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Wohngebäudeversicherung –  Mietausfallschaden wegen unterbliebener Vermietung einer Wohnung

OLG Koblenz – Az.: 10 U 400/20 – Beschluss vom 17.06.2020

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt.

Gründe

Die Voraussetzungen einer Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind gegeben. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Das Landgericht hat die Klage in dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus der Wohngebäudeversicherung sowie die verfolgten Nebenforderungen gegen die Beklagte nicht zu, da die von dem Leitungswasserschaden betroffene Wohnung im maßgeblichen Zeitraum von Mai 2018 bis Februar 2019 nicht vermietet war.

Unstreitig – und durch das Landgericht mit Tatbestandswirkung festgestellt (LGU 2) – finden auf das Versicherungsvertragsverhältnis der Parteien die vom Kläger vorgelegten Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen VGB 88, Stand 1/95 (künftig VGB 88) Anwendung (Anlage K2). Der Anspruch auf Ersatz von Mietausfällen bei fremdvermietetem Wohnraum richtet sich nach § 3 Ziff. 1a) VGB 88, wonach die Leistungspflicht der Beklagten voraussetzt, dass dem Kläger als Versicherungsnehmer ein Ausfall durch eine infolge des Versicherungsfalls berechtigte Mietminderung oder Verweigerung der Mietzahlung eines Mieters entstanden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt hieraus nicht, dass ihm auch Schaden wegen unterbliebener Vermietung zu ersetzen ist.

1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – IV ZR 23/17, VersR 2018, 808 m.w.N). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich wegen des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers zunächst am Wortlaut der hierfür maßgeblichen Versicherungsklausel – hier § 3 Ziff. 1a) VGB 88 – orientieren (BGH, a.a.O.).

Aus dem Wortlaut von § 3 Ziff. 1a) VGB 88 folgt bereits zwanglos, dass der Mietausfall vom Versicherer ersetzt wird, „wenn Mieter von Wohnräumen infolge eines Versicherungsfalls berechtigt sind, die Zahlung der Miete ganz oder teilweise zu verweigern“ (Hervorhebung durch Senat). Die Ersatzpflicht des Versicherers greift danach nur ein, wenn ein Mieter die geschädigte Wohnung tatsächlich bewohnt und die Mietzahlung berechtigt verweigert hat. Würde auch ein Schaden ersetzt, obgleich eine Vermietung durch den Versicherungsnehmer nur beabsichtigt war, müsste die Klausel konjunktiviert lauten, dass auch ein Schaden ersetzt wird, wenn ein potentieller Mieter berechtigt wäre, eine Mietzahlung zu verweigern. Dies beträfe den Ersatz eines hypothetischen Mietausfalls, also des Mietwerts der Wohnung. Dieser vom tatsächlichen Mietausfall nach § 3 Ziff. 1a) VGB 88 zu unterscheidende ortsübliche Mietwert wird indes nur nach § 3 Ziff. 1b) VGB 88 ersetzt, wenn infolge des Versicherungsfalls Wohnräume unbenutzbar geworden sind, die der Versicherungsnehmer selbst bewohnt. Unbestritten bewohnte der Kläger die geschädigte Souterrainwohnung indes nicht selbst.

Angesicht dieses eindeutigen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers unmissverständlichen Wortlauts der im Wesentlichen seit Jahrzehnten unveränderten Klausel der VGB entspricht es auch allgemeiner Meinung, dass ein Schaden nur ersetzt wird, wenn sich der Mietausfall auf die zum Zeitpunkt des Schadens bereits vermietete Wohnung bezieht. Der Mieter muss aufgrund des Versicherungsfalls die Zahlung der Miete ganz oder teilweise verweigern können und dies auch tatsächlich tun. Die theoretische Möglichkeit einer Mietminderung genügt nicht (vgl. nur Hoenicke in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Auflage 2020, § 4 Wohngebäudeversicherung, Rn. 63; Rüffer in: Beckmann/Matusche/Beckmann, Versicherungsrecht-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 32 Hausrat- und Wohngebäudeversicherung Rn. 269; Armbrüster in: Prölls/Martin, 30. Auflage 2018, VGB A. § 9 Mietausfall, Mietwert Rn. 2; OLG Schleswig, Urteil vom 31. Juli 2008 – 16 U 10/08, NJW-RR 2009, 307).

Anderes kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch dem für ihn erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel des § 3 VGB 88 nicht entnehmen. Bei der Wohngebäudeversicherung handelt es sich entsprechend dem primären Leistungsversprechen in § 2 VGB 88, welches sich auf die Aufräum- und Wiederherstellungskosten des Gebäudes bezieht, um eine Sachversicherung. Vermögensfolgeschäden werden daher bereits nach der Struktur der Versicherung nur in begrenztem, jeweils konkret vereinbartem Umfang erfasst. Für Mietausfälle für eigen- und fremdgenutzten Wohn- und Geschäftsraum ergibt sich ein differenziertes Erstattungssystem aus § 3 VGB 88, welches zwischen Mietausfällen und ortsüblichem Mietwert unterscheidet. Die jeweiligen Voraussetzungen der Einstandspflicht sind klar, übersichtlich und laienverständlich geregelt. Soweit der Kläger insoweit die Auffassung vertritt, aus einem Vergleich zwischen § 3 Ziff. 1a) und § 3 Ziff. 2 VGB 88 ergebe sich, dass nur bei gewerblich genutzten Räumen die Versicherung eines Mietausfalls einer gesonderten Vereinbarung bedürfe, während diese bei der Vermietung von Wohnraum nicht erforderlich sei, ist dies vollkommen zutreffend, verhilft seinem Rechtsmittel indes nicht zum Erfolg. Der Kläger war unstreitig ohne besondere Vereinbarung gegen einen Mietausfall für nicht selbst bewohnten Wohnraum versichert. Vorliegend liegt aufgrund der klaren Regelung in § 3 Ziff. 1a) VGB 88 allerdings kein Mietausfall vor, da die Wohnung im maßgeblichen Zeitraum nicht vermietet war.

Zu einer anderen Auslegung der Klausel wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer auch nicht in Anbetracht der Regelung unter Ziff. 2 der Erläuterungen des Versicherungsscheins kommen, wonach „abweichend von § 1 (3) VGB“ der „Ersatz von Mietverlust/-wert für Wohnräume bis zu 12 Monate ohne zusätzlichen Beitrag mitversichert“ ist. Diese Regelung des Versicherungsscheins ist vielmehr in der 1995 erfolgten Neufassung des § 3 VGB 88 aufgegangen, nach dem ohnehin – also auch ohne eine derartige besondere Vereinbarung im Versicherungsschein – Ausfälle der Miete für Wohnraum über 12 Monate hinweg statt vormals für 6 Monate mitversichert sind. Die Voraussetzungen der Eintrittspflicht der Beklagten im Übrigen ergeben sich aber aus den VGB, nicht aus dem Versicherungsschein, der hierzu keine Angaben enthält.

2. Die Klausel zum Ersatz des Mietausfalls bei nicht selbst bewohntem Wohnraum gemäß § 3 Abs. 1a) VGB 88 ist auch nicht unwirksam. Es ist für den Versicherungsnehmer weder überraschend noch benachteiligt es diesen unangemessen (§§ 305c, 307 BGB), wenn er aus der abgeschlossenen Sachversicherung nur einen tatsächlich angefallenen Mietausfall und nicht auch im Falle einer Vermietungsabsicht den Mietwert des vermieteten Wohnraums erstattet erhält.

Entgegen der Ansicht des Klägers bedeutet nicht jede Regelung zum Umfang der Einstandspflicht des Versicherers, die dazu führt, dass bestimmte Vermögensfolgeschäden nicht abgesichert sind, eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers, die zur Unwirksamkeit der Klausel und zum Eingreifen einer Erstattungspflicht des Versicherers entgegen der Versicherungsbedingungen führt. Zutreffend hat das Landgericht insoweit darauf verwiesen, dass eine weitergehende Übernahme des Mietausfallschadens auch in Bezug auf die hier geltend gemachten Vermögensfolgeschäden in Gestalt eines hypothetischen Mietausfalls Gegenstand einer gesonderten Versicherung – einer Mietverlustversicherung – sein kann. Der Unterschied zwischen einem in der Sachversicherung versicherten Mietausfall und einer separaten Mietausfallversicherung ist weder überraschend noch in anderer Weise nachteilig, sondern allgemein anerkannt und von Vermietern auch im Übrigen zu berücksichtigen. So sind etwa Kosten der Versicherung eines Mietausfalls als Bestandteil einer Gebäudeversicherung anders als die einer separaten Mietausfallversicherung auf den Mieter umlegbar (BGH, Urteil vom 6. Juni 2018 – VIII ZR 38/17, NJW-RR 2018, 1032).

Soweit der Kläger anführt, es spräche für die Mitversicherung des hypothetischen Mietausfalls, dass in späteren Fassungen der VGB 88 die Möglichkeit geschaffen wurde, einen Mietausfall infolge unterbliebener Vermietung gesondert zu versichern, geht dies fehl. Auch wenn man annimmt, dass mit § 9 Nr. 4 VGB 2010 die Möglichkeit der weitergehenden Integrierung der Versicherung eines Mietverlustes in die Gebäudeversicherung angeboten wurde – was hier keiner Entscheidung bedarf –, bedeutet dies nicht, dass diese Risiken vorher bereits ohne Regelung automatisch in der Gebäudeversicherung mitversichert waren. Vielmehr war eine Mietverlustversicherung separat erhältlich (zu deren – hier nicht maßgeblichen – Bedingungen vgl. Allgemeine Bedingungen für die Mietverlustversicherung ABM 89) und für fremdgenutzten Wohnraum aufgrund des klaren Wortlauts von § 3 VVG 88 nicht weitergehend in die Gebäudeversicherung inkludiert als für den in § 3 Nr. 1a) geregelten Mietausfall.

3. Der Senat regt an, eine Rücknahme der Berufung prüfen. Die Verfahrensbeendigung durch Berufungsrücknahme führt regelmäßig zu einer Halbierung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 6.700,- € festzusetzen.

 

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