliebigen Zeitpunkt neu aufzurollen, um dem Versicherungsnehmer das bereits Zugebilligte wieder zu nehmen (dazu Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl. 2011, § 6 BUZ 2008, Rdn. 13), auch eine Kehrseite haben. Auch der Versicherungsnehmer, der vormals davon profitierte, dass der Versicherer ihm im Rahmen der Leistungsprüfung die vorgetragene und gutachterlich plausibel bestätigten Beeinträchtigungen „glaubte“, muss sich in gewissem Maße an der früheren gemeinsamen Annahme einer wirklichen Berufsunfähigkeit festhalten lassen. Er kann sich von ihr nicht allein dadurch lösen, dass er im Nachprüfungsverfahren ins Blaue hinein behauptet, Vortrag und/oder Gutachten seien vielleicht falsch gewesen und der Versicherer möge nun erst einmal den Nachweis erbringen, dass das ausgeschlossen werden könne. Das wäre treuwidrig (§ 242 BGB). Für den Nachprüfungsprozess bedeutet das: Hat ein Versicherter eine die weitere Berufsausübung ausschließende psychische Erkrankung behauptet, ging der Versicherer dieser Behauptung im Wege einer psychiatrischen Begutachtung nach, kam der Gutachter im Rahmen seiner Exploration und auf der Grundlage der ihm geschilderten Beschwerden sowie der deutliche Einschränkungen zeigenden Resultate von Leistungstests oder der klinischen Exploration zu der plausibel begründeten Annahme einer Berufsunfähigkeit und veranlasste so den Versicherer, dem Versicherten zu glauben und seine Leistungspflicht anzuerkennen, darf das Gericht – zunächst einmal – vom ursprünglichen Vorliegen einer Berufsunfähigkeit ausgehen. Will der Versicherungsnehmer das infrage stellen und eine weitere (sachverständige) Aufklärung erreichen, so ist er – einer sekundären Darlegungslast vergleichbar – gehalten, die Richtigkeit des Gutachtens mit konkreten Argumenten in Zweifel zu ziehen und die potenzielle Auswirkung behaupteter Fehler darzutun. Solche könnten etwa die Fachkunde des ersten Gutachters betreffen oder ergebnisrelevante „handwerkliche“ Mängel des Gutachtens oder Denkgesetze verletzende Schlüsse (OLG Saarbrücken, a.a.O. – juris Rz. 8).

Die Klägerin hat keine „handwerklichen“ Mängel der fachlichen Einschätzung der Klinik B… K… vorgebracht. Soweit sie die Einschätzung des Sachverständigen Prof. S…… angreift, bezieht sich dies nur auf die Feststellung der nicht mehr vorhandenen Berufsunfähigkeit nach Ablauf des Jahres 2015. Die Klägerin zeigt auch nicht auf, warum der Sachverständige Prof. S……, und mit ihm die Sachverständigen Dr. Dr. med. A… und Dr. S… sich nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der aus dem Jahre 2015 und 2016 stammenden Befundberichte, Einschätzungen und Diagnosen hätten verlassen dürfen.

Daher ist im Ausgangspunkt von einer tatsächlich zunächst vorliegenden bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit im Sinne des § 1 BUZVB auszugehen.

b) In gleicher Weise ist der Senat davon überzeugt, dass der Beklagten der Nachweis der wiederhergestellten Berufsfähigkeit der Klägerin vor August 2018 gelungen ist. Diese Einschätzung kann gestützt werden auf sämtliche medizinischen Befundberichte und – mit Ausnahme des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Dr. med. A… – auch auf die auf eigenen Untersuchungen gegründeten Einschätzungen der mit der Sache befassten Gutachter. Keiner der Gutachter konnte die von der Klägerin subjektiv geschilderten Konzentrationsstörungen und hinreichend ausgeprägten Schwächephasen objektivieren und zwar weder in Testverfahren noch im klinischen Eindruck. Auch die von der Klägerin angegebenen Somatisierungsstörungen konnten nach den Ausführungen beider Gutachter nicht in einer Weise objektiviert werden, dass hieraus der Rückschluss auf ein mindestens 50 %iges Leistungsunvermögen gezogen werden könnte. In der Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Dr. med. A… überzeugen den Senat die Erläuterungen des Sachverständigen Dr. S…. Dieser hat ausgeführt, dass der klinische Eindruck entscheidend sei, weil die Eigenanamnese des Patienten – bewusst oder unbewusst – verfälschend wirken könne. Dies könne auf unbewusster, persönlichkeitsbedingter Verzerrung der Schilderung beruhen, auf etwaigen, vom Betroffenen selbst möglicherweise gar nicht bewusst wahrgenommenen Versorgungswünschen und Ähnlichem. Daher sei der klinische Eindruck entscheidend. Insoweit hätten aber weder der Privatgutachter Prof. S…… noch der Gerichtsgutachter Dr. Dr. med. A… Leistungseinschränkungen bei der Klägerin eruieren können, die objektivierbar zu einer mindestens 50 %igen Berufsunfähigkeit noch im Jahre 2018 geführt hätten. Formale Denkstörungen seien bei der Klägerin nicht festzustellen gewesen, die depressive Symptomatik war nach der Einschätzung aller mit den Beeinträchtigungen der Klägerin befassten Gutachter und Ärzte rückläufig und nur noch leichtgradig ausgeprägt. Auch die Traumafolgestörungen wurden als leicht beschrieben. Der Sachverständige Dr. S… ist insofern als einziger ausführlich auf die bei der Klägerin inzwischen mehrfach diagnostizierte histrionische Persönlichkeitsakzentuierung bzw. -störung eingegangen und hat sowohl schriftlich als auch mündlich ausgeführt, dass diese jedenfalls für sich gesehen, keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer Berufsunfähigkeit liefere. Soweit die histrionische Persönlichkeitsausprägung bei der Klägerin schon den Grad einer Störung erreicht haben sollte und soweit davon ausgegangen werden könne, dass diese immer wieder zu den von der TU Dresden in ihrem Bericht vom 08.11.2021 so bezeichneten „repetitiven maladaptativen Beziehungsmustern und damit einhergehenden Arbeitsplatzkonflikten“ (Seite 5 des Berichtes vom 08.11.2021) führten, sei eine solche Persönlichkeitsakzentuierung/bis hin zur Störung auf jeden Fall in der Persönlichkeit angelegt und werde nicht nachträglich erworben (Seite 29 seines Gutachtens vom 12.12.2022 und Seite 3 des Protokolls vom 27.06.2023, mündliche Anhörung des Sachverständigen). Der Sachverständige hat hieraus für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass in der Gesamtschau bei der Klägerin wahrscheinlich eine „rezidivierende depressive Störung“ vorliege, die im hier maßgeblichen Zeitraum aber nicht aufgetreten sei. In den allermeisten Fällen würden derartige Rezidive nur wenige Monate andauern und würden daher „nur“ zu einer Arbeitsunfähigkeit führen. Hier allerdings sei für den Zeitraum bis Ende 2015 ein Ausnahmefall einer längeren Episode beschrieben, die anschließend aber auch abgeklungen sei. Im Anschluss an diese in sich schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. S… ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin im Zeitraum der ersten wirksamen Einstellungsmitteilung, nämlich im Jahre 2018, berufsfähig war und die Einstellungsmitteilung daher zu Recht erfolgte.

4.

a) Für den vorausgehenden Zeitraum vom 01.12.2015 bis 30.11.2018 besteht ein Anspruch der Klägerin zunächst in der vom Landgericht bereits ausgeurteilten Höhe wie in Ziff. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils. Monatlich steht der Klägerin ab 01.12.2015 zunächst eine Berufsunfähigkeitsrente von 1.122,20 € zu. Hinzuzuzählen sind die von der Klägerin für die Dauer der Berufsunfähigkeit geforderten Rückzahlungen für geleistete Beiträge, die ausweislich des Tenors unter Ziffer 1. des angefochtenen Urteils den jeweiligen Monatsbeiträgen zugeschlagen wurden, und deren Höhe zwar nur teilweise aus den vorgelegten Unterlagen nachvollziehbar ist, zwischen den Parteien aber nicht im Streit steht. Für den Monat März ergibt dies einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 24,97 € und für die Monate von April bis Mai 2018 jeweils 55,80 €. Dies ergibt einen Gesamtbetrag in Höhe von 35.556,06 €, wie vom Landgericht zugesprochen. Eine Reduzierung dieses Betrages unter dem Gesichtspunkt eines Dynamiknachtrages der Beklagten vom April 2017 auf die Hälfte der zuvor geschuldeten Leistungen kommt bereits nach den eigenen Ausführungen der Beklagten nicht in Betracht, denn diese hat mit Schreiben vom 11.05.2017 (Anlage K8) und auch in der Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Dynamiknachtrag aus April 2017 um ein Versehen gehandelt habe.

b) Weiterhin bleibt es bei der vom Landgericht unter Ziff. 2 des Tenors zugesprochenen Feststellung der Leistungspflicht, allerdings wegen der wirksamen Einstellungsmitteilung in der Klageerwiderung nur eingeschränkt, nämlich bis einschließlich November 2018. Nach den insoweit ebenfalls unangefochtenen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil wurde diese der Klägerin noch im August 2018 zugestellt (Seite 22 oben des landgerichtlichen Urteils). Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 der vereinbarten BUZVB, der § 174 Abs. 2 VVG entspricht, sind ab diesem Zeitpunkt also drei weitere Monatsrenten geschuldet. Damit war die Pflicht der Beklagten zur Zahlung weiterer 6 Monatsbeiträge über den Mai 2018 hinaus festzustellen.

5. Der Zinsenausspruch beruht auf Verzug, §§ 286, 288 BGB. Der Verzug ist eingetreten mit Zugang des Anerkenntnisschreibens vom 21.02.2017, der nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichtes am 24.02.2017 erfolgte.

6. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung unter Ziffern 3. bis 5. des Tenors des landgerichtlichen Urteils richtet. Dies folgt daraus, dass die Leistungspflicht der Beklagten und damit auch der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Beitragszahlungspflicht mit Ablauf des 30.11.2018 geendet hat (siehe oben). Ein Feststellungsinteresse für die Zukunft im Hinblick auf die Pflicht zur Zahlung der monatlichen Rente und Befreiung der monatlichen Beiträge besteht daher nicht.

7. Die Berufung hat im Wesentlichen keinen Erfolg im Hinblick auf die zugesprochene Feststellung unter Ziffer 6. des Tenors des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass ihre Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus der „Wunschpolice“ Nr. ….07 nicht durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 17.08.2016 vorgenommene Rücktrittserklärung beendet wurde. Es besteht allerdings kein Anspruch auf die Feststellung, dass die Versicherung zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte ist mit Schreiben vom 17.08.2016 nicht wirksam vom streitgegenständlichen Zusatz-Versicherungsvertrag zurückgetreten.

a) Ein Rücktrittsrecht wegen einer vorsätzlichen Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag besteht nicht. Der Beklagten ist der Nachweis eines solchen Vorsatzes nicht gelungen. Entgegen ihrer in erster Instanz geäußerten Auffassung (Seite 8 ihres Schriftsatzes vom 20.11.2018, Bl. 80 d. A.), trägt nicht die Klägerin, sondern die Beklagte die Beweislast für den Vorsatz (BGH, Urteil vom 02.04.2014 – IV ZR 124/13 in: VersR 14, 699, 700 f.; Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 28 Rz. 193 m.w.N.). Dies folgt aus der Formulierung des § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG und e contrario aus Abs. 2 Satz 2. „Vorsatz“ erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der „Verhaltensnorm“ (ständige Rechtsprechung, BGH VersR 55, 340). Die Folgen der Obliegenheitsverletzung muss der Versicherungsnehmer nicht kennen und also auch nicht wollen (Prölss/Martin, a.a.O., Rz. 189 m.w.N.). Vorliegend behauptet die Beklagte eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung durch Verschweigen vorheriger Beratungen im Hinblick auf die Schlaflosigkeit, die sie mit der Gesundheitsfrage B.4 8:

„Sind Sie in den letzten fünf Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich Psyche (z. B. Depressionen, Angststörungen, Psychosen, psychosomatische Störungen)?“

erfragt haben will und auf die Verneinung der Frage B.4 9., die sich auf Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen der „Wirbelsäule, Sehnenbänder, Muskeln, Knochen oder Gelenke“ bezieht. Tatsächlich ergaben die Nachforschungen der Beklagten, dass die Klägerin sich von ihren damals behandelnden Ärzten Drs. B. und M. am 07.01.2011, also rund vier Monate vor Antragstellung am 10.05.2011 im Zuge einer Impfberatung auch bezüglich eines HWS-Syndroms und Schlafstörungen hatte beraten und teilweise behandeln lassen. Ausweislich der Anlage B11 und der dort enthaltenen Auskunft der behandelnden Ärzte sind der Klägerin die Diagnosen Schlafstörungen und HWS-Syndrom auch mitgeteilt und ein pflanzliches Beruhigungsmittel verschrieben worden. Es erscheint wenig nachvollziehbar, dass die Klägerin nach ihrer Einlassung zwar die Verschreibung eines Beruhigungsmittels einerseits für völlig bedeutungslos gehalten haben will, andererseits aber die für den Versicherungsvertrag bedeutungslose Benutzung eines Verhütungsmittels angegeben hat. Hat der Versicherungsnehmer harmlosere Umstände als den verschwiegenen angezeigt, so spricht dies in der Regel für Vorsatz (Prölss/Martin, a.a.O., § 19 Rz. 122; OLG Karlsruhe, VersR 1990, 1264, 1265 f.). Für ein bewusstes Verschweigen spricht auch, dass die Klägerin vier Jahre später, also im Jahre 2015 bei der Aufnahme zur stationären Behandlung in der Klinik am … in B… K… selbst angegeben hatte, „von 2007 bis 2012 mehrmals Burnout mit massiven Schlafstörungen“ gehabt zu haben (Anlage B 8, S. 2). Dennoch ist der Senat aus folgenden Gründen nicht davon überzeugt, dass die Klägerin vorsätzlich objektive Falschangaben gemacht hat: Dies gilt zunächst für die Verneinung der Frage nach Beratungen und Behandlungen in Bezug auf die Psyche. Schlaflosigkeit ist nicht mit einer psychischen Erkrankung gleichzusetzen, sie kann auch organische Ursachen haben oder stressbedingt sein, ohne dass damit eine psychische Erkrankung einhergeht oder sie kann, wie es die Klägerin in der Anhörung vor dem Landgericht angegeben hat, „lärmbedingte“ Ursachen haben, in dem Falle das Schnarchen des Partners. Dass die Schlaflosigkeit, die unter anderem Gegenstand des Arztbesuches im Juni 2014 war, im Zusammenhang mit zuvor bereits aufgetretenen Burnout-Phasen und damit im Zusammenhang mit psychischen Beschwerden stand, hat die Beklagte nicht nachgewiesen, diesbezüglich hat sie in erster Instanz auch keinen Beweis angetreten. Selbst wenn die Ärzte entsprechend dem Beweisangebot auf Bl. 176 d. A. der Schlafstörung eine „pathologische“ Bedeutung im Sinne einer Behandlungsbedürftigkeit beigemessen hätten, so wäre hieraus nicht der Schluss zu ziehen, dass dies zugleich auf psychischen Beschwerden oder Probleme beruht habe. Das Beweisangebot in der Berufungsinstanz gerichtet auf den Beweis der Beklagtenbehauptung, die Klägerin selbst habe bei diesem Arztbesuch den Ärzten die Schlafstörung im Zusammenhang mit einer Burnout-Symptomatik, jedenfalls aber im Zusammenhang mit psychosomatischen Beschwerden geschildert (Bl. 238 Rs. d. A.), ist nicht mehr zuzulassen. Das Landgericht hat in seinem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 27.11.2018, dort unter Ziffer 6. ausdrücklich darauf hingewiesen, es sehe in der Nichtoffenbarung der Schlafstörungen keinen Anzeigepflichtverstoß der Klägerin. Da der Beklagten zu diesem Zeitpunkt längst der Bericht der Klinik B… H… vom 12.11.2015 vorlag, in dem die Burnout-Symptomatik erwähnt wurde, wäre es der Beklagten ohne Weiteres möglich gewesen, ihre Behauptung bereits in 1. Instanz ordnungsgemäß unter Beweis zu stellen.

Damit ist das Beweisangebot der Beklagten in zweiter Instanz nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der Beklagten der Beweis vorsätzlicher Falschbeantwortung der Frage nach Behandlungen und Beratungen im Zusammenhang mit der Psyche nicht gelungen ist.

Anders verhält es sich mit der unstreitigen Beratung wegen der Halswirbelsäule und der Verschreibung des pflanzlichen Sedativums „Kytta“. Hier ist von einfacher Fahrlässigkeit auszugehen. Nach Beratungen im Zusammenhang mit Erkrankungen an Wirbelsäule und Muskeln sowie nach der Verschreibung von Medikamenten ist ausdrücklich gefragt worden, wobei gerade nicht nach krankheitswertigen oder nicht krankheitswertigen Beschwerden unterschieden wurde. Gesundheitsfragen sind vom Versicherungsnehmer grundsätzlich erschöpfend zu beantworten, die Wertung, ob es sich bei den anzugebenden Störungen um erhebliche handelt oder nicht, obliegt grundsätzlich der Wertung des Versicherers (vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2003 – IV ZR 67/02; Urteil vom 20.09.2000 – IV ZR 203/99, Orientierungssatz 2 m.w.N.). Damit hat die Beklagte als Beweispflichtige einen objektiven Anzeigenpflichtverstoß aufgezeigt. Das Unterlassen der Anzeige der Beratung im Zusammenhang mit dem diagnostizierten HWS-Syndrom ist aber nicht als grob fahrlässig anzusehen. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Maße außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste (Prölss/Martin-Armbrüster, a.a.O., § 28 Rz. 205 m. Nachw. auf die std. Rechtsprechung). Es muss sich um schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzungen, die das gewöhnliche Maß erheblich übersteigen, handeln (Prölss/Martin, a.a.O., m.w.N.). Angesichts des Umstands, dass die erwähnte HWS-Konsultation zu keiner Verschreibung geführt hat und es sich obendrein bei dem pflanzlichen Sedativum „Kytta“ nach der unwiderlegten Behauptung der Klägerin um ein Mittel handelte, um das Schnarchen des Partners besser auszuhalten, ist grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Damit sind sowohl nach den eigenen Versicherungsbedingungen der Beklagten als auch nach dem ausdrücklichen Inhalt des Schreibens vom 17.08.2016 sowohl Rücktritt als auch Kündigung ausgeschlossen. Denn danach sind Rücktritt und Kündigung nach der ausdrücklichen Aufzählung im Schreiben vom 17.08.2016 nur möglich, wenn die Beklagte in Kenntnis der verschwiegenen Umstände den Antrag nicht angenommen hätte. Tatsächlich hat die Beklagte aber selbst ausgeführt, sie hätte den Antrag in Kenntnis der HWS-Problematik, wenn auch zu anderen Bedingungen angenommen, nämlich in Form eines Prämienzuschlages „von 50“ (Seite 22 Klageerwiderung, Bl. 50 dA). Im Hinblick auf das Sedativum hat die Beklagte ebenfalls nicht ausgeführt, dass sie den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, sondern lediglich, dass sie die Beschwerden der Klägerin noch abgeprüft hätte. Damit greift das in § 14 Abs. 9 der zwischen den Parteien vereinbarten AVB FRBZ (Anlage K3) vereinbarte Recht der Beklagten, rückwirkend den Vertrag anzupassen. Hierauf hat sich die Beklagte auch zulässigerweise im Rücktrittsschreiben berufen.

Im Ergebnis führte dies zur Aufrechterhaltung des Feststellungsanspruches der Klägerin im Hinblick auf den Fortbestand der Berufsunfähigkeitsversicherung allerdings ohne den Zusatz „zu gleichen Bedingungen“.

8. Die Berechtigung der Feststellung, dass sich die Höhe der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente nach dem Ende der Starterphase nicht reduziert hat, ergibt sich daraus, dass die Beklagte zunächst selbst zugestanden hat, diese Kürzung „irrtümlich“ ausgesprochen zu haben. Das Feststellungsinteresse besteht, weil die Beklagte nicht klargestellt hat, sich hierauf für den Fall der Feststellung des Fortbestandes des Versicherungsvertrages nicht berufen zu wollen.

9. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.930,66 €. Dies entspricht einer 1,3 Gebühr aus einem Streitwert von bis zu 65.000 € zuzüglich USt und folgt aus dem Umfang des Obsiegens der Klägerin (hierzu sogleich unten). Die erstinstanzliche Feststellung der Freistellungspflicht wegen Verzugs hat die Beklagte mit ihrer Berufung nicht angegriffen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes fußt auf den §§ 3, 9 ZPO. Der Senat orientiert sich hierbei an der Entscheidung des BGH vom 6.10.2011 – IV ZR 183/10 (juris) und gelangt danach zu einem Wert von 95.583, 66 €. Danach beträgt der Wert des Antrags in Ziff. 1 des angefochtenen Urteils 35.556,06 €, Ziff. 2 47.132,40 €, Ziff. 3, 4, 6 und 7 einheitlich 9.895,20 € und des Antrags Ziff. 5 geschätzt 3.000 €. Die Beklagte obsiegt demnach hinsichtlich des Antrages Ziff. 2 mit 40.400,20 € und hinsichtlich Ziff. 5. mit gerundet 3.000,00 €, woraus sich die Kostenquote von 45 % zu 55 % ergibt.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 BGB nicht vorliegen.

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