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Vollkaskoversicherung: Wirksamkeit einer vertraglichen Nutzungsvereinbarung zum Fahreralter

AG Bersenbrück, Az.: 4 C 731/14, Urteil vom 28.05.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Abrechnung eines Versicherungsfalles.

Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 03.07.2013 mit Wirkung zum 02.07.2014 einen Versicherungsvertrag ab. Dieser hatte sowohl eine Haftpflichtversicherung als auch eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 500,00 EUR zum Inhalt. Versicherungsgegenstand war der Pkw der Klägerin. Der Klägerin erhielt am 04.07.2014 ein Schreiben der Beklagten, welches mit den Worten „Ihre Versicherungsunterlagen“ betitelt war. Zudem erhielt die Klägerin den Versicherungsschein und die Grüne Karte für Fahrten im Ausland. In dem Versicherungsschein heißt es unter dem Stichwort „Vereinbarter Fahrzeugnutzer“, ebenso wie in dem von der Klägerin an die Beklagte versandten Antrag zur Aufnahme in die Versicherung unter Ziffer 5 „Angaben zu Fahrern“:

Vollkaskoversicherung: Wirksamkeit einer vertraglichen Nutzungsvereinbarung zum Fahreralter
Symbolfoto: jes2ufoto / Bigstock

Fahrer unter 24 Jahren sind von der Nutzung ausgeschlossen! Bei einem Verstoß gegen diesen Nutzungsausschluss gilt eine zusätzliche Selbstbeteiligung von 2.500,00 EUR pro Schadensfall. Zusätzlich wird der Versicherungsbeitrag unter Berücksichtigung dieses Fahrers für das aktuelle Versicherungsjahr nachgefordert. Einzelheiten finden Sie in den allgemeinen Bedingungen für die Kfz- Versicherung in Abschnitt D.1.3 sowie D. 3.3.

Am 14.04.2014 wurde das Fahrzeug in einen Verkehrsunfall verwickelt. Fahrer des Fahrzeugs war der Sohn der Klägerin, welcher zu diesem Zeitpunkt keine 24 Jahre alt war.

Die Beklagte berechnete daraufhin die Versicherungsbeiträge unter Berücksichtigung des unter 24 Jahre alten Fahrers für das aktuelle Versicherungsjahr nach. Zudem wurde seitens der Beklagten eine zusätzliche Selbstbeteiligung von 2.500,00 EUR einbehalten. Im Übrigen wurde der Schaden seitens der Beklagten beglichen. Die Beklagte kündigte der Klägerin zum 16.06.2014.

Die Klägerin meint, dass die Klausel, wie zitiert, nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden sei. Die Vertragsbedingungen seien ihr erst nach Aufforderung zugesandt worden seien und hätten so erst nach Schadenseintritt vorgelegen. Die Klägerin meint, dass die Vertragsbedingungen überraschende, gegen Treu und Glauben verstoßende Klauseln seien. Denn sie werde damit gewissermaßen doppelt gestraft. Durch die Nachberechnung der Versicherungsbeiträge für das laufende Versicherungsjahr sei der Vertrag rückwirkend geheilt, so dass die einbehaltene erhöhte Selbstbeteiligung von 2.500,00 EUR unberechtigt sei. Die Klägerin behauptet, dass die Höhe der Versicherungsbeiträge für das laufende Versicherungsjahr unangemessen sei.

Die klagende Partei beantragt,

1. die beklagte Partei zu verurteilen, an sie 3.248,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 26.06.2014 zu zahlen,

2. die beklagte Partei zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 413,64 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

Die beklagte Partei beantragt, die Klage abzuweisen.

Die beklagte Partei ist der Ansicht, dass die Versicherungsbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien. Insoweit behauptet sie, dass der Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2013, betitelt mit „Ihre Versicherungsunterlagen“, neben dem Versicherungsschein und der Grünen Karte für Fahrten ins Ausland (insoweit unstreitig) auch die allgemeinen Versicherungsbedingungen übersandt worden seien. Zudem behauptet die beklagte Partei, dass die Nachberechnung der Versicherungsbeiträge aufgrund des zum Antragszeitpunkt geltenden Tarifsystems erfolgt sei.

Das Gericht hat im Wege der Rechtshilfe Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Amtsgerichts … vom 08.02.2015 (Bl. 126 bis 134 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 3.248,58 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 BGB. Die Beklagte hat den Schaden auf der Grundlage des Vertrages einschließlich der wirksam einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen reguliert. Damit bestand für die Einbehaltung der 2.500,00 EUR in Form der zusätzlichen Selbstbeteiligung und der nachberechneten Versicherungsprämien für die Versicherungsperiode in Höhe von 748,58 EUR ein rechtlicher Grund.

Die Klägerin hatte das mit jungen Fahrern verbundene besondere Risiko bei Abschluss der Versicherung ausgeschlossen, um in den Genuss einer günstigen Versicherungsprämie zu gelangen.

Unter Ziffer 5 des Antrages (Bl. 59 d.A.) sowie auf dem Versicherungsschein (Bl. 10 d. A.) wurde ausdrücklich auf die Nachberechnung der Versicherungsbeiträge für das laufende Versicherungsjahr im Falle der Nutzung des PKW durch einen unter 24 Jährigen Fahrer hingewiesen. Dies wurde zudem deutlich hervorgehoben und war somit für die Klägerin ohne weiteres erkennbar. Des Weiteren wurde Bezug auf die Ziffern D. 1.3 sowie D. 3.3 der allgemeinen Kfz Bedingungen der Beklagten genommen. Die Klägerin bestreitet insoweit zwar, dass sie die allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten erhalten hat. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, da die Beklagte der Klägerin in zumutbarer Weise die Möglichkeit verschafft hat, von dem Inhalt insbesondere der streitgegenständlichen Klausel Kenntnis zu nehmen. Der wesentliche Teil der Klausel war bereits in den o.a. Dokumenten dargelegt. Bereits dadurch hatte die Klägerin in ausreichendem Maße Kenntnis von der nunmehr angegriffenen Klausel.

Es handelt sich auch nicht um überraschende Klauseln gemäß § 305 c BGB. Überraschend ist eine AGB-Regelung, wenn der Vertragspartner mit der Klausel den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte (Roloff in: Erman BGB, Kommentar, § 305c BGB, Rn. 9 mit Verweis auf BGH 130, 19 mwN). Hinzukommen muss, dass durch die Klausel berechtigte Kundenerwartungen verletzt werden (Roloff in: Erman BGB, Kommentar, § 305c BGB, Rn. 10). Sowohl im Antrag der Klägerin, als auch im später von der Beklagten versandten Versicherungsschein wurde auf die Folgen der Nutzung des Pkw von Fahrern im Alter unter 24 Jahren hingewiesen. Die Klägerin konnte daher nicht davon ausgehen, dass die Beklagte von dem vereinbarten Vertragsinhalt zu ihren Gunsten abweichen würde.

Der erhöhte Selbstbehalt unterfällt als Vertragsstrafe auch nicht § 309 Zf.6 BGB, da die weiteren Voraussetzungen dieser Norm nicht vorliegen.

Die Klägerin wird auch nicht in unzulässiger Weise „doppelt gestraft“. Es ist interessengerecht, dass die Beklagte hier zum einen die Versicherungsprämie unter Berücksichtigung des erhöhten Risikos nachberechnet (§ 25 Abs.1 VVG) und daneben mit dem erhöhten Selbstbehalt eine Sanktion für die unterlassene Anzeige einer Risikoerhöhung erfolgt. Vielmehr wäre es ein Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin sich lediglich die Nachberechnung der Prämie gefallen lassen will und die Nichtanzeige der Gefahrerhöhung damit als „geheilt“ ansähe. Die Klägerin könnte so zunächst billig versichern und gleichwohl erhöhte Risiken zulassen. Tritt kein Schaden aufgrund der Risikoerhöhung ein, hat sie Geld gespart. Tritt ein Schaden ein, steht sie jedenfalls nicht schlechter, als wenn sie das Risiko sogleich mitversichert hätte. Ein solches Geschäftsmodell ist dem Versicherungsrecht fremd.

Dass die Klägerin ihrem Sohn das Fahrzeug für eine Fahrt überlassen hatte, ist auch nicht durch einen medizinischen Notfall i.S.d. Zf. D.3.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Der Sohn hat nach dem Vortrag der Klägerin beabsichtigt, ein ihr verschriebenes Antibiotikum von einer Apotheke in A. zu holen, und es habe ihm kein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestanden. Weder ist damit ein Notfall dargelegt – d.h. ein Zustand gegenwärtiger Gefahr -, noch ist ersichtlich, warum die Klägerin nicht zu diesem Zweck ein Taxi bestellen konnte.

Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Höhe der nachberechneten Versicherungsbeiträge nicht zu beanstanden ist. Der Zeuge … hat glaubhaft ausgesagt, dass die Höhe der nachberechneten Versicherungsprämien den üblichen Tarifen entspricht. Es wurde glaubhaft durch Vergleichsrechnungen (Bl. 126-131 d.A) dargestellt, dass die von der Beklagten nachberechnete Summe genau dem Betrag entsprochen hat, den die Klägerin bei Vertragsschluss unter Einbeziehung ihres Sohnes in den Versicherungsvertrag hätte zahlen müssen. Der Zeuge ist glaubwürdig. Er hat detailliert das bei der Beklagten verwendete Verfahren zur Berechnung der jeweiligen Tarife dargelegt. Zudem wurde widerspruchsfrei unter Beifügung von entsprechenden Berechnungstabellen dargelegt, wie die von der Klägerin eingezogene Summe errechnet wurde.

Die Klägerin ist dem nicht mit erheblichen Gründen entgegengetreten. Insbesondere hat sie nicht unter Vortrag der Tarife von Wettbewerbern der Beklagten dargelegt, dass hier eine unangemessen hohe Prämie verlangt wird.

Aufgrund der Unbegründetheit der Hauptforderung ist auch die Nebenforderung unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

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