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Berufsunfähigkeitsversicherung –  arglistige Täuschung – längere Krankschreibung verschwiegen

Das Versicherungsrecht regelt unter anderem das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsgeber, insbesondere im Hinblick auf Berufsunfähigkeitsversicherungen. Diese dienen der Absicherung des Risikos der Berufsunfähigkeit und sind in ihrer Bedeutung kaum zu unterschätzen. Doch was passiert, wenn der Antragsteller bei der Beantragung der Versicherung falsche Angaben macht, insbesondere zu seiner Gesundheit? Das ist das zentrale Thema des folgenden Urteils des OLG Dresden. Die Begriffe „arglistige Täuschung“ und „längere Krankschreibung“ spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Es geht um die Frage, ob und welche Auswirkungen eine arglistige Täuschung, etwa durch das Verschweigen einer längeren Krankschreibung, auf den Versicherungsvertrag hat. Dieser Fall illustriert den Konflikt zwischen dem Interesse des Versicherungsnehmers an Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Verpflichtung zur korrekten Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antragsverfahren. Es wird das Spannungsfeld zwischen den Pflichten des Versicherungsnehmers und den Rechten des Versicherungsgebers dargestellt. Gleichzeitig leuchtet er die Komplexität der Gesundheitsfragen und die Konsequenzen einer Falschbeantwortung aus, vor allem wenn eine arglistige Täuschung im Raum steht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 789/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Der Kläger wurde für arglistige Täuschung in seiner Berufsunfähigkeitsversicherung verurteilt, nachdem er objektiv falsche Antworten zu seiner Gesundheit gegeben und eine längere Krankheitsgeschichte verschwiegen hatte.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Der Kläger gab falsche Informationen zu seiner Gesundheit in seiner Berufsunfähigkeitsversicherung an und verschwieg eine längere Krankheitsgeschichte.
  2. Die Methode der arglistigen Täuschung wurde als betrügerisch und illegal angesehen.
  3. Der Kläger vergaß angeblich eine über einen Monat dauernde Krankheit und eine daraus resultierende MRT-Untersuchung, was als unglaubwürdig angesehen wurde.
  4. Der Kläger, ein Lehrer, wurde in seiner beruflichen Frühphase als nicht belastbar angesehen, aufgrund seiner nicht angegebenen psychischen und physischen Krankheitsgeschichte.
  5. Die Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen wurde als arglistige Verletzung der Offenbarungspflichten angesehen.
  6. Es wurde angenommen, dass der Kläger das Urteil des Versicherers durch seine Falschangaben bewusst beeinflussen wollte.
  7. Es wurde auch angegeben, dass es bei der Beantwortung von Gesundheitsfragen keine Rolle spielt, ob eine Krankheit oder ein Symptom bedeutungslos erscheint – alle Informationen müssen korrekt angegeben werden.
  8. Insgesamt wurde der Kläger für seine falschen Angaben verurteilt und seine Anfechtungserklärung wurde ebenfalls als form- und fristgerecht angesehen.

Verschwiegenheit und Täuschung: Das Berufsunfähigkeitsversicherungs-Dilemma

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist für viele eine wesentliche Absicherung im Falle einer gesundheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Doch was passiert, wenn sich herausstellt, dass der Kläger aufgrund einer längeren Krankschreibung, die er bei der Antragsstellung nicht angegeben hat, seine Versicherung faktisch hintergangen hat? Dieser Frage ging das Oberlandesgericht (OLG) Dresden nach – und entschied in einem umstrittenen Fall (Az.: 4 U 789/23) zugunsten der Versicherung.

Der verborgene Konflikt und seine Auswirkungen auf die Berufsunfähigkeitsversicherung

In diesem Fall war der Kläger, ein Grundschullehrer, auf der Suche nach Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Antrag auf Abschluss der Versicherung stammt aus dem Jahr 2012, und verschiedene Gesundheitsfragen wurden mit „nein“ beantwortet. Später stellte sich jedoch heraus, dass der Kläger eine längere Krankschreibung, zurückgehend auf das Jahr 2010, verschwiegen hatte.

Die Problematik ergibt sich aus den Gesundheitsfragen, die als Teil des Versicherungsantrags gestellt wurden. Eine davon betraf etwa existierende Erkrankungen oder Störungen der Psyche. Der Kläger beantwortete diese Frage mit „nein“, verschwieg dabei jedoch, dass er im Zeitraum von August bis Oktober 2010 aufgrund posttraumatischer Belastungsstörung und anderer Erkrankungen krankgeschrieben war.

Das Urteil: Eine Klarstellung in der juristischen Grauzone

Das Gericht entschied, dass der Kläger arglistig gehandelt habe und somit die Versicherung vom Vertrag zurücktreten könne. Die Begründung der Richter stützte sich auf die Tatsache, dass der Mann seine vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt und somit den Vertragsabschluss unter normalen Konditionen verhindert habe. Demnach ergibt sich eine klare Rechtsposition: Falschangaben im Antragsverfahren, insbesondere bei der Gesundheitsprüfung, sind nicht zulässig und können zu ernsthaften Konsequenzen führen.

Kritik und Bedeutung des Falles im Versicherungsrecht

Die Entscheidung des Gerichts bleibt umstritten, insbesondere die Auslegung und Anwendung der Anzeigepflichten. Der Kläger behauptete, er habe die Formulierungen anders interpretiert und sei daher nicht von einer Pflicht zur Offenlegung seiner damaligen Krankschreibungen ausgegangen. Obwohl das Gericht diese Argumentation zurückwies, wirft der Fall ein Licht auf die Komplexität und Auslegbarkeit von Versicherungsanträgen und Gesundheitsfragen.

In diesem Zusammenhang ist die Rolle des Klägers als Berufsunfähigkeitsversicherungsnehmer und dessen Pflichten von wesentlicher Bedeutung. Der Fall unterstreicht die Notwendigkeit, Antragsfragen korrekt und ehrlich zu beantworten. Dabei geht es nicht nur um die historischen Erkrankungen oder Störungen, sondern auch um den allgemeinen Gesundheitszustand und alle relevanten Informationen, die zur Leistungsfähigkeit des Antragstellers beitragen könnten.

Zusammenfassend zeigt der kontroverse Fall, wie essentiell eine vollständige und ehrliche Offenlegung aller relevanten Informationen bei der Antragstellung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist. Der Fall dient als Erinnerung, die Antragsbedingungen und -fragen sorgfältig zu lesen und korrekt zu beantworten, um spätere rechtliche Streitigkeiten und möglicherweise erhebliche finanzielle Nachteile zu vermeiden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind die Konsequenzen einer arglistigen Täuschung in Bezug auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung?

Arglistige Täuschung in Bezug auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung in Deutschland kann schwerwiegende Konsequenzen haben. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages falsche Tatsachen vorspiegelt oder wahre Tatsachen gegenüber dem Versicherer verschweigt, mit dem Ziel, beim Versicherer einen Irrtum zu erregen oder aufrecht zu erhalten.

Wenn der Versicherer eine arglistige Täuschung nachweisen kann, kann er den Vertrag anfechten. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung ist der Vertrag von Anfang an nichtig. Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer eventuell bereits geleistete Zahlungen zurückzahlen muss. Hat der Kunde also schon monatliche Renten aus der Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten, müssen diese zurückerstattet werden. Dem gegenüber kann der Versicherer die bereits gezahlten Beiträge einbehalten und muss diese nicht zurückzahlen.

Die Beweislast für eine arglistige Täuschung liegt beim Versicherer. Er muss nachweisen, dass der Versicherungsnehmer wissentlich und willentlich gehandelt hat. Wenn jedoch feststeht, dass der Versicherungsnehmer objektiv die Unwahrheit gesagt hat, muss von ihm verlangt werden, plausible Gründe darzulegen, warum und wie es zu diesen Falschangaben gekommen ist.

Die Anfechtung der Berufsunfähigkeitsversicherung kann nur innerhalb einer Jahresfrist erfolgen. Der Beginn dieser Frist ist der Zeitpunkt, an dem der Versicherer die arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers entdeckt. Sind jedoch seit dem Vertragsschluss zehn Jahre vergangen, ist die Anfechtung ausgeschlossen.

Es sollte beachtet werden, dass bloße falsche Angaben nicht ausreichen, um eine arglistige Täuschung zu beweisen. Wenn die falschen Angaben lediglich auf Nachlässigkeit, Vergessen, Missverständnissen oder falscher Scham beruhen, kann nicht von einer arglistigen Täuschung gesprochen werden.

In solchen Fällen ist es ratsam, rechtlichen Beistand zu suchen, um die Situation zu klären und die eigenen Rechte zu wahren.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 789/23 – Urteil vom 10.10.2023

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 21.03.2023 – 3 O 1926/23 – wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Gläubigerseite Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.642,31 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger – von Beruf Grundschullehrer – verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Der auf Abschluss der Versicherung gerichtete Antrag datiert vom 05.01.2012 (BLD1), die Versicherung wurde mit Wirkung zum 01.02.2012 policiert (Anlage K1). Im Versicherungsantrag vom 05.01.2012 (BLD1) hatte der Kläger unter anderem folgende Gesundheitsfragen mit „nein“ beantwortet:

8. Bestehen bei Ihnen derzeit dauerhafte Beeinträchtigungen. Erkrankungen oder Störungen der Psyche lz B Depressionen, Angstzustände, Essstörungen, Suizidversuche oder wurden Sie in den letzten zehn Jahren diesbezüglich beraten, untersucht oder behandelt

10. Fanden in den letzten 5 Jahren Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch Ärzte, sonstige Behandler oder im Krankenhaus statt? Wann? Weswegen? Name: Anschrift/Fachrichtung

11. Bestehen oder bestanden bei Ihnen in den letzten 5 Jahren Krankheiten, Gesundheits- oder Funktionsstörungen, Beeinträchtigungen, Beschwerden:

11k des Stütz- und Bewegungsapparates wie der Wirbelsäule, der Bandscheiben, der Knochen. der Gelenke, der Muskeln. der Sehnen oder der Bänder (z. B. Bewegungseinschränkungen, Rückgratverkrümmung, Hexenschuss, Bandscheibenvorfall Meniskusschaden, Sehnenscheidenentzündung, Gelenkentzündungen, Arthrose, Rheuma, Fibromyalgie)?“

Am 30.05.2020 stellte der Kläger erstmalig einen Leistungsantrag (Anlage K14). In seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Grundschullehrer mit 37,5 Wochenstunden könne er wegen psychovegetativer Erschöpfung seit Oktober 2018, einer Anpassungsstörung und einer depressiven Episode nicht mehr arbeiten. Zuvor hatte er im Jahre 2019 unter anderem eine Psychotherapie und vom 10.09. bis zum 15.10.2019 eine Rehabilitation durchlaufen. Der Rehabilitationsbericht der Klinik Bad Bocklet aus dem Jahre 2019 (Anlage K4) weist aus, dass der Kläger in „nicht gebessertem psychophysischen Allgemeinzustand arbeitsunfähig entlassen wurde“, er aber „unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils der besonderen Belastungen der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit ohne qualitative Einschränkungen … ein quantitatives Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich“ habe (Bl. 1 a der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung und Epikrise Anlage K4). Der Kläger hat seinen Anspruch auf den Zeitraum vom 20.10.2018 bis zum 19.04.2020 beschränkt. Seit dem 01.07.2020 arbeitet er wieder in Teilzeit (78%) als Lehrer (S. 5 Klageschrift und Leistungsantrag BLD 3/K 14, S. 10).

Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein. Aus den eingeholten Arztauskünften ergab sich, dass der Kläger im Zeitraum vom 30.08. bis zum 01.10.2010 durchgehend krankgeschrieben war, und zwar zunächst für acht Tage wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, zugleich vom 30.08. bis zum 21.09.2010 – also für 23 Tage – wegen „Rückenschmerzen, nicht näher bezeichnet“, und sodann vom 20.09. bis 01.10.2010 für zwölf weitere Tage wegen einer Ischialgie, lumbalen und sonstigen Bandscheibenschäden mit Radikulopathie (Anlage K16 und BLD4).

Vor diesem Hintergrund erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 05.01.2021 (K 16) den Rücktritt vom Vertrag gemäß § 19 Abs. 2 VVG mit der Begründung, durch das Verschweigen der posttraumatischen Belastungsstörung, der Rückenschmerzen und der lumbalen und sonstigen Bandscheibenschäden mit Radikulopathie und damit verbundener Krankschreibung habe der Kläger vorsätzlich seine vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt. Wären diese Umstände mitgeteilt worden, hätte sie den Versicherungsschutz „keinesfalls zu normalen Konditionen und gegebenenfalls sogar nicht übernommen“. Nach weiterer Prüfung, inwieweit die Rücktrittserklärung sich auf die Leistungspflicht auswirkt, erklärte die Beklagte sodann mit Schreiben vom 13.10.2021 (K15) die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Bereits aus den Unterlagen ergebe sich, dass der Kläger seine vorvertraglichen Anzeigepflichten arglistig verletzt habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageziele vollumfänglich weiter. Er rügt eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung durch das Landgericht. Das Landgericht habe bereits keine Feststellungen dazu getroffen, welche Gesundheitsfragen der Kläger unzutreffend beantwortet haben sollte. Frage 8 sei jedenfalls bereits objektiv richtig beantwortet worden. Dies ergebe sich daraus, dass die gesamte Frage dahingehend zu verstehen sei, dass nicht nur in Satz 1, sondern auch in Satz 2 dauerhaften psychischen Beeinträchtigungen gefragt worden sei. Unklarheiten bei der Auslegung des Antragsformulars gingen nämlich zu Lasten des Versicherers.

Frage 10 sei viel zu weit gefasst und überdies nicht falsch beantwortet worden, weil die Rückenbeschwerden nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers ohne Befund geblieben und daher „belanglos“ gewesen seien. Auch die Frage 11 e nach Funktionsstörungen des Gehirns und des Nervensystems sei objektiv nicht falsch beantwortet worden, jedenfalls habe das Landgericht solche konkreten Erkrankungen nicht festgestellt. Gleiches gelte für die Frage 11 k.

Selbst wenn man von einer objektiven Falschbeantwortung dieser Antragsfragen ausgehe, habe das Landgericht jedenfalls keine tragenden Feststellungen zur Arglist getroffen. Dem Kläger seien die Krankschreibungen und die diesen zugrunde liegenden Diagnosen nicht mehr präsent gewesen und zwar deshalb, weil er tatsächlich vollkommen gesund gewesen sei und es sich nur um eine Verlegenheitsdiagnose gehandelt habe, um ihn in einer stressigen Phase seines Referendariats krank zu schreiben. Hierzu habe das Landgericht sein rechtliches Gehör verletzt, denn es habe weder ihn selbst informatorisch angehört, noch die behandelnden Ärzte als Zeugen vernommen.

Der Kläger beantragt,

1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 21.03.2023 (Az. 03 O 1926/22) wird die Beklagte verurteilt

a)

an den Kläger 26.982,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 13.10.2021 zu zahlen,

b)

an den Kläger 961,82 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 13.10.2021 zu zahlen,

c)

Auskunft über die zuteilungsfähigen Zinsgewinne i.S.d. § 12 Abs. 3 AVB-BU zu erteilen und die sich hieraus ergebende Leistungserhöhung für den Zeitraum 22.10.2018 – 19.04.2020 an den Kläger auszuzahlen und

d)

an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.501,19 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Vorsorglich wird für den Fall des Unterliegens beantragt, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 12.09.2023 verwiesen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2023 den Kläger informatorisch angehört.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Nach der Anhörung des Klägers ist der Senat davon überzeugt, dass dieser die Beklagte bei Antragstellung im Hinblick auf den Abschluss der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung arglistig getäuscht hat. Damit ist der Beklagten der ihr obliegende Nachweis der Voraussetzungen für die Arglistanfechtung gelungen.

1.

Der Kläger hat im Versicherungsantrag vom 05.01.2012 (BLD1) die Fragen 8, 10 und 11k objektiv falsch beantwortet.

a)

Der Kläger hat die Frage 8 im Antragsformular: „Bestehen bei Ihnen derzeit dauerhafte Beeinträchtigungen, Erkrankungen oder Störungen der Psyche insbesondere Depressionen, Angstzustände, Essstörungen, Suizidversuche oder wurden Sie in den letzten 10 Jahren diesbezüglich beraten, untersucht oder behandelt?“ objektiv falsch beantwortet. Entgegen dem Verständnis des Klägers bezieht sich die Formulierung „diesbezüglich beraten, untersucht oder behandelt“ nicht nur auf die erste Alternative der Frage 8, also auf „derzeit dauerhafte Beeinträchtigungen“, sondern auch auf andere, nicht dauerhafte Störungen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 26.01.2022 – IV ZR 144/21; Urteil vom 31.05.2023 – IV ZR 58/22, juris Rz. 13, st. Rspr.). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich zunächst am Wortlaut der Frage orientieren. Bereits hiernach liegt es deutlich näher, die Oder-Alternative der Frage nur auf Beeinträchtigungen, Erkrankungen oder Störungen der Psyche zu beziehen und nicht auch zusätzlich auf das Attribut „derzeit dauerhafte“. Es hat nämlich wenig Sinn, danach zu fragen, ob der Antragsteller in den letzten zehn Jahren bezüglich „derzeit dauerhafter“ Beeinträchtigungen etc. beraten, untersucht oder behandelt wurde. Ein solches Verständnis würde aber auch dem für einen potentiellen Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck der Gesundheitsfragen widersprechen. Angesichts der Anzahl und des Umfangs der Fragen wird jedem Versicherungsnehmer oder Antragsteller deutlich, dass der Versicherer sich einen möglichst umfassenden und vollständigen Überblick über die Gesundheitsverhältnisse des künftigen Versicherungsnehmers verschaffen will. Dann aber hat es keinen Sinn anzunehmen, der Versicherer interessiere sich für Beratungen, Untersuchungen oder Behandlungen psychischer Erkrankungen oder Störungen nur für den Fall, dass diese noch derzeit dauerhaft sind. Zwanglos kann ein Antragsteller zudem, falls er Zweifel an der Auslegung hat, den anderen Fragen entnehmen, dass den Versicherer auch bei übrigen Krankheitsbildern zurückliegende und abgeschlossene Zeiträume interessieren. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte in der Frage u.a. nach Suizidversuchen gefragt hatte und „dauerhafte“ Suizidversuche nicht vorkommen – was auch dem einfachen Versicherungsnehmer klar ist – besteht auch kein Anlass, in Frage 8 eine „unklare“ Antragsfrage zu sehen, die zugunsten des Versicherungsnehmers auszulegen wäre (Prölss/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 19 Rz. 41). Durch die Einfügung des Suizidversuches in die beispielhafte Aufzählung nach dem Wort „oder“ ist eindeutig, dass sich der letzte Halbsatz in Frage 8 nicht nur auf dauerhafte Beeinträchtigungen beziehen kann.

Danach hat der Kläger die Frage nach Erkrankungen oder Störungen der Psyche objektiv falsch beantwortet, denn selbst unter Zugrundelegung seiner Einlassung, er sei im September 2010 nur deshalb mit der Diagnose einer PTBS krankgeschrieben worden, weil er eine stressige Belastungssituationen (Referendariat etc.) nicht aushalten wollte, wären solche Beeinträchtigungen zwanglos und für jeden Antragsteller und potentiellen Versicherungsnehmer erkennbar der Psyche zuzuordnen.

b)

aa)

Die Frage 10 hat der Kläger unstreitig objektiv falsch beantwortet, denn er hat einfache Behandlungen unabhängig von ihrem Ergebnis nicht angegeben.

bb)

Diese Falschbeantwortung findet auch Berücksichtigung bei der Wertung des Verhaltens des Klägers, denn Frage 10 im Antragsformular ist wirksam. Es handelt sich bei der Frage 10 nicht um eine unzulässige Globalfrage. Auch die Einführung der Frageobliegenheit des Versicherers erlaubt einen gewissen Abstraktionsgrad, der unvermeidlich ist, um die relevanten Gefahrumstände zu erfragen (OLG Hamm, Beschluss vom 16.12.2021 – 20 U 316/21 nach juris; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl., § 19 Rz. 37 f.) Da die Nachfrage des Versicherers eine Gefahrerheblichkeit des erfragten Umstandes indiziert, kann die Mitteilung gänzlich unerheblicher Umstände zwar keine Verletzung der Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers begründen, die Frage ist aber gleichwohl wirksam (Prölss/Martin, a.a.O. § 19 Rz. 37). Die in Antragsformularen übliche (allgemeine) Frage nach Untersuchungen und Behandlungen in einem – wie hier – konkret eingegrenzten Zeitraum ist vor diesem Hintergrund zulässig und verpflichtet den Versicherungsnehmer – wie ausgeführt – alle Untersuchungen und/oder Behandlungen anzugeben, sofern diese nicht in Gesundheitsbeeinträchtigungen ihre Ursache haben, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen (vgl. OLG Hamm, a.a.O; Karczewski, r+s 2012, 521, 523; Lehmann, r+s 2012, 320, 328).

cc)

Die Falschbeantwortung der Frage nach „Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen“ innerhalb der letzten 5 Jahre ist auch relevant, weil die vom Kläger verschwiegenen Umstände jedenfalls nicht von vornherein von ihm als belanglos einzustufen waren. Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen. Abzustellen ist auf das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers vermitteln (Senatsbeschluss vom 18.09.2020 – 4 U 1059/20 – juris, Rz. 4). Der Kläger war unstreitig wegen seiner Beschwerden über einen Zeitraum von über einem Monat krankgeschrieben. Das mehrfache Aufsuchen unterschiedlicher Ärzte, die Anordnung und Durchführung eines MRT wegen der Rückenbeschwerden sowie die Verordnung von Physiotherapie lassen für den Versicherer die begründete Befürchtung zu, für den Versicherungsnehmer bestehe ein erhöhtes Vertragsrisiko, da dieser bereits am Anfang seiner Berufskarriere psychische Belastungen kaum aushalte und in Bezug auf seinen Bewegungsapparat trotz seines jüngeren Alters bereits so anfällig sei, dass mehrwöchige Krankschreibungen erforderlich geworden seien. Da in Frage 10 krankheitsunabhängig nach Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen gefragt wurde, ist auch unerheblich, ob dem Kläger die Diagnose einer degenerativen Veränderung des Stützapparates mitgeteilt wurde oder nicht und ob ihm bekannt war, was eine „PTBS“ ist.

c)

Schließlich hat der Kläger auch die Frage 11k objektiv falsch beantwortet. Selbst wenn zu seinen Gunsten als wahr unterstellt wird, seine Rückenschmerzen, wegen derer er krankgeschrieben worden war, hätten allein darauf beruht, dass er sich beim Transport eines Schrankes den Rücken verhoben habe, wäre die Frage eindeutig und auch für jeden durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar falsch beantwortet. Dies gilt auch unter Zugrundelegung seiner Behauptung, der Arzt habe ihm nach Befundung eines im Nachgang gefertigten MRT mitgeteilt, „es sei alles in Ordnung“. Gefragt war nicht nur nach Krankheiten, sondern nach Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen sowie Beschwerden. Rückenschmerzen, die zu einer mehrwöchigen Krankschreibung führen, sind eindeutig unter Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates zu fassen.

2.

Die Anfechtung der Beklagten vom 13.10.2021 wegen arglistiger Täuschung war wirksam. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis geführt, dass der Kläger bei der objektiven Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen im Antragsformular arglistig gehandelt hat. Hiervon ist der Senat nach informatorischer Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2023 überzeugt.

a)

Die Möglichkeit der Anfechtung ist dem Versicherer nach § 22 VVG i.V.m. §§ 123 ff. BGB eröffnet, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann (statt aller: Senatsbeschluss vom 18.09.2020 – 4 U 1059/20, juris Rz. 4 m.w.N.).

Der künftige Versicherungsnehmer hat die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend zu beantworten (BGH, NJW-RR 2003, 1106). Er darf sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gesicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen. Es sind daher auch solche Beeinträchtigungen anzugeben, die noch keinen Krankheitswert haben, denn die Bewertung der Gesundheitsbeeinträchtigung ist Sache des Versicherers. Diese weit gefasste Pflicht zur Offenbarung findet ihre Grenze nur bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen. Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen. Abzustellen ist auf das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers vermittelten (Senat BeckRs 2020, 30176).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen die ihm obliegenden Offenbarungspflichten arglistig verletzt.

Es gibt zwar keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung dahingehend, dass eine unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand von früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gegeben wird, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen (BGH zfs 2011, 211). Umgekehrt gilt aber auch, dass es sich bei der Arglist und dem Arglistvorsatz um eine innere Tatsache handelt, so dass der Beweis nur durch Indizien geführt werden kann. Dabei ist auf die konkreten Umstände und insbesondere auf die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, den Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung abzustellen (OLG Brandenburg BeckRS 2018, 3488). Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziert die Arglist hierbei ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen. Steht fest, dass Angaben beim Vertragsschluss objektiv falsch gewesen sind, trifft den VN zudem eine sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen er substantiiert und nachvollziehbar vortragen muss, wie und weshalb es dazu gekommen ist (Senat, Beschluss vom 29.04.2021 – 4 U 2453/20).

Letzteres ist dem Kläger nicht gelungen.

Vorliegend sprechen folgende Umstände für die Annahme einer Arglist: Der Kläger hat eine weiter zurückliegende Operation an der Achillessehne angegeben, nicht aber eine zeitlich viel näher an der Antragstellung liegende Krankschreibung sowohl wegen psychischer Belastungen als auch wegen Rückenschmerzen. Eine solche selektive Angabe von Beschwerden deutet jedenfalls dann auf einen Willen zur Beeinflussung der Entscheidung des Versicherers hin, wenn sie dem Versicherer wissentlich verschwiegen wird. Hiervon ist vorliegend auszugehen, denn nach der Anhörung des Klägers durch den Senat in der mündlichen Verhandlung erscheint seine in der Berufungsinstanz schriftsätzlich wiederholte Behauptung, die Behandlung und Krankschreibung seien ihm nicht mehr „präsent“ gewesen, gänzlich unglaubhaft. Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt der Krankschreibung im Referendariat, also im Anfangsstadium seiner Berufstätigkeit, er hatte nach eignen Angaben bereits selbst eine Klasse zu führen und war auch noch in einem Alter, in dem er ansonsten ausweislich der von der Beklagten eingeholten Auskünfte noch nicht häufig krankgeschrieben war. Vor diesem Hintergrund ist eine mehr als einen Monat dauernde Krankschreibung ein gravierendes Ereignis, dessen Vergessenwerden unplausibel erscheint. Hinzu kommt, dass es nicht bei der bloßen Krankschreibung blieb, sondern unstreitig als Folge der angegebenen Rückenbeschwerden ein MRT eingeholt wurde. Dies spricht auch gegen die Einlassung des Klägers, mit den Rückenschmerzen habe es keine besondere Bewandtnis gehabt. Immerhin hat sein behandelnder Arzt, Anlass zu weiterer Abklärung gesehen. Der Senat hält es insbesondere nach der Anhörung des Klägers für ausgeschlossen, dass dieser eine nur rund 15 Monate vor dem Versicherungsantrag liegende, über einmonatige Krankschreibung wegen Rückenschmerzen und einer damaligen Erschöpfungssituation, vergessen hat. Er selbst schilderte, dass es ihm bei der Beantragung der Berufsunfähigkeitsversicherung darum ging, für den eventuellen Fall eines „Burnout“ Vorsorge zu treffen und zwar deshalb, weil seine Mutter zuvor selbst einen Burnout erlitten habe und er auch im Bekanntenkreis diverse Fälle beobachtet habe. Damit war der Kläger speziell für dieses Thema bereits zuvor sensibilisiert und seine – vor diesem Hintergrund verständliche – Sorge und gedankliche Befassung mit dem Thema lassen es als ausgeschlossen erscheinen, dass er die ersten bei ihm selbst bereits am Anfang seines Berufslebens auftretenden Erschöpfungs- und Überlastungsanzeichen als bedeutungslos abgetan und infolge dessen vergessen haben könnte. Das Thema berufsbedingter Erschöpfungen bis hin zum Burnout war gedanklich bei ihm präsent. Der Kläger hat weiter geschildert, dass er zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen mehrwöchigen Krankschreibung bereits als angestellter Lehrer in den Schuldienst übernommen worden war und eine „eigene“ Klasse führte. Eine mehrwöchige Krankschreibung bedeutet aber für das Führen einer Grundschulklasse einen gravierenden Umstand, insbesondere dann, wenn es mit der Klasse bereits Probleme gibt. Gerade wenn, wie der Kläger selbst schildert, die Probleme in dieser Klasse, mit den Eltern und im Kollegium so massiv waren, dass die Gesamtsituation für ihn so wörtlich, „nicht mehr tragbar“ war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dieses Ereignis mit der damit zusammenhängenden mehrwöchigen Krankschreibung nicht im Gedächtnis behalten hat. Auch wenn die Krankschreibung wegen Überlastung nur eine Woche dauerte, so ging diese nahtlos in eine mehrwöchige Krankschreibung wegen Rückenschmerzen über. Es liegt auf der Hand, dass ein mehrwöchiger Kontrollverlust über eine von ihm so bezeichnete Problemklasse zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann und ein krankheitsbedingtes Fehlen daher nicht beiläufig erfolgt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, dass für ihn die Tätigkeit als Lehrer nicht nur Beruf, sondern Berufung sei und er als Idealist diesen Beruf sehr ernst nehme. Mit der Schilderung eines solchen Selbstverständnisses ist es unvereinbar, dass ihm ein mehrwöchiger Krankenstand als für eine Klasse gesamtverantwortlichem Lehrer nicht im Gedächtnis haften geblieben ist. Diese Behauptung steht auch in Widerspruch zu den weiteren Ausführungen des Klägers in seiner Anhörung. So hat er mitgeteilt, er könne sich genau daran erinnern, dass ihm in Bezug auf seine Rückenproblematik nach Auswertung des MRT mitgeteilt worden sei, „er habe nichts“, auch wenn die Rückschmerzen während der gesamten Zeit der Krankschreibung angedauert und sich nicht bereits nach einer Woche wieder gebessert hätten. Zusätzlich hat er ausgeführt, er habe gedacht, vor dem Hintergrund, dass die Untersuchung ohne Ergebnis geblieben sei, habe er sie nicht mitteilen müssen. Die Behauptung, bei Antragstellung nicht mehr gewusst zu haben, dass es die orthopädischen Arztkontakte überhaupt gegeben habe, steht in Widerspruch zu der teilweise detailgenauen Schilderung der damals tatsächlich stattgefundenen Arztbesuche. Wenn der Kläger nach eignen Angaben bei Antragstellung eine Wertung seiner Krankenbehandlung vorgenommen hat ist es denklogisch ausgeschlossen, dass er diese Krankenbehandlung bei Antragstellung vergessen hat.

Auch die Art der verschwiegenen Beschwerden stellt vorliegend ein Indiz für Arglist dar, weil davon auszugehen ist, dass jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bewusst ist, dass eine gewisse psychische Labilität oder Schwäche sowie Rückenbeschwerden für den Versicherer von Relevanz sind, weil diese Bereiche sich auch langfristig beeinträchtigend auf das Leistungsvermögen und die Berufsfähigkeit auswirken können.

Als weiteres Indiz für eine Arglist ist der Umstand zu werten, dass der Kläger bei der Antragstellung unter dem Punkt: „Bitte geben Sie Ihren Arzt an, der am besten über Ihre Gesundheitsverhältnisse berichten kann…“ Dr. W… M… angab, seine tatsächlich behandelnden Hausärzte im Zeitraum von 2007 bis 2012 aber verschwiegen hat, nämlich die Praxis Dr. R… und Dipl. med. T… (K 15) Die erhebliche Krankschreibung wegen Rückenbeschwerden erfolgte nach seinen eigenen Angaben durch Dr. G… B…. Bei Dr. M… wiederum war der Kläger erst nach Antragstellung im Januar 2012, nämlich „seit 2012“ in Behandlung (K 14, dort letzte Seite und BLD 4). In der von der Krankenversicherung des Klägers eingeholten Auskunft (BLD4) wird Dr. Mahn als behandelnder Arzt nicht erwähnt.

Schließlich würdigt der Senat auch den Umstand, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag bloße Bagatellen zum Anlass genommen hat, eine Krankschreibung von erheblicher Dauer zu erwirken. Das OLG Hamm hat in einem ähnlich gelagerten Fall die Arglist bejaht und hierzu ausgeführt: „Selbst wenn der Kläger seine Beschwerden nur vorgetäuscht haben sollte, stellte er sich gleichwohl bei den (Fach-)Ärzten vor, schilderte diesen seine Lage und erwartete von diesen eine Krankschreibung. Bereits das Vorstellenlassen und die Entgegennahme der Schilderung stellte aber im vorliegenden Fall eine Untersuchung dar. Erst recht gilt dies, wenn der Kläger ausführt, es sei zu einem „problemorientierten ärztlichen Gespräch“ gekommen. Zudem stellen die tatsächlich erfolgten Krankschreibungen und die Überweisung von einem zum anderen Arzt Behandlungen dar.“ (OLG Hamm, Urteil vom 29.05.2020 – 20 U 59/20, juris Rz 14). Darauf, ob die von den Ärzten angegebenen Diagnosen zutreffend waren oder nicht, oder ob sie dem Kläger überhaupt mitgeteilt wurden, kommt es ohnehin nicht an (OLG Hamm, a.a.O). Vorliegend wurde ausdrücklich nach Behandlungen und nicht nur nach Krankheiten gefragt (s.O.)

In der Gesamtschau geht der Senat davon aus, dass es dem Kläger nach der ausführlichen Anhörung nicht gelungen ist, die für eine Arglist sprechenden Verdachtsmomente plausibel zu entkräften. Die Arglist des Klägers sieht der Senat als bewiesen an.

b)

Die Anfechtungserklärung ist auch form- und fristgerecht erfolgt. Die Erklärung ist formfrei möglich, tatsächlich ist sie hier schriftlich erfolgt (Anlage K15). Die Erklärung erfolgte innerhalb der Frist des § 124 BGB (ein Jahr) und enthält eine Begründung, die den Willen der Beklagten, sich durch Anfechtung vom Vertrag lösen zu wollen, hinreichend zum Ausdruck bringt und auch die Anfechtungsgründe darlegt.

c)

Die wirksame Anfechtung hat zur Folge, dass der Versicherungsvertrag als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 BGB).

Der Kläger kann daher keine Rechte mehr aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag herleiten, die Berufung bleibt ohne Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

 

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