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Berufsunfähigkeitsversicherung – Beratungsverschulden Versicherung/Versicherungsvermittler

Streitfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung: Beratungsverschulden des Versicherungsvermittlers?

Ein bemerkenswerter Fall, der die Abgründe des Versicherungswesens aufdeckt, steht uns bevor. Hier steht der behauptete Beratungsfehler eines Versicherungsvermittlers im Fokus. Im Mittelpunkt dieses komplexen Streits steht eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), die nicht mehr den Bedürfnissen der Versicherungsnehmerin entspricht. Der umstrittene Punkt ist, ob die Versicherung oder der Versicherungsvermittler ein Beratungsverschulden trägt.

Direkt zum Urteil Az.: 6 O 218/19 springen.

Versicherungsrecht und Beratungsverschulden

Zu Beginn des Prozesses behauptete die Klägerin, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ihr außergerichtliche Rechtsanwaltskosten schulden. Im Gegenzug beantragten die Beklagten, die Klage abzuweisen. Ein zentraler Aspekt ihrer Argumentation ist die Behauptung, dass die Klägerin selbst die Entscheidung über die Erhöhung der Versicherungsleistungen und damit verbundenen höheren Beiträge treffen muss.

Rolle des Versicherungsnehmers

Im Kontext des Versicherungsrechts gibt es viele Faktoren zu beachten, darunter auch die persönlichen Verhältnisse und Eigenschaften des Versicherungsnehmers. Diese Aspekte können auf eine mögliche Deckungslücke hindeuten, insbesondere wenn das resultierende Risiko nicht von der nachgefragten Versicherungsart abgedeckt wird. Im vorliegenden Fall war auch die Frage der finanziellen Verhältnisse der Versicherungsnehmerin relevant.

Verantwortung des Versicherers

In der Argumentation der Beklagten wurde betont, dass der Versicherer nicht dazu verpflichtet ist, zu prüfen, ob der bestehende Versicherungsschutz weiterhin den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers entspricht. Hierbei geht es darum, ob der Versicherer erkennen kann, dass der Versicherungsnehmer sich über den Umfang seines Versicherungsschutzes nicht im Klaren ist und sein Bedarf nicht mehr gedeckt ist.

Vermögenssorge und Abschlussfreiheit

Die Beklagten betonten, dass eine höhere Beitragszahlung aufgrund einer Einkommensverbesserung der Klägerin nicht notwendigerweise verlangt werden muss. Ein übermäßiger Vermögensschutz oder Betreuung in finanziellen Angelegenheiten wäre eine zu weitgehende Anforderung an den Versicherer. Darüber hinaus wurde die Abschlussfreiheit des Versicherers betont, der das Recht hat, einen Neuabschluss oder eine Änderung abzulehnen.

Dieser Fall verdeutlicht die komplexen Aspekte des Versicherungsrechts und hebt die Bedeutung der Klarheit und Verständlichkeit sowohl für den Versicherer als auch für den Versicherungsnehmer hervor.


Das vorliegende Urteil

LG Cottbus – Az.: 6 O 218/19 – Urteil vom 10.12.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Streitgegenstand sind Schadenersatzansprüche resultierend aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Die am 06.04.1987 geborene Klägerin schloss bei der Beklagten zu 1. eine Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einer Dauer vom 01.11.2007 bis zum 31.10.2047 und einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von 600,00 € ab. Im Übrigen wird auf den Versicherungsschein (Bl. 13 ff. d.A.) und die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ Stand: 11/2006) Bezug genommen (Bl. 22 ff. d.A.).

Beratungsfehler: BU-Versicherung/Versicherungsvermittler
(Symbolfoto: create jobs 51 /Shutterstock.com)

Der Versicherungsvertrag wurde der Klägerin vom Beklagten zu 2. vermittelt, der Ausschließlichkeitsvermittler der Beklagten zu 1. ist. Ferner war er mit der Familie der Klägerin eng bekannt und betreute deren Versicherungsangelegenheiten. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2. bestand mehrmals jährlich in regelmäßigen Abständen Kontakt, bei dem sich über private Angelegenheiten sowie Abschlüsse und Anpassungen diverser Versicherungen ausgetauscht wurde.

Im Jahre 2005 begann die Klägerin eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Während der Ausbildungszeit erhielt sie ein Bruttomonatsgehalt von etwa 750,00 €. Die Klägerin wechselte im Jahr 2012 ihren Arbeitgeber, wodurch sich ihr jährliches Einkommen um etwa 10 % erhöhte. Durch den Berufswechsel war sie nunmehr im Außendienst in der Medizintechnik tätig und erhielt hierfür zunächst ein Fixgehalt in Höhe von etwa 39.000,00 € zzgl. 6.000,00 € variablem Anteil. Im Jahr 2014 fand eine Gehaltsanpassung auf 44.000,00 € zzgl. 8.000,00 € variablem Anteil statt. Ferner erwarb sie im Jahr 2014 gemeinsam mit ihrem damaligen Partner ein Einfamilienhaus, welches in Höhe von etwa 228.000,00 € finanziert wurde. Im Jahr 2015 heiratete sie. In den Jahren 2016/2017 erzielte sie ein durchschnittliches Nettomonatsgehalt von etwa 2.200,00 €. Im Jahre 2019 belief sich dieses auf etwa 3.000,00 €.

Auf den Arbeitsplatzwechsel beispielsweise reagierte der Beklagte zu 2. mit der Empfehlung einer neuen Rentenversicherung. Auf den Eigentumserwerb reagierte der Beklagte zu 2. mit der Empfehlung einer Wohngebäudeversicherung (Bl. 40 f. d.A.). Ferner informierte er über eine etwaige Absicherung gegen Berufsunfähigkeit des damaligen Lebenspartners der Klägerin. Im Jahr 2015 informierte der Beklagte zu 2. mit E-Mail vom 10.07.2015 über eine Privathaftpflichtversicherung mit Tierhalterhaftpflicht ausgehend von einem Zwei-Personen-Haushalt (Bl. 42 d.A.). Im September 2015 informierte die Klägerin den Beklagten zu 2. über ihre Eheschließung nebst Namensänderung (Bl. 43 ff. d.A.), worauf er im Januar 2016 nachfragte, ob die Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung auf einen Ein-Personen-Haushalt geändert werden soll (Bl. 46 d.A.). Im Jahre 2016 erfolgte die Scheidung der Klägerin. Die Absicherung gegen eine Berufsunfähigkeit wurde zu keinem Zeitpunkt erhöht.

Im April 2015 war die Klägerin schwer an Krebs erkrankt mit einer andauernden Therapie bis Mitte 2016. Seit 2017 ist die Klägerin wieder beruflich tätig. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten im Jahre 2017 Leistungen der Berufsunfähigkeit. Die Berufsunfähigkeit wurde seitens der Beklagten zu 1. mit Schreiben vom 28.04.2017 für den Zeitraum Mai 2015 bis August 2016 anerkannt (Bl. 47 f. d.A.).

Daraufhin beauftragte die Klägerin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, die sich mehrfach an die Beklagten unter Forderung von Schadenersatzzahlungen wandten, die die Beklagtenseite ablehnte (Bl. 49 ff./96 ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 12.04.2018 kündigte die Klägerin den Rentenversicherungsvertrag (Bl. 90 d.A.), was die Beklagte mit Schreiben vom 25.04.2018 bestätigte (Bl. 91 d.A.). Dem vorausgegangen war ein Antrag der Klägerin vom 08.09.2017 auf Umwandlung der Rentenversicherung in eine beitragsfreie Versicherung (Bl. 92 d.A.). Mit Schreiben vom 10.10.2017 bestätigte die Beklagte zu 1. die Beitragsfreistellung der Hauptversicherung und das damit einhergehende Erlöschen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und die Weiterleitung des Antrags, die Berufsunfähigkeitsversicherung in einem eigenständigen Vertrag zu führen (Umwandlung) (Bl. 93 f. d.A.). Ferner schloss sie zum 01.10.2017 im Wege der Umstellung bei der Beklagten eine Berufs- bzw. Dienstunfähigkeitsversicherung in der Privatversorgung bis zum 01.10.2052 und einer garantierten monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von 599,00 € ab (Bl. 117 ff. d.A.).

Mit der Klage macht die Klägerin Schadenersatzzahlungen für ihre Berufsunfähigkeit von jeweils 1.400,00 € monatlich x 16 Monate = 22.400,00 € nebst Rechtshängigkeitszinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren sowie die Feststellung des Ersatzes sämtlicher Schäden ab 01.09.2014 hilfsweise ab 01.02.2016 geltend.

Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte zu 2. durch die Mitteilungen der Klägerin diese zur Erhöhung/weiteren Absicherung gegen eine Berufsunfähigkeit hätte beraten müssen, was aber nicht erfolgt sei. Die Berufsunfähigkeitsrente hätte ab 01.09.2014, jedenfalls ab Februar 2016 auf etwa 2.000,00 € erhöht werden müssen. Dieser Betrag entspricht unstreitig einer üblichen Absicherung gegen eine Berufsunfähigkeit bei einem vergleichbaren Einkommen nebst Lebensumständen zu dem der Klägerin. Der Beklagte zu 2. habe von der Beantragung von Berufsunfähigkeitsleistungen abgeraten. Die Beklagten hätten aus Mitteilungen und Gesprächen im Jahre 2012 und 2014 von der Erhöhung der monatlichen Einkünfte der Klägerin gewusst. Aus der Beratung im Jahre 2014 wegen der Absicherung der neu erworbenen Immobilie habe der Beklagte zu 2. sowohl die finanziellen Verhältnisse der Klägerin als auch den infolge der Kreditaufnahme erhöhten Absicherungsbedarf gekannt.

Sie beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Schadenersatz in Höhe von 22.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden, die dadurch entstehen, dass der Versicherungsschutz zur Berufsunfähigkeitsversicherung zum 01.09.2014 nicht auf einen monatlichen Rentenbetrag in Höhe von insgesamt 2.000,00 € erhöht worden ist, zu ersetzen;

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.196,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, dass die Erhöhung der Versicherungsleistungen einhergehend mit erhöhten Beiträgen und gesonderter Gesundheits- und Risikoprüfung eine der Klägerin selbst obliegende Entscheidung sei. Der Beklagte zu 2. habe dem Begehren der Klägerin auf Berufsunfähigkeitsleistungen Nachdruck verliehen (Bl. 95 d.A.). Der Beklagte zu 2. habe die Klägerin in diversen aus privatem Anlass geführten Telefonaten mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Berufsunfähigkeitsschutz zu erhöhen und die Lücke zum zwischenzeitlich gestiegenen Einkommen zu verkleinern. Er sei aus dem privaten Kontakt über die berufliche Entwicklung der Klägerin informiert gewesen. Hiervon und über die damit einhergehende Einkommenssteigerung habe die Beklagte zu 1. keine Kenntnis gehabt. Während der Laufzeit der Versicherung würden nur dem Versicherer Beratungspflichten obliegen, nicht aber dem Versicherungsvermittler. Es habe kein Beratungsanlass bestanden. Die Klägerin habe gewusst, was der Sinn der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sei und es sei ihr klar gewesen, dass eine Rente von 600,00 € je Monat ihrem gesteigerten Bedarf nicht mehr Rechnung trage. Das zukünftige Feststellungsbegehren sei bereits unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Der Feststellungsklage fehlt nicht bereits ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO.

Grundsätzlich besteht für zukünftige Schäden, wie sie die Klägerin auch hier geltend macht, ein Feststellungsinteresse. Die Kündigung des Rentenversicherungsvertrages steht dem nicht entgegen, da die Klägerin zuvor die Beitragsfreistellung der Hauptversicherung einhergehend mit dem Erlöschen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (§ 10 Abs. 3 BUZ) und Umwandlung in eine Berufsunfähigkeitshauptversicherung beantragt hat (§ 10 Abs. 6 BUZ), dem auch stattgegeben worden ist. Diese Umwandlung konnte auch nur in Höhe des bisherigen Versicherungsschutzes der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und mit gleicher Versicherungsdauer ohne erneute Gesundheitsprüfung erfolgen.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Beklagte zu 1.

Ein solcher ergibt sich nicht gem. § 6 Abs. 1 VVG.

Denn diese Vorschrift setzt einen Beratungsanlass voraus, der hier nicht gegeben ist.

Den Grundanlass für eine Beratung bildet der vom Versicherungsnehmer (anfänglich oder im Laufe der Beratung) geäußerte Wunsch nach der Deckung bestimmter Risiken (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage, § 6, Rdnr.: 9). Hierzu gehören zunächst persönliche Verhältnisse und Eigenschaften des Versicherungsnehmers, die auf eine mögliche Deckungslücke hindeuten, weil die daraus resultierenden Risiken nicht ohne weiteres von der Versicherung des nachgefragten Typs gedeckt werden sowie die Möglichkeit eines zu umfangreichen und daher nicht benötigten Versicherungsschutzes sowie die sog. Umdeckung. Soweit es für die Ermittlung des dadurch gekennzeichneten Bedarfs auf Umstände ankommt, die ihrer Art nach bei jedem Versicherungsnehmer vorhanden sind, ist deren Eruierung durch entsprechende Fragen von vornherein veranlasst, und bedarf insoweit keines besonderen Anlasses. Daher gehören z.B. die finanziellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers, bei denen derartige Umstände eine Rolle spielen, nicht zu den in der Person des Versicherungsnehmers liegenden Anlässen, sondern sind ohne weiteres – wenn auch nur durch Fragen – zu ermitteln. Personenbezogene Anlässe i.S.v. § 6 Abs. 1 VVG sind daher nur spezielle Umstände, die einen entsprechenden Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers auslösen (vgl. Prölss/Martin a.a.O.). Hier geht es aber nicht um die Problematik der Abdeckung des Risikos der Berufsunfähigkeit, da die Klägerin hierfür bei der Beklagten zu 1. schon eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hatte. Es geht vielmehr darum, dass sich im Laufe der bestehenden Versicherung die Einkommensverhältnisse der Klägerin geändert, nämlich erhöht haben, weshalb die Versicherungsleistungen hätten erhöht werden können. Die Problematik ist allenfalls auf einen etwaigen Anlass während der Dauer des Versicherungsverhältnisses gerichtet und damit nach § 6 Abs. 4 VVG zu beurteilen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1. aber auch keinen Anspruch auf Schadenersatz gem. § 6 Abs. 4 und 5 VVG i.V.m. § 278 BGB.

Die Beklagte zu 1. hat vorliegend keine solche Beratungspflicht während der Vertragslaufzeit getroffen (§ 6 Abs. 4 VVG)

Hierbei geht es um die Bedarfsermittlung und Erteilung eines darauf basierenden Rates im Hinblick auf Vertragsänderungen oder den Neuabschluss eines Vertrages und nicht um eine allgemeine Beratung in Versicherungsfragen. Erfährt der Versicherer von einer Gefahrerhöhung, so mag er nach § 242 BGB zur Aufklärung verpflichtet sein. Aus § 6 Abs. 4 VVG mag sich eine solche Pflicht nur ergeben, wenn eine auch die gefahrerhöhende Gestaltung des Vertrages in Betracht kommt. Es besteht auch nach wie vor keine Pflicht des Versicherers, sich um eine Erhöhung der Versicherungssumme zu kümmern (vgl. a.a.O., Rdnr.: 44 und OLG Stuttgart VersR 2009, 1536 zum früheren Recht). Es entstehen keine Beratungspflichten, wenn und solange der Versicherer keine Produkte anbietet, die den geänderten Bedarf besser abdecken als der bisherige Vertrag, oder prinzipiell nicht bereit (und nicht ausnahmsweise nach dem VVG oder nach § 242 BGB dazu verpflichtet) ist, Altverträge im Hinblick auf die geänderten Bedürfnisse umzustellen (vgl. a.a.O., Rdnr.: 44 m.w.N.). Im Hinblick darauf kann allenfalls § 242 BGB zum Tragen kommen.

Voraussetzung ist weiter, dass die auslösenden Umstände erkennbar sind. Hierbei soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Versicherer sich nicht von sich aus darum kümmern muss, ob der bisherige Versicherungsschutz weiterhin die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers deckt, wenn nicht der Versicherungsnehmer eine Vertragsänderung wünscht. Erkennbar bedeutet daher: auch ohne eine auf den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers gerichtete Initiative erkennbar. Der Versicherer muss also, falls es nicht um Verhandlungen anlässlich von Vertragsänderungen geht, allein aufgrund der Information, die er besitzt, erkennen können, dass der Versicherungsnehmer sich über den Umfang seines Versicherungsschutzes nicht im Klaren ist und sein Bedarf nicht mehr gedeckt ist. Hierbei ist auch davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer über den bisherigen Vertrag im Großen und Ganzen Bescheid weiß.

Im Hinblick darauf bestand für die Beklagte zu 1. keine Beratungspflicht im vorgenannten Sinne. Denn die Klägerin wird – Gegenteiliges ist von der Klägerin nicht vorgetragen worden – über ihren monatlichen Beitrag und die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente Kenntnis gehabt haben. Dass eine Rentenerhöhung eine Beitragserhöhung nach sich zieht, liegt auch auf der Hand. Auch wenn ihre Vorstellung darauf gerichtet war, einen bestimmten Prozentsatz ihres Einkommens mit der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abzusichern, ist ihr auch dieser Umstand und die nach sich ziehende Erhöhung der Berufsunfähigkeitsrente nebst Beitragserhöhung, um diese Absicherung zu erlangen/erhalten, durchaus bekannt. Daher hätte es einer Initiative der Klägerin bedurft, wenn sie die Berufsunfähigkeitsrente einhergehend mit erhöhten Beiträgen hätte erhöht haben wollen. Allein der Umstand, dass ihr höhere Beiträge möglich gewesen wären aufgrund ihrer Einkommensverbesserung, führt nicht denknotwendig dazu, dem auch nachzukommen. Eine gegenteilige Ansicht würde zu weitgehend sein und auf eine Vermögenssorge oder Betreuung in Vermögensangelegenheiten und finanziellen Angelegenheiten hinauslaufen, die die Beklagte zu 1. als Versicherer der Klägerin nicht schuldet.

Darüber hinaus ist auch die Abschlussfreiheit eines Versicherers zu beachten, wonach der Beklagten zu 1. die Möglichkeit zusteht, einen Neuabschluss oder eine Änderung abzulehnen. Es besteht für den Versicherer kein Zwang zur Antragsannahme. Darüber hinaus hätte zumindest ein Neuantrag, wenn nicht auch eine Änderung eine erneute Gesundheits- und Risikoprüfung nach sich gezogen. Im Hinblick darauf ist eine Änderung zum 01.02.2016, wie von der Klägerin hilfsweise beantragt, aufgrund der bereits im Jahre 2015 eingetretenen Berufsunfähigkeit der Klägerin ausgeschlossen bzw. einhergehend mit einem nicht unerheblichen Risikozuschlag. Aber auch eine Erhöhung der Berufsunfähigkeitsrente zum 01.09.2014 erschließt sich nicht ohne weiteres. Denn ihr Einkommen hat sich schon nach der Ausbildung durch den Eintritt in den Arbeitsmarkt erhöht. Die Klägerin wechselte unstreitig im Jahr 2012 ihren Arbeitgeber, wodurch sich ihr jährliches Einkommen um etwa 10 % erhöhte. Durch den Berufswechsel war sie nunmehr im Außendienst in der Medizintechnik tätig und erhielt hierfür zunächst ein Fixgehalt in Höhe von etwa 39.000,00 € zzgl. 6.000,00 € variablem Anteil. Dies zeigt, dass sie auch bei dem vorherigen Arbeitgeber ein weitaus höheres Einkommen als in ihrer Ausbildungszeit erzielt hat. Zwar kann der Grundstückserwerb nebst Darlehensaufnahme im Jahr 2014 ein zusätzliches Risiko und damit einen weiteren Sicherungsbedarf darstellen. Da es der Klägerin aber um ihre Einkommensabsicherung (80 % des Einkommens) ging, war diese Risikoabsicherung bereits bei nicht unerheblichen Einkommenssteigerungen nicht mehr gegeben und die Klägerin schon ab diesem Zeitpunkt zu einer Eigeninitiative gefordert gewesen.

Ein Schadenersatzanspruch ergibt sich ferner nicht aus § 242 BGB.

Die Klägerin kann daraus keine Aufklärungspflicht der Beklagten zu 1. herleiten.

Wie bereits oben erwähnt, kann sich eine Aufklärungspflicht allenfalls nach § 242 BGB ergeben. Eine solche Aufklärungspflicht besteht nicht als allgemeine Pflicht (vgl. RGZ 111, 234), sondern in Relation zu den Erfordernissen von Treu und Glauben. Vereinzelt sind positivrechtliche Rechtsgrundlagen vorhanden (z.B. in § 6 VVG zur Belehrungspflicht des Versicherers), in ihren praktisch wichtigsten Anwendungsgebieten folgt sie indes als Ausprägung von § 242; ihrer Funktion nach ist sie Schutzpflicht (vgl. Ermann, BGB, 16. Auflage, § 242, Rdnr.: 93). Sie ergibt sich insbesondere bei Schuldverhältnissen, denen ein gesteigertes Vertrauenselement innewohnt oder ein einseitiger Informationsstands- und Sachkundevorsprung vorhanden ist; besteht aber darüber hinaus auch bei Austauschverhältnissen. Inhalt und Intensität der Informationsverpflichtung sind unterschiedlich; nur als Grundregel kann gelten, dass keine Pflicht besteht, über allgemeine bekannte Umstände zu informieren; wohl aber muss der andere Teil über besondere Umstände, die ihm voraussichtlich nicht bekannt sind, aufgeklärt werden. In welchem Umfang und in welcher Intensität das zu geschehen hat, hängt wieder von den Umständen ab; z.B. ist die Aufklärungspflicht vermindert, wenn das Geschäft für die nicht informierte Partei bewusst als Risikogeschäft vorgenommen wird. Zusammenfassend kann die Informationsnotwendigkeit so umschrieben werden, dass eine Informationspflicht dann besteht, wenn der andere Teil nach den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten kann.

Da die Klägerin hier keine Aufklärung erwarten konnte (s.o.) und auch keine Unkenntnis der Klägerin vorlag (s.o.), liegen hier auch keine über § 6 Abs. 4 VVG hinausgehenden Umstände vor, die eine weitergehende Aufklärungspflicht nach § 242 BGB begründen könnten.

Auch der Umstand, dass der Beklagte zu 2. die Klägerin und ihre Familie und dies auch schon über eine lange Zeit in Versicherungsangelegenheiten beraten/betreut hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Dadurch besteht zwar eine gewisse Vertrauensbasis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2.; diese führt aber nicht dazu, dass über bekannte Umstände aufgeklärt werden muss.

Die Klägerin hat ebenfalls keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Beklagten zu 2.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht gem. §§ 61, 63 VVG.

Denn hierbei handelt es sich um eine eigenständige Haftung des Versicherungsvermittlers, wie es auch der Beklagte zu 2. ist, aus Verschulden bei Vertragsschluss. Eine dem § 6 Abs. 4 VVVG entsprechende Vorschrift für den Versicherungsvermittler gibt es nicht. Vielmehr besteht eine Beratungspflicht während der Vertragslaufzeit nur für den Versicherer (§ 6 Abs. 4 VVG), der sich das Verschulden des Vertreters gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss (vgl. Prölls/Martin a.a.O., Rdnr.: 44/58).

Mangels Hauptanspruchs scheitert auch ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

 

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