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Kaskoversicherung – Rückgriff bei Familienprivileg

OLG Karlsruhe, Az.: 10 U 226/97, Urteil vom 13.02.1998

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19. August 1997 — 2 O 24/97 — abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 43.518,27 zuzüglich 7 % Zinsen hieraus seit dem 18.11.1996 sowie DM 15,00 vorgerichtliche Mahnauslagen zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt DM 43.518,27.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, da das Berufungsurteil der Revision nicht unterliegt.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht nach § 67 Abs. 1 VVG ein Anspruch auf Erstattung der Kaskoentschädigung sowie der direkt gezahlten Abschlepp- und Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt DM 43.518,27 zu, die sie ihrer Versicherungsnehmerin, der Fa. B, B & Co. GmbH erbracht hat.

1. Ein übergangsfähiger Schadensersatzanspruch besteht.

Der Versicherungsnehmerin, der Fa. B, B & Co. GmbH stand gegen die Beklagte, der sie das Fahrzeug, einen Mercedes Benz 320 T, überlassen hatte, ein Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens aus positiver Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte hat den Unfall am 09.11.1995 gegen 20.45 Uhr auf der B 36 N Straße/Sstraße als Fahrerin schuldhaft verursacht und zwar, wie nachstehend unter 4. noch auszuführen sein wird, grob fahrlässig. Die Beklagte überholte außerhalb einer geschlossenen Ortschaft (Geschwindigkeitsbegrenzung: 70 km/h) einen Pkw auf der Rechtsabbiegespur, scherte vor diesem ein und fuhr bei Rotlicht mit mindestens 104 km/h in die Kreuzung N Straße/Sstraße ein, kollidierte dort mit einem von rechts kommenden Pkw und kam nach ca. 100 m auf einem Acker zum Stehen.

2. Die Haftung der Beklagten gegenüber der Versicherungsnehmerin ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ausgeschlossen. Ein Haftungsverzicht, der es der Versicherungsnehmerin verwehrt hätte, die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch für einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluß sind keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen. Im übrigen könnte sich ein solcher nur auf den Ausschluß einfacher Fahrlässigkeit beziehen.

3. Die Klägerin ist an der Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs nicht deshalb gehindert, weil die Beklagte mit dem Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin, der gleichzeitig Mitversicherter ist, verheiratet ist (§ 67 Abs. 2 VVG). Sinn und Zweck der Privilegierung ist es, den Familienfrieden nicht zu gefährden und „außerdem soll der Rückgriff des Versicherers beim haftpflichtigen Familienangehörigen nicht in Widerspruch zur wirtschaftlichen Zweckbestimmung seiner Leistungen an den Versicherten geraten. Die Versicherungsleistung soll dem Versicherten nicht dadurch mittelbar wieder entzogen werden, daß bei einem mit dem Versicherten wirtschaftlich verbundenen Familienangehörigen Regreß genommen wird“ (OLG Köln, NJW-RR 91, 670, 671 m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur). An der wirtschaftlichen Verknüpfung des Versicherungsnehmers mit der Beklagten, die auch in der häuslichen Gemeinschaft ihren Ausdruck finden muß, fehlt es hier. Die Versicherungsnehmerin ist eine GmbH, also eine Kapitalgesellschaft. Bei ihr haften grundsätzlich weder die Gesellschafter noch die Geschäftsführer persönlich, es haftet vielmehr nur das Vermögen der Gesellschaft. Dieses Gesellschaftsvermögen hat mit dem jeweiligen Privatvermögen des einzelnen Gesellschafters oder Geschäftsführers nichts zu tun. Es handelt sich um zwei gesonderte Vermögensmassen. Deshalb ist nicht ersichtlich, wie durch einen Rückgriffsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte die Versicherungsnehmerin, also die GmbH, — mittelbar — benachteiligt werden könnte (OLG Karlsruhe, 10 U 233/95, Urteil vom 25.10.1996).

An diesen aufgezeigten Grundsätzen ändert auch nichts die Tatsache, daß der Ehemann der Beklagten und Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin formal Mitversicherungsnehmer ist. Denn anspruchsberechtigt i.S.d. § 67 I VVG war nicht der Ehemann der Beklagten, sondern allein die GmbH; nur deren Anspruch gegen die Beklagte ist somit auch auf die Klägerin übergegangen.

Nach der „Besonderen Vereinbarung zur Kraftfahrtversicherung“ vom 06.06.1994 (II 23) erhielt der Mitversicherungsnehmer zum einen das alleinige Nutzungsrecht an dem versicherten Fahrzeug und zum anderen stellte er seinen Prämienrabatt für den Versicherungsvertrag zur Verfügung (Ziffer 1 der Vereinbarung). Alle anderen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag verblieben bei der Halterin und Eigentümerin des Fahrzeugs, der Firma B, B & Co. GmbH (Ziffer 2 der Vereinbarung). Diese ist verpflichtet, die fälligen Beiträge an den Versicherer zu entrichten sowie berechtigt, über die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen. Der als Mitversicherungsnehmer bezeichnete Ehemann der Beklagten hat dagegen im Verhältnis zur Versicherung keinerlei Befugnisse. Damit wird klar, daß tatsächlich, wie von der Klägerin vorgetragen, alleiniger Zweck der Zusatzvereinbarung war, der Versicherungsnehmerin, der Firma B, B & Co. GmbH, den Prämienrabatt des Ehemannes der Beklagten zur Verfügung zu stellen.

Der Ehemann der Beklagten ist daher nicht Geschädigter im Sinne des § 67 VVG.

Das Familienprivileg greift zu Gunsten der Beklagten deshalb nicht ein.

4. Die Beklagte war zwar berechtigte Fahrerin. Trotzdem steht der Klägerin ein Rückgriffsanspruch zu, da die Beklagte als Fahrerin den Versicherungsfall grob fahrlässig (§ 15 Abs. 2 AKB) herbeigeführt hat. Die erwiesenen Umstände des Unfalles rechtfertigen es, das Verhalten der Beklagten als grob fahrlässig zu würdigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH setzt grobe Fahrlässigkeit einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus; diese Sorgfalt muß in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muß dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH VersR 88, 474). Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist der erwiesene Unfallablauf objektiv als schwerer und subjektiv als nicht entschuldbarer Pflichtenverstoß zu werten.

Daß die Beklagte hier objektiv grob fahrlässig gehandelt hat, wird auch von ihr nicht in Abrede gestellt und liegt aufgrund des Unfallhergangs sowie der eigenen Einlassung der Beklagten zu ihrem Fahrverhalten unmittelbar vor dem Unfall klar auf der Hand (vgl. Schilderung der Beklagten an die Versicherung vom 22.11.1996, Anl.heft Kläger 9). Wer ein anderes Fahrzeug rechts auf der Rechtsabbiegespur überholt, dann bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h mit mindestens 104 km/h auf eine Ampel zufährt, wieder links einschert und die Ampelanlage bei rot überfährt, handelt grob fahrlässig, da er in kürzester Zeit erhebliche Verstöße gegen drei voneinander unabhängige Verkehrsvorschriften begeht (verbotenes Rechtsüberholen, um 48,5 % überhöhte Geschwindigkeit und Passieren der Ampelanlage bei rot) und dies eine Sorgfaltsverletzung in ungewöhnlich hohem Maße darstellt.

Diese objektiv schwere Pflichtverletzung stellt auch subjektiv ein nicht entschuldbares Fehlverhalten dar, das erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgeht. Nach der Rechtsprechung des BGH kann vom äußerem Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtenverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden (BGH, NJW 92, 2418, 2419). Mangels entlastender Umstände ist im vorliegenden Fall der Schluß zu ziehen, daß die Klägerin auch subjektiv unentschuldbar handelte, als sie die auf rot geschaltete Ampel unbeachtet ließ und in die Kreuzung mit unverminderter (weit überhöhter) Geschwindigkeit einfuhr. Für diese objektiven Pflichtverstöße fehlen Anhaltspunkte, die die Sorglosigkeit der Klägerin subjektiv geringer als grob fahrlässig erscheinen lassen (so auch BGH, NJW 92, 2419).

Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, daß ihr Pflichtenverstoß subjektiv geringer als grob fahrlässig deshalb war, weil sie nach dem Wiedereinscheren nach links und vor Passieren der Ampelanlage durch das Aufblenden des hinter ihr fahrenden Fahrzeugs irritiert worden sei. Dieses Aufblenden hatte die Beklagte durch ihr verbotswidriges Rechtsüberholen provoziert. Sie war deshalb verpflichtet, dem Verkehrsgeschehen noch größere Aufmerksamkeit zu widmen, denn mit der Größe der möglichen Gefahr — aufgrund einer vorangegangenen gefährlichen Handlung — wächst auch das Maß der zu erwartenden Sorgfalt (BGH, NJW 92, 2419). Da die Beklagte hier nicht nur rechts überholt hatte, sondern auch erheblich zu schnell fuhr, waren an sie besonders hohe Anforderungen zu stellen. Es entschuldigt sie daher nicht, wenn sie wegen des hinter ihr fahrenden, die Lichthupe betätigenden Fahrzeugs erst zu spät gesehen haben sollte, daß die Ampel auf rot umschaltete.

Die Beklagte hat somit wegen ihres grob fahrlässigen Verhaltens der Klägerin die Aufwendung zu ersetzen, die diese aufgrund des Kaskoversicherungsvertrages an die Versicherungsnehmerin erbracht hat.

5. Die Beklagte schuldet der Klägerin DM 42.518,27, da die Klägerin der Versicherungsnehmerin den Versicherungsfall mit diesem Betrag entschädigt hat.

Die Klägerin hat weiter gemäß §§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 2 BGB Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen in Höhe von 7 %. Die Klägerin hat vorgetragen, sie hätte den beanspruchten Betrag in dieser Höhe verzinslich anlegen können. Dies erscheint dem Senat plausibel. Er schätz daher den entgangenen Zinsverlust in der geltend gemachten Höhe (§ 287 ZPO).

Schließlich hat die Klägerin noch Anspruch auf den Betrag von DM 15,00 für vorgerichtliche Mahnkosten. Die Beklagte hat diese Position nicht bestritten.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 ZPO) liegen nicht vor.

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