Unfallversicherung-Urteil: Streit um Rotorenmanschettenruptur vor Gericht
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hat in einem Berufungsverfahren (Az.: 4 U 23/14) entschieden, dass das Urteil des Landgerichts Stendal aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen wird, wobei es um Invaliditätsansprüche des Klägers aus einer Unfallversicherung geht, die durch eine Schulterverletzung nach einem Unfall mit einem Pferd verursacht wurden, wobei umstritten ist, inwieweit die Invalidität durch den Unfall oder vorbestehende Schäden bedingt ist.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Kläger verlangt Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung nach einer Schulterverletzung, die durch einen Unfall mit einem Pferd entstand.
- Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hob das Urteil des Landgerichts Stendal auf und verwies den Fall zurück, da entscheidungserheblicher Sachvortrag der Parteien nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
- Im Mittelpunkt steht die Bewertung der Invalidität: in welchem Umfang sie durch den Unfall verursacht wurde und inwiefern vorbestehende degenerative Schäden eine Rolle spielen.
- Die Verletzung umfasst eine Rotorenmanschettenruptur mit verschiedenen Komplikationen, wobei der Kläger nach konservativer und operativer Behandlung dauerhafte Funktionsbeeinträchtigungen erlitt.
- Das Gericht muss die Beweislast für das Vorliegen und den Umfang einer Leistungsminderung nach Versicherungsbedingungen neu bewerten.
- Es besteht Streit über die Bewertung des Invaliditätsgrads und inwieweit degenerative Vorschäden als alterstypisch oder als Gebrechen anzusehen sind.
- Eine erneute umfassende Beweisaufnahme ist erforderlich, um den unfallbedingten Mitwirkungsanteil und die endgültige Invalidität zu klären.
- Das Urteil hat vorläufige Vollstreckbarkeit, und eine Revision wurde nicht zugelassen.
Gesundheitliche Folgen nach einem Unfall
Unfallversicherungen bieten finanzielle Unterstützung, wenn nach einem Unfallereignis gesundheitliche Beeinträchtigungen zurückbleiben. Oft stellt sich jedoch die Frage, ob die erlittenen Schäden tatsächlich unfallbedingt sind oder Folge einer altersbedingten Abnutzung. Dies ist besonders relevant bei Rotorenmanschettenrupturen der Schulter – einer Verletzung des Sehnenapparats, die häufig im Alter auftritt.
Die Abgrenzung zwischen unfallursächlichen Schäden und natürlichen Verschleißerscheinungen ist komplex. Denn der Mensch ist kein Neuwagen – gewisse körperliche Gebrechen wie Arthrose sind quasi naturgemäß. Jedoch können durchaus bereits bestehende Vorschäden durch einen Unfall erheblich verstärkt werden. Eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall ist für die Leistungen aus Unfallpolicen unerlässlich.
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➜ Der Fall im Detail
Streit um Invaliditätsleistung nach Unfallversicherung erreicht Oberlandesgericht
Der Fall handelt von einem Invaliditätsanspruch aus einer Unfallversicherung, der nach einem Unfall mit einer Rotorenmanschettenruptur und weiteren Komplikationen entstand. Der Kläger, ein 68-jähriger Mann, der zuvor bereits orthopädische Beschwerden im rechten Schulterbereich hatte, erlitt wenige Tage nach einem Unfall am 16. Mai 2010 eine Schulterverletzung. Die Diagnose ergab eine massive Rotorenmanschettenruptur mit vollständiger Ruptur der Supraspinatussehne und weiteren Schädigungen. Trotz umfassender konservativer Behandlungsversuche folgte eine operative Rekonstruktion der Rotatorenmanschette, die infolge zu mehreren Revisionsoperationen aufgrund einer Infektion führte.
Die rechtliche Auseinandersetzung konzentrierte sich darauf, inwieweit die dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Arms des Klägers durch den Unfall bedingt sind und welchen Anteil vorbestehende degenerative Schäden daran haben. Der Kläger behauptete, die Verletzung beim Versuch eines Pferdes, sich loszureißen, erlitten zu haben, was die Funktionsfähigkeit seines Arms erheblich und dauerhaft beeinträchtigte. Der Streit mit der Versicherung entbrannte über den Invaliditätsgrad und die Frage, wie viel davon auf den Unfall zurückzuführen ist.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt entschied, das Urteil des Landgerichts Stendal aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Es stellte fest, dass das Landgericht das rechtliche Gehör des Klägers verletzt habe, indem es den Beweisantrag des Klägers zu dem für den Rechtsstreit zentralen Verursachungsanteil des Unfalls für die eingetretenen Schäden nicht erschöpfend nachging. Zudem wurde kritisiert, dass das Landgericht ohne eigene Sachkunde von der unfallbedingten Mitwirkung abgewichen ist und somit den Sachverständigenbeweis nicht vollständig erhob.
Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass eine neue umfassende Beweisaufnahme erforderlich sei, um die strittigen Fragen, insbesondere die Höhe des Verursachungsanteils des Unfalls für die Invaliditätsschäden, klären zu können. Es wurde angeregt, einen anderen medizinischen Sachverständigen mit der Begutachtung zu betrauen, da Zweifel an der Einschätzung des bisherigen Sachverständigen bestanden.
Juristische und medizinische Bewertungen im Fokus
Der Fall wirft komplexe juristische und medizinische Fragen auf, vor allem im Hinblick auf die Abgrenzung unfallbedingter Schäden von vorbestehenden degenerativen Veränderungen. Die Bewertung der Invalidität und der Anteil des Unfalls daran sind entscheidend für den Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung. Dies bedarf einer detaillierten medizinischen Begutachtung und einer sorgfältigen juristischen Abwägung.
Die Rückverweisung des Falls an das Landgericht bedeutet, dass die Parteien die Möglichkeit erhalten, ihren Sachvortrag zu ergänzen und weitere Beweise zu präsentieren. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts unterstreicht die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und der Notwendigkeit, alle relevanten Beweise sorgfältig zu würdigen, um zu einer gerechten Entscheidung zu gelangen.
Weiteres Vorgehen und offene Fragen
Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist der Rechtsstreit um die Invaliditätsleistung aus der Unfallversicherung noch nicht abgeschlossen. Die erneute Verhandlung vor dem Landgericht Stendal wird die offenen Fragen klären müssen, insbesondere den genauen Verursachungsanteil des Unfalls an den dauerhaften Schäden des Klägers. Das Ergebnis wird maßgeblich davon abhängen, wie die neuen Beweise bewertet werden und welche Schlussfolgerungen der neu bestellte medizinische Sachverständige zieht.
Die Entscheidung hebt die Komplexität von Fällen hervor, in denen es um die Abgrenzung von Unfallschäden gegenüber vorbestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geht. Sie zeigt auf, dass eine sorgfältige juristische und medizinische Begutachtung unerlässlich ist, um zu einer fairen und sachgerechten Lösung zu gelangen.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Welche Voraussetzungen müssen für einen Anspruch aus der Unfallversicherung erfüllt sein?
Damit die gesetzliche oder private Unfallversicherung im Schadensfall Leistungen erbringt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Entscheidend ist zunächst, dass ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt. Ein Unfall ist definiert als ein plötzlich von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt. Dabei muss das Ereignis unfreiwillig geschehen und innerhalb eines kurzen Zeitraums eintreten.
Abzugrenzen ist der Unfall von Krankheiten. Gesundheitsschäden, die sich schleichend entwickeln oder auf Abnützung zurückzuführen sind, gelten nicht als Unfall. Auch psychische Reaktionen wie Schock sind in der Regel nicht versichert. In Zweifelsfällen muss der Unfallversicherer nachweisen, dass eine Krankheit und kein Unfall vorliegt. Bestimmte Körperschädigungen wie Muskelrisse werden den Unfällen gleichgestellt, sofern sie nicht überwiegend krankheitsbedingt sind.
Neben dem Vorliegen eines Unfalls müssen Versicherte bestimmte Obliegenheiten erfüllen. Dazu gehört insbesondere die fristgerechte Meldung des Unfalls. In der privaten Unfallversicherung haben Versicherte meist 15 Monate Zeit, den Unfall anzuzeigen und die Invalidität ärztlich feststellen zu lassen. Der Versicherer muss seine Kunden aber explizit auf diese Fristen hinweisen, sonst kann er sich nicht darauf berufen.
Weitere Voraussetzungen können sich aus dem konkreten Versicherungsvertrag ergeben. Häufig schließen die Bedingungen bestimmte Unfallursachen wie Selbstmord oder grob fahrlässiges Verhalten aus. Auch Mitwirkungsanteile von Vorerkrankungen können den Leistungsanspruch mindern. Grundsätzlich muss der Unfall aber innerhalb einer bestimmten Frist zum Tod oder zur Invalidität geführt haben, damit die Versicherung zahlt.
Wie wird der Invaliditätsgrad nach einem Unfall bestimmt?
Der Invaliditätsgrad nach einem Unfall wird anhand der sogenannten Gliedertaxe bestimmt. Die Gliedertaxe ist eine Tabelle, die für verschiedene Körperteile und Sinnesorgane feste Invaliditätsgrade in Prozent festlegt. Sie ist Bestandteil der Versicherungsbedingungen und dient als Grundlage für die Berechnung der Invaliditätsleistung.
Beispielsweise sieht die Gliedertaxe für den Verlust eines Arms einen Invaliditätsgrad von 70% vor. Ist der Arm nach dem Unfall nicht völlig funktionsunfähig, sondern nur teilweise beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad entsprechend gemindert. Bei einer vom Gutachter festgestellten Beeinträchtigung des Arms von 20% ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 14% (20% von 70%).
Zur Ermittlung des Invaliditätsgrads ist ein medizinisches Gutachten erforderlich. Der von der Versicherung beauftragte Arzt untersucht den Versicherten und bewertet anhand objektiver Kriterien, inwieweit die Funktionsfähigkeit der betroffenen Körperteile und Sinnesorgane beeinträchtigt ist. Dabei orientiert er sich an der Gliedertaxe. Für Körperteile, die dort nicht aufgeführt sind, schätzt der Gutachter den Grad der Beeinträchtigung nach medizinischen Gesichtspunkten.
Sind durch den Unfall mehrere Körperteile betroffen, werden die einzelnen Invaliditätsgrade addiert. Die Gesamtinvalidität ist aber auf maximal 100% begrenzt. Neben dem unfallbedingten Invaliditätsgrad berücksichtigt die Versicherung auch Vorschäden (sog. Vorinvalidität). War das betroffene Körperteil oder Sinnesorgan schon vor dem Unfall beeinträchtigt, wird dies vom aktuellen Invaliditätsgrad abgezogen.
Die Höhe der Invaliditätsleistung hängt neben dem gutachterlich festgestellten Invaliditätsgrad von der vereinbarten Versicherungssumme ab. Viele Tarife sehen zudem eine Progression vor, durch die sich die Leistung ab einem bestimmten Invaliditätsgrad überproportional erhöht. Manche Versicherer leisten erst ab einer Mindestschwelle, z.B. 20% Invalidität.
Kann die Unfallversicherung die Leistung verweigern, wenn der Unfall durch eine Vorerkrankung beeinflusst wurde?
Grundsätzlich kann die Unfallversicherung die Leistung nicht komplett verweigern, nur weil eine Vorerkrankung vorlag. Entscheidend ist, ob der Unfall die rechtlich wesentliche Ursache für den eingetretenen Gesundheitsschaden war.
Um dies zu beurteilen, ist eine zweistufige Kausalitätsprüfung erforderlich:
- Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserstschaden bestehen. Der Unfall muss conditio sine qua non (notwendige Bedingung) für den Schaden sein.
- Der Unfall muss die rechtlich wesentliche Ursache darstellen. Dies ist der Fall, wenn er nach Art und Schwere geeignet war, einen solchen Schaden herbeizuführen. Vorerkrankungen sind dabei unbeachtlich, wenn der Unfall den Schaden auch bei einem gesunden Menschen in gleicher Weise verursacht hätte.
Nur wenn der Unfall lediglich Anlass, aber nicht wesentliche Ursache des Schadens war, kann die Versicherung die Leistung ablehnen. Dies ist der Fall, wenn die Vorerkrankung derart schwer und leicht ansprechbar war, dass es nur eines geringfügigen äußeren Anlasses bedurfte, um den Schaden auszulösen.
In Zweifelsfällen muss die Versicherung beweisen, dass der Unfall nicht die rechtlich wesentliche Ursache war. Gelingt ihr dies nicht, muss sie leisten.
Allerdings kann die Versicherung die Leistung kürzen, wenn Vorerkrankungen als konkurrierende Ursache mitgewirkt haben. Dazu muss sie den Mitwirkungsanteil der Vorerkrankung nachweisen, der meist mindestens 25% betragen muss. Die Leistung wird dann entsprechend gemindert.
Zusammengefasst kommt es also auf eine differenzierte Betrachtung des Einzelfalls an. Nur wenn der Unfall lediglich Anlass, aber nicht wesentliche Ursache des Schadens war, ist eine Leistungsverweigerung gerechtfertigt. Ansonsten muss die Versicherung leisten, ggf. unter Berücksichtigung eines Mitwirkungsanteils der Vorerkrankung.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 286 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelt die freie Beweiswürdigung durch das Gericht. Dieser Paragraph ist relevant, weil das Landgericht in der Bewertung des unfallbedingten Mitwirkungsanteils ohne eigene Sachkunde vom Sachverständigengutachten abgewichen ist. Die korrekte Anwendung und Interpretation von Beweismitteln ist entscheidend für das Urteil.
- § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO: Bestimmt die Zulässigkeit der Berufung gegen Urteile der Landgerichte. Dieser Paragraph ist relevant, da der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt hat. Die Regelungen zur Berufung bestimmen das weitere Verfahren und die Möglichkeiten der Rechtsverfolgung.
- § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO: Erlaubt die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung bei wesentlichen Verfahrensfehlern. Dieser Paragraph ist relevant, weil das Oberlandesgericht aufgrund von Verfahrensfehlern des Landgerichts die Sache zurückverwiesen hat.
- AUB (Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen): Spezifiziert die Bedingungen für Unfallversicherungen, einschließlich der Definition von Invalidität und deren Bewertung. Die AUB sind zentral, da der Streit um den Invaliditätsgrad und den Anteil unfallbedingter Schäden an der Invalidität im Kern des Falls steht.
- § 3 Satz 2 AUB: Betrifft die Berücksichtigung von Vorinvalidität, Krankheiten und Gebrechen bei der Berechnung der Invaliditätsleistung. Dieser Punkt ist relevant, da strittig ist, inwieweit vorbestehende degenerative Schäden des Klägers berücksichtigt werden müssen.
- § 4 Abs. 2 d) AUB: Regelt den Ausschluss von Leistungen bei Infektionen. Relevant, weil diskutiert wird, ob die infektionsbedingten Schäden, die nach der Operation entstanden sind, im Zusammenhang mit dem Unfall stehen oder auf vorbestehende Schäden zurückzuführen sind und somit nicht unter die Unfallversicherung fallen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 4 U 23/14 – Urteil vom 18.12.2014
1. Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das Urteil des Landgerichts Stendal vom 28. März 2014, Az.: 21 O 184/12, nebst dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Landgericht Stendal zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufung, zurückverwiesen.
3. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger macht Invaliditätsansprüche aus einer mit der Beklagten geschlossenen Unfallversicherung geltend.
Der Kläger unterhält ausweislich des Versicherungsscheins vom 13. Mai 2008 (Bl. 12, 13 Bd. I d. A.) und eines Nachtrags vom 21. Oktober 2009 (Bl. 42 Bd. I d. A.) bei der Beklagten eine dynamische Unfallversicherung mit einer vereinbarten Invaliditätssumme von 35.000,– € unter Geltung der A. AUB I S (Bl. 30 bis 41 Bd. I d. A., im Folgenden: AUB), die eine Invaliditätsleistung erst ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 20 % vorsehen.
Der heute 68-jährige Kläger, der sich wegen Beschwerden in seiner rechten Schulter bereits zuvor in orthopädischer Behandlung befunden hatte, begab sich, wenige Tage nach einem Unfall, der sich am 16. Mai 2010 ereignet hatte und dessen genauer Hergang zwischen den Parteien umstritten ist, wegen einer Schulterverletzung in ärztliche Behandlung. Mittels einer daraufhin veranlassten MRT-Untersuchung wurden bei ihm im rechten Schulterbereich eine Rotorenmanschettenmassenruptur mit vollständiger Ruptur der Supraspinatussehne, eine Zerrung der Infraspinatussehne sowie Faserläsionen in der Deltoideusmuskulatur und zudem eine Funktionsbeeinträchtigung der Gelenkbeweglichkeit wie auch eine Schleimbeutelentzündung festgestellt. Nachdem konservative Behandlungmöglichkeiten ausgeschöpft waren und keine Besserung mehr versprachen, entschloss man sich zu einem operativen Eingriff, der am 24. Juni 2010 mit dem Ziel einer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette stattfand. Aufgrund einer hierbei eingetretenen Infektion des Schultergelenks musste der Kläger sich in der Folge mehreren Revisionsoperationen unterziehen.
Zwischen den Parteien ist vor allem streitig, mit welchem Invaliditätsgrad die danach dauerhaft verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Arms zu bemessen sind und in welchem Umfang eine Invalidität auf den Unfall und inwieweit auf die Mitwirkung bereits zuvor vorhandener degenerativer Schäden zurückzuführen ist.
Der Kläger hat behauptet, dass am 16. Mai 2010 ein Pferd, von ihm gehalten mit einem etwa zwei Meter langen Führstrick, unerwartet versucht habe, sich loszureißen. Hierdurch habe er sich eine Schulterverletzung zugezogen, wodurch die Funktionsfähigkeit seines rechten Armes zu 15/20 dauerhaft beeinträchtigt worden sei. Die bereits vor dem Unfall bei ihm bestehende Arthrose des Schultergelenks sei hingegen als altersgemäß einzuschätzen und habe die nunmehr bestehende Funktionsbeeinträchtigung des Arms um weniger als 25 % mitverursacht, weshalb sie nach den Versicherungsbedingungen unberücksichtigt bleiben müsse. Nach der vertraglich vereinbarten Gliedertaxe, die bei völliger Funktionsunfähigkeit eines Arms einen Invaliditätsgrad von 70 % vorsehe, folge daraus ein Invaliditätsgrad von 52,50 %, der unter Berücksichtigung der vereinbarten Invaliditätssumme von 35.000,– € eine zu beanspruchende Invaliditätsleistung in Höhe von 18.375,– € bedeute.
Nachdem antragsgemäß im mündlichen Termin am 1. März 2013 zunächst ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte auf Zahlung von 18.375,– € nebst Zinsen und außergerichtlichen Anwaltskosten vom Landgericht erlassen worden ist, hat der Kläger nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten beantragt, das Versäumnisurteil vom 1. März 2013 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 1. März 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat eine über 5/10 hinausgehende Funktionsbeeinträchtigung des rechten Arms des Klägers bestritten, wobei der maximal sich ergebende Gesamtinvaliditätsgrad von 35 % überwiegend, nämlich zu 60 %, auf bereits vor dem Unfall bestehende degenerative Schädigungen im rechten Schulterbereich des Klägers zurückzuführen sei. Damit reduziere sich der allein unfallursächliche Grad der Invalidität auf 14 %, womit ein nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen für einen Leistungsanspruch erforderlicher Mindestinvaliditätsgrad von 20 % nicht mehr erreicht werde.
Das Landgericht hat Beweis erhoben, und zwar zunächst zum Unfallhergang durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers, B. D., als Zeugin und sodann durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. F. vom 30. Juli 2013 (Bl. 1 bis 20 Bd. II d. A.) nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 27. Oktober 2013 (Bd. II Bl. 43 bis 52 d. A.) und vom 31. Januar 2014 (Bl. 98 bis 99 Bd. II d. A.). Anschließend hat es mit Urteil vom 28. März 2014 (Bl. 117 bis 123 Bd. II d. A.) das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein unfallbedingter Mindestinvaliditätsgrad von 20 % nicht erreicht worden sei. Die letztlich verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Armes gingen in erster Linie nicht auf den Unfall, sondern auf bereits zuvor vorhandene, wenngleich unerkannte Verschleißvorgänge der rechten Schulter zurück. Ebenso seien die operationsbedingten Infektionsfolgen nicht dem Unfall, sondern den bereits zuvor bestehenden degenerativen Schäden, die auch allein die Operationen notwendig gemacht hätten, zuzuschreiben. Unfallbedingt sei, abweichend von dem sachverständigerseits mit 40 % angenommenen Verursachungsanteil, nur ein solcher von einem Drittel anzuerkennen, was bezogen auf den Gesamtarm einen Invaliditätsgrad von 12,83 % bedeute. Auch bei isolierter Betrachtung des Oberarmwerts, auf den ein Invaliditätsgrad von 65 % bei vollständiger Funktionsunfähigkeit entfalle, werde, selbst wenn man von einer 4/5-Funktionsbeeinträchtigung ausginge, bei einer Unfallursächlichkeit von einem Drittel nur eine Gesamtinvalidität von 17,16 % erreicht. Im Übrigen sei aber eine Ermittlung der prozentualen Einschränkungen des Oberarms nach Maßgabe des § 296 ZPO ohnehin nicht geboten gewesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung und begehrt in zweiter Instanz noch die Zahlung von 13.650,– € nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Er beanstandet vor allem, dass das Landgericht ohne vorhandene eigene Sachkunde und ohne tragfähige Begründung von der vom Sachverständigen bereits unverständlicherweise mit 40 % zu niedrig angesetzten Unfallursächlichkeit noch einen weiteren Abschlag vorgenommen habe und schließlich bloß zu einer Unfallursächlichkeit von einem Drittel gelangt sei. Tatsächlich habe der Unfall mindestens 60 % der vorhandenen Dauerschäden verursacht, was angesichts einer der Versteifung des Schultergelenks nahekommenden vollen Invalidität des Oberarms bei der vereinbarten Invaliditätssumme von 35.000,– € eine Invaliditätsleistung in Höhe von 13.650,– € bedeute. Daneben habe das Landgericht aber auch rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des § 296 ZPO bejaht und folglich die Ermittlung der prozentualen Einschränkungen des Oberarms unzulässig unterlassen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.650,– € und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,– € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2011 sowie an die A. Rechtsschutz Service GmbH, T. 3, B., zur Schadensnummer … weitere 797,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2011 zu zahlen.
H i l f s w e i s e stellt er den Antrag, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Stendal zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Trotz einzugestehender Schwächen in der Begründung sei die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis zutreffend. So habe der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits eine anspruchsbegründende Kausalität zwischen dem Unfallereignis und einer darauf beruhenden Körperbeeinträchtigung nicht nachgewiesen. Zudem sei das hier eingetretene Infektionsrisiko durch § 4 Abs. 2 d) AUB ausgeschlossen, da die infektionsbringende Heilbehandlung in Gestalt der Erstoperation nicht durch den Unfall, sondern die degenerativen Vorschäden veranlasst worden sei und damit ein Wiedereinschluss des Infektionsrisikos nach den AUB nicht in Betracht käme.
II.
Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache insoweit Erfolg, als auf seinen Hilfsantrag die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nebst zugrundeliegendem Verfahren an das Landgericht Stendal zurückzuverweisen war.
Das Landgericht hat das rechtliche Gehör des Klägers in entscheidungserheblicher Weise verletzt, worin ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO liegt, aufgrund dessen eine umfängliche bzw. aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist, die eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz dem Senat gleichermaßen zweckdienlich wie geboten erscheinen lässt.
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht namentlich dazu, entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und diese bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 2000, 131; BGH, ZIP 2007, 1524; BGH, Urteil vom 22. Juni 2009, Az.: II ZR 143/08, zitiert nach juris, Rdnr. 2; OLG München, Urteil vom 18. Dezember 2008, Az.: 19 U 5582/07, zitiert nach juris, Rdnr. 11; OLG Rostock, Urteil vom 16. April 2008, Az.: 1 U 42/08, zitiert nach juris, Rdnr. 28, 29).
Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht verstoßen, indem es dem Beweisantrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der für den Ausgang des Rechtsstreits zentralen Frage, wie hoch der Verursachungsanteil des Unfalls für die eingetretenen Invaliditätsschäden einzuschätzen ist, nicht, bzw. nicht erschöpfend, nachgegangen ist und zudem mit haltloser Begründung von der Ermittlung eines Invaliditätsgrades des rechten Oberarms unter Verweis auf die Vorschrift des § 296 ZPO abgesehen hat.
Zu Recht beanstandet der Kläger mit der Berufung, dass das Landgericht den vom Sachverständigen Prof. Dr. F. mit 40 % angenommenen unfallbedingten Mitwirkungsanteil mangels eigener Sachkunde nicht auf ein Drittel habe herabsetzen dürfen. Hiermit hat das Landgericht nicht nur die Grenzen einer nach § 286 Abs. 1 ZPO vorgegebenen freien Beweiswürdigung unzulässig überschritten, sondern gleichzeitig auch das entsprechende Beweisangebot des Klägers übergangen, was sich als gravierender Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs darstellt.
Da das Sachverständigengutachten selbst nach eigener Auffassung des Landgerichts keine befriedigende Begründung für den dort angenommenen Mitwirkungsanteil des Unfalls bereit hielt, hätte es dem Landgericht oblegen, zunächst hierzu den Sachverständigen ergänzend mündlich anzuhören und, falls dies nicht zu einer befriedigenden Klärung geführt hätte, einen neuen Sachverständigen mit dieser Frage zu betrauen. Hingegen sich letztlich von dem Sachverständigengutachten vollkommen loszulösen und den unfallbedingten Mitwirkungsanteil ohne die mangels eigener Sachkunde erforderliche Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen zu entscheiden, kommt im Ergebnis einer Nichterhebung des vom Kläger zu dieser Frage angebotenen Sachverständigenbeweises gleich.
Weiterhin hat das Landgericht das rechtliche Gehör des Klägers zur Frage einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit des rechten Oberarms dadurch verletzt, dass es hierzu eine Beweiserhebung gemäß § 296 ZPO für nicht erforderlich erachtete. Ungeachtet dessen, dass bereits völlig unklar bleibt, welche tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm, ob die des Absatzes 1 oder die des Absatzes 2 nach Ansicht des Landgerichts erfüllt sein sollen, verhält es sich mitnichten so, dass die prozentuale Einschränkung des Oberarmwerts erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung angesprochen wurde. Vielmehr hat der Kläger vor dem letzten mündlichen Termin am 14. März 2014 bereits mit Schriftsatz vom 03. September 2013 (Bl. 36 Bd. II d. A.) eine entsprechende Frage an den Sachverständigen formuliert, zu der dieser auch in dem Ergänzungsgutachten vom 27. Oktober 2013 (Bl. 50 Bd. II d. A.) Stellung bezogen hat.
Diese Verfahrensfehler des Landgerichts machen eine erneute Beweisaufnahme unerlässlich und wirken sich deshalb entscheidungserheblich aus. Denn die Klage erweist sich nicht etwa, wie die Beklagte meint, bereits in anderer Hinsicht als unbegründet und abweisungsreif.
Der Ansicht der Beklagten, bei dem gegenständlichen Unfall handele es sich um eine bloße Gelegenheitsursache, die eine vom Kläger in vollem Umfang zu beweisende haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfall und Gesundheitsschädigung nach Adäquanzgrundsätzen ausschließe, vermag der Senat nicht näherzutreten. Von einer solchen Gelegenheitsursache wird dann gesprochen, wenn ein degenerativer Vorzustand vorliegt, der nur eines banalen, beliebig austauschbaren Anlasses bedarf, um sich zum Abschluss einer langen Entwicklung als Gesundheitsschädigung zu offenbaren (OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2006, Az.: 5 U 34/04, zitiert nach juris Rdnr. 15; OLG Dresden, Urteil vom 16. Juni 2008, Az.: 4 U 1046/07, zitiert nach juris, Rdnr. 3).
Bereits in grundsätzlicher Hinsicht bestehen für den Senat Bedenken, ob eine solche Gelegenheitsursache bereits im Bereich der haftungsbegründenden Kausalität Berücksichtigung finden darf. Zum einen gilt es zu bedenken, dass viele eher banale Anlässe im Alltag zu durchaus erheblichen Verletzungsfolgen führen können, ohne dass damit die Adäquanz eines solchen Geschehens in Frage gestellt wäre. Hinzu kommt, dass die AUB für degenerative Vorschäden mit ihren Regelungen zur Vorinvalidität, Krankheit und Gebrechen eindeutige und abschließende Regelungen enthalten, die nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers dadurch unterlaufen werden dürfen, dass man dem Versicherungsnehmer angesichts vorhandener degenerativer Vorschäden unter dem Aspekt der Adäquanz bereits bei der haftungsbegründenden Kausalität aufgibt, sich vom Vorliegen einer Gelegenheitsursache entlasten zu müssen (so aber OLG Dresden, a.a.O., Rdnr. 3).
Dessen ungeachtet dürfte das vom Kläger geschilderte unerwartete Losreißen des Pferdes auch nach den Ausführungen des Sachverständigen mit einer erheblichen Krafteinwirkung auf den rechten Arm einhergegangen sein und sich damit keineswegs als ein banaler, beliebig austauschbarer Vorgang im Sinne einer Gelegenheitsursache darstellen. Genauso wenig lässt sich argumentieren, es fehle deshalb an einer haftungsbegründenden Kausalität, weil dem Kläger der Nachweis einer Ursächlichkeit zwischen Unfall und Rotorenmanschettenruptur nicht gelungen sei. Ganz abgesehen davon, dass die von der Beklagten in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. für den Senat bisher wenig überzeugend erscheinen, verkennt die Beklagte, dass ungeachtet der umstrittenen, möglicherweise bereits vor dem Unfall bestehenden Rotorenmanschettenruptur auch nach Auffassung des Sachverständigen zumindest muskuläre Verletzungen des Klägers als Unfallfolge feststehen. Damit handelt es sich bei der Frage, inwieweit Rotorenmanschettenruptur und unfallbedingte Verletzungen zu der anschließenden Invalidität beigetragen haben, um einen Aspekt der haftungsausfüllenden Kausalität, der nach dem gesetzlichen Beweismaßstab des § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen sein wird.
In diesem Zusammenhang gilt es weiterhin zu beachten und abzugrenzen, ob und wenn ja in welchem Maße die dem Grunde nach unstreitig bereits vor dem Unfall vorhanden gewesenen degenerativen Vorschäden des Klägers im Schulterbereich als noch alterstypisch einzuschätzen sind oder bereits ein Gebrechen im Sinne des § 3 Satz 2 AUB darstellen.
Eine altersgemäße Abnutzung des Körpers ist, auch wenn sie eine gewisse Disposition für unfallbedingte Gesundheitsstörungen bedeutet, nicht als Gebrechen anzusehen und kann deshalb nicht zu einer Minderung der Invaliditätsleistung führen (BGH, Beschluss vom 08. Juli 2009, Az.: IV ZR 216/07, zitiert nach juris, Rdnr. 14). Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. liegt bei über der Hälfte der in die Altersgruppe des Klägers fallenden Personen der über 60-jährigen eine überwiegend unerkannt gebliebene Ruptur der Rotorenmanschette vor (so auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 22. Dezember 2010, Az.: 5 U 638/09, zitiert nach juris, Rdnr. 36 – 43). Deshalb wird es aller Voraussicht nach weniger darauf ankommen, ob vor dem Unfall überhaupt bei dem Kläger eine Ruptur der Rotorenmanschette vorlag, sondern vielmehr, wie eine derartige Ruptur von ihrer Qualität und ihrem Schweregrad beim Kläger einzuschätzen ist. Hierbei wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass der Beklagten als Versicherer für das Vorliegen und den Umfang einer Leistungsminderung nach § 3 Satz 2 AUB die Beweislast zufällt (OLG Saarbrücken, a.a.O., Rdnr. 36 m. w. N.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich nach gegenwärtigem Sachstand ebenfalls noch nicht abschließend beurteilen, ob und in welchem Umfang der in § 4 Abs. 2 d (cc) in Verb. mit Abs. 2 c) Satz 2 AUB geregelte Ausschluss für Infektionsschäden Anwendung zu finden hat. Entscheidend dürfte für einen derartigen Risikoausschluss in erster Linie sein, ob die infektionsauslösende Erstoperation als Heilbehandlung allein auf die degenerativen Vorschäden des Klägers zurückzuführen ist. Nach bisherigem Sachstand, der allerdings noch der weiteren Aufklärung in erster Instanz, möglicherweise auch durch Zeugenvernehmung des behandelnden Arztes Dr. B. (Bl. 44 Bd. I d. A.), bedarf, könnte hingegen naheliegen, dass beide Ursachen – Unfall und degenerative Vorschäden – derart zusammengewirkt haben, dass es ohne die jeweils andere Ursache nicht zu der Operation am 24. Juni 2010 und damit auch nicht zu den nachfolgenden Infektionskomplikationen gekommen wäre. Eine rein hypothetische Betrachtung dergestalt, dass es womöglich später allein wegen der degenerativen Vorschäden zu einer ähnlichen Operation gekommen wäre, kann hingegen nicht maßgeblich sein. Für eine Mitursächlichkeit des Unfalls könnte hier ferner sprechen, dass der Kläger offenbar vor dem Unfall noch unter keinen wesentlichen Beschwerden im Schulterbereich litt und eine Operation trotz vorhandener degenerativer Vorschäden gerade noch nicht anstand. Sollte die Operation dennoch unabhängig vom Unfall allein aufgrund der anschließend festgestellten Vorschäden durchgeführt worden sein, hätte dies zur Folge, dass der auf die Infektion entfallende Invaliditätsanteil zu bestimmen und von der Gesamtinvalidität in Abzug zu bringen wäre.
Im Hinblick auf das nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gerichtlich eröffnete Ermessen erachtet der Senat, wie mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2014 ausführlich erörtert, eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils nebst Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zwecks Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts als allein sach- und zweckgerechte Maßnahme für unerlässlich. Angesichts der gleichermaßen umfangreichen und aufwendig zu erwartenden Beweisaufnahme entspricht es dem vorrangigen Interesse der Parteien, vor dem Landgericht als originär zuständiger Tatsacheninstanz neu vortragen und die hier streitigen Fragen einer Klärung zuführen zu können.
Hierbei dürfte es sich anbieten, nicht wie bisher Prof. Dr. F., sondern einen anderen medizinischen Sachverständigen mit einer erforderlichen neuen Begutachtung zu betrauen.
Bereits nach eigener Einschätzung des Landgerichts ist der Sachverständige Prof. Dr. F. nicht in der Lage gewesen, eine nachvollziehbare Begründung für den mit 40 % angenommenen Verursachungsanteil des Unfalls zu geben. Darüber hinaus vermögen aber auch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 27. Oktober 2013 (Bl. 20 Bd. II d. A.) dazu, dass der Invaliditätsgrad für den Oberarm analog zum Wert des Gesamtarms berechnet werden könne, nicht zu überzeugen. Danach steht zu befürchten, dass der Sachverständige Aufbau und Systematik der zugrunde liegenden Gliedertaxe nicht oder möglicherweise nicht vollständig erfasst hat. Die Gliedertaxe geht davon aus, dass die Funktionsunfähigkeit eines rumpfnäheren Gliedes die Funktionsfähigkeit des rumpfferneren Gliedes einschließt und damit im Regelfall allein die Beeinträchtigungen des rumpfnäheren Glieds für einen zu bestimmenden Invaliditätsgrad maßgeblich sind. Nur in den Fällen, in denen die Funktionsunfähigkeit des rumpfferneren Körperteils zu einem höheren Invaliditätsgrad als die Funktionsunfähigkeit des rumpfnäheren Körperglieds führt, stellt die Invaliditätsleistung für das rumpffernere Körperteil die Untergrenze der geschuldeten Versicherungsleistung dar (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.: IV ZR 34/11, zitiert nach juris, Rdnr. 19, 20). Für eine übermäßige Funktionsbeeinträchtigung des rumpfferneren Oberarms im Vergleich zum rumpfnäheren Gesamtarm (im Schultergelenk), die es notwendig machen könnte, auf einen isolierten Invaliditätsgrad des Oberarms abstellen zu müssen, bietet der vorliegende Fall hingegen weniger Anhalt, zumal der Kläger auf Befragen des Senats im Termin am 20. November 2014 ausdrücklich angegeben hat, dass bei ihm die Beweglichkeit von rechter Hand und Fingern recht gut erhalten geblieben sei.
III.
Gerichtskosten für die zweite Instanz konnten infolge unrichtiger Sachbehandlung in erster Instanz nicht erhoben werden, § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens wird nach Maßgabe der abschließenden Sachentscheidung in erster Instanz zu befinden sein.
IV.
Obgleich es an einem unmittelbar vollstreckbaren Inhalt fehlt, war das Urteil, mit Blick auf die §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO, gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).