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Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung – Schadensfreiheitsklasse

Wirksamkeit Änderungsvorbehalt

AG Solingen – Az.: 13 C 127/16 – Urteil vom 28.10.2016

Es wird festgestellt, dass der PKW Mercedes Benz, Fahrzeug-Identifikationsnummer … seit dem 01.01.2014 bei der Beklagten unter der Kfz.-Versicherungsnummer … unter den Voraussetzungen des Versicherungsscheins der Beklagten vom 10.12.2013 versichert ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 318,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 272,28 € für den Zeitraum vom 31.11.2015 bis zum 26.04.2016, aus 318,64 € seit dem 26.04.2016 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.11.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung – SchadensfreiheitsklasseDie Parteien streiten um die Höhe der Schadensfreiheitsklasse einer zwischen ihnen bestehenden Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung.

Die Klägerin stellte am 09.12.2013 über die Firma … in Duisburg einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages bei der Beklagten für ihren PKW mit Wirkung zum 01.01.2014. Gegenstand des Antrags war eine Kfz.-Haftpflicht- und Kfz.-Vollkaskoversicherung in der Schadensfreiheitsklasse 4. Bei der angegebenen Schadensfreiheitsklasse handelt es sich um diejenige, die für das Jahr 2014 durch den vorherigen Versicherer der Klägerin, der … gewährt worden wäre. Wegen dieser genauen Einzelheiten wird auf die Anlage A 2 (Blatt 8 der Akte) verwiesen.

Durch Versicherungsschein vom 10.12.2013 bestätigte die Beklagte den Abschluss des Versicherungsvertrages in der Schadensfreiheitsklasse 4 und übersendete der Klägerin unter dem 10.12.2013 einen entsprechenden Versicherungsschein. Versicherungsbeginn war ebenfalls der 01.01.2014. Unter der Rubrik „Weitere Vereinbarungen“ heißt es wörtlich:

„Einstufung in die Schadensfreiheitsklasse gemäß Antrag

Wir haben Ihren Vertrag nach Ihren Angaben im Antrag ausgefertigt. Dies gilt unter dem Vorbehalt, dass Ihr bisheriger Versicherer Ihre Angaben bestätigt. Erhalten wir keine oder eine abweichende Bestätigung, müssen wir Ihren Versicherungsvertrag entsprechend berichtigen“.

Wegen der genauen drucktechnischen Gestaltung dieser vertraglichen Regelung sowie der weiteren vertraglichen Regelungen wird auf die Anlage A 3 (Blatt 9 bis 12 der Akte) verwiesen.

In der Folge bestätigte der Vorversicherer nach Mitteilung der Beklagten jedoch lediglich die Schadensfreiheitsklasse 1. Die Beklagte fertigte daraufhin am 30.09.2015 einen Nachtrag zur Kfz.-Versicherung aus, nach der die Beklagte den PKW der Klägerin in die Schadensfreiheitsklasse 2 einstufte. Wegen des genauen Inhalts dieser Einstufung wird auf den „Nachtrag Kfz.-Versicherung“, Anlage A 4 (Blatt 13 der Akte) verwiesen.

Gemäß des Nachtrags berechnete die Beklagte der Klägerin einen halbjährlichen Beitrag in Höhe von insgesamt 379,70 €. Der halbjährliche Beitrag gemäß des ursprünglichen Versicherungsscheins vom 10.12.2013 betrug 320,32 €.

Durch die Beitragsrechnung vom 30.09.2015 forderte die Beklagte von der Klägerin aufgrund der Änderung der Schadensfreiheitsklasse einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 272,28 € für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2015. Um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden, zahlte die Klägerin diesen Betrag an die Beklagte. Mit Schreiben vom 16.11.2015 forderte die Klägerin diesen Betrag von der Beklagten erfolglos zurück.

Für das erste Halbjahr des Jahres 2016 forderte die Beklagte durch Rechnung vom 26.11.2015 Versicherungsprämien in Höhe von insgesamt 386,35 € unter Zugrundelegung der Schadensfreiheitsklasse 3 zu einem Beitragssatz von 50 %.

Unter Zugrundelegung des ursprünglichen Versicherungsscheins wäre der Vertrag im Jahr 2014 in der Schadensfreiheitsklasse 4 eingeordnet worden. Im Jahr 2016 hätte sich der Vertrag somit in der Schadensfreiheitsklasse 6 befunden. Nach den zugrundeliegenden AKB der Beklagtenseite beträgt der Beitragssatz in der Schadensfreiheitsklasse 6 45 %.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Versicherungsvertrag wirksam zu den Konditionen des Versicherungsscheins vom 10.12.2013 zustande gekommen sei. Lediglich im Fließtext des Versicherungsscheins werde darauf hingewiesen, dass die Einstufung der Schadensfreiheitsklasse unter dem Vorbehalt getroffen worden sei, dass der bisherige Versicherer die Angaben bestätige. Eine solche Einschränkung der Einstufung finde sich im Antrag nicht. Der Versicherungsschein weiche somit vom Antrag ab. Gemäß § 5 Abs. II VVG sei auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu machen. In der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2016 – versehentlich nicht protokolliert – äußerte die Klägerseite die weitere Rechtsauffassung, dass ein Anpassungsrecht in den AKB der Beklagten gegen § 5 Abs. II in Verbindung mit § 18 VVG verstoße.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass die AKB online zur Verfügung gestellt worden seien. Diese AKB seien jederzeit auf der Homepage der Beklagten einsehbar gewesen, sollte der Kunde sich das Dokument nicht entsprechend abgespeichert haben.

Gemäß Teil c) 11.10. (2), Seite 27 der AKB, bestehe ein Anpassungsrecht bei Abweichungen. Sie ist der Auffassung, dass sie aufgrund der Übernahme der Schadensfreiheitsrabatte aus der Vorversicherung den Vertrag rückwirkend ab Beginn habe abändern und die Schadensfreiheitsklasse entsprechend anpassen müssen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1.: Feststellungsantrag

Der Feststellungsantrag ist zulässig, insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Versicherungsvertrag zu den ursprünglichen Konditionen gemäß des Versicherungsscheins vom 10.12.2013 zustande gekommen und Grundlage für das Fortbestehen des Vertrages ist.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Versicherungsvertrag über eine Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für das im Tenor näher bezeichnete Fahrzeug zustande gekommen.

Der Versicherungsvertrag kann mit der Schadensfreiheitsklasse 4 zu Stande.

Indem die Klägerin der Beklagten den „Antrag auf Kraftfahrzeug-Versicherung“ mit der Schadensfreiheitsklasse 4 übermittelt hat, hat sie ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages im Sinne des § 145 BGB abgegeben. Mit der Übersendung des Versicherungsscheins „Kfz.-Versicherung“ vom 10.12.2013 hat die Beklagte das Angebot der Klägerin angenommen.

Sofern in dem Antrag der Klägerin lediglich eine invitatio ad offerendem gesehen werden sollte, stellt jedenfalls die Übersendung des Versicherungsscheins durch die Beklagte an die Klägerin ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Kfz. Versicherungsvertrages dar, der konkludent durch die Klägerin angenommen worden ist, indem sie den Vertrag nicht gemäß der Widerrufsbelehrung widerrufen und die Versicherungsprämie gezahlt hat.

Die in dem Versicherungsschein enthaltene abweichende Regelung vom Antrag der Klägerin entspricht nicht den formalen Anforderungen des § 5 Abs. II Satz 2 VVG mit der Folge, dass der Vertrag gemäß § 5 Abs. III VVG als mit dem Inhalt des Antrags der Klägerin geschlossen gilt.

Der Versicherungsantrag der Klägerin enthält keinen Vorbehalt der Änderung des Vertrages. Der Versicherungsschein hingegen enthält unter dem Punkt „Weitere Vereinbarungen“ einen Änderungsvorbehalt der Vertragskonditionen. Damit weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag der Klägerin im Sinne des § 5 Abs. I VVG ab.

Die Beklagte hat auf die Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen nicht im Sinne des § 5 Abs. II Satz 2 VVG durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam gemacht. Der Änderungsvorbehalt hebt sich drucktechnisch nicht von den übrigen Vertragsmerkmalen ab. Die Rubrik „Versicherungsbedingungen“ und die Unterrubrik „Weitere Vereinbarungen“ sind in derselben Schriftgröße und Schriftart gestaltet wie die übrigen Vertragsmerkmale. Der Änderungsvorbehalt ist am Ende des Vertrages abgedruckt, es folgt im Anschluss die Widerrufsbelehrung auf einer gesonderten Seite.

Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob im Sinne des § 5 Abs. II Satz 2 VVG auf die mit dem Änderungsvorbehalt verbundenen Rechtsfolgen ausreichend hingewiesen worden ist. In dem Änderungsvorbehalt heißt es lediglich, dass der Versicherungsvertrag „berichtigt“ werden muss. Einen Hinweis auf damit verbundene höhere Kosten enthält der Änderungsvorbehalt nicht. Im Ergebnis kann dies offen bleiben, weil die Klägerin nicht auf die Änderung ihres Antrags durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam gemacht worden ist.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf ihr „Anpassungsrecht bei Abweichungen“ gemäß Teil c) 11.10. (2) ihrer AKB berufen. Dieser Hinweis ist ebenfalls nicht im Sinne des § 5 Abs. II Satz 2 VVG auffällig gestaltet. Würde man von der Zulässigkeit des Anpassungsrechts in den AKB ausgehen, würde die gesetzliche Regelung des § 5 Abs. II Satz 2 VVG in unzulässigerweise umgangen werden. Darüber hinaus weist die Klägerseite zutreffend darauf hin, dass gemäß § 18 VVG von der Regelung des § 5 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden kann.

Gemäß § 5 Abs. III VVG gilt der Vertrag damit als mit dem Inhalt des Antrags der Klägerin geschlossen.

Zahlungsanträge (Anträge zu 2) und 3)):

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung gemäß § 280 Abs. I BGB, § 5 Abs. II Satz 2 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag zu.

Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Schuldverhältnis in Form des Versicherungsvertrages zustande gekommen.

Die Beklagte hat gegen ihre aus § 5 Abs. II Satz 2 VVG folgenden Pflicht verstoßen, indem sie die Klägerin nicht durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf eine Abweichung von dem Versicherungsantrag aufmerksam gemacht hat.

Das Vertretenmüssen wird gemäß § 280 Abs. I Satz 2 BGB vermutet.

Der Klägerin ist ein ersatzfähiger Schaden gemäß § 249 Abs. I BGB entstanden. Die Klägerin ist – wie sich auch ausdrücklich aus § 5 Abs. III VVG ergibt – so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie seit dem 01.01.2014 in der Schadensfreiheitsklasse 4 eingeordnet worden wäre. Danach berechnet sich der Differenzschaden wie folgt:

Beitragssatz von 50 % 386,35 €

Prämie unter Zugrundelegung der Schadensfreiheitsklasse 6 und dem Beitragssatz von 44 %  339,44 €

Differenzbetrag: 46,36 €

Darüber hinaus hat die Klägerin unstreitig den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 272,28 € gezahlt, um den Versicherungsschutz zu erhalten. Insgesamt ergibt sich damit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 318,64 €.

Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgt aus §§ 280 Abs. I, Abs. II, 286, 288, 291 BGB, § 5 Abs. III VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711, 91, Abs. I ZPO.

Streitwert: bis zu 1.000,00 €

(Klageantrag zu 1) 500,00 €; Klageantrag zu 2) und 2) 318,64 €).

 

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