Skip to content

Wohngebäudeversicherung – notwendige Reparaturkosten

OLG Hamm Urteil: Wertminderung oder Reparaturkosten bei optischen Schäden?

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass der Kläger von seiner Wohngebäudeversicherung eine zusätzliche Entschädigung für Hagelschäden erhält. Das Gericht erkannte, dass die Versicherung neben einer optischen Beeinträchtigung auch für Reparaturkosten aufkommen muss, wenn die Schäden als nicht nur geringfügig angesehen werden. Diese Entscheidung stellt eine Abweichung von der ersten Instanz dar, die lediglich eine Wertminderung anerkannte, und hebt die Bedeutung der individuellen Umstände eines Schadenfalls hervor.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-20 U 51/15  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung erfolgreich: Das OLG Hamm änderte das Urteil der ersten Instanz teilweise ab und sprach dem Kläger zusätzliche Entschädigungen zu.
  2. Entschädigungsanspruch: Dem Kläger steht ein Anspruch in Höhe von 2.231,77 € aus der Wohngebäudeversicherung zu.
  3. Hagelschaden: Das Ereignis vom 19.06.2013 führte zu Schäden an Aluminium-Rolltoren.
  4. Reparaturkosten: Die Versicherung muss für die notwendigen Reparaturkosten aufkommen, nicht nur für eine Wertminderung durch optische Beeinträchtigungen.
  5. Bewertung des Schadens: Die Entscheidung beruht auf einer sorgfältigen Bewertung der Schadensschwere und der daraus resultierenden Notwendigkeit einer Reparatur.
  6. Bedeutung für Versicherungsnehmer: Das Urteil betont, dass die Interpretation von Versicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers erfolgen muss.
  7. Einzelfallentscheidung: Die Entscheidung zeigt, dass bei Schönheitsschäden eine individuelle Betrachtung erforderlich ist.
  8. Begrenzung der Ansprüche: Die Ansprüche sind begrenzt auf Fälle, in denen die Reparaturkosten als notwendig und angemessen betrachtet werden.

Die Wohngebäudeversicherung ist ein wichtiger Schutz für Hausbesitzer, um im Schadenfall finanziell abgesichert zu sein. Dabei spielen notwendige Reparaturkosten eine entscheidende Rolle, um den ursprünglichen Zustand des Gebäudes wiederherzustellen. Laut Experten zählen zu den notwendigen Reparaturkosten insbesondere Lohn- und Materialkosten, während Kosten für nicht schadenbedingte Teile des Gebäudes nicht erstattet werden. Das OLG Hamm hat in einem Urteil entschieden, dass der Kläger von seiner Wohngebäudeversicherung eine zusätzliche Entschädigung für Hagelschäden erhält.

Das Gericht erkannte, dass die Versicherung neben einer optischen Beeinträchtigung auch für Reparaturkosten aufkommen muss, wenn die Schäden als nicht nur geringfügig angesehen werden. Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden wir uns genauer mit diesem Urteil und seinen Auswirkungen auf die Wohngebäudeversicherung befassen.

Hagelschaden und Wohngebäudeversicherung: Ein Rechtsstreit vor dem OLG Hamm

Ein Rechtsstreit um Wohngebäudeversicherung und notwendige Reparaturkosten nach einem Hagelschaden ereignete sich vor dem Oberlandesgericht Hamm. Der Fall betraf einen Kläger, der von seiner Versicherungsgesellschaft, der Beklagten, weitere Entschädigungsleistungen für Schäden an seinen Aluminium-Rolltoren forderte. Diese Rolltore, eines vor einer Werkstatt und zwei als Jalousien genutzte, wurden durch ein Hagelereignis am 19. Juni 2013 beschädigt.

Die Beklagte hatte bereits eine Entschädigungszahlung in Höhe von 584,23 € geleistet. Der Kläger jedoch, unzufrieden mit diesem Betrag, stellte die Forderung nach einer höheren Summe. Er argumentierte, dass die von der Versicherung vorgeschlagene Wertminderung für eine lediglich optische Beeinträchtigung nicht ausreiche und forderte die Kosten für den vollständigen Austausch der beschädigten Tore.

Das Urteil des Landgerichts Detmold und die darauf folgende Berufung

Das Landgericht Detmold hatte ursprünglich gegen den Kläger entschieden, indem es feststellte, dass ihm lediglich eine Wertminderung für die optische Beeinträchtigung zustehe. Das Gericht ging davon aus, dass die Funktionsfähigkeit der Tore durch das Hagelereignis nicht beeinträchtigt wurde und somit nur von einem sogenannten Schönheitsschaden auszugehen sei.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung beim OLG Hamm ein. Er kritisierte, dass die Annahme des Landgerichts, es liege nur eine geringfügige Beeinträchtigung vor, fehlerhaft sei. Er argumentierte weiterhin, dass ein Abschluss einer gleitenden Neuwertversicherung keinen Sinn ergäbe, wenn er sich bei einem massiven Hagelschaden lediglich auf eine Wertminderung verweisen lassen müsste.

Entscheidungsfindung des Oberlandesgerichts Hamm

Das OLG Hamm befasste sich intensiv mit der Frage, ob dem Versicherungsnehmer bei Schönheitsschäden ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten oder nur auf eine Wertminderung zusteht. Diese Frage, so das Gericht, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, sondern hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Es wurde betont, dass Versicherungsbedingungen aus der Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne spezielle versicherungsrechtliche Kenntnisse interpretiert werden müssen.

Urteil des OLG Hamm: Eine differenzierte Betrachtung

In seiner Entscheidung wich das OLG Hamm von der vorinstanzlichen Entscheidung ab. Es wurde festgestellt, dass dem Kläger tatsächlich ein weiterer Entschädigungsanspruch in Höhe von 2.231,77 € zusteht. Diese Entscheidung basierte auf einer differenzierten Betrachtung der einzelnen Rolltore und ihrer Beschädigungen. Während für das Rolltor vor der Werkstatt die Kosten des Austauschs anerkannt wurden, wurde für das rechte als Jalousie genutzte Rolltor lediglich eine Wertminderung von 50,00 € festgesetzt.

Das OLG Hamm legte dar, dass im Bereich der Neuwertversicherung die Erwartung des Versicherungsnehmers an das Leistungsversprechen des Versicherers nicht allein auf die Notwendigkeit der Schadenbeseitigung beschränkt ist. Die Entscheidung zeigt auf, dass bei Versicherungsstreitigkeiten eine genaue Einzelfallbetrachtung notwendig ist und dass die Interessen des Versicherungsnehmers eine zentrale Rolle spielen.

Der vorliegende Fall am OLG Hamm unterstreicht die Komplexität von Fällen im Bereich der Wohngebäudeversicherung, insbesondere bei Schönheitsschäden. Es verdeutlicht, wie wichtig eine genaue Betrachtung und Beurteilung jedes Einzelfalls ist, um zu einer gerechten Entscheidung zu kommen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Wie werden notwendige Reparaturkosten im Kontext der Wohngebäudeversicherung definiert?

Im Kontext der Wohngebäudeversicherung werden unter „notwendige Reparaturkosten“ diejenigen Kosten verstanden, die durch einen Versicherungsfall objektiv erforderlich geworden sind, um das beschädigte Gebäude zu reparieren oder wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Diese Kosten umfassen die Reparatur und Instandsetzung von Schäden, die direkt am Gebäude durch versicherte Risiken wie Brand, Blitzschlag, Sturm, Hagel oder Leitungswasser entstanden sind.

Das Landgericht Münster hat beispielsweise in einem Fall entschieden, dass im Versicherungsfall bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zu ersetzen sind. Dabei wird der Neuwert der zerstörten Sachen (Neubaukosten) ersetzt, und bei beschädigten Sachen werden die notwendigen Reparaturkosten erstattet.

Es ist auch festgehalten, dass Kosten für die Wiederherstellung von Gebäudeteilen, die für die Standsicherheit notwendig sind, als notwendige Reparaturkosten gelten. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass im Falle einer Wiederherstellungsklausel in der Gebäudeversicherung die notwendigen Reparaturkosten (Neuwert) bei Eintritt des Versicherungsfalles zu ersetzen sind.

Die Allianz Wohngebäudeversicherung beispielsweise erstattet im Schadensfall Kosten für alle notwendigen Reparaturarbeiten bis hin zum kompletten Wiederaufbau des Gebäudes.

Was versteht man unter einem Schönheitsschaden im Versicherungsrecht?

Im Versicherungsrecht bezeichnet der Begriff „Schönheitsschaden“ kleine Schäden, die die Gebrauchsfähigkeit einer beschädigten Sache nicht beeinträchtigen. Solche Schäden sind oft rein optischer Natur und beeinflussen nicht die Funktionalität oder Leistungsfähigkeit des beschädigten Gegenstandes.

Ein Beispiel wäre ein Kratzer auf der Oberfläche eines Möbelstücks, der das Aussehen beeinträchtigt, aber die Nutzung des Möbelstücks nicht einschränkt. In vielen Fällen besteht gegenüber dem Versicherer kein Anspruch auf Ersatz für unerhebliche Schönheitsschäden.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die genaue Definition und Handhabung von Schönheitsschäden von der spezifischen Versicherungspolice und den geltenden Versicherungsbedingungen abhängen kann. In einigen Policen, wie beispielsweise der Maschinenversicherung, sind reine Schönheitsschäden vom Versicherungsumfang nicht erfasst, sofern durch den Schaden die technische Brauchbarkeit nicht betroffen ist.

In der Hausratversicherung wird ein Betrag erstattet, der dem Minderwert entspricht, wenn bei beschädigten Sachen deren Gebrauchsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist (Schönheitsschaden).


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-20 U 51/15 – Urteil vom 04.11.2015

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.01.2015 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.231,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2013 zu zahlen.

Die Klage bleibt im Übrigen abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 56 % dem Kläger und zu 44 % der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt vom beklagten Versicherer weitere Entschädigungsleistungen aus Anlass eines Hagelschadenereignisses vom 19.06.2013.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung unter Geltung der VGB 99 oder 2008. Versichert sind die auf dem Grundstück A in B gelegenen Baulichkeiten – zwei in eingeschossiger Bauweise errichtete Flachdachbauten – zum gleitenden Neuwert gegen die Risiken Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel. Auf der Rückseite der versicherten Gebäude befinden sich insgesamt drei im Schadenzeitpunkt rund vier Jahre alte Aluminium-Rolltore, eines vor einer Werkstatt, die beiden anderen vor zwei zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten, wobei die letztgenannten Rolltore als Jalousien genutzt werden.

Der Kläger meldete der Beklagten mit Schadenanzeige vom 20.06.2013 (GA 10 f.) ein Hagelschadenereignis vom vorangegangenen Tag, welches u.a. zu einer Beschädigung der Garagentore geführt habe. Über die Kosten eines Austauschs der Garagentore, die unstreitig Vorschäden in Form von Einschusslöchern bzw. Farbabschürfungen aufwiesen, verhalten sich zwei Angebote der Fa. C vom 28.06. bzw. 16.07.2013 (GA 12 f.), welche sich auf netto 2.766,00 € bzw. 2.858,00 €, insgesamt mithin netto 5.624,00 €, belaufen.

Mit einem an die vom Kläger beauftragte Versicherungsmaklerin gerichteten Schreiben vom 08.08.2013 (nach GA 15) wies die Beklagte darauf hin, dass an den Garagentoren lediglich eine optische Beeinträchtigung entstanden sei. Sie regulierte in der Folgezeit den Schaden an den Rolltoren mit 584,23 €. Der Kläger, der dieser Auffassung bereits mit Schreiben vom 04.08.2013 (GA 14) entgegen getreten war, forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 21.08.2013 (GA 15) unter Fristsetzung bis zum 30.08.2013 zur Zahlung von 6.108,33 € – dem sich nach Zahlung der Beklagten verbleibenden Bruttobetrag der Angebote C – sowie zur Ausgleichung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten auf. Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 21.08.2013 an ihrer Regulierungsentscheidung fest.

Mit seiner Teilklage hat der Kläger erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 5.039,77 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten begehrt.

Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihn nicht auf einen Wertausgleich für eine lediglich optische Beeinträchtigung verweisen könne. Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass sie angemessen reguliert habe. Sie hat geltend gemacht, dass die durch das Schadenereignis verursachten Schäden kaum auffallen würden, die Funktionsfähigkeit der Tore durch sie nicht beeinträchtigt sei und die nur bei einem Betrachtungsabstand von weniger als fünf Metern überhaupt erkennbaren Dellen im Zusammenhang mit der Vermietbarkeit des Objekts unerheblich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 30.01.2015 (GA 120 ff.) verwiesen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen D vom 13.09.2014 (GA 67 ff.), welches der Sachverständige in einem Ortstermin am 16.01.2015 erläutert hat (GA 116 ff.), sowie durch richterlichen Augenschein. Es hat alsdann mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Austausch der Rolltore nicht zu, er könne lediglich eine Wertminderung für eine optische Beeinträchtigung verlangen. Die durch den Hagelschaden verursachten Dellen würden lediglich eine optische Beeinträchtigung darstellen, die als hinnehmbar einzustufen sei. Zwar genüge es grundsätzlich, wenn eine optische Beeinträchtigung vorliege. Denn gerade im privaten Bereich gehöre das unbeeinträchtigte Aussehen eines Gebäudes zu einem gewissen Grad zur Gebrauchsfähigkeit der Sache. Ob der Versicherungsnehmer der Gebäudeversicherung aber bei sog. Schönheitsschäden Erstattung der Reparaturkosten beanspruchen könne, sei eine Frage der Zumutbarkeit. Insoweit komme es darauf an, ob auch ein nicht versicherter Gebäudeeigentümer bei verständiger Würdigung die vom Schaden betroffene Sache repariert oder ersetzt haben würde. Vorliegend sei die Mehrzahl der Dellen nur aus nächster Nähe wahrnehmbar, wobei der optische Eindruck der Tore zudem durch die deutlichen Vorschäden geprägt werde. Insoweit trete die optische Beeinträchtigung durch den Hagelschaden hinter die optische Beeinträchtigung durch die Vorschäden zurück. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Tore ohnehin nur vom Hof des Gebäudes aus zu sehen sei, welcher als Lager genutzt werde. Die vom Hagel verursachten Schäden würde daher das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes nur unwesentlich beeinträchtigen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht rügt und sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt. Er macht im Wesentlichen geltend, dass die Annahme des Landgerichts, es liege eine lediglich geringfügige Beeinträchtigung vor, „ermessensfehlerhaft“ sei. Der Abschluss einer gleitenden Neuwertversicherung würde keinen Sinn ergeben, wenn sich der Versicherungsnehmer auch bei einem „massiven“ Hagelschaden auf den Ausgleich einer Wertminderung verweisen lassen müsse. Die Bewohner des Hauses müssten so die Hagelschäden an den Toren täglich „ertragen“ mit daraus resultierender „täglicher Verärgerung“.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.039,77 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2013 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 297,62 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Insoweit führt das Rechtsmittel zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung; im Übrigen unterliegt es der Zurückweisung.

1.)

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus der bei ihr genommenen Wohngebäudeversicherung ein weiterer Entschädigungsanspruch in Höhe von 2.231,77 € aus Anlass des Hagelschadenereignisses vom 19.03.2013 zu.

a)

Dass es am 19.06.2013 zu einer Beschädigung versicherter Sachen durch ein bedingungsgemäß versichertes Hagelschadenereignis gekommen ist, steht zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit. Die Beklagte hat vorgerichtlich selbst Entschädigungsleistungen aus Anlass des Hagelschadenereignisses erbracht und auch das diesbezügliche Vorbringen des Klägers erstinstanzlich nicht bestritten.

b)

Das Landgericht ist – in seiner sehr sorgfältig begründeten Entscheidung – zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger kein über den von der Beklagten regulierten Betrag in Höhe von 584,23 € hinausgehender Entschädigungsanspruch wegen der Beschädigung der drei Aluminium-Rolltore zusteht. Der Senat teilt diese Auffassung nicht insgesamt.

In der Gebäudeversicherung ersetzt der Versicherer, gleichviel welches der beiden Bedingungswerke man zugrunde legt, bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung (vgl. nur § 14 Nr. 1 Buchstabe c) VGB 99 = A. § 13 Nr. 2 Buchstabe b) VGB 2008).

Zutreffend – und von der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen – hat das Landgericht angenommen, dass im Streitfall das Hagelschadenereignis die Funktionsfähigkeit der Rolltore an sich nicht beeinträchtigt hat, so dass ein sog. Schönheitsschaden vorliegt (vgl. dazu Johannsen, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 13 VGB 2008/2010 Rn. 6.; Gierscheck, in: Dietz/Fischer/Gierscheck, Wohngebäudeversicherung, 3. Aufl. 2015, A § 13 Rn. 45 ff.).

Die Frage, ob dem Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung bei einem derartigen Schaden ein Anspruch auf Ersatz der Erstattung der Reparaturkosten oder nur ein Anspruch auf eine Wertminderung zusteht, entzieht sich allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben (Gierscheck, a.a.O., Rn. 46) und ist eine Frage des Einzelfalls (Johannsen, a.a.O.).

Hierbei kommt es auch darauf an, ob der Versicherungsnehmer bei Abwägung aller Einzelfallumstände auch als nicht versicherter Gebäudeeigentümer bei verständiger Würdigung eine Reparatur vornehmen würde oder ob es sich um einen von ihm betriebenen Luxusaufwand handelte, dessen Ersatz der Versicherer nicht schuldet (vgl. insoweit OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.07.2010, 5 U 613/09, juris, Rn. 51, VersR 2011, 489 = r+s 2011, 477; OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.04.2006, 4 U 111/05, juris, Rn. 6, VersR 2007, 943 = r+s 2007, 200; LG Dortmund, Urt. v. 14.03.2012, 2 O 62/10, juris, Rn. 16; Gierscheck, a.a.O., Rn. 49). Bei bloßen optischen Beeinträchtigungen kann hierbei dem Funktionszweck der beschädigten Sache sowie der Art, Größe und örtlichen Lage der Schadenstelle Bedeutung zukommen und der bisherige Zustand der betroffenen Sache zu berücksichtigen sein (OLG Saarbrücken, a.a.O. mit weiteren Nachweisen; LG Dortmund, a.a.O.; Mittendorf, VersR 2000, 582).

Indes sind für den Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht insgesamt die (gesetzlichen) Maßstäbe anzuwenden, die im Haftpflichtrecht für die Begrenzung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten (vgl. § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB) gelten.

Denn Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urt. v. 22.04.2015, IV ZR 419/13, Rn. 12, VersR 2015, 706; Urt. v. 04.03.2015, IV ZR 128/14, juris, Rn. 11, VersR 2015, 571; Urt. v. 10.12.2014, IV ZR 281/14, Rn. 12 f., VersR 2015, 182; Urt. v. 26.03.2014, IV ZR 422/12, juris, Rn. 37, VersR 2014, 625; Urt. v. 25.07.2012, IV ZR 201/10, juris, Rn. 21, BGHZ 194, 208 = VersR 2012, 1149). Versicherungsbedingungen sind daher aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urt. v. 22.04.2015, IV ZR 419/13, Rn. 12, VersR 2015, 706; Urt. v. 08.10.2014, IV ZR 16/13, Rn. 16, VersR 2014, 1367; Urt. v. 26.03.2014, IV ZR 422/12, juris, Rn. 37, VersR 2014, 625; Urt. v. 25.07.2012, IV ZR 201/10, juris, Rn. 21, BGHZ 194, 208 = VersR 2012, 1149).

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt der Klausel zur Entschädigungsberechnung, mit der der Versicherer Ersatz der „notwendigen“ Reparaturkosten verspricht, zunächst eine Begrenzung auf die Erforderlichkeit der Kosten zur Schadenbeseitigung. Darüber hinaus wird er eine Notwendigkeit in eng begrenzten Ausnahmefällen, in denen die Kosten der Beseitigung einer Substanzbeeinträchtigung der versicherten Sache völlig unverhältnismäßig sind, so dass kein Gebäudeeigentümer vernünftigerweise eine Schadenbeseitigung vornehmen würde, verneinen.

Darin erschöpft sich aber – gerade im Bereich der Neuwertversicherung – die Erwartung, die der Versicherungsnehmer mit dem Begriff der „Notwendigkeit“ billigerweise an das zugesagte Leistungsversprechen des Versicherers stellt.

Die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat eine solche Begrenzung etwa in Fallgestaltungen angenommen, in denen durch das versicherte Ereignis weder die Gebrauchsfähigkeit der Sache noch ihr Verkaufswert gemindert sind, etwa weil das Schadenbild schon aufgrund seiner Lage dem äußeren Wahrnehmungsbereich des durchschnittlichen Betrachters entzogen ist (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 14.03.2012, 2 O 62/10, juris; AG München, Urt. v. 15.10.1999, 121 C 27858/98, VersR 2000, 581 = r+s 2000, 384; VG Sigmaringen, Urt. v. 25.09.1987, 5 K 1187/86, r+s 1988, 114).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Kläger bei Abwägung aller Umstände für das vor der Werkstatt befindliche Rolltor, welches vor dem Hagelereignis lediglich normale Gebrauchsspuren aufwies, nun aber 83, zum Teil sehr deutlich sichtbare Dellen hat, die Kosten des Austauschs verlangen, hingegen keine Entschädigung für das linke als Jalousie genutzte Rolltor, das in dem durch Hagel beschädigten Teil bereits im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls erhebliche Vorschäden aufwies. Hinsichtlich des rechten als Jalousie genutzten Rolltors ist der Kläger – auch dies ist bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert worden – demgegenüber auf eine Wertminderung zu verweisen, da nach seinem eigenen Vorbringen eine Reparatur der geringfügigen Schäden mit Blick auf einen innenliegende abgehängte Decke derart aufwändig wäre, dass jeder vernünftige Gebäudeeigentümer von einer Schadenbehebung absehen würde. Die Wertminderung schätzt der Senat in Anwendung von § 287 ZPO auf 50,00 €.

Insgesamt beläuft sich der Entschädigungsanspruch des Klägers damit auf 2.816,00 €, so dass ihm unter Berücksichtigung der vorgerichtlich geleisteten Zahlung ein weiterer Anspruch in Höhe von 2.231,77 € zusteht.

2.)

Die zuerkannten Zinsen rechtfertigen sich unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 247 BGB. Soweit der Kläger Verzugszinsen bereits ab dem 08.08.2013 beansprucht, ist die Klage unbegründet. Denn die Beklagte hat erst mit ihrem Schreiben vom 21.08.2013 die Erbringung weiterer Leistungen ernsthaft und endgültig verweigert.

Soweit der Kläger Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten begehrt, ist die Klage unschlüssig. Denn bei Mandatierung des Prozessbevollmächtigten des Klägers befand sich die Beklagte noch nicht in Verzug.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist in Ermangelung der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst. Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!