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Zahnzusatzversicherung – Erstattung kieferorthopädischer Leistungen

AG Mülheim – Az.: 13 C 167/16 – Urteil vom 11.01.2017

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den kieferorthopädischen Behandlungsplan des Kieferorthopäden Dr. O vom 22.10.2015 über 4.496,61 EUR im tariflichen Umfang zu erstatten, sofern sämtliche Leistungsvoraussetzungen gegeben sein werden.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 492,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer privaten Zahnzusatzversicherung in Anspruch. Der vereinbarte Versicherungstarif sieht eine Erstattung in Höhe von 80 % für kieferorthopädische Leistungen vor.

Die Klägerin ist in kieferorthopädischer Behandlung in der Praxis Dr. O in Ratingen. Für eine beabsichtigte kieferorthopädische Behandlung erstellte Herr Dr. O am 22.10.2015 einen Behandlungsplan, der einen Gesamtaufwand von 4.496,61 EUR prognostiziert. Der Behandlungsplan sah dabei eine Versorgung der Klägerin mit der sog. Lingualtechnik vor. Die Beklagte lehnte nach Vorlage des Behandlungsplans die Kostenübernahme ab. Die Parteien streiten um die Notwendigkeit der Lingualtechnik.

Die Klägerin behauptet, die in dem Behandlungsplan des Herrn Dr. O ausgewiesenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien sämtlich medizinisch erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

Zahnzusatzversicherung – Erstattung kieferorthopädischer Leistungen
(Symbolfoto: /Shutterstock.com)

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den kieferorthopädischen Behandlungsplan des Kieferorthopäden Dr. O vom 22.10.2015 über 4.496,61 EUR im tariflichen Umfang zu erstatten, sofern sämtliche Leistungsvoraussetzungen gegeben sein werden;

2. die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 492,54 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklage behauptet, die geplante Behandlung mittels einer lingual angebrachten Apparatur sei medizinisch nicht notwendig. Die therapeutischen Ziele könnten ohne weiteres mit einer bukkal angebrachten Apparatur erreicht werden.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 09.06.2016. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H3 vom 12.10.2016 (Bl. 91 ff d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Es besteht insbesondere ein Feststellungsinteresse i. S. d. § 256 Abs. 1 ZPO. Der BGH bejaht die Zulässigkeit von Klagen auf Feststellung der Eintrittspflicht einer Krankenversicherung, wenn das Begehren auf eine bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete bevorstehende Behandlung gerichtet ist (BGH IV ZR 131/05, Urteil vom 08.02.2006, juris Rdn. 14). Dies ist hier der Fall, denn die Klägerin hat einen konkreten Heil- und Kostenplan vorgelegt und damit dargelegt, dass die darin vorgeschlagene Behandlung aus ärztlicher Sicht erforderlich ist. Mit der vorangegangenen Voruntersuchung ist diese Behandlung auch bereits eingeleitet worden. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die Kostenübernahme vorab zu klären, damit sie nicht ein für sie nicht einschätzbares Kostenrisiko mit Beginn der Behandlung eingehen muss.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der kieferorthopädischen Behandlung in Höhe des vereinbarten Versicherungstarifs. Der Anspruch ergibt sich aus § 1 S. 1 VVG i.V.m. dem Versicherungsvertrag und § 1 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung im vereinbarten Umfang zu erstatten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die beabsichtigte kieferorthopädische Behandlung einschließlich der Anwendung der Lingualtechnik medizinisch notwendig ist.

Der Sachverständige Dr. H3 kommt zu dem Ergebnis, die im Behandlungsplan aufgeführten Maßnahmen seien medizinisch notwendig. Durch die Lingualtechnik sei eine bessere Kontrolle der sagittalen Bewegung der Zahnachsen möglich; dies sei im vorliegenden Fall erforderlich. Zur Auflösung von Engständen sei der linguale Kraftansatz eindeutig von Vorteil. Da mit der geringen Kippneigung bei lingual geklebten Schneidezahnbrackets eine relativ gleichmäßige und damit potentiell physiologische Kraftverteilung im Parodontium einhergehe, könne eine weitere Kippung der Schneidzähne und somit möglicher Knochenverlust oder möglich Wurzelresorptionen vermieden werden. Die unter den Positionen 6100, 6150 und 6050 kalkulierten Beträge seien angemessen.

Das Gericht schließt sich dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens an, denn dieses ist schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige kommt zu dem gefundenen Ergebnis nach sorgfältiger Auswertung der ihm überlassenen Behandlungsunterlagen und Kiefermodelle. Auch die Parteien haben Einwände gegen das Gutachten nicht geltend gemacht.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten folgt aus § 280 Abs. 1 BGB, nachdem die Beklagte vorgerichtlich zu Unrecht die Übernahme der gesamten Behandlungskosten abgelehnt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO.

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