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Krankenversicherung – Kostenerstattung für IMRT-Strahlentherapie bei Prostatakarzinom

LG Lüneburg – Az.: 5 O 179/13 – Urteil vom 02.08.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.627,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.7.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Übernahme von Kosten für eine durchgeführte Heilbehandlung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenkostenversicherung.

Der Kläger erkrankte an einem Prostata-Karzinom. In der Praxis für Radio-Onkologie … wurde er mit der sogenannten IMRT-Strahlentherapie behandelt. Die Behandlung wurde dem Kläger mit Rechnung vom 3.5.2013 mit 16.651,66 € berechnet (Bl. 18 d. A.). Die Beklagte erbrachte hierauf unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung 5.198,77 €. Der Kläger lässt sich den Abzug der Selbstbeteiligung gefallen und verlangt von der Beklagten Zahlung der noch offenen Differenz in Höhe von 10.627,93 €.

Der Kläger behauptet im Wesentlichen, die durchgeführte Behandlung sei medizinisch notwendig gewesen. Er ist der Auffassung, die Abrechnung des Krankenhauses sei korrekt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.627,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.7.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die medizinische Notwendigkeit und die Richtigkeit der Abrechnung. Die Kammer hat Beweis erhoben über die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Bestrahlungstherapie und der Richtigkeit der Abrechnung des Krankenhauses gemäß Beweisbeschluss vom 23.10.2013 (Bl. 65 d. A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen … vom 8.10.2015 (Bl. 323 d. A.) sowie auf die Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen vom 28.1.2016 (Bl. 381 d. A.) Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung des Sachverständigen vor der Kammer wird auf das Protokoll der Sitzung vom 12.7.2016 Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die durch die Strahlentherapie … am 3.5.2013 in Rechnung gestellte IMRT-Behandlung in Höhe von noch 10.627,93 € aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankenversicherungsvertrag, § 1 Abs. 1, 2 TB/KK.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die IMRT-Bestrahlung medizinisch notwendig war. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. März 2003 (Az. IV ZR 278/01, zitiert nach juris) Folgendes ausgeführt:

„Eine Heilbehandlungsmaßnahme ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Das im Allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen oder zu lindern.“

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen der Anhörung vor der Kammer im Termin vom 12.7.2016 bestehen keine Zweifel, dass die IMRT-Bestrahlung des Klägers medizinisch notwendig war.

Krankenversicherung – Kostenerstattung für IMRT-Strahlentherapie bei Prostatakarzinom
(Symbolfoto: Ververidis Vasilis/Shutterstock.com)

Der Sachverständige wurde von der Kammer bereits in mehreren Rechtsstreitigkeiten beauftragt (5 O 238/14 und 5 O 253/15). Der Sachverständige hat hier und in den anderen Verfahren ausgeführt, dass sich die Indikation bereits aus der Verpflichtung durch die Strahlenschutzverordnung ergebe, eine möglichst schonende Behandlung durchzuführen. Wegen des geringeren Risikos irreversibler Schäden am Darm sei die IMRT-Bestrahlung im Falle des Klägers auch geboten gewesen. Die konventionelle 3-D-Technik war nach den Ausführungen des Sachverständigen … im vorliegenden Fall nicht ausreichend. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass im Vergleich zu der 3-D-Bestrahlung die durchgeführte IMRT-Bestrahlung wesentlich weniger belastend ist. Die Strahlenbelastung im strahlensensiblen Enddarm werde signifikant gesenkt. Die Schäden bzw. Risiken seien bei der IMRT-Bestrahlung im vorliegenden Fall zu 2/3 geringer gewesen als diejenigen bei der konventionellen 3-D-Bestrahlung. Die Lage des Zielgebietes werde vor jeder Bestrahlung kontrolliert und ggf. korrigiert, so dass die Präzision der Bestrahlung gegenüber der herkömmlichen 3D-Bestrahlung auch deutlich gesteigert werde. Eine der Hauptindikationen für die IMRT-Bestrahlung sei dementsprechend die primäre oder postoperative Bestrahlung des Prostatakarzinoms. Die Kammer hat keine Bedenken, das Gutachten des Sachverständigen … zur Grundlage einer Entscheidung zu machen. Die Ausführungen des Sachverständigen waren in sich schlüssig, frei von Widersprüchen und erkennbar von der erforderlichen Fachkunde geprägt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die IMRT-Bestrahlung offenbar noch nicht in die entsprechenden Leitlinien aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, dass die medizinischen Leitlinien nicht regelmäßig aktualisiert werden, ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen, dass es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handelt, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen bzw. zu lindern.

Die in der Rechnung der Klinik … vom 3.5.2013 aufgeführten Kosten sind auch der Höhe nach gerechtfertigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die unlimitierte Abrechnung mittels der Analogziffer 5855 GOÄ gerechtfertigt war. Der Sachverständige … hat sowohl in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.1.2016 als auch im Rahmen seiner Anhörung vor der Kammer im Termin vom 12.7.2016 nachvollziehbar ausgeführt, dass der aufwendige technische und zeitliche Aufwand der Bestrahlungstechnik adäquat durch die Analogziffer 5855 GOÄ abgebildet werden kann. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es sich um eine nach Art, Kosten und Zeitaufwand der IMRT gleichwertige Leistung handelt. Eine Mengenbegrenzung sei nicht sachgerecht. Der Sachverständige … hat im Rahmen seiner Anhörung anschaulich erläutert, mit welch hohem Aufwand die IMRT-Behandlung beginnt. So müssen diverse Bestrahlungspläne erstellt werden, ggf. wird die Behandlung mit Messgeräten vorsimuliert. Die Gesamtdauer dieses Vorbereitungsaufwandes kann nach den Ausführungen des Sachverständigen entsprechend lange dauern. Auch dieser Aufwand ist durch die Abrechnung nach der Analogziffer 5855 GOÄ gedeckt. Die Höhe der Gebührenziffer hänge zudem mit den Kosten der eingesetzten Geräte zusammen. Schließlich seien auch die Personalkosten bei der Behandlung mit dem IMRT-Verfahren deutlich höher als bei der Behandlung mit dem IORT-Verfahren. Die Kammer teilt nach der Beweisaufnahme die Einschätzung des Sachverständigen, dass die stereotaktische Präzisionsbestrahlung mit dem IMRT-Verfahren nicht vergleichbar ist und eine Mengenbegrenzung nicht sachgerecht wäre. Die Beklagte verkennt bei ihrer Argumentation im Übrigen, dass die von ihr bevorzugte Ziffer für die IORT-Methode ausschließlich die Bestrahlung während einer Operation, nicht hingegen die Operation und die damit verbundenen weiteren Aufwendungen abdeckt. Die Kammer hält die Ausführungen des Sachverständigen … für überzeugend. Insbesondere seine Ausführungen im Rahmen der Anhörung vor der Kammer waren anschaulich und gut nachvollziehbar.

Der Kläger hat infolgedessen noch Anspruch auf Erstattung der restlichen Summe in Höhe von 10.627,93 €.

Der Zinsanspruch ist nach endgültiger und ernsthafter Verweigerung der Beklagten aus Verzug gerechtfertigt, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Die Kostenentscheidung hat ihre gesetzliche Grundlage in § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

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