Versicherungsvertrieb haftbar für fehlerhafte Beratung zu Gebäudeversicherung
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Beklagte verurteilt, Schadensersatz für fehlerhafte Beratung bei der Vertragsanbahnung einer Gebäudeversicherung zu leisten, da bereits eine Abdeckung durch eine bestehende Versicherung gegeben war. Das Urteil hebt hervor, dass der Versicherungsvertreter seine Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt hat, was zu unnötigen Versicherungskosten für die Klägerin führte.
Übersicht
- Versicherungsvertrieb haftbar für fehlerhafte Beratung zu Gebäudeversicherung
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Versicherungsvertrieb und Beratungspflicht
- ➜ Der Fall im Detail
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- Was versteht man unter einer Beratungspflichtverletzung im Versicherungswesen?
- Welche Rechte habe ich, wenn eine Beratungspflichtverletzung vorliegt?
- Welche Rolle spielt die Beweislast bei Streitigkeiten wegen Beratungspflichtverletzungen?
- Inwiefern können unzureichende Beratungsdokumentationen meine Ansprüche beeinflussen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Gericht hat festgestellt, dass die Klägerin aufgrund mangelhafter Beratung durch den Versicherungsvertreter eine unnötige Gebäudeversicherung abgeschlossen hat, obwohl bereits Versicherungsschutz durch eine bestehende Police bestand.
- Die Beklagte ist zum Schadenersatz verpflichtet, weil ihr Vertreter die Klägerin nicht korrekt über die vorhandene Versicherungsdeckung informierte und stattdessen zum Abschluss einer zusätzlichen, überflüssigen Versicherung riet.
- Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Beratungspflicht von Versicherungsvertretern und die Rechtsfolgen bei deren Nichtbeachtung.
- Trotz der Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil hat das Oberlandesgericht die Argumente der Klägerin bestätigt und ihre Ansprüche auf Schadenersatz anerkannt.
- Die Klägerin hatte ursprünglich unwissentlich doppelte Prämien für die Gebäudeversicherung gezahlt, was durch das Urteil rückgängig gemacht wurde.
- Die Widerklage der Beklagten auf Zahlung der Versicherungsprämie für das Jahr 2011 wurde abgewiesen, was die Beendigung des Versicherungsverhältnisses bestätigt.
- Das Urteil betont, dass eine unzureichende Beratungsdokumentation zu einer Beweislastumkehr führen kann, was im vorliegenden Fall der Klägerin zugutekam.
- Die Revision wurde nicht zugelassen, wodurch das Urteil rechtskräftig bleibt.
Versicherungsvertrieb und Beratungspflicht
Versicherungsunternehmen und ihre Vertreter unterliegen einer besonderen Beratungspflicht gegenüber den Versicherungsnehmern. Diese Pflicht ergibt sich aus der Komplexität von Versicherungsprodukten und dem daraus resultierenden Wissensvorsprung der Anbieter. Eine professionelle und umfassende Beratung ist entscheidend, damit Kunden die für sie passenden Versicherungen abschließen.
Die Folgen von Beratungsfehlern können gravierend sein. Doppelversicherungen, fehlender Versicherungsschutz oder unnötige Kosten sind mögliche Konsequenzen. Deshalb müssen Versicherer ihre Kunden über Risiken, Deckungsumfang und Besonderheiten umfassend aufklären. Andernfalls können Schadensersatzansprüche die Folge sein.
➜ Der Fall im Detail
Sachverhalt und Hintergrund des Rechtsstreits um Beratungspflichtverletzung
Die Klägerin unterhielt seit 2006 eine Autohausversicherung (AHP) mit umfassendem Schutz bei der Beklagten, inklusive ihrer Tochtergesellschaften. Im Jahr 2008 erwarb sie ein Betriebsgrundstück und erhielt durch ihre finanzierende Sparkasse ein Angebot für eine Gebäudeversicherung, welches sie an den Versicherungsvermittler der Beklagten weiterleitete.
Trotz bestehender AHP, die bereits eine Gebäudeversicherung einschloss, wurde der Klägerin im Dezember 2008 nach einem Beratungsgespräch eine separate Gebäudeversicherung empfohlen und abgeschlossen. Dies führte zu doppelten Prämienzahlungen für die Jahre 2009 und 2010, da die Klägerin annahm, es wäre keine Gebäudeversicherung durch den Voreigentümer vorhanden. Die Klägerin beendete daraufhin 2010 das Versicherungsverhältnis, was zu weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen führte, insbesondere um die Prämie für das Jahr 2011.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die vorherige Entscheidung des Landgerichts Darmstadt geändert und die Beklagte zu Schadensersatz verpflichtet. Die Gerichtsentscheidung beruht auf der Feststellung, dass die Klägerin durch den separaten Abschluss der Gebäudeversicherung nutzlose Aufwendungen für die Versicherungsprämien 2009 und 2010 hatte, da sie über die bereits bestehende Gebäudeversicherung im Rahmen der AHP nicht korrekt informiert wurde. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Versicherungsvertreter seine Beratungspflichten verletzt hatte.
Kern der gerichtlichen Auseinandersetzung
Die Hauptfrage im Gerichtsverfahren war, ob die Klägerin aufgrund einer Beratungspflichtverletzung seitens des Versicherungsvertreters zu Schadensersatz berechtigt ist. Der Streitpunkt lag insbesondere darin, ob die Klägerin ausreichend über die bereits bestehende Abdeckung durch die AHP informiert wurde und ob die Empfehlung zur separaten Gebäudeversicherung somit unnötig war. Die Beweislage war kompliziert durch die widersprüchlichen Aussagen der Zeugen und die mangelhafte Dokumentation des Beratungsgesprächs.
Rechtliche Erwägungen und deren Bedeutung
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 4 und 5 VVG. Dabei war ausschlaggebend, dass der Versicherungsvertreter die Klägerin nicht auf die bereits bestehende Versicherungsdeckung hinwies, was eine klare Pflichtverletzung darstellt. Das Gericht berief sich auf das Prinzip der Beweislastumkehr, da die Beratungsdokumentation unzureichend war, was der Klägerin zugutekam.
Folgen des Urteils und weitere rechtliche Schritte
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts beinhaltet, dass die Beklagte die Verantwortung für die fehlerhafte Beratung trägt und somit die Klägerin entschädigen muss. Zusätzlich wurde die Widerklage der Beklagten, die offene Prämien für 2011 forderte, abgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen, was die Endgültigkeit der Entscheidung unterstreicht. Dieser Fall betont die wesentliche Rolle der Beratungspflichten in der Versicherungsbranche und die Konsequenzen ihrer Nichtbeachtung.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Was versteht man unter einer Beratungspflichtverletzung im Versicherungswesen?
Eine Beratungspflichtverletzung im Versicherungswesen liegt vor, wenn der Versicherungsvermittler seine gesetzlichen Pflichten zur Beratung des Versicherungsnehmers nicht ordnungsgemäß erfüllt. Nach § 61 VVG muss der Vermittler den Versicherungsnehmer anlassbezogen nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen und ihn unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und Versicherungsprämie beraten. Dabei muss er auch die Gründe für jeden erteilten Rat angeben.
Der Versicherungsmakler als treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers unterliegt dabei höheren Anforderungen als der Versicherungsvertreter, der als Vertriebsorgan des Versicherers tätig wird. Der Makler muss seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherern zugrunde legen.
Typische Beispiele für Beratungspflichtverletzungen sind die unterlassene Befragung des Versicherungsnehmers zu relevanten Umständen, die unzureichende Begründung der Empfehlung eines bestimmten Versicherungsprodukts oder das Verschweigen von für den Versicherungsnehmer nachteiligen Umständen wie Rückvergütungen.
Verletzt der Versicherungsvermittler schuldhaft seine Beratungspflichten, macht er sich gegenüber dem Versicherungsnehmer schadensersatzpflichtig. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Pflichtverletzung trägt dabei grundsätzlich der Versicherungsnehmer. Der Vermittler muss die behauptete Fehlberatung aber substantiiert bestreiten und darlegen, wie er stattdessen beraten haben will.
Welche Rechte habe ich, wenn eine Beratungspflichtverletzung vorliegt?
Wenn eine Beratungspflichtverletzung durch einen Versicherungsvermittler vorliegt, haben Sie als Versicherungsnehmer folgende Rechte:
- Schadensersatzanspruch: Sie können von dem Versicherungsvermittler Ersatz des Schadens verlangen, der Ihnen durch die Verletzung der Beratungspflicht entstanden ist. Der Vermittler muss Sie so stellen, als hätte er Sie ordnungsgemäß beraten.
- Beweislastumkehr: Grundsätzlich tragen Sie als Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Gelingt es Ihnen jedoch, eine Pflichtverletzung schlüssig darzulegen, kehrt sich die Beweislast um. Der Vermittler muss dann beweisen, dass er seine Pflichten erfüllt hat, z.B. durch ein aussagekräftiges Beratungsprotokoll.
- Rückabwicklung des Vertrags: Bei schwerwiegenden Beratungsfehlern, insbesondere wenn der Vertrag für Sie nachteilig ist und Sie ihn bei richtiger Beratung nicht abgeschlossen hätten, können Sie die Rückabwicklung des Versicherungsvertrags und Rückzahlung der Prämien verlangen.
- Ansprüche auch bei zunächst vorteilhafter Fehlberatung: Selbst wenn sich eine Fehlberatung zunächst für Sie als vorteilhaft erweist, z.B. durch Steuerersparnisse, können Sie später Schadensersatz verlangen, wenn Ihnen letztlich doch ein Schaden entsteht.
- Ansprüche gegen den Versicherer: Handelt es sich bei dem Berater um einen Versicherungsvertreter, können Sie Ihre Ansprüche auch direkt gegen den Versicherer geltend machen, da sich dieser das Fehlverhalten zurechnen lassen muss. Bei einem Versicherungsmakler müssen Sie sich hingegen an diesen selbst halten.
Um Ihre Ansprüche durchzusetzen, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen. Ein im Versicherungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann prüfen, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, wie hoch Ihr Schaden ist und Ihre Interessen gegenüber dem Vermittler und Versicherer vertreten.
Welche Rolle spielt die Beweislast bei Streitigkeiten wegen Beratungspflichtverletzungen?
Die Verteilung der Beweislast spielt bei Streitigkeiten wegen Beratungspflichtverletzungen eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich gilt:
Der Versicherungsnehmer, der Schadensersatz wegen Falschberatung verlangt, muss die Pflichtverletzung des Versicherungsvermittlers darlegen und beweisen. Das ist oft schwierig, da Beratungsgespräche meist im Vier-Augen-Gespräch ohne Zeugen stattfinden.
Allerdings gibt es wichtige Ausnahmen von dieser Grundregel:
Beweislastumkehr bei fehlender oder mangelhafter Dokumentation
Kommt der Versicherungsvermittler seiner gesetzlichen Pflicht zur Dokumentation der Beratung nicht ordnungsgemäß nach, kehrt sich die Beweislast um. Der Vermittler muss dann beweisen, dass er richtig beraten hat. Das ist ihm ohne aussagekräftige Dokumentation kaum möglich.
Wurde ein wesentlicher Hinweis in der Dokumentation nicht einmal im Ansatz erwähnt, muss der Vermittler nachweisen, dass er diesen Hinweis mündlich erteilt hat. Gelingt ihm das nicht, wird vermutet, dass die Beratung insoweit fehlerhaft war.
Beweiserleichterung bei Verletzung von Aufklärungspflichten
Auch bei der Verletzung spezieller Aufklärungspflichten, etwa der Pflicht, über die Nachteile einer Versicherungsumdeckung aufzuklären, gibt es Beweiserleichterungen für den Versicherungsnehmer bis hin zur Beweislastumkehr.
Haftungsunterschied zwischen Maklern und Vertretern
Für Versicherungsmakler als treuhänderähnliche Sachwalter des Kunden gelten höhere Anforderungen als für Versicherungsvertreter. Im Streitfall muss grundsätzlich aber auch beim Makler der Kunde die Pflichtverletzung beweisen.
Fazit: Die Beweislast liegt zwar grundsätzlich beim Versicherungsnehmer. Durch Beweiserleichterungen und die Umkehr der Beweislast bei Dokumentationsmängeln wird aber ein Ausgleich geschaffen, um Beweisnöte des Kunden abzumildern. Entscheidend ist oft, ob der Vermittler eine ordnungsgemäße Dokumentation vorlegen kann.
Inwiefern können unzureichende Beratungsdokumentationen meine Ansprüche beeinflussen?
Unzureichende oder fehlende Beratungsdokumentationen können Ihre Ansprüche bei Falschberatung durch einen Versicherungsvermittler erheblich beeinflussen:
Beweislastumkehr bei fehlender Dokumentation
Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer die Pflichtverletzung des Vermittlers, also die Falschberatung, beweisen. Kommt der Vermittler aber seiner gesetzlichen Pflicht zur Dokumentation der Beratung nicht nach, kehrt sich die Beweislast um.
Der Vermittler muss dann beweisen, dass er richtig beraten hat. Das ist ihm ohne aussagekräftige Dokumentation kaum möglich. Er verliert faktisch den Prozess, wenn er nicht auf anderem Weg nachweisen kann, dass er den Kunden anlassabhängig richtig und umfassend beraten hat.
Beweiserleichterung bei mangelhafter Dokumentation
Auch eine lückenhafte oder fehlerhafte Beratungsdokumentation führt zu Beweiserleichterungen für den Kunden. Grobe Dokumentationsmängel, wie das völlige Fehlen wesentlicher Punkte, bewirken eine Beweislastumkehr. Bei leichteren Mängeln wird dem Kunden zumindest der Beweis erleichtert.
Verlust des Vergütungsanspruchs
Wer seine Beratung fehlerhaft oder unzureichend dokumentiert, verliert nach der Rechtsprechung sogar seinen Anspruch auf Vergütung für die Beratungsleistung. Die mangelhafte Dokumentation indiziert gewissermaßen eine mangelhafte Beratung.
Eine ordnungsgemäße Beratungsdokumentation ist für den Vermittler von zentraler Bedeutung, um sich im Streitfall entlasten zu können. Fehlt sie oder ist sie mangelhaft, profitiert der Versicherungsnehmer von Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast. Seine Erfolgsaussichten, Ansprüche wegen Falschberatung durchzusetzen, verbessern sich dadurch ganz erheblich.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
§ 280 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
Verbindet die schuldhafte Nichterfüllung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis mit dem Anspruch auf Schadensersatz. Im vorliegenden Fall relevant, weil der Versicherungsvertreter seine Beratungspflicht gegenüber der Klägerin verletzt hat, indem er nicht auf die bestehende Gebäudeversicherung im Rahmen der Autohaus-Police hinwies.
§ 241 Abs. 2 BGB – Pflichten im Schuldverhältnis
Betrifft die Pflichten aus einem Schuldverhältnis, die auf Rücksichtnahme abzielen. Hier insbesondere die Pflicht zur sachgemäßen und vollständigen Beratung durch den Versicherungsvertreter.
§ 6 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) – Beratungs- und Dokumentationspflichten
Regelt die Pflichten von Versicherungsvermittlern zur Beratung und Dokumentation. Dies ist zentral, da im Fall die unzureichende Beratung zur unbewussten Doppelversicherung und damit zu überflüssigen Prämienzahlungen führte.
§ 59 Abs. 2 VVG – Vertretungsmacht des Versicherungsvertreters
Bestimmt, dass ein Versicherungsvertreter die Versicherung im Rechtsverkehr vertritt. Im untersuchten Fall handelte der Zeuge Z1 als Vertreter der Beklagten und hätte korrekt über die bereits bestehende Versicherung informieren müssen.
§ 278 BGB – Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte
Stellt klar, dass ein Schuldner für das Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang haftet wie für eigenes Verschulden. Relevant, weil die Beklagte für die Fehlberatung durch ihren Angestellten, den Versicherungsvertreter, verantwortlich ist.
§ 249 BGB – Art und Umfang des Schadensersatzes
Legt fest, dass der Schuldner den Zustand wiederherstellen muss, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. In diesem Kontext bedeutet das die Rückerstattung der nutzlos gezahlten Versicherungsprämien an die Klägerin.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 12 U 146/12 – Urteil vom 30.01.2014
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 9. November 2012 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.712,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.231,23 € seit dem 26. Februar 2011 und aus weiteren 5.481,42 € seit dem 21. Juli 2011 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 459,40 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin unterhielt seit 2006 eine „Autohausversicherung“ (nachfolgend AHP) mit der Versicherungsnummer … bei der Beklagten. Mitversichert als weitere Versicherungsnehmer waren ihre Tochtergesellschaften A1 … GmbH & Co KG (nachfolgend A1) und A2 … GmbH & Co KG (nachfolgend A2). Der Versicherungsschein enthielt folgende Angaben:
„Versichertes Risiko
Handel mit Kraftfahrzeugen und deren Reparatur
……………
Versicherungsumfang
Sachsubstanz-, Ertragsausfall- und Haftpflichtschäden sowie die Kraftfahrzeug- Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung (Voll-/ und Teilkasko) gemäß Antrag und Allgemeiner Versicherungsbedingungen.“
Im Jahr 2008 erwarb die Klägerin das Betriebsgrundstück …-Str. …. Sie ließ sich von der finanzierenden Sparkasse ein Angebot für eine Gebäudeversicherung vorlegen, das sie einem Versicherungsvermittler der Beklagten, dem Zeugen Z1, anonymisiert übermittelte.
Die Klägerin hatte nach Vermittlung des Zeugen Z1 bereits die AHP abgeschlossen und bat ihn nun wegen des Eigentumsüberganges um ein Angebot für eine Gebäudeversicherung. Am 12.12.2008 fand ein Beratungsgespräch statt, dessen Inhalt streitig ist und in dessen Verlauf die Klägerin bei der Beklagten eine Gewerbe-Gebäudeversicherung beantragt, die zum 1.1.2009 in Kraft trat. Parallel hierzu schied die Klägerin aus der AHP aus. A1 erhielt am 17.12.2008 die neue Police für den (umgeschriebenen) Altvertrag AHP. Mitversichert in der AHP blieb A2.
Am 29.11.2010 kündigte die Klägerin das Versicherungsverhältnis zum 31.12.2010. Die AHP wurde von A1 zum 1.1.2011 gekündigt. A1 und A2 traten am 2.5.2011 der Klägerin ihre Ansprüche aus der Gebäudesachversicherung, als Bestandteil der AHP an die Klägerin ab.
Mit der Begründung, dass die Kündigungsfrist für die Gebäudeversicherung nicht eingehalten sei, hat die Beklagte für 2011 eine Versicherungsprämie von 5.532,76 € abgerechnet. Die Klägerin hat diese nicht bezahlt.
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen der Verletzung von Beratungspflichten in Zusammenhang mit dem Erwerb des Betriebsgrundstückes und dem Abschluss der Gebäudeversicherung. Die Klägerin hat behauptet, dass der Neuabschluss einer gesonderten Gebäudeversicherung im Dezember 2008 darauf zurückzuführen sei, dass sie davon ausgegangen sei, dass wegen des Wegfalls der Gebäudeversicherung der Voreigentümerin, für die Zukunft keine Gebäudeversicherung für das erworbene Betriebsgrundstück mehr bestünde. Der Zeuge Z1 habe sie falsch beraten, als er ihr im Dezember 2008 ein Angebot unterbreitete, ohne darauf hinzuweisen, dass in der damals mit ihr bestehenden AHP bereits eine Gebäudeversicherung enthalten gewesen sei. Durch den separaten Abschluss der Gebäudeversicherung neben der AHP seien nutzlose Aufwendungen entstanden und zwar für 2009 € 5245,76 und für 2010 weitere € 5.466,89 an Prämienzahlungen für die Gebäudeversicherung.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Doppelversicherung nicht vorgelegen habe. Es fehle an einer Falschberatung. Der Zeuge Z1 habe die Zeugin Z2 bei dem Beratungsgespräch am 12.12.2008 darauf hingewiesen, dass in der bestehenden AHP bereits eine Gebäudeversicherung enthalten war. Die Klägerin habe trotzdem „entschieden“ und „eindeutig“ auf dem separaten Abschluss einer Gebäudeversicherung bestanden. Das neu erworbene Betriebsgrundstück mit Gebäude wäre nicht beitragsfrei mitgelaufen und eine deutliche Mehrprämie für das neu zu versichernde Risiko in der AHP angefallen. Ein Schaden sei nicht ersichtlich.
Widerklagend macht die Beklagte die offene Prämienzahlung aus der separaten Gebäudeversicherung für das Jahr 2011 in Höhe von 5.532,76 € geltend.
Das Landgericht hat am 26.4.2012 mündlich verhandelt und die Zeugen Z1 und Z2 vernommen. Es hat sodann gemäß § 128 Abs. 2 ZPO schriftlich entschieden und die Klage mit Urteil vom 14.1.2013 abgewiesen. Auf die Widerklage hat es die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 5.532,76 € zuzüglich Zinsen sowie 10,00 € Mahnkosten und 546,69 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die Stattgabe der Widerklage hat es im Wesentlichen damit begründet, dass das Versicherungsverhältnis mit der Klägerin nicht durch die Kündigung der Klägerin vom 29.11.2010 zum 31.12.2010, vielmehr erst zum 31.12.2011 geendet habe. Die AHP habe keine Gebäudeversicherung enthalten. Eine Falschberatung hat es abgelehnt. Wegen des Non-liquet bezüglich der sich widersprechenden Angaben der Zeugen Z1 und Z2 sei die Klägerin als beweisfällig anzusehen.
Gegen das ihr am 22.11.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.12.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22.2.2013 am 20.2.2013 begründet. Die Klägerin räumt ein, dass eine Doppelversicherung im Sinne des VVG nicht bestanden habe. Hätte sie im Dezember 2008 gewusst, dass es des Abschluss eines gesonderten Gebäudeversicherungsvertrages nicht bedurfte, hätte sie „alles beim alten“ belassen. Ihr Schaden beruhe in den nutzlosen Prämien für die Gebäudeversicherung.
Zwischen den Parteien habe im Dezember 2008 ein Beratungsvertrag bestanden, den die Beklagte, vertreten durch den Zeugen Z1, verletzt und sich schadensersatzpflichtig gemacht habe. Der daraus folgende Schadensersatzanspruch sei auch auf die Befreiung von dem Gebäudeversicherungsvertrag gerichtet, welcher aufgrund der fehlerhaften Beratung eingegangen worden sei. Daraus folge ein ihr zustehendes Sonderkündigungsrecht bezüglich der Gebäudeversicherung, weshalb die Widerklage abzuweisen sei. Sie legt eine „aktualisierte“ Abtretungsvereinbarung zwischen ihr, A1 und A2 vor, mit der ihr die Tochtergesellschaften sämtliche Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten aus Anlass des Abschluss der Gewerbegebäudeversicherung und der AHP abgetreten haben.
Die Hilfsanträge hat sie für den Fall gestellt, dass der Senat davon ausgehe, dass es aufgrund der Einbeziehung des Gebäudes der Klägerin in die AHP zu einer Prämienerhöhung gekommen wäre.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Abänderung des am 9.11.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Stadt1 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.712,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus § 5.466,89 € seit dem 26.2.2011 und aus weiteren 5.245,76 € seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 459,40 € zu zahlen.
Hilfsweise beantragt sie, die Beklagte zu verurteilen,
1a) der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, wie hoch die jährlichen Prämien der Klägerin für die Jahre 2009 und 2010 bezüglich der Auto-Haus Versicherung unter dem Versicherungsschein Nr. … gewesen wären, wenn das Grundstück mit dem darauf befindlichen Gebäude der Klägerin unter der Adresse „…-Str. …, … Stadt1“ zum 1.1.2009 in den Versicherungsschutz der Auto-Haus-Police aufgenommen worden wäre.
1b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben gemäß Ziffer 1a. an Eides Statt zu versichern.
1c) an die Klägerin Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft gemäß Ziffer 1a. noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag das angefochtene Urteil. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei zutreffend. Ein etwaiger Schaden sei unsubstanziiert.
Nach dem Hinweis des Senats vom 24.1.2014 haben die Parteien ergänzend vorgetragen. Die Klägerin hat ihre Umsatzzahlen für die Jahre 2009 und 2010 mitgeteilt und ein an den Zeugen Z1 gerichtetes Schreiben der Beklagten vom 20.11.2009 vorgelegt. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Verhandlungsprotokoll des Senatstermins vom 30.1.2014 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache mit Ausnahme einer geringfügigen Zuvielforderung an Zinsen Erfolg. Wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten auf Beklagtenseite ist diese der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Die Schadensersatz auslösende Pflichtverletzung der Beklagten rechtfertigt auch eine Beendigung des Gebäudeversicherungsvertrages zum 31.12.2010, weshalb die Widerklage abzuweisen ist.
1) Die Beklagte haftet der Klägerin gegenüber für den Schaden, der aufgrund des durch fehlerhafte Beratung erfolgten Neuabschluss der Gebäudeversicherung und Ausscheidens aus der AHP entstanden ist, §§ 6 Abs. 4 und Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 VVG, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Der Zeuge Z1 ist nach dem insoweit übereinstimmendem Vortrag und der Auffassung beider Parteien als Versicherungsvertreter gemäß § 59 Abs. 2 VVG für die Beklagte tätig gewesen. Für seine Fehlberatung im Zusammenhang mit der Vertragsanbahnung der gewerblichen Gebäudeversicherung hat gemäß § 278 BGB die Beklagte einzustehen.
a) Dabei war zu berücksichtigen, dass zwar grundsätzlich die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung des Versicherungsvertreters trägt. Vorliegend kommen ihr jedoch Beweiserleichterungen zugute, da das „Beratungsprotokoll: Gewerbliche Sach-, Haft- und Vermögensrisiken“ völlig unzureichend war. Dies hat das Landgericht verkannt.
(1) Nach den allgemeinen Grundsätzen trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung durch den Vertreter. Der beratungspflichtige Vertreter muss die behauptete Fehlberatung substanziiert bestreiten und darlegen, wie er im Einzelnen seinen Beratungs- und Informationspflichten nachgekommen ist.
Dem Versicherungsnehmer obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft. Der Vermittler kann seiner Darlegungslast durch Aushändigung der Beratungsdokumentation nachkommen. Eine lückenhafte oder unzutreffende Dokumentation kann zu Beweiserleichterungen im Sinne einer Beweislastumkehr führen (OLG München, 25 U 3343/11, VersR 2012, 1292, Juris RN 34, 37; OLG Saarbrücken, 5 U 502/10, VersR 2011, 1441, Juris RN 26, Prölls/Martin, 28. Aufl., § 63 RN 12).
Die vorgelegte Dokumentation genügt nicht den Anforderungen des § 61 Abs. 1 VVG. Sinn der Vorschrift ist, dass aus der Dokumentation nachvollzogen werden kann, was der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt war. Auf S. 1 des Beratungsprotokolls hat der Zeuge Z1 als Beratungsgegenstand „Gewerbliche All Risks Gebäude- und Mietverlustversicherung“ angekreuzt. Auf S. 2 folgt unter der Rubrik „Folgende Lösungen wurden empfohlen:“ die handschriftliche Eintragung „Gewerbliche All Risks Gebäude- und Mietverlustversicherung“. In der anschließenden Rubrik „Gründe für den Rat“ ist handschriftlich eingetragen „Absicherung gegen Gewerbliche Risiken“. Es fehlen Angaben zum konkreten Inhalt der Besprechung, zur zugrundeliegenden Motivation und zu den wesentlichen Gründen für den hier erteilten Rat, trotz bestehender AHP eine gesonderte gewerbliche Gebäudeversicherung abzuschließen, unter gleichzeitigem Ausscheiden aus der AHP. Welche Gründe hier dafür- oder dagegen sprachen, ob überhaupt in diesem Zusammenhang die AHP und die Einbeziehung einer Gebäudeversicherung in diese Thema waren, findet im Beratungsprotokoll keine Erwähnung. Es lässt als Gegenstand der Beratung nur isoliert den Abschluss einer gesonderten gewerblichen Gebäudeversicherung erkennen. Als Konsequenz daraus muss vorliegend nicht die Klägerin beweisen, dass die Beklagte sie, vertreten durch den Zeugen Z1, unzutreffend beraten hat, sondern die Beklagte eine pflichtgemäße Beratung.
(2) Für die Beurteilung, ob die Beratung pflichtgemäß war, muss zunächst festgestellt werden, welcher Beratungsbedarf bei der Klägerin für den Zeugen Z1 erkennbar bestand. Der Zeuge Z1 hatte die Klägerin bereits im Zusammenhang mit der AHP beraten, deren Abschluss er 2006 vorbereitet hat. Ihm war bekannt, dass die zuvor von der Klägerin angemietete Liegenschaft im Lauf des Jahres 2008 in das Eigentum der Klägerin übergangen war, die nunmehr als neue Eigentümerin mit dem Wunsch auf Abschluss einer gewerblichen Gebäudeversicherung an ihn herangetreten war. Die Initiative zu einer Kontaktaufnahme ging von der Klägerin aus. Sie hat dem Zeugen Z1 am 3.12.2008 anonymisiert Teile eines Angebots eines Dritten zur Gebäudeversicherung für die …-Str. … übermittelt. Anhaltspunkte dafür, dass sie von einer Einbeziehung einer Gebäudeversicherung in der AHP wusste, fehlen. Für den Beratungsaufwand waren hier neben dem Schwierigkeitsgrad des angebotenen Versicherungsprodukts auch das bestehende – komplizierte – Versicherungsprodukt AHP mit der komplexen Situation dreier Versicherungsnehmer und den Konsequenzen etwaiger Veränderung für diese, sowie ein etwaiges falsches Vorverständnis der Klägerin vom Versicherungsumfang einzubeziehen. Die Beratung tangierte die Interessen der Klägerin wie auch ihrer Tochtergesellschaften.
Nach dem Versicherungsschein und den einbezogenen AVB der bestehenden AHP umfasste diese eine Sachsubstanzversicherung. Gemäß Teil B § 16 Ziff. 1.2. der AVB – in der hier maßgeblichen Fassung Stand Januar 2005 – waren vermietete Sachen in der Sachsubstanzversicherung mitversichert. Davon ausgenommen war nach den AVB lediglich die Konstellation, dass der Versicherungsnehmer nachweislich, insbesondere mit dem Eigentümer vereinbart hat, dass die fremde Sache nicht versichert zu werden braucht. Ein solcher Ausnahmefall ist von den Parteien nicht behauptet worden. Danach war das angemietete Betriebsgrundstück mit den dortigen Gebäuden ab Vertragsbeginn im Jahr 2006 gemäß Teil B § 16 Ziff. 1.2. und zum Beratungszeitpunkt wegen des Eigentumsübergangs gemäß Teil B § 16. Ziff. 1.1. mitversichert. Die Versicherung galt gemäß Teil B § 18 Ziff. 2.1. für die im Versicherungsvertrag bezeichneten und vom Versicherungsnehmer genutzten Grundstücke, Gebäude, Räume, hier also für das im Versicherungsschein genannte Betriebsgrundstück …-Str. ….
Wegen der anfänglichen Einbeziehung des Betriebsgrundstücks (nebst Gebäuden) als gemieteter Sache, dürfte es bereits an einem neuen Risiko in Hinblick auf den Übergang der Mietsache in das Eigentum der Klägerin fehlen. Ungeachtet dessen ist in der streitgegenständlichen Sachsubstanzversicherung für den Fall einer Risikoveränderung die Möglichkeit des Versicherers, eine Prämienanpassung zu verlangen, nicht vorgesehen, eine Möglichkeit die sich der Versicherer gemäß Teil D § 38 Ziff. 2. der AVB beispielsweise für die ebenfalls in die AHP einbezogene Haftpflichtversicherung vorbehalten hat.
Die Prämienberechnung ist in Teil A. § 3 AVB geregelt. Nach der dortigen Ziff. 1 berechneten sich Erst- und Folgeprämie der AHP nach dem versicherten Risiko und dem konsolidierten Jahres-Nettoumsatz. Danach kann zugrunde gelegt werden, dass das versicherte Risiko bei der Berechnung der Erstprämie relevant war, eine etwaige Risikoveränderung im Haftpflichtbereich – wie ausgeführt – eine Erhöhungsverlangen des Versicherers hätte begründen können, was aber ausweislich der AVB nicht die hier maßgebliche Sachsubstanzversicherung tangierte. Im Übrigen war von einer Risikoveränderung wegen der anfänglichen Einbeziehung des von der Klägerin gemieteten Betriebsgrundstücks nicht auszugehen. Die Beklagte hat diese Auslegung ihrer AVB mit Schreiben vom 4.3.2011 gegenüber der Klägerin – jedenfalls bezogen auf das zum Beratungszeitpunkt bestandene Eigentum – im Wesentlichen bestätigt und hierzu ausgeführt: „Diese ist eine speziell für Autohäuser entwickelte Multi-Risks-Police. Neben diversen versicherten Gefahren beinhaltet die Police auch eine Gebäudeversicherung für die eigenen Gebäude des Versicherungsnehmers. Die Prämienberechnung dieser Police erfolgt nach dem Jahresumsatz. Wenn der Versicherungsnehmer keine eigenen Gebäude besitzt, kommt die Gebäudeversicherung der Police nicht zum Tragen und es ergibt sich dadurch keine Prämienreduzierung.“
Da die Berechnung umsatzabhängig erfolgt, führte dies nicht zu einer Ermäßigung der Prämie, wenn die Voraussetzungen der einbezogenen Gebäudeversicherung nicht erfüllt waren. Im Umkehrschluss konnte es auch nicht isoliert eine Erhöhung der Prämie nach sich ziehen, wenn die Voraussetzungen eintraten.
(3) Der Zeuge Z1 hat angegeben, den Abschluss einer separaten Gebäudeversicherung, alternativ die Einbeziehung der Gebäudeversicherung in die bestehende AHP vorgeschlagen zu haben. Er hat nicht bestätigt die Klägerin dahin informiert zu haben, dass die Autohaus-Police eine Gebäudeversicherung für im Eigentum der Klägerin stehende Gebäude beinhaltete. Ob eine Prämienerhöhung und wenn ja in welcher Höhe durch die nach seiner fehlerhaften Einschätzung neue Einbeziehung eingetreten wäre, konnte er nicht sagen, hat dies damit begründet, dass an ihn „von vornherein“ der konkrete Wunsch eine separate Gebäudeversicherung zu policieren herangetragen worden sei, will aber gleichwohl eine Einbeziehung vorgeschlagen haben, ohne dass er Angaben zu den möglichen wirtschaftlichen Vor- und Nachteilen der Alternativen hätte machen können oder sich in dieser Richtung informiert hatte.
Die Zeugin Z2 hat dagegen ausgesagt, dass ihr kein Vorschlag zur Erweiterung der bestehenden AHP unterbreitet worden sei. Der Zeuge Z1 habe ihr die erfragte separate Gebäudeversicherung ohne Hinweise oder Rückfragen oder Beratung zur bestehenden AHP angeboten.
Die Beklagte hat die Beweiswürdigung des Landgerichts als widerspruchsfrei, nicht gegen Denkgesetze verstoßend und rechtmäßig verteidigt. Vor diesem Hintergrund ist bereits wegen der abweichenden Beweislastverteilung eine fehlerhafte, nicht ausreichende Beratung durch den Zeugen Z1 gegeben. Der Zeuge Z1 durfte sich nicht damit zufrieden geben, der Klägerin wunschgemäß ein Angebot für eine separate Gebäudeversicherung unter gleichzeitigem Ausscheiden aus der AHP zu unterbreiten, ohne sie darauf hinzuweisen, dass eine Gebäudeversicherung in der AHP bestand. Er hätte insbesondere die Hintergründe der Anfrage der Klägerin klären, auch bei einer etwaigen pauschalen Nennung „steuerlicher Vorteile“ wirtschaftliche, beispielsweise prämienbezogene Vor-/Nachteile beider Alternativen ermitteln und darstellen müssen. Die Möglichkeit, dass er in diesem Zusammenhang auch Beratungspflichten gegenüber den Tochtergesellschaften verletzt haben kann, bedarf hier keiner Entscheidung.
(4) Das Verschulden des Zeugen Z1 wird gem. § 63 S. 2 VVG vermutet. Die Pflichtverletzung des Zeugen Z1 begründet zugleich, wovon beide Parteien und auch das Landgericht zutreffend ausgegangen sind, eine Haftung der Beklagten, da ihre Beratungspflichten und Schadensersatzpflicht in § 6 Abs. 1 und Abs. 5 VVG entsprechend ausgestaltet sind, sie sich das Verhalten ihres Vertreters nach § 278 BGB zurechnen lassen muss (OLG München, a. a. o. RN 49; Prölls/Martin, a. a. o. § 59 RN 25).
(5) Die Fehlberatung durch den Zeugen Z1 war kausal für den Abschluss der gesonderten Gebäudeversicherung. Die Klägerin wäre nach dem hier anwendbaren Grundsatz der Vermutung aufklärungs- bzw. beratungsrichtigen Verhaltens bei einer zutreffenden Aufklärung, dass eine gewerbliche Gebäudeversicherung unter Berücksichtigung ihrer neuen Eigentumsverhältnisse in der AHP bereits enthalten war, in der AHP verblieben (OLG München, a. a. o. RN 51; Prölls/Martin, a. a. o. RN 31 zu § 59 VVG). Versicherungsrechtliche Argumente für den gesonderten Abschluss einer Gebäudeversicherung unter Ausscheiden aus der AHP hat die Beklagte nicht vorgetragen. Wirtschaftliche Argumente die zum Beratungszeitpunkt für die Empfehlung einer gesonderten Gewerbeversicherung auf dem Kenntnisstand der Beklagten im Beratungszeitraum gesprochen hätten, sind nicht ersichtlich, da eine Prämienerhöhung wegen des Eigentumsübergangs im Zusammenhang mit der Betriebsstätte …-Str. … – wie ausgeführt – versicherungsvertraglich nicht vorgesehen war.
b) Die Beklagte ist der Klägerin danach zum Ersatz des Schadens verpflichtet, welcher der Klägerin durch die Verletzung der Beratungspflichten entstanden ist.
Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie ohne die Pflichtverletzung stünde, hier also so wie sie stünde, wenn die Beklagte sie darauf aufmerksam gemacht hätte, dass eine Gebäudeversicherung in der Autohaus-Police eingeschlossen war. Da die Klägerin den gesonderten Gebäudeversicherungsvertrag nicht abgeschlossen hätte, vielmehr in der AHP verblieben wäre, sind ihr die aufgewendeten Prämien für die Gebäudeversicherung in den Jahren 2009 und 2010, insgesamt 10.712,65 € zu erstatten. Eine Prämienerhöhung wegen einer etwaigen Risikoveränderung konnte allenfalls umsatzabhängig unter dem Gesichtspunkt in Betracht kommen, dass der Verbleib der Klägerin in der AHP zu einem höheren Bruttoumsatz in den Jahren 2009 und 2010 und damit höheren als den tatsächlich von A1 gezahlten Beiträgen geführt hätte. Letzteres war hier nicht der Fall. Mit der Beklagten war für die AHP hinsichtlich der Jahre 2009 und 2010 ausweislich des im November 2009 von dem Zeugen Z1 an die Klägerin weitergeleiteten Schreibens der Beklagten (BK 4) die Vereinbarung getroffen worden, bei der Prämienberechnung jeweils einen Jahresnettoumsatz von 7.000.000,00 € zugrunde zu legen, die Prämie auch bei einem Ansteigen des Jahresnettoumsatzes auf beispielsweise 8.000.000,00 € unverändert zu belassen („Selbst wenn der Umsatz für das Jahr 2009 noch auf…8.000.000 € steigen sollte wird es durch diesen Satz zu keiner Veränderung unserer Angebotsprämie kommen.“). Der Jahresumsatz der nicht operativ tätigen Klägerin betrug unstreitig für 2009 € 331.204,87 und für 2010 € 354.814,58 €. Die Beklagte hat ihrer Beitragsberechnung zur AHP vom 18.6.2009 einen Jahresumsatz von 5.996.000,00 € zugrunde gelegt. Dass der prämienrelevante Umsatz in den Jahren 2009 und 2010 auf der Basis der aus der Anlage BK4 ersichtlichen Parteivereinbarungen und unter unterstellter Einbeziehung der Klägerin in die AHP versicherungsvertraglich eine Erhöhung der zu entrichtenden Beiträge über die von der A1 gezahlten Beträge hinaus zur Folge gehabt hätte, hat die Beklagte nicht dargelegt.
2) Darüber hinaus rechtfertigt die Schadensersatz auslösende Pflichtverletzung auch eine Beendigung des Gebäudeversicherungsvertrages der Parteien zum 31.12.2010. Der Versicherungsnehmer kann bei einer Pflichtverletzung gemäß § 6 Abs. 1 bzw. Abs. 4 VVG die Aufhebung des Vertrages verlangen, vor dem Hintergrund, dass dieser trotz objektiver Werthaltigkeit für die Zwecke der Partei nicht voll brauchbar ist, dies einen Schaden darstellt (Prölls/Martin, a. a. o. § 6 RN 62). Ein außerordentliches Kündigungsrecht, von dem die Klägerin mit ihrer Kündigung vom 29.11.2010 zum 31.12.2010 Gebrauch gemacht hat, stellt in diesem Zusammenhang ein Weniger dar.
3) Eine Entscheidung hinsichtlich der Hilfsanträge hatte zu unterbleiben, da die Klägerin die Stufenklage nur für den Fall erhoben hat, dass aufgrund der Einbeziehung „des Gebäudes der Klägerin“ in die AHP zu einer Prämienerhöhung gekommen wäre. Davon war, wie ausgeführt, hier nicht auszugehen.
4) Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 459,40 € aus einem Gebührenstreitwert von 5.231,23 € besteht aus Verzug.
5) Der Zinsausspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.
6) Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).