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Forderungsausfallversicherung – Bindungswirkung durch notarielles Schuldanerkenntnis?

LG Itzehoe – Az.: 3 O 125/11 – Urteil vom 05.03.2012

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 23.099,90 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. März 2011 Zug-um-Zug gegen Abtretung der Ansprüche in dieser Höhe gegenüber Herrn P., Q., aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vor dem Notar B. vom 2. Februar 2011 (Nr. 49 der Urkundenrolle), Aushändigung des Originals dieses Schuldanerkenntnisses und des Vollstreckungsprotokolls der Gerichtsvollzieherin S. vom 16. März 2011 (Az.: DR. II —).

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 6 % der Kläger und zu 94 % die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, zu Gunsten des Klägers jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung seitens der Beklagten kann der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert beträgt € 24.599,90.

5. Der Antrag des Klägers vom 21. November 2011, ihm für Hilfsanträge vom 15. September 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Forderungsausfallversicherung in Anspruch.

Der Kläger ist (zumindest formal) selbständiger Immobilienmakler und war mit der G. Immobilien GbR und der St. Immobilien GmbH, die beide als Immobilienmakler tätig waren, durch Vertriebsvereinbarungen (Anlage BLD 3, Bl. 124 d.A.) verbunden. In den letzten 12 Monaten vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis hatte der Kläger einen durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienst von € 5.434,84. Davon entfielen € 4.000,00 inkl. MwSt. auf von der St. Immobilien GmbH erhaltene Vorschüsse auf seine Provisionsansprüche. Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine private Haftpflichtversicherung nebst Nachtrag, welcher mit Beginn vom 27. Januar 2010 zusätzlich eine Forderungsausfallversicherung mit einer Selbstbeteiligung von € 2.500,00 je Schadensfall enthielt. Vereinbart waren die Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung, und zwar entweder Stand 1/03 (Anlage K 1 im Anlagenordner) oder der – in den hier interessierenden Punkten inhaltsgleiche – Stand 5/09 (Anlage B 1, Bl. 35 d. A.). Am 10. September 2010 gegen 3.25 Uhr saß der Kläger in der Gaststätte „O.“ in Q. am Tresen, als Herr P. in die Kneipe trat, auf den Kläger, der ihm den Rücken zuwandte, zuging und mit der Faust gegen den Hinterkopf schlug. Der Kläger prallte mit dem Gesicht nach vorn auf den Tresen. Anschließend schleuderte Herr P. den Kläger zu Boden und schlug und trat dort weiter auf ihn ein. Der Kläger erlitt multiple Gesichts-und Schädelfrakturen, unter anderem eine Blow-out-Fraktur, ein Monokelhämatom am linken Auge sowie eine schwere Beckenprellung links. Nach dem Vorfall war bei dem Kläger die Sehfähigkeit stark eingeschränkt, er sah Doppelbilder und nur verschwommen. Das rechte Auge war stark zugeschwollen. Der Kläger wurde stationär und ambulant ärztlich behandelt und war zumindest bis zum 30. Juni 2011 zu 100 % arbeitsunfähig. Bereits außergerichtlich bezifferte der Kläger seinen Verdienstausfall mit € 19.927,34. Der von ihm auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommene Herr P. bekannte sich seinen Rechtsanwalt zu seiner Verantwortung, gab jedoch an, vermögens-und arbeitslos zu sein. Er hatte bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Am 2. Februar 2011 gab Herr P. vor dem Notar H. in Q. ein notarielles Schuldanerkenntnis ab nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung (Anlage K 2 im Anlagenordner) über insgesamt € 32.424,29 einschließlich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme von Herrn P. in Höhe von € 1.824,39. Aufgrund dessen unternahm die Gerichtsvollzieherin bei Herrn P. am 16. März 2011 einen erfolgslosen Vollstreckungsversuch und fertigte ein entsprechendes Protokoll (Anlage K 3 im Anlagenordner). Die Beklagte zahlte an den Kläger € 5.000,00. Zur Zahlung weiterer € 23.099,90 setzten die vormaligen Bevollmächtigten des Klägers der Beklagten mit Schreiben vom 22. März 2011 eine Frist bis zum 25. März 2011.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 23.099,90 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 26. März 2011,

Zug-um-Zug gegen Abtretung der Ansprüche in dieser Höhe gegenüber Herrn P., Q., aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vor dem Notar B. vom 02. Februar 2011 (Nr. 49 der Urkundenrolle) sowie Aushändigung des Originals diese Schuldanerkenntnisses sowie des Vollstreckungsprotokolls der Gerichtsvollzieherin S. vom 16. März 2011 (Az.: DR. II 0231-11).

2. Festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Regulierung der klägerischen Ansprüche seit dem 26. März 2011, hilfsweise dem 16. April 2011 in Verzug befindet,

hilfsweise und unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe, festzustellen, dass die Beklagte wegen schuldhafter Verzögerung der Regulierung der Ansprüche zu Ziff. 1 dem Kläger für alle hieraus kausal entstandenen Folgeschäden, insbesondere aus diesem nicht möglicher Bedienung laufender Zahlungsverpflichtungen und den Folgen der Fälligstellung von Darlehen, ferner aus aufgrund dieses Verhaltens eingetretener weiterer gesundheitlicher Schäden und ihren Folgen, insbesondere einem posttraumatischen Belastungssyndrom mit depressiver Episode, haftet,

3. dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten der Rechtsanwälte Ho. pp. in Höhe von brutto € 1.085,04 nebst Verzugszinsen hierauf in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszins seit dem 07. Mai 2011 zu erstatten, hilfsweise und unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe, Freihaltung von den Honoraransprüchen der Prozessbevollmächtigten in der genannten Höhe.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass die Forderung des Klägers gegen Herrn P. überhaupt besteht. Insbesondere hält sie dem geltend gemachten Verdienstausfall die Behauptung entgegen, der Kläger sei scheinselbständig. Diesen Verdacht knüpft die Beklagte daran, dass die vom Kläger aus der Zeit vom 11. Januar bis 31. August 2010 überreichten Rechnungen – unstreitig – denselben Adressaten haben. Überdies seien bei G. Immobilien GbR und St. Immobilien GmbH Inhaber und Geschäftsführer ein und dieselbe Person. Sie meint, dies der Inanspruchnahme aus der Forderungsausfallversicherung nach den Versicherungsbedingungen entgegenhalten zu können. Dem notariellen Schuldanerkenntnis komme – anders als einem Versäumnisurteil gegen den Schädiger – keine Bindungswirkung zu. Mit ihm habe der Kläger lediglich eine Fälligkeitsvoraussetzung für die Versicherungsleistung geschaffen. Denn anders als bei einem notariellen Schuldanerkenntnis könne im Falle einer gerichtlichen Inanspruchnahme der Haftpflichtversicherer den Prozess gegen den Schädiger für den Versicherungsnehmer übernehmen. Darüber hinaus beruft sich die Beklagte darauf, dass Leistungen nach § 1 Abs. 1 Opferentschädigungsgesetz in Betracht kämen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg.

I.

Zu entscheiden war über die in der mündlichen Verhandlung gestellten Klaganträge aus der Klageschrift vom 10. Mai 2011 sowie über den gestellten Hilfsantrag, den Kläger von den Honoraransprüchen seiner Prozessbevollmächtigten freizuhalten.

Nicht zu entscheiden war über den im Schriftsatz vom 15. September 2011 hilfsweise angekündigten, in der mündlichen Verhandlung unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellten Feststellungsantrag, weil diesem die gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt. Deshalb war die für ihn beantragte Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen und danach ist die innerprozessuale Bedingung für diesen Antrag nicht eingetreten. Dem Hilfsantrag fehlt das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der Kläger behauptet nicht mehr als den Verzug der Beklagten mit seiner Hauptforderung, der als solcher einer isolierten Feststellung nicht zugänglich ist (vgl. BGH v.

19. April 2000, XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger pauschal abstrakte Nachteile behauptet, die ihm durch die nicht vollständige sofortige Begleichung seiner Forderungen durch die Beklagten entstanden sein sollen.

Prozesskostenhilfe war mangels Rechtschutzbedürfnis auch abzulehnen für den gestellten Hilfsantrag bezüglich der Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Insoweit geht es um eine nicht streitwertrelevante Nebenforderung, für die auch ohne Prozesskostenhilfe keine Vorschusspflicht besteht. Dieser Hilfsantrag war deshalb dahin auszulegen, dass er nicht unter die Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt wurde. Denn so wäre er mutmaßlich formuliert worden in Kenntnis des Umstands, dass es für diesen Antrag keiner Prozesskostenhilfe bedarf.

II.

Die Klage ist mit den Anträgen zu Ziffern 1 und 3 zulässig. Der Zulässigkeit des Hilfsantrags zu Ziffer 3) ergibt sich aus § 264 Nr. 2 ZPO. Der Hauptantrag zu Ziffer 2 ist unzulässig mangels Feststellungsinteresses des Klägers. Vielmehr gilt auch insoweit, dass der Schuldnerverzug als solcher einer isolierten Feststellung nicht zugänglich ist (a.a.O.).

III.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Zug-um-Zug gegen Abtretung seiner Ansprüche gegen seinen Schädiger P. und Aushändigung der Originale seines notariellen Schuldanerkenntnisses und des Vollstreckungsprotokolls der Gerichtsvollzieherin. Anspruch auf Zahlung von € 23.099,90. Anspruchsgrundlage ist sind die Klauseln R 1 Abs. 1 und R 5 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung, die in den die Parteien verbindenden Versicherungsvertrag einbezogen wurden. Danach gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person während der Wirksamkeit der Versicherung von einem Dritten geschädigt wird und die daraus entstandene Schadensersatzforderung gegen den Schädiger nicht durchgesetzt werden kann. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind gegeben:

1. Es liegt ein versicherter Schaden gemäß Klausel R 2 Abs. 1 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung vor: Der Kläger ist am 10. September 2010 von Herrn P. durch vorsätzliche Körperverletzung an seiner Gesundheit geschädigt worden.

2. Auch ein erfolgloser Vollstreckungsversuch gemäß Klausel R 4 Abs. 1 und Abs. 2, 1. Spiegelstrich der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung ist gegeben: Der Kläger hat gegen den Schädiger einen rechtskräftigen vollstreckbaren Titel vor einem Notar innerhalb des örtlichen Geltungsbereichs erwirkt, nämlich das am 2. Februar 2011 von Herrn P. vor dem Notar H. in Q. erklärte notarielle Schuldanerkenntnis nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung (Anlage K 2 im Anlagenordner) über insgesamt € 32.424,29. Diese Forderung konnte der Kläger nicht durchsetzen, weil die Vollstreckung durch die Gerichtsvollzieherin am 16. März 2011 erfolglos blieb.

3. Ob die in der titulierten Forderung von € 32.424,29 enthaltenen € 1.824,39 für die vorgerichtliche Tätigkeit der gegenüber dem Schädiger P. beauftragten Rechtsanwälte unter den versicherten Schaden fällt, bedarf keiner Entscheidung. Denn er wird vom Kläger nicht geltend gemacht.

4. Von dem verbleibenden Betrag (€ 30.599,90) sind € 2.500,00 für den in Klausel R 5 Abs. 2 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung vereinbarten Selbstbehalt abzuziehen und weitere € 5.000,00 für die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten.

Wegen letzterer ist teilweise Erfüllung eingetreten. Es verbleiben die dem Kläger zugesprochenen € 23.099,90.

5. Die dagegen von der Beklagten erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:

a) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist im vorliegenden Deckungsprozess nicht die Frage zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Schädiger P. dem Kläger aus dem Ereignis vom 10. September 2010 haftet. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der Formulierung der Klausel R 1 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung, wenn dort von entstandener Schadensersatzforderung die Rede ist. Der Inhalt dieser Klausel umschreibt den Versicherungsumfang. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass im Deckungsprozess der Haftungsumfang nachzuprüfen wäre. Mit solchem Verständnis einer Forderungsausfallversicherung würde deren Sinn auch konterkariert: Der geschädigte Versicherungsnehmer müsste über die Fragen nach Grund und Höhe eines Schadensersatzanspruches zweimal mit dem entsprechenden Kostenrisiko und der Gefahr widersprechender Entscheidungen prozessieren – obwohl er sich nach dem Inhalt einer Forderungsausfallversicherung nur gegen die Gefahr absichern wollte, dass seine Schadensersatzansprüche an der Durchsetzbarkeit scheitern. Dementsprechend heißt in Klausel R 5, 1. Absatz der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung, es werde Entschädigung in Höhe des titulierten Schadensersatzbetrages gewährt.

b) Die Beklagte dringt auch nicht mit ihrer – ihrem unter a) erörterten Rechtsstandpunkt, die Haftung sei im Deckungsprozess zu prüfen, widersprechenden – Auffassung durch, es gäbe zwar eine Bindungswirkung für den Deckungsprozess, aber nur dann, wenn es einen Haftpflichtprozess gegeben habe, und nicht, wenn der Schädiger sich wie vorliegend sich in einem notariellen Schuldanerkenntnis der Zwangsvollstreckung unterworfen habe.

Zum einen setzt die Beklagte sich mit diesem Standpunkt in unüberbrückbaren Widerspruch zum Inhalt des von ihr selbst gestellten Klauselwerkes hinweg. Das nennt in Klausel 4 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung neben der Erlangung eines vollstreckbaren Titels im streitigen Verfahren die Möglichkeit, einen vollstreckbaren Titel gegen den Schädiger vor einem Notar zu erwirken. Diese Möglichkeit ist zur Zeit-und Kostenersparnis auch durchaus sinnvoll – nämlich dann, wenn der Schädiger seine Haftung überhaupt nicht in Abrede stellt.

Zum anderen greifen die Überlegungen der Beklagten auch nicht durch, mit denen sie in der bindenden Feststellung der Haftung des Schädigers durch ein notarielles Schuldanerkenntnis eine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber der Haftungsfeststellung in einem Prozess sehen will. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie die Beklagte einen Haftpflichtprozess des Klägers gegen den Schädiger P. hätte „übernehmen“ wollen. Das ist eben anders als wenn der Versicherungsnehmer als Schädiger in Anspruch genommen wird und der Versicherer durch Übernahme dieses Prozesses an dessen Ausgang dasselbe Interesse hat wie der Versicherungsnehmer, nämlich eine Abweisung der Klage. Im Falle einer Forderungsausfallversicherung müsste der Versicherer durch „Übernahme“ des Haftpflichtprozesses entweder gegen sein Interesse an möglichst geringer Leistung aus der Versicherung oder gegen das Interesse des Versicherungsnehmers an möglichst umfänglicher Verurteilung des Schädigers handeln und damit seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzen.

Schließlich ist es auch durchaus nicht so, dass so – wie es die Beklagte ausdrückt – der Manipulation Tür und Tor geöffnet würde. Ein Anerkenntnis des Schädigers begründet unabhängig davon, ob es vor dem Notar oder im Zivilprozess abgegeben wird, zunächst einmal dessen Haftung. Bei dessen Haftung bleibt es auch dann, wenn wie vorliegend, eine Forderungsausfallversicherung an den Geschädigten zahlt, weil der Versicherer dafür gemäß § 86 VVG im Wege der Legalzession den Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger erhält. Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung für einen pauschalen Verdacht, der Schädiger P. habe gegenüber dem Kläger großzügig Schadensersatzforderungen anerkannt in der Annahme, davon selbst keinen Nachteil zu haben wegen eines Eintritts der Beklagten.

c) Es liegt auch kein Fall der Subsidiarität gemäß Klausel R 6 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung vor. Zwar ist danach von der Beklagten nicht zu leisten, soweit ein Sozialversicherungsträger leistungspflichtig ist oder Leistungen gemäß den Bestimmungen des Opferentschädigungsgesetzes erbracht werden. Beides hat in dessen die insoweit darlegungs-und beweisbelastete Beklagte schon nicht substantiiert behauptet:

(1) Die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei scheinselbständig, ist schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht mehr als ein Verdacht, den die Beklagte trotz der langen Zeit, die vergangen ist, seitdem sie ihn äußerte (vorgerichtlich reagierten die vormaligen Bevollmächtigten des Klägers darauf bereits mit Schreiben vom 14. Februar 2011, Anlage K 7), ersichtlich nicht zu erhärten vermochte. Die Beklagte stützt ihn im Wesentlichen darauf, dass der Kläger ihr aus der Zeit vom 11. Januar bis 31. August 2010 18 Rechnungen (Anlage B 2, Bl. 76 ff. d.A.) an denselben Adressaten überlassen hat. Das besagt zunächst jedoch nicht mehr, als dass dieser Adressat – die St. GmbH – ein wesentlicher Auftraggeber des Klägers war. Das überdies deren Inhaber und Geschäftsführer dieselbe Person gewesen sein sollen wie Inhaber und Geschäftsführer der G. Immobilien GbR, ist zum einen nicht plausibel – eine GbR kann nicht bloß einen Inhaber = Gesellschafter haben –, es besagt auch nichts für eine Scheinselbständigkeit des Klägers. Vielmehr steht der Umstand, dass der Kläger mit beiden Unternehmen Vertriebsvereinbarungen geschlossen hatte, sogar dem aus den Rechnungen abgeleiteten Verdacht der Beklagten entgegen, der Kläger habe nur für einen Auftraggeber gearbeitet. Vor allem aber genügen die von der Beklagten behaupteten Umstände, der Kläger habe nur für die St. GmbH und die G. Immobilien GbR gearbeitet, nicht aus, um damit zu begründen, dass der Kläger in Wahrheit wie ein Arbeitnehmer weisungsgebunden (bei wem?) tätig und deshalb sozialversicherungspflichtig gewesen sei.

(2) Der Subsidiaritätseinwand greift auch hinsichtlich des Vorbringens zum Opferentschädigungsgesetz nicht durch. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat sich das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten auf das Vorbringen, es kämen Ansprüche nach § 1 Abs. 1 Opferentschädigungsgesetz in Betracht, und im Übrigen darauf beschränkt, mit Nichtwissen zu bestreiten, dass der Kläger sich mit der Opferhilfe in Verbindung gesetzt, Korrespondenz geführt und mitgeteilt bekommen habe, dass in seinem Fall keine Leistungsansprüche bestünden. Eine substantiierte Behauptung, der Kläger erhalte solche Leistungen, ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung begründet auch nicht das Erfordernis der von ihr beantragten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Insbesondere hat die Beklagte keine Tatsachen im Sinne von § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgetragen. Der im Schriftsatz vom 17. Januar 2012 geltend gemachte Umstand, dass der Kläger Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz beantragt habe, ist zum einen nicht neu – dazu hatte der Kläger bereits mit dem von der Beklagten bestrittenen Vorbringen vorgetragen – und im Übrigen auch nicht erheblich. Die in Klausel R 6 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung angeordnete Subsidiarität besteht nicht gegenüber Anträgen, sondern nur gegenüber Ansprüchen auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz.

Der Umstand, dass hier möglicherweise noch eine Entscheidung über Leistungsansprüche des Klägers nach dem Opferentschädigungsgesetz aussteht, begründet auch nicht das Erfordernis, diesen Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen. Denn insoweit handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Das Gericht sieht jedoch keine Veranlassung, die gänzlich ungeklärte Frage, ob und in welcher Höhe dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zugesprochen werden, zum Anlass zu nehmen, das Urteil hinauszuzögern, mit dem dem Kläger seine jedenfalls aktuell begründeten und überdies für seine wirtschaftliche Existenz bedeutsamen Ansprüche zugesprochen werden.

Die antragsgemäße Zug-um-Zug-Verurteilung folgt daraus, dass der Kläger gemäß Klausel R 5 der Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung die Entschädigung nur erhält gegen Aushändigung der tenorierten Original-Unterlagen.

Der Anspruch auf die zugesprochenen Verzugszinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, weil das Schreiben der vormaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 22. März 2011 eine verzugsbegründende Mahnung der Beklagten darstellt.

Keinen Anspruch hat der Kläger auf die verlangten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Tätigkeit der vormaligen Bevollmächtigten des Klägers war verzugsbegründend, ihre Tätigkeit nach Verzugseintritt keine neue Angelegenheit, für die ein weiterer Gebührenanspruch entstanden wäre. Die Entpflichtung der vormaligen Bevollmächtigen und statt ihrer vorgerichtliche Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers stellte angesichts schon tätig gewordener Rechtsanwälte keine zweckentsprechende Rechtsverfolgung mehr dar.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.

 

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