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Unfallversicherung – Tod eines herzkranken Versicherungsnehmers nach Stromschlag

Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 5 U 464/08, Urteil vom 16.03.2011

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 09.09.2008 – Az: 14 O 169/05 – dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 115.591,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.11.2004 zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen wird.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 231.183,00 EURO festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Leistung aus einer Unfallzusatzversicherung.

Unfallversicherung - Tod eines herzkranken Versicherungsnehmers nach Stromschlag
Symbolfoto: Von Photographee.eu /Shutterstock.com

Der Ehemann der Klägerin schloss am 17.02.1998 mit der Beklagten eine Risikolebensversicherung mit Unfallzusatzversicherung ab (Versicherungsscheinnummer ~4 – Bl. 31 d. A.). Der Versicherung liegen die Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung mit Leistung bei Erwerbsunfähigkeit oder Todesfall zugrunde – BB-UZV (Bl. 38 d. A.). Diese sehen eine Verdoppelung der Versicherungssumme vor, wenn der Versicherungsnehmer binnen eines Jahres an den Folgen eines Unfalls stirbt. Soweit Krankheiten oder Gebrechen an der Herbeiführung des Todes zu mindestens 25% mitgewirkt haben, vermindert sich die Leistung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung. Außerdem war eine Dynamik vereinbart. Die Versicherungssumme belief sich zum Todeszeitpunkt auf 231.183,00 EUR. Begünstige war die Klägerin.

Am 06.02.2004 verstarb der Versicherungsnehmer. Die Todesfallleistung aus der Hauptversicherung erbrachte die Beklagte. In einem pathologischen Gutachten vom 21.06.2004 (Bl. 55 d. A.) wurde als Todesursache ein protrahiertes Herz-Kreislaufversagen bei Coronarinsuffizienz angegeben. Außerdem wurden eine Coronararteriensklerose aller drei Äste und frische subendocardiale Myocardinfarkte der Hinterwand und Seitenwand beschrieben. Bezüglich einer möglichen Einwirkung eines Stromschlages wurden keine Aussagen getroffen. Am 02.11.2004 lehnte die Beklagte eine Leistung aus der Unfallzusatzversicherung ab (Bl. 53 d. A.).

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann habe am 26.01.2004 einen Stromunfall erlitten. Beim Abklemmen und Herausziehen einer Steuerleitung im Auftrag der S. KG habe er einen Kurzschluss ausgelöst. Als der Zeuge M., durch den Kurzschluss aufmerksam geworden, in den Schaltraum gekommen sei, sei ihm verbrannter Geruch entgegengekommen. Ihr Ehemann habe mit beidseitig zu einem Kreuz verschränkten Armen auf einem Stuhl gesessen und gesagt, es „habe mordsmäßig hier im Schaltschrank gescheppert“. Im Schaltschrank seien Teile durch einen Lichtbogen geschwärzt und verbogen gewesen. Ihr Ehemann habe eine Strommarke am rechten Zeigefinger gehabt. In unmittelbarem Anschluss an diesen Vorfall habe sich der Gesundheitszustand ihres Ehemannes erheblich verschlechtert. Er habe sich noch am 26.01.2004 zu Hause entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten niedergelegt, weil ihm nicht gut gewesen sei. Er sei im Gesicht fahl und grau gewesen und habe abgeschlagen gewirkt. So sei es auch in den nächsten Tagen gewesen. Auch sei er entgegen seinen Gewohnheiten früh zu Bett gegangen. Am 28.01.2004 habe er eine Solaranlage beim Zeugen H. überprüft. Er sei unkonzentriert gewesen, und es sei ihm übel gewesen. Er habe von dem Stromunfall erzählt. Auch habe ihr Ehemann über Sehstörungen geklagt. Der Stromunfall sei Todesursache gewesen. Noch im Oktober 2003 habe ein Gesundheitscheck keinen Behandlungsbedarf ergeben. Vor dem Stromunfall sei ihr Ehemann stets gesund und leistungsfähig gewesen.

Die Beklagte hat behauptet, ein Stromschlag hätte den Tod unmittelbar herbeigeführt, nicht erst 10 Tage später. Ursache des Todes sei ein unfallunabhängiger Herzinfarkt gewesen oder eine Grippe.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen O. M., R. N., O. H., R. M., C. N. und G. B. sowie Einholung medizinischer Sachverständigengutachten vom 05.10.2006 (Bl. 216 d. A.), 08.03.2007 (Bl. 249 d. A.) und 19.03.2008 (Bl. 327 d. A.) und mündlicher Anhörung der Sachverständigen Dr. S. (Bl. 279 d. A.) und Prof. Dr. B. (Bl. 348 d. A.) die Beklagte durch Urteil vom 09.09.2008 – Az: 14 O 169/05 – zur Zahlung von 231.183,00 EUR nebst Zinsen verurteilt.

Dagegen wendet sich die Beklagte und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Senat hat ein Sachverständigengutachten vom 09.07.2009 zum Unfallhergang bei Prof. … (Bl. 460 d. A.) eingeholt und diesen mündlich angehört (Bl. 529 d. A.). Außerdem hat er ein weiteres medizinisches Gutachten vom 25.06.2010 bei Dr. Ö. (Bl. 567 d. A.) eingeholt und diesen mündlich angehört (Bl. 621 d. A.).

II.

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Leistung der Versicherungssumme aus der Unfallzusatzversicherung in Höhe von 231.183,00 EUR gemäß § 1 BB-UZV, abzüglich einer hälftigen Leistungskürzung nach § 4 BB-UZV, also lediglich in Höhe von 115.591,50 EUR.

(1.)

Zu Recht hat das Landgericht es für erwiesen erachtet, dass der Stromunfall vom 26.01.2004 den Tod des versicherten Ehemannes der Klägerin am 06.02.2004 (mit-) verursacht hat.

Die Klägerin muss die adäquate Ursächlichkeit eines Stromschlages für die Gesundheitsbeeinträchtigung ihres Ehemannes beweisen. Mitursächlichkeit genügt (Senat, Urt. v. 29.10.2003 – 5 U 265/03-30 – VersR 2004, 1544; Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 1 AUB 99 Rn. 49; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 47 Rn. 28,29). Dieser Vollbeweis ist aber nur für das Unfallereignis und die dadurch entstandene Gesundheitsbeschädigung zu führen. Ob der Tod oder die Invalidität auf dieses Geschehen zurückzuführen ist, ist dagegen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen (BGH, Urt. v. 23.09.1992 – IV ZR 157/91 – NJW 1993, 201). Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung reicht dann eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen aus, dass die behauptete Unfallfolge in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (BGH, Urt. v. 17.10.2001-IV ZR 205/00-VersR 2001, 1547).

Nach der Beweisaufnahme ist der Klägerin der Vollbeweis dafür gelungen, dass ihr Ehemann am 26.01.2004 einen Stromschlag erlitten hat, bei dem Strom durch seinen Körper und sein Herz geflossen ist und der zu einer Gesundheitsschädigung geführt hat. Der vor dem „Stromunfall“ beschwerdefreie Ehemann der Klägerin litt seitdem an Kopf- und Gliederschmerzen, Schwindel, Blässe, Schweißausbrüchen, Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Unkonzentriertheit und Vergesslichkeit.

(a)

Der Stromfluss durch den Körper des Ehemannes der Klägerin wird bewiesen durch die Aussagen der Zeugen O. M., C. N. und O. H..

Der Zeuge O. M. hat bekundet, dass während der Arbeiten an dem Schaltkasten durch den Ehemann der Klägerin ein Stromausfall infolge eines Kurzschlusses entstanden sei, dass er nach einigen Minuten nach dem Ehemann der Klägerin gesehen und diesen benommen mit verschränkten Armen auf einem Stuhl sitzend vorgefunden habe. In dem Raum habe es verbrannt gerochen, und Bauteile im Schaltkasten seien verschmort gewesen. Diese detaillierte Aussage hat das Landgericht zu Recht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Die verschränkte Armhaltung nach dem Kurzschluss spricht für einen Stromfluss durch den Körper. Dies hat die Sachverständige Dr. S. als typische Folge der Muskelverkrampfungen der oberen Extremitäten nach einem Stromdurchfluss beschrieben (Bl. 281 d. A.).

Die Zeugen C. N. und O. H. haben eine Strommarke an der Hand des Ehemannes der Klägerin gesehen. Diese Stelle, die ausgesehen habe wie eine kleine Brandblase, lässt darauf schließen, dass dort Strom in den Körper eingetreten ist. Der Zeuge H. hat außerdem bekundet, dass der Ehemann der Klägerin ihm erzählt habe, dass er in einem Schaltkasten ein Kabel verlegt habe und dieses Kabel irgendwo dran gekommen und ein Lichtbogen entstanden sei, in den er hinein geraten sei. Er sei „eine Viertelstunde weg gewesen“. Zu Hause habe er dies nicht erzählen können. Auch der Zeuge M. hat bekundet, dass der Ehemann der Klägerin ihm von dem Unfall erzählt habe, bei dem „er 630 Ampere geschossen habe“.

Die Würdigung dieser widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Zeugenaussagen durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Sie erwecken angesichts der protokollierten Aussagedetails den Eindruck, dass die Zeugen tatsächlich mit dem Ehemann der Klägerin stattgefundene Gespräche über den Stromunfall schilderten. Bei erfundenen Aussagen wäre es kaum zu erwarten, dass Formulierungen wie „630 Ampere geschossen“ oder „Wenn meine Leute wüssten, was ich hier gezaubert hab, könnte ich mich zu Hause nicht mehr blicken lassen“ von den Zeugen vor Gericht verwendet worden wären.

(b)

Damit in Einklang steht, dass der Sachverständige Prof. … einen plausiblen Ablauf erklären kann, der mit der Strommarke an der Hand des Ehemannes der Klägerin in Einklang zu bringen ist und gleichzeitig mit einer Stromstärke und Einwirkungsdauer des Stromes, die nicht zu einem sofortigen Tod geführt haben, sondern nur zu einer starken Belastung des Herzens und den von den medizinischen Sachverständigen als plausibel angesehenen nachfolgenden Rhythmusstörungen mit einer Pumpschwäche des Herzens. Es spricht also nicht gegen einen Stromfluss durch den Körper des Ehemannes der Klägerin, dass der Tod nicht sofort eingetreten ist.

Der Sachverständige Prof. … hat sehr detailliert und nachvollziehbar erklärt, dass zahlreiche Indizien für einen Kurzschluss mit nachfolgendem Lichtbogen sprechen, der beim Herunterziehen der Steuerleitung eingetreten ist. Der Sachverständige hat beim Untersuchen des Kabelkanals Ruß- und Schmauchspuren gefunden, die auf einen Kurzschluss mit nachfolgendem Lichtbogen hindeuten (Bl. 465 d. A.). Auch die Steuerleitung wies bei seiner Untersuchung Rußspuren auf. Die Spuren deuten nach Meinung des Sachverständigen darauf hin, dass es beim Herunterziehen der Steuerleitung zu einer Berührung der blanken Aderenden mit der spannungsführenden Sammelschiene gekommen war. Dies musste zu Schäden an den Steuergeräten führen, was auch tatsächlich der Fall gewesen ist, wie durch eine Rechnung der Firma S2 belegt wird.

Der Sachverständige hat weiter erklärt, dass es dadurch zu dem Stromschlag kommen konnte, dass der Ehemann der Klägerin bei einem Verklemmen der Steuerleitung in dem Kabelkanal mit der freien Hand „nachgeholfen“ und in dem Bemühen um eine schnelle Erledigung die damit verbundene Lebensgefahr übersehen hat. Dabei konnte es zu einer Berührung mit der spannungsführenden Sammelschiene und einem Stromfluss durch den Körper des Ehemannes der Klägerin kommen. Der Stromfluss über die Verbindung „Hand – beide Füße“ verläuft über das Herz, gleichgültig ob die linke oder rechte Hand betroffen ist (Bl. 470 d. A.).

Der Sachverständige Prof. … ist trotz der Einwendungen der Beklagten bei seiner Anhörung dabei geblieben, dass der von ihm aufgezeigte Weg möglich ist. Der Einwand der Beklagten, dass der Ehemann der Klägerin als erfahrener Elektromeister nicht blindlings mit der Hand hinter isolierte Teile im Schalterkasten gegriffen hätte, ist nicht zwingend. Der Sachverständige hat einen Grund dafür genannt, dass der Strom in solchen Fällen nicht abgestellt wird, weil dies der Betreiber der Anlage nicht will. Aus der Aussage des Zeugen O. M. ergibt sich, dass durch den Kurzschluss der Wagenbetrieb ins Stocken geraten war. Die Anlage war also tatsächlich während der Arbeit in Betrieb. Aus Beschleunigungsgründen kann der Ehemann der Klägerin durchaus die notwendige Vorsicht außer Acht gelassen haben. Dies würde auch die Äußerung des Ehemannes der Klägerin erklären, die er unmittelbar nach dem Kurzschluss gegenüber dem Zeugen O. M. abgab: „Wenn meine Leute wüssten, was ich hier gezaubert hab, könnte ich mich zu Hause nicht mehr blicken lassen“.

Der Sachverständige hat schließlich nachvollziehbar erklärt, dass der Stromfluss über den Körper des Ehemannes nicht zu einem Auslösen der Sicherung führen konnte. Er hat jedoch beschrieben, wie eine Muskelreaktion durch den Stromschlag die Hand, in der die Steuerleitung gehalten wurde, ruckartig bewegen konnte, so dass das Steuerkabel nach oben gestoßen worden sein kann und beim Berühren der Sammelschiene einen stromstarken Kurzschluss mit einem Lichtbogen auslöste, der die 630A-Sicherung innerhalb von 0,2 bis 0,4 Sekunden auslöste. Auch den Einwand der Beklagten, dass die Steuerleitung nicht an die Sammelschiene gelangt sein kann, weil diese durch Barrieren am Unterteil des Schaltergehäuses abgeschirmt sei, teilt der Sachverständige nicht. Die Erklärungen des Sachverständigen Prof. … anhand des Lichtbildes 9 in seinem Gutachten, dass die Abschirmung nicht ausreichend gewesen sein muss und die Brand- und Rußspuren an der Sammelschiene, dem Kabelkanal und dem Lasttrennschalter dafür sprechen, dass an dieser Stelle ein Kurzschluss ausgelöst wurde, waren nachvollziehbar. Insbesondere sind die flexiblen Stege des Kabelkanals auf dem Lichtbild 9 zu erkennen, die keine sichere Abschirmung der Steuerleitung – nach Ansicht des Sachverständigen – bewirken müssen, wenn sie sich überhaupt noch in dem Kabelkanal befand. Außerdem ist es durchaus möglich, dass das Herunterziehen der Steuerleitung durch ein Verklemmen erschwert wurde, während die umgekehrte Bewegung nach oben ohne größere Kraft möglich blieb.

Die Überlegungen des Sachverständigen erfolgen zwar nur auf theoretischer Basis. Es stellt aber ein wesentliches Indiz dar, dass ein Ablauf aufgezeigt werden kann, der zu den Zeugenaussagen und den anderen feststehenden Umständen, dem Arbeitsauftrag, dem Weiterbetrieb der Anlage, der Beschädigung der elektrischen Teile durch den Kurzschluss, dem Auslösen der Sicherung, den Schmauchspuren im Schalterkasten und den späteren Gesundheitsstörungen passt.

Die Angaben der Klägerin in der Klageschrift über die im Körper fließende Stromstärke mit 230 mA bzw. 400 mA und einer Dauer von 20 Sekunden (Bl. 27 und 29 d. A.) müssen zwar nach den Feststellungen des Sachverständigen ausgeschlossen werden. Die Beklagte hat diese Behauptungen allerdings nicht bestritten. Trotzdem sind sie nicht als unstreitig der Entscheidung zugrunde zu legen. Einen solchen Stromschlag kann der Ehemann der Klägerin nicht bekommen haben, sonst wäre er sofort tot gewesen. Die Klägerin hatte auch im Schriftsatz vom 14.09.2005 (Bl. 118 d. A.) vorgetragen, dass ihre Ausführungen zur Stromstärke Maximalströme seien. Die Untersuchung, welche Ströme tatsächlich geflossen seien, müsse sich mit dem Zustand der Hände (Feuchtigkeit und Staub), der Fläche, mit welcher der stromleitende Gegenstand umfasst worden sei, und den Schuhen des Ehemannes befassen. Auch die genaue Zeitspanne des Stromflusses könne nur nach einer Untersuchung der noch vorhandenen Sicherung angegeben werden. Diese Prüfung hat der Sachverständige Prof. … in seinem Gutachten vom 09.07.2009 vorgenommen und hat eine Stromstärke von 115 mA bis 153 mA als wahrscheinlich errechnet.

Die von ihm bei seiner mündlichen Anhörung vorgelegten Normauszüge zur Wirkung von Wechselströmen auf Personen bei einem Stromweg von der linken Hand zu den Füßen (Bl. 533 d. A.) lassen erkennen, dass bei der von ihm angegebenen wahrscheinlichen Stromstärke von rund 150 mA bei einer Einwirkungsdauer von bis zu 0,5 Sekunden kein sofortiger Tod hervorgerufen wird, sondern nur eine starke Belastung des Herzens. Bei bis zu 0,4 Sekunden werden als physiologische Wirkungen starke unwillkürliche Muskelreaktionen, Schwierigkeiten beim Atmen, reversible Störungen der Herzfunktion und Muskelverkrampfungen aufgeführt. Bei 0,5 Sekunden wird knapp der Bereich AC-4 erreicht, der pathologische Wirkungen wie Herzstillstand, Atemstillstand oder andere Zellschäden hervorrufen kann.

Mit der von ihm errechneten Stromstärke zwischen 115 mA und 153 mA und einer Einwirkungsdauer von 0,2 bis 0,4 Sekunden ergibt sich folglich eine Wirkung, die nicht nur den vom Sachverständigen beschriebenen Geschehensablauf erklärt, sondern auch die zwar starke Einwirkung auf den Körper des Ehemannes der Klägerin, die allerdings trotz Auslösen einer 630A – Sicherung nicht zum sofortigen Tode führte.

Auch die von Klägerseite vorgelegte Zusammenfassung über Stromunfälle der Berufsgenossenschaft von 1988 belegt diese Zusammenhänge (Bl. 122 d. A.). Aus ihr ergibt sich ebenfalls, dass bei 100 mA und einer Einwirkungsdauer von 0,5 s noch kein tödlicher Bereich erreicht ist und bis 200 mA bei dieser Einwirkungsdauer mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gleiches gilt. Betrug die Einwirkungszeit nur 0,2 s, wären 150 mA nach dieser Übersicht noch deutlicher im nicht unbedingt tödlichen Bereich anzusiedeln.

Soweit die Sachverständigen Prof. B. und Dr. S. im ersten Gerichtsgutachten vom 05.10.2006 ausgeführt haben, Wechselstrom von 80-100 mA sei sofort tödlich (Bl. 218 d. A.), 25-80 mA lösten einen vorübergehenden Herzstillstand mit nachfolgenden schweren Herzrhythmusstörungen und eine Blutdrucksteigerung aus und Stromstärken über 50 mA lösten bei kurzer Einwirkungsdauer einen möglichen reversiblen Herzstillstand aus, bei einer Einwirkungsdauer von 25-30s komme es zu einem Kammerflimmern, welches der Betroffene nicht überlebt hätte (Bl. 220 d. A.), stehen diese Angaben nicht im Widerspruch zu den vorgelegten Tabellen. Vielmehr ist die Differenzierung nach der Stromstärke mangels ausreichender Feststellungen zur Einwirkungsdauer alleine nicht aussagekräftig. Die Zeitangabe von 25-30s zeigt, dass die Sachverständigen zu dieser Zeit noch theoretische Überlegungen angestellt haben, ohne die Einwirkungszeit ausreichend zu berücksichtigen. Nachdem der Sachverständige Prof. … die mögliche Einwirkungsdauer angegeben hat, hat der Sachverständige Dr. Ö. die sich aus den Tabellen ergebenden Zusammenhänge bestätigt (Bl. 577 d. A.).

(c)

Die durch den Stromfluss erfolgte Gesundheitsschädigung (die Rhythmusstörung des Herzens) passt nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. zu einem Stromschlag ohne Kammerflimmern (Bl. 220 d. A.) und kann die von den Zeugen geschilderten Symptome erklären, die unmittelbar nach dem „Stromunfall“ aufgetreten sind.

Nach Meinung der Sachverständigen Prof. Dr. B. und Dr. S. sind die Symptome wie Hautblässe, Übelkeit, eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit, Schwindel, Konzentrations- und Sehstörungen vereinbar mit einer Pumpschwäche des Herzens im Sinne eines „Vorwärtsversagens“, ausgelöst durch eine strombedingte Rhythmusstörung wie z.B. Vorhofflimmern mit absoluter Arrhythmie. Das Blutvolumen pro Herzschlag nimmt ab, so dass nicht genügend sauerstoffreiches Blut zur Verfügung steht. Die Symptome werden nach einem Elektrounfall relativ häufig geklagt.

Zusätzlich steht durch die Zeugenaussagen fest, wie das Landgericht beanstandungsfrei festgestellt hat, dass der Ehemann der Klägerin vor dem 26.01.2004 fit und munter war. Dies haben die Zeugen R. N., O. H., R. M. und C. N. bekundet. Es steht auch im Einklang damit, dass der Ehemann der Klägerin als selbständiger Elektrikermeister ohne bekannte Einschränkungen tätig war und ein Gesundheitscheck im Oktober 2003 keinen Behandlungsbedarf ergeben hatte.

(d)

Eine Zusammenschau dieser Umstände beweist eine unfallbedingte Gesundheitsschädigung durch einen Stromschlag am 26.01.2004.

Die eigene Angabe des Ehemannes der Klägerin gegenüber Zeugen, die Beobachtungen des Zeugen O. M., die technische Möglichkeit eines nicht sofort tödlichen Stromschlages und die unmittelbar danach auftretenden körperlichen Beschwerden genügen zur ausreichenden Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO.

Wegen der ab dem 26.01.2004 schlagartig aufgetretenen gesundheitlichen Beschwerden ändert daran auch die theoretische Möglichkeit einer Grippeerkrankung nichts, die die Beklagte als Ursache der geschilderten Symptome angeführt hat. Die von den Zeugen geschilderten Symptome sind zwar nach Aussage der Sachverständigen Prof. Dr. B. und Dr. S. nicht spezifisch für eine Erkrankung. Allerdings spricht nichts für den zeitlichen Zufall, dass genau in dem Moment des Stromunfalls – davon unabhängig – eine Grippeerkrankung des Ehemannes der Klägerin zum Ausbruch gekommen ist. Ein tödlicher Ausgang einer Grippeerkrankung im Alter des Ehemannes der Klägerin wäre auch nach Meinung der Sachverständigen nicht zu erwarten (Bl. 250 d. A.).

Schließlich kann der Stromschlag nicht als bloße „Gelegenheitsursache“ angesehen werden, auch wenn nach den Feststellungen im Obduktionsbericht beim Ehemann der Klägerin eine erhebliche Coronararteriensklerose aller drei Äste vorlag. Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 19.03.2008 (Bl. 328 d. A.) ausgeführt, dass die koronare Gefäßerkrankung nicht ohne weiteres zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen muss und die Vorbeeinträchtigung nicht auch durch jeden anderen alltäglichen Anlass eine gravierende Verschlechterung hätte erfahren müssen. Vielmehr gebe es keine Daten zur Abschätzung, wie die Lebenserwartung eines Menschen sei, der eine klinisch stumme koronare Atherosklerose aufweise. Der Sachverständige Dr. Ö. hat dies bestätigt und die Ergebnisse der CASS-Registratur herangezogen, um eine jährliche Sterbewahrscheinlichkeit von ca. 4,3% bei einer koronaren 3- Gefäßerkrankung zu begründen und einer Wahrscheinlichkeit von 0,123%, innerhalb von rund 10 Tagen zu versterben (Bl. 571 d. A.). Aus diesen Zahlen deutlich erkennbar, dass die Vorerkrankung des Ehemannes der Klägerin keinen Zustand hervorgerufen hatte, der durch jeden sonstigen alltäglichen Anlass zum Tode führen musste. Dies hat auch der Sachverständige Dr. Ö. bei seiner mündlichen Anhörung bestätigt. Er hat zwar ausgeführt, dass wegen der Vorerkrankung des Ehemannes der Klägerin die tödlichen Herzinfarkte nach seiner Ansicht auch durch andere Ereignisse, wie beispielsweise einen Autounfall, hätten ausgelöst werden können (Bl. 621 d. A.) oder z.B. durch einen heftigen Ehestreit (Bl. 622 d. A.). Die Stresssituation müsse aber eine extreme sein, keine beliebige, z.B. berufliche Belastung (Bl. 623 d. A.).

Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Annahme einer „Gelegenheitsursache“ die Kausalität überhaupt ausschließen würde (Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 47 Rn. 29; Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 1 AUB 99 Rn. 49), oder ob in der privaten Unfallversicherung die Figur der „Gelegenheitsursache“ nicht die Beweislast unzulässig vom Versicherer, der die Mitwirkung von Vorerkrankungen nach § 4 BB-UZV beweisen muss, auf den Versicherungsnehmer verlagern würde.

(e)

Es steht nach der Beweisaufnahme auch mit ausreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Gesundheitsschädigung durch den Stromschlag den Tod des Ehemannes der Klägerin mitverursacht hat. Die nach § 287 Abs. 1 ZPO erforderliche überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen folgt aus den sachverständigen Feststellungen.

Wie eben begründet, steht fest, dass der Ehemann der Klägerin am 26.01.2004 einem Stromschlag ausgesetzt war, der zu Muskelkontraktionen, Benommenheit, Rhythmusstörungen des Herzens in der Folgezeit und einer extremen Stressbelastung geführt hat. Nach Meinung der medizinischen Sachverständigen spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Folgen des „Stromunfalls“ den Tod am 06.02.2004 (mit)verursacht haben. Daran ändert auch die Feststellung einer Coronararteriensklerose aller drei Äste und frischer subendocardialer Myocardinfarkte der Hinterwand und Seitenwand zum Obduktionszeitpunkt nichts.

(aa)

Die Sachverständigen Dr. S. und Prof. Dr. B. sind von der Mitursächlichkeit überzeugt, unter der Voraussetzung, dass der Ehemann der Klägerin vor dem „Stromunfall“ gesundheitlich nicht beeinträchtigt war und die Zeugenaussagen über seinen anschließenden Zustand richtig sind. Dies haben sie bereits in ihrem ersten Gutachten vom 05.10.2006 zum Ausdruck gebracht und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür angegeben, dass der „Stromunfall“ der Auslöser einer elektrotraumatischen Herzschädigung mit Herzrhythmusstörung und bei bestehender koronarer 3-Gefäßerkrankung Teilursache des Todes war. Die Sachverständigen geben an, dass durch Rhythmusstörungen dem Körperkreislauf nicht mehr genügend sauerstoffreiches Blut zur Verfügung steht. Durch eine kritische Minderversorgung des Myokards bei hochgradiger Einengung der Herzkranzgefäße können Myokardinfarkte ausgelöst werden (Bl. 221 d. A.). Die Sachverständige Dr. S. ist auch bei ihrer Anhörung dabei geblieben und hat bekräftigt, dass nach Angaben in der Literatur ein Stromunfall bis zu einem Jahr später noch Todesursache sein könne (Bl. 281 d. A.). Die Möglichkeit eines unfallunabhängigen Todes durch einen von dem Stromschlag unabhängigen Herzinfarkt bezeichnet die Sachverständige als theoretisch. Sie selbst sei aber von einem Zusammenhang überzeugt, wenn die Zeugenaussagen zutreffend seien, dass der Ehemann der Klägerin vor dem Unfall keine Beschwerden gehabt habe.

Prof. Dr. B. hat insbesondere im Hinblick auf die vorgelegte Bescheinigung der Hausärzte des Ehemannes der Klägerin vom 05.09.2007 (Bl. 302 d. A.), aus der sich ergibt, dass im Oktober 2003 bei einem Gesundheitscheck keinerlei kardiologische Auffälligkeiten diagnostiziert worden seien, angegeben, dass von einem klinisch gesunden Patienten gesprochen werden muss. Deshalb gebe es keine ausreichenden Hinweise, dass die vorhandene Grunderkrankung des Versicherten überhaupt zum Tode beigetragen haben müsse (Bl. 329 d. A.). Dies hat er auch bei seiner mündlichen Anhörung bestätigt.

(bb)

Eine Mitursächlichkeit nimmt auch der zusätzlich beauftragte Sachverständige Dr. Ö. in seinem Gutachten vom 25.06.2010 (Bl. 567 d. A.) an. Er ist zwar anders als Prof. Dr. B. der Ansicht, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin nach dem Obduktionsbefund alleine durch die Vorerkrankung erklärbar sei, weil er die Ausführungen des Pathologen zu den zeitlich eingegrenzten Herzinfarkten für zutreffend hält und nicht die Ansicht von Prof. Dr. B. teilt, dass diese Folge der Wiederbelebungsversuche gewesen sein könnten. Der Sachverständige Dr. Ö. geht überzeugend davon aus, dass die Todesursache ein Herzinfarkt war. Gleichzeitig gibt er aber eine jährliche Sterbewahrscheinlichkeit von ca. 4,3% bei einer koronaren 3-Gefäßerkrankung an und daraus abgeleitet eine Wahrscheinlichkeit von 0,123%, innerhalb von rund 10 Tagen – ohne den Stromunfall – zu versterben (Bl. 571 d. A.). Außerdem weist er darauf hin, dass der Stromunfall und der eingetretene Herzinfarkt keine unabhängigen Ereignisse darstellen. Sowohl die erhebliche Stresssituation, als auch die durch den Stromfluss verursachten Herzrhythmusstörungen könnten genügen, eine stabile Vorerkrankung in eine instabile Form zu überführen (Bl. 580 d. A.). Dies hält er für wahrscheinlich (Bl. 581 d. A.).

(cc)

Alle Sachverständige sind sich folglich in der Beurteilung einig, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin durch den „Stromunfall“ (mit-)verursacht wurde. Die von Dr. Ö. angegebene Wahrscheinlichkeit von 0,123%, bei der festgestellten Vorerkrankung ohne weitere Ursachen innerhalb von rund 10 Tagen trotz vorheriger Beschwerdefreiheit zu versterben, ist im Ergebnis identisch mit der Einschätzung von Prof. Dr. B., dass von einem unfallunabhängigen Tod nicht auszugehen ist, sondern vielmehr die elektrotraumatische Herzschädigung mit Herzrhythmusstörungen Auslöser waren. Auch die in einem Verfahren vor dem Landgericht Koblenz eingeholte Stellungnahme von Prof. Dr. E. vom 22.08.2008 (Bl. 491 d. A.) gelangt zu einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen Stromunfall und Tod.

Die Beklagte schuldet deshalb die Todesfallleistung.

(2.)

Nach § 4 der BB-UZV vermindert sich die Leistung allerdings entsprechend dem Anteil der Mitwirkung, wenn zur Herbeiführung des Todes neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen des Versicherten zu mindestens 25% mitgewirkt haben.

Nach der Beweisaufnahme ist von einer 50%igen Mitwirkung der Vorerkrankung des Ehemannes der Klägerin an seinem Tod auszugehen.

Die Beweislast für die Mitwirkung anderer Ursachen nach § 4 der Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung mit Leistung bei Erwerbsunfähigkeit oder Todesfall trifft den Versicherer (Senat, Urt. v. 29.10.2003 – 5 U 265/03-30 – VersR 2004, 1544; Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 3 AUB 99 Rn. 7; Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 182 VVG Rdn. 20). Ob § 286 ZPO oder § 287 ZPO das Beweismaß bestimmen, wird unterschiedlich gesehen. Zum Teil wird für die Frage, ob überhaupt unfallunabhängige Faktoren mitgewirkt haben, § 286 ZPO angewandt, die Höhe des Mitwirkungsanteils aber nach § 287 ZPO geschätzt (Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 182 VVG Rdn. 20). Zum Teil wird eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht für ausreichend gehalten (Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 3 AUB 99 Rn. 7 und OLG Düsseldorf, VersR 2002, 883 unter Hinweis auf BGH NJW-RR 1988, 789, obwohl sich die Entscheidung mit dem Beweismaß mitwirkender Ursachen nicht befasst) bzw. auf § 286 ZPO abgestellt (OLG Koblenz, r+s 2001, 348), überwiegend wird dagegen von der Rechtsprechung § 287 ZPO angewendet (OLG Düsseldorf, VersR 1997, 174; OLG Düsseldorf, VersR 1994, 1218; OLG Hamm, VersR 1982, 946). Hinsichtlich der Quote wird zum Teil angenommen, eine quantitative Bestimmung der Mitwirkung mehrerer Faktoren für den Tod sei nicht möglich, vielmehr seien die Todesursachen regelmäßig gleichwertige Ursachen, denn weder der Unfall noch die Vorerkrankung hätten für sich alleine diesen Tod zur Folge gehabt (OLG Frankfurt, VersR 1991, 762). Die überwiegende Meinung sieht dies anders und hält eine Quotierung je nach dem Grad der Mitwirkung für zulässig (OLG Düsseldorf, VersR 1997, 174; OLG Hamm, VersR 1982, 946). So wurde bei einer Dreigefäßerkrankung der Herzarterien und einem unfallbedingten Herzinfarkt eine 45%-ige Leistungskürzung vorgenommen, weil die Vorerkrankung Voraussetzung für den Herzinfarkt war (OLG Düsseldorf, VersR 1997, 174). Bei einer Bewertung des Unfalles als austauschbare Ursache wurde eine Leistungskürzung von 75% vorgenommen (OLG Hamm, VersR 1982, 946; OLG Düsseldorf, VersR 1964, 130), sowie von 66%, weil durch einen Sturz die gesamte Kausalkette zwar in Gang gesetzt worden sei, aber eine eigentlich harmlose Gesundheitsverletzung wegen der Vorerkrankung zum Tode führte (OLG Karlsruhe, r+s 1987, 326).

Das Beweismaß für die Mitwirkung einer Vorerkrankung im Sinne von § 4 der BB-UZV muss § 287 ZPO entnommen werden, und nicht § 286 ZPO. Denn es geht ebenso um die Unfallfolgen, also die haftungsausfüllende Kausalität, wie bei der vom Versicherungsnehmer zu beweisenden Tatsache, dass der Unfall mitursächlich war, was nach § 287 ZPO zu beurteilen ist (BGH, Urt. v. 23.09.1992 – IV ZR 157/91 – NJW 1993, 201). Warum für die vom Versicherer zu beweisende Tatsache, dass – genau entgegengesetzt – Vorerkrankungen mitursächlich waren, etwas anderes gelten sollte, ist nicht erkennbar.

Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung reicht deshalb eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen aus, dass die Vorerkrankung in kausalem Zusammenhang mit der Unfallfolge (hier dem Tod) steht. Das ist anzunehmen.

Im Gutachten vom 19.03.2008 – Bl. 329 d. A. – hat der Sachverständige Prof. Dr. B. zwar ausgeführt, dass der Mitwirkungsgrad der Vorerkrankung an dem Tode nicht feststellbar ist. Ein Hinweis dafür, dass der morphologische Befund der Herzkranzgefäßveränderungen zum Ausgang des Stromunfalls beigetragen hat, gebe es nicht. In der mündlichen Anhörung – Bl. 348 d. A. – hat der Sachverständige dann darauf abgestellt, dass kein akuter Herzinfarkt Vorgelegen habe. Eine Mitwirkung scheide nach seiner Meinung insbesondere aus, wenn der Ehemann der Klägerin vor dem Unfall eine normale Pumpfunktion des Herzens gehabt habe. Dies könne aber nicht mehr festgestellt werden.

Im ersten Gutachten vom 05.10.2006 gelangten Prof. Dr. B. und Dr. S. dagegen zu der Einschätzung, dass der Stromunfall eine Teilursache des Todes bei vorbestehender Gefäßerkrankung sei (Bl. 221 d. A.). Bei ihrer mündlichen Anhörung hat die Sachverständige Dr. S. den „Stromunfall“ ebenfalls als Mitursache bezeichnet (Bl. 281 d. A.).

Außerdem befassen sich weder Prof. Dr. B. noch Dr. S. mit der Frage der Mitursächlichkeit der Vorerkrankung unter dem Gesichtspunkt, dass der Stromschlag nicht so stark war, dass der Tod sofort eintrat, sondern erst 10 Tage später. Der Sachverständige Dr. Ö. hat dazu ausgeführt, dass die Sterbewahrscheinlichkeit bei den im vorliegenden Fall ermittelten Stromstärken bzw. Einwirkungszeiträumen – 115 bis 153 mA über 0,2 bis 0,4 Sekunden – lediglich 5% beträgt und bei der Annahme, dass in 90% der Fälle der Tod unmittelbar bzw. innerhalb von 24 Stunden eintritt, die Wahrscheinlichkeit – ohne Vorschädigung – an dem Stromschlag nach 10 Tagen zu versterben lediglich 0,5% beträgt (Bl. 579 d. A.). Außerdem hält Dr. Ö. Herzinfarkte bei Stromunfällen ohne Vorerkrankungen bei der hier vorliegenden Stromstärke und Einwirkungszeit nicht für wahrscheinlich (Bl. 580 d. A.). Viel wahrscheinlicher sei es, dass der Stromschlag die stabile koronare Situation in eine instabile Form überführt habe (Bl. 580 d. A.). Dr. Ö. meint deshalb zusammenfassend, dass der Stromunfall ohne Vorschädigung des Herzens zu mehr als 99% überlebt worden wäre, dass andererseits ein Tod am 06.02.2004 ohne den „Stromunfall“ mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 1% eingetreten wäre. Dies hat er bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat bekräftigt.

Der entscheidende Unterschied zwischen der Ansicht von Prof. Dr. B. und Dr. Ö. liegt darin, dass Prof. Dr. B. keinen Herzinfarkt als Todesursache ansieht, während Dr. Ö. davon wegen des Obduktionsergebnisses überzeugt ist. Er begründet dies mit der Überlegenheit der pathologischen Untersuchung und schließt auch aus, dass die Herzinfarkte Folge der Wiederbelebungsversuche seien, weil das Herz mechanisch noch aktiv gewesen sein müsse, als es zu den festgestellten Veränderungen gekommen ist (Bl. 575 d. A.). Weil auch er einen Tod als Folge von Kammerflimmern für unabhängig von der Vorschädigung des Herzens hält (Bl. 580 d. A.), wäre die Vorschädigung auch für ihn nicht entscheidend, wenn ein Kammerflimmern die Todesursache gewesen wäre. Weil er aber entgegen von Prof. Dr. B. einen Herzinfarkt als Todesursache ansieht, gelangt er zur Annahme der Mitwirkung der Vorschädigung.

In der mündlichen Anhörung von Prof. Dr. E. vor dem Landgericht Koblenz (Bl. 497 d. A.) hat dieser – im Einklang mit Dr. Ö. – erklärt, dass der Ehemann der Klägerin elf Tage nach dem Stromunfall an einem Herzinfarkt verstorben ist. Er hält es für eher unwahrscheinlich und nicht plausibel, dass ein Gesunder noch elf Tage nach dem Stromschlag gestorben wäre. Entweder wäre der Tod sofort eingetreten oder der Betroffene hätte diesen überlebt. Der spätere Herzinfarkt sei durch die Veränderungen an den Herzkranzgefäßen mitbedingt. Verursachungsquoten könne er allerdings nicht angeben.

Sowohl die Feststellungen von Dr. Ö. als auch die Ansicht von Prof. Dr. E. begründen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nach § 287 ZPO für die Mitwirkung der Vorerkrankung und führen zu einer 50% Leistungskürzung, denn beide Ursachen sind für den konkreten Tod gleichwertig und nicht hinwegzudenken. Dem steht auch nicht entgegen, dass Prof. Dr. E. keine Verursachungsquoten angeben konnte. Denn wenn der Versicherte nur im Zusammenwirken von Unfall und Vorerkrankung gestorben ist, aber weder durch den Unfall alleine noch durch die Vorerkrankung alleine gestorben wäre, und keine sonstigen Anhaltspunkte für eine weitere Gewichtung vorliegen, kann nur aus Rechtsgründen eine hälftige Quotierung vorgenommen werden. Ein medizinischer Sachverständiger kann in solchen Fällen nicht mehr tun, als festzustellen, dass nur ein Zusammenwirken beider Ursachen den Tod herbeiführen kann und die einzelnen Ursachen jeweils alleine betrachtet dafür überwiegend wahrscheinlich nicht in der Lage sind. Daraus leitet sich aus Rechtsgründen eine jeweilige Wahrscheinlichkeit von 50% ab.

Dies ist zwar bei zwei Ursachen, die zusammen wirken, entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt (VersR 1991, 762) nicht immer der Fall. Es können durchaus Umstände vorliegen, die eine abweichende Bestimmung des Grades der Mitwirkung zulassen. So erscheint es im Rahmen von § 287 ZPO angemessen, je nach Erheblichkeit der Vorerkrankung bzw. bereits hervorgetretener Krankheitsanzeichen einerseits und je nach der Austauschbarkeit der versicherten Ursache andererseits verschiedene Mitwirkungsgrade festzulegen (siehe dazu OLG Hamm, VersR 1982, 946; OLG Düsseldorf, VersR 1964, 130; OLG Karlsruhe, r+s 1987, 326). Wenn dafür aber – wie vorliegend – keine ausreichenden Umstände feststehen, bleibt es bei einer Mitwirkung von 50%.

Nach den Ausführungen aller Sachverständigen steht fest, dass die Vorerkrankung des Ehemannes der Klägerin zwar ernsthaft war, allerdings wegen seiner Beschwerdefreiheit vor dem Stromunfall keinen zeitnahen Tod überwiegend wahrscheinlich machte. Daran ändert es auch nichts, dass nach Meinung von Dr. Ö. erfahrungsgemäß auch andere Extremsituationen bei der Vorerkrankung des Ehemannes der Klägerin zum Tod hätten führen können. Dass erfahrungsgemäß bei vergleichbaren Vorerkrankungen Herzinfarkte durch verschiedenste Extremsituationen ausgelöst werden, ändert an der gleichzeitig von Dr. Ö. betonten geringen Wahrscheinlichkeit von unter 1% für einen zeitnahen Tod nichts. Es kann deshalb nicht gesagt werden, dass der Ehemann der Klägerin auch ohne den Stromunfall ohnehin an anderen alltäglichen – nicht versicherten – Ereignissen zeitnah gestorben wäre, so dass ein höherer Mitwirkungsanteil von 50% angemessen wäre. Anders als in den oben zitierten Fällen hat das Unfallereignis auch nicht nur eine „eigentlich harmlose Gesundheitsverletzung“ bewirkt. Ein Stromfluss durch den Körper mit Stromstärken bis ca. 150 mA reicht in der vom Sachverständigen Prof. … für wahrscheinlich gehaltenen Zeitdauer an den Grenzbereich zum sofort tödlichen Kammerflimmern heran (siehe die vom Sachverständigen vorgelegten Normauszüge) und kann – selbst wenn es nicht zum sofortigen Tod führt – in seinen ungewissen Auswirkungen nicht mit einer „eigentlich harmlosen Gesundheitsverletzung“ gleichgesetzt werden.

Umgekehrt kann aber auch dem Stromschlag kein höherer Mitwirkungsanteil zugemessen werden, weil die Wahrscheinlichkeit, ohne die Vorschädigung alleine aufgrund des „Stromunfalls“ erst nach 10 Tagen an einem Herzinfarkt zu sterben lediglich 0,5% beträgt, wie Dr. Ö, erklärt hat. Bei seiner mündlichen Anhörung hat er ausgeführt, dass ein Gesunder durch die Elektrizitätseinwirkung an Herzrhythmusstörungen, einem Kammerflimmern, sterben wird, und dies im Regelfall innerhalb von 24 Stunden, nicht aber an einem Herzinfarkt 10 Tage später. Es ist deshalb davon auszugehen, entsprechend hat sich auch Prof. Dr. E. vor dem Landgericht Koblenz geäußert, dass ein Gesunder den Stromschlag nicht nur 10 Tage, sondern insgesamt überlebt hätte. Dann ist es aber überwiegend wahrscheinlich im Sinne von § 287 ZPO, dass beide Ursachen jeweils nicht hinweggedacht werden können und mangels sonstiger Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Gewichtung gleichwertig waren. Dies führt zu einer 50%igen Mitwirkung.

(3.)

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92und 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen.

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