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Steuer-Rechtsschutz – Voraussetzung für Deckungsschutz Steuerverwaltungsakt als Versicherungsfall

OLG Nürnberg – Az.: 8 U 2967/20 – Beschluss vom 27.11.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 29.07.2020, Az. 3 O 1473/19 Ver, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Deckungsschutz im Rahmen einer vom 21.08.2008 bis 01.01.2013 bestehenden Rechtsschutzversicherung (Anlage K 1 und K 2). Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Rechtsschutz-Versicherungen der Beklagten (im Folgenden: ARB; Anlage K 3) zugrunde, die im Wesentlichen den Musterbedingungen ARB 2010 entsprechen.

Hintergrund ist eine mit notariellem Vertrag vom 20.09.2012 erfolgte Übertragung des früheren einzelkaufmännischen Unternehmens des Klägers an die B. (Anlage K 4). Diese bewertete das Finanzamt Ansbach als entgeltliches Geschäft mit einem Veräußerungsgewinn von 891.347,00 € und erließ am 18.12.2014 einen Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2012, in dem eine vom Kläger zu entrichtende Einkommensteuer von 345.578,00 € festgesetzt wurde (Anlage K 5). Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger im September 2019 Klage gegen den vorbenannten Bescheid vor dem Finanzgericht Nürnberg (Anlage K 9). Die Beklagte lehnte einen Deckungsschutz für das finanzgerichtliche Verfahren ab (Anlage K 13). Dieses Verfahren wurde zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärt und dem Finanzamt Ansbach wurden mit Beschluss vom 30.09.2020 die Kosten des Verfahrens auferlegt (Anlage K 15).

Das Landgericht hat die auf Freistellung von Steuerberaterkosten in Höhe von 3.396,90 €, Zahlung von 284,00 € und Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten für das finanzgerichtliche Verfahren gerichtete Klage vollständig abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Angelegenheit zwar den vom Versicherungsvertrag umfassten Steuerrechtsschutz vor Gerichten für die Ausübung selbständiger Tätigkeiten betreffen dürfte. Den Versicherungsfall bilde hier jedoch der Einkommensteuerbescheid vom 18.12.2014 und dieser sei erst nach Beendigung des Versicherungsschutzes erlassen worden. Aus § 4 Abs. 4 ARB ergebe sich keine andere Würdigung.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.

II.

Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers aus § 125 VVG, § 2 lit. e) ARB verneint. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.

1.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 02.10.2020 mitgeteilt hat, es bestehe im Hinblick auf die Kostenentscheidung des Finanzgerichts Nürnberg kein wirtschaftliches Interesse mehr an der Fortführung des hiesigen Verfahrens, kann zunächst offen bleiben, ob hierdurch das Rechtsschutzbedürfnis an einer Hauptsacheentscheidung oder zumindest das Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu III. entfallen ist.

Das rechtliche Interesse dürfte sich jedenfalls auf eine Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits verlagert haben. Dem Rechnung tragende Prozesserklärungen hat der Kläger jedoch bislang nicht abgegeben. Er hat lediglich ein Angebot bzw. denkbare Lösungen geäußert. Eine abschließende Erklärung ist trotz Aufforderung durch den Senat nicht erfolgt.

2.

Unabhängig davon bestand keine Verpflichtung der Beklagten, für das finanzgerichtliche Verfahren Rechtsschutz zu gewähren und die damit verbundenen Verfahrenskosten zu übernehmen. Dies hat die Vorinstanz zutreffend entschieden.

a)

Der Eintritt des Rechtsschutzfalles (Versicherungsfalles) richtet sich im Streitfall nach § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. d) ARB (entspricht § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c ARB 2010). Danach ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem ein anderer – hier das Finanzamt Ansbach – nach den Behauptungen des Versicherungsnehmers einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen haben soll. Dieser Zeitpunkt muss nach Beginn des Versicherungsschutzes (einschl. einer Wartezeit von drei Monaten) und vor Beendigung des Versicherungsschutzes liegen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 ARB).

Begehrt der Versicherungsnehmer Deckungsschutz für die Verfolgung eines eigenen Rechtsschutzziels („Aktivprozess“), richtet sich die Festlegung des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalles i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. d) ARB allein nach der von ihm behaupteten Pflichtverletzung seines Anspruchsgegners, auf die er seinen Anspruch stützt (vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2013 – IV ZR 23/12, r+s 2013, 283 Rn. 12 m.w.N.). Die vom Kläger unter dem 17.09.2019 vor dem Finanzgericht erhobene Anfechtungsklage (§§ 40 Abs. 1, 100 Abs. 1 FGO) richtete sich gegen die vom Finanzamt Ansbach vorgenommene Einkommensteuerfestsetzung für 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung von 11.09.2019 (Anlage K 9). Gegenstand dieser Einspruchsentscheidung wiederum war der Einkommensteuerbescheid vom 18.02.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 31.07.2015 (Anlage K 8). Diese Bescheide hat der Kläger als rechtswidrig angefochten.

Wendet sich der Versicherungsnehmer – wie hier – im Klagewege gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt, so stellt der Erlass dieses Verwaltungsakts den Eintritt des Versicherungsfalls in dem vorbenannten Sinne dar (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2019 – 9 O 55/19, juris Rn. 42 f.; Harbauer/Cornelius-Winkler, Rechtsschutzversicherung, 9. Aufl., ARB 2010 § 4 Rn. 234; Bauer, DStR 2005, 1665, 1667). Der Bescheid muss dem Versicherungsnehmer während des nach § 4 Abs. 1 Satz 2 ARB maßgeblichen Zeitraums zugestellt worden sein. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der den Kläger belastende Ausgangs-Steuerverwaltungsakt (§ 118 AO) datiert vom 18.02.2014 und ist den Bevollmächtigten des Klägers am Folgetag zugegangen (Anlage K 5). Der Versicherungsschutz endete jedoch infolge einer Kündigung bereits am 01.01.2013 (§ 8 ARB; Anlage K 2).

b)

Es liegt auch kein „gedehnter Versicherungsfall“ i.S.v. § 4 Abs. 2 ARB vor. Denn der Rechtsverstoß, den der Kläger seinem Gegner – dem Finanzamt Ansbach – vorgeworfen hat, bestand aus dem Erlass eines Einkommensteuerbescheides für 2012. Es handelte sich nicht um ein aus verschiedenen gleichartigen Einzelakten zusammengesetztes Verstoßverhalten.

c)

Nichts anderes ergibt sich aus § 4 Abs. 4 ARB. Diese Klausel regelt nicht den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls. Sie enthält vielmehr einen Risikoausschluss für den Steuer-Rechtsschutz, der Zweckabschlüssen vorbeugen soll (vgl. Harbauer/Cornelius-Winkler, aaO. Rn. 235). Danach steht der Rechtsschutz unter der zusätzlichen – aber nicht ausschließlichen – Voraussetzung, dass die zur Festsetzung der Steuer maßgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen nach Versicherungsbeginn eingetreten sind. Dass der für die Steuerfestsetzung relevante notarielle Vertrag innerhalb der Versicherungszeit geschlossen wurde, genügt demnach entgegen der Ansicht des Klägers für sich allein nicht.

3.

Soweit die Berufung dem Landgericht einen Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 139 ZPO vorwirft, fehlt es an Darlegungen, was im Anschluss an den für erforderlich gehaltenen Hinweis ergänzend vorgetragen worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.2016 – VI ZB 4/16, NJW-RR 2016, 952 Rn. 14 m.w.N.). Eine Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verfahrensfehlers lässt sich daher nicht feststellen.

III.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat, die Berufung zurückzunehmen. Hierdurch würden sich die Gerichtskosten von 4,0 auf 2,0 Gebühren reduzieren (Nr. 1222 KV GKG).

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