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Wirksamkeit von Prämienerhöhungen bei Krankenversicherungsvertrag

LG Hagen (Westfalen) – Az.: 9 O 222/19 – Urteil vom 21.07.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Prämienerhöhungen der Beklagten im Rahmen einer Krankenversicherung und sich daraus ggf. ergebender Rückzahlungsansprüche des Klägers.

Zwischen den Parteien besteht ein Krankenversicherungsvertrag, in den die gültigen AVB und Tarifbedingungen der Beklagten einbezogen worden sind. Nach § 14 Abs. 1 der AVB war das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten vertraglich ausgeschlossen worden. In § 8a und § 8b der AVB waren des Weiteren die Beitragsberechnung und die Beitragsanpassung geregelt. Im Übrigen wird auf die als B2 BLD1 zur Akte gereichten Vertragsbedingungen Bezug genommen. Der Versicherungsvertrag umfasste unter anderem die Tarife „BEAE P“ und „VITAL 250“.

Während der Vertragslaufzeit erhöhte die Beklagte mehrfach die Prämienbeiträge, im Tarif „VITAL 250“ erhöhte sie die Prämien mit Wirkung zum 01.01.2016 um 169,52 EUR und mit Wirkung zum 01.01.2019 um 68,09 EUR. Ferner erhöhte sie die Prämien im Tarif „BEAE P“ mit Wirkung zum 01.01.2015 um 12,84 EUR und mit Wirkung zum 01.01.2019 um 32,35 EUR.

Der Treuhänder stimmte den Beitragsanpassungen jeweils zu.

Den Anpassungen lagen die aus der B2 BLD 2 ersichtlichen auslösenden Faktoren für die hier maßgeblichen Beobachtungseinheiten zugrunde. Auslöser waren im Hinblick auf den Tarif Vital 250 jeweils geänderte Leistungsausgaben. Eine Anpassung aufgrund geänderter Sterbewahrscheinlichkeit erfolgte in diesem Tarif nicht. Der Tarif BEAE P enthält keine Leistungen im eigentlichen Sinne, so dass sich für diesen Tarif auch kein auslösender Faktor Schadenverlauf berechnen lässt. Der Tarif wird immer dann angepasst, wenn in der Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt wird. Diesbezüglich wird auf die Erläuterung der Beklagten in der B2 BLD 2 verwiesen.

Im Hinblick auf die Berechnung der Beitragserhöhungen im Einzelnen wird auf die Beitragsberechnungsbögen, Anlagenkonvolut BLD 3, Bezug genommen, die die Beklagte mit der Klageerwiderung vom 25.09.2019 der Klägerseite erstmals zur Kenntnis gebracht hat.

Die Anpassungen waren in dem vorliegenden Umfang erforderlich, um die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge sicherzustellen.

Die Beklagte machte dem Kläger die Änderungen zu seiner Kranken-/Pflege-Versicherung jeweils mit Schreiben im November des Jahres vor der Beitragserhöhung bekannt. Sie wies darauf hin, dass im beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein bei den sich ändernden Tarifen eine Zahl stehe, die im Informationsblatt zu den Änderungsgründen erläutert werde. Neben dem geänderten Tarif befand sich jeweils eine Ziffer 1. In der Beilage zur Erhöhung „Änderungsgründe“ wurde unter Ziffer „1 Beitragsanpassung“ auf eine weitere Beilage verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Erläuterung in den jeweiligen separaten Beilagen wird bezüglich der Erhöhung im Tarif „BEAE P“ mit Wirkung zum 01.01.2015 auf die B2 KGR 1, Bl. 29 ff. d. A., bezüglich der Erhöhung im Tarif „VITAL 250“ mit Wirkung zum 01.01.2016 auf die B2 KGR 2, Bl. 46 ff. d. A. sowie bezüglich der Erhöhungen im Tarif „BEAE P“ und „VITAL 250“ jeweils mit Wirkung zum 01.01.2019 auf die B2 KGR 3, Bl. 57 ff. d. A. Bezug genommen.

Der Kläger zahlte seine Beiträge ohne Vorbehalt. Er nahm aus der Versicherung Leistungen in Anspruch und erhielt Beitragsrückerstattungen. Hinsichtlich der Beitragsrückerstattungen im Einzelnen wird auf die B2 BLD 6 Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.06.2019 machte der Kläger die Unwirksamkeit der Prämienerhöhung geltend und forderte die Beklagte unter einer Fristsetzung von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens zur Rückzahlung der auf diese Erhöhungen gezahlten Prämienanteile einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen auf. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

Der Kläger ist der Ansicht, das von der Beklagten verwendete System zur Mitteilung der Erhöhungsgründe sei verwirrend und intransparent. Durch die verwendete Verweisungskette werde es dem Versicherungsnehmer erschwert, die Anpassungen seiner Beiträge nachzuvollziehen.

Zudem seien die Begründungen der Prämienerhöhungen nicht ausreichend.

Die Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015 entsprächen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Beklagte teile sinngemäß mit, dass sie verpflichtet sei, das Verhältnis von kalkulierten zu tatsächlich erforderlichen Versicherungsleistungen jährlich in jedem Tarif zu prüfen und dass bei Abweichungen die Beiträge angepasst werden müssten. Diese Behauptung sei nicht zutreffend. Zwar teile die Beklagte mit, dass der Faktor „Leistungsausgaben“ derjenige sei, auf den die Beitragserhöhung wohl zurückzuführen sei. Das werde aber weder hinreichend deutlich, noch werde die entsprechende Höhe mitgeteilt. Es werde bereits nicht mitgeteilt, ob bzw. dass sich die Leistungsausgaben tatsächlich erhöht hätten. Die konkrete Höhe der Veränderung werde hier auch nicht in prozentualen Zahlen mitgeteilt. Auch hinsichtlich der steigenden Lebenserwartung bleibe das Schreiben ganz allgemein. Der entsprechende Wert für die Sterbewahrscheinlichkeit werde nicht mitgeteilt. Zudem seien einzelne Formulierungen fehlerhaft bzw. intransparent, wie die Angabe der Beklagten, unter anderem sei die Entwicklung der Kapitalmärkte bzw. der Versichertenbestand Grund für die Anpassungen gewesen. Dies sei nicht zutreffend, denn maßgebliche Rechnungsgrundlagen seien nach § 203 Abs. 2 S. 3 VVG ausschließlich die Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten.

Gleichermaßen seien die Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016 nicht ausreichend. Sie würden an den gleichen Mängeln leiden wie bereits diejenigen zur Beitragserhöhung zum 01.01.2015. Eine hinreichend klare Bezugnahme auf die Rechnungsgrundlage, welche die konkrete Prämienanpassung ausgelöst habe, erfolge nicht. Den Erläuterungen könne der Versicherungsnehmer zwar noch entnehmen, dass eine jährliche Überprüfung der Beiträge in Bezug auf die Leistungsausgaben durchgeführt werde. Das Ergebnis der aktuellen Überprüfung werde jedoch nicht mitgeteilt. Für einen Empfänger der Mitteilung der Beklagten stelle sich bei einem Abgleich mit den gesetzlichen und tariflichen Vorgaben für eine Beitragsanpassung die Frage, ob nach dem Inhalt des Informationsblattes eine vorgeschriebene Überprüfung der Sterbewahrscheinlichkeiten nicht durchgeführt oder nur deshalb nicht erwähnt worden sei, weil eine Abweichung über dem Prozentsatz von 5 % nicht festgestellt worden sei. Auch insofern seien die Angaben unklar. Zusätzlich verwirrend sei, dass in dem Informationsblatt unter den weiteren Faktoren, die neben den Leistungsausgaben den Beitrag beeinflussen können, an oberster Stelle die steigende Lebenserwartung genannt werde. Die Begriffe „steigende Lebenserwartung“ und „Sterbewahrscheinlichkeit“ würden in der Praxis synonym verwendet. Ein objektiver Empfänger, der die rechtlichen Grundlagen für eine Beitragsanpassung nachvollzogen habe, werde sich deshalb fragen, ob die Beklagte bei den streitgegenständlichen Beitragserhöhungen Veränderungen bei der Rechnungsgrundlage Sterbewahrscheinlichkeit nur für die Berechnung der Beitragshöhe oder auch als möglichen auslösenden Faktor berücksichtigt habe. Bei der Auflistung der weiteren Faktoren sei nur von „Beitrag“ und nicht – wie in den zeitlich späteren Informationen – von „Beitragskalkulation“ die Rede. Zudem benenne die Beklagte nicht den Schwellenwert, der überschritten sein müsse, inwieweit er überschritten worden sei und um wieviel Prozent sich die Rechnungsgrundlage erhöht habe, sodass der Versicherungsnehmer keine Plausibilitätskontrolle habe durchführen können.

Schließlich genügen auch die Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019 den gesetzlichen Mindestanforderungen nicht. Die Beklagte gebe als Gründe für alle Tarife der Kranken-, Krankenhaustagegeld- und Pflegeergänzungs-Versicherung pauschal an, dass die veränderten Leistungsausgaben die maßgeblichen Anpassungsgründe seien. Sie nenne aber dann nicht die konkreten Zahlen, welche den Anstieg der Beiträge widerspiegeln würden, sondern verweise lediglich auf die Notwendigkeit der Neukalkulation der Beiträge, was nicht geeignet sei, die Beitragserhöhung im konkreten Fall für den Versicherungsnehmer plausibel und nachvollziehbar zu machen.

Die betreffend die Beitragserhöhung im Jahr 2015 geltend gemachten Ansprüche seien nicht verjährt. Aufgrund der fehlerhaften Mitteilungen der Beklagten habe der Kläger bereits nicht beurteilen können, welche maßgeblichen Gründe der Beitragserhöhung zugrunde gelegen hätten. Damit habe er auch keine Kenntnis aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Prämienerhöhung gehabt und habe den fehlenden Rechtsgrund nicht erkennen können.

Der Kläger hat zunächst angekündigt, zu beantragen,

1.  festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer 000903551F unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet und der Gesamtbeitrag auf insgesamt 636,99 EUR zu reduzieren ist:

a.  in der Krankheitskostenversicherung im Tarif „BEAE“ die Erhöhung zum 01.01.2015 um 12,84 EUR und zum 01.01.2019 um 32,35 EUR,

b.  in der Krankheitskostenversicherung im Tarif „VITAL 250“ die Erhöhung zum 01.01.2016 um 169,52 EUR und zum 01.01.2019 um 68,09 EUR,

2.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.928,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 24.07.2019 zu zahlen.

3.  die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 1.348,27 EUR freizustellen.

Nachdem die Beklagte mit der Klageerwiderung ihre Berechnungsgrundlagen erläutert und in Tabellen veranschaulicht hatte, hat der Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags zu 1) mit Schriftsatz vom 29.10.2019 für erledigt erklärt. Der Teilerledigung hat sich die Beklagte nicht angeschlossen.

Weiter hat der Kläger mit gleichem Schriftsatz den Klageantrag zu 2) in Höhe von 100,00 EUR zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1.  festzustellen, dass der Feststellungsantrag zu 1) ursprünglich zulässig und begründet war,

2.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.828,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 24.07.2019 zu zahlen.

3.  die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 1.348,27 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen seien formell nicht zu beanstanden. Etwaige Begründungsmängel seien mit der Klageerwiderung ohnehin nachgeholt und somit jedenfalls mit deren Zugang geheilt.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung bzgl. Ansprüchen des Klägers bis einschließlich des Jahres 2015. Im Fall einer Beitragsanpassung genüge für die Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen die erteilte Mitteilung über die Beitragsanpassung. Weitere Detailkenntnisse seien nicht erforderlich.

Weiter sei der Anspruch des Klägers auch überhöht. Könnte der Versicherte die vermeintlich unwirksamen Beitragserhöhungen in voller Höhe zurückfordern, ohne sich seinerseits einem im Wege der Saldierung zu berücksichtigenden Bereicherungsanspruch des Versicherers aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ausgesetzt zu sehen, würde er von den erhöhten Altersrückstellungen profitieren, ohne dafür eine Gegenleistung in Gestalt der für die Altersrückstellung benötigten anteiligen Prämienerhöhung geleistet zu haben. Der Versicherte sei um die Differenz bereichert, die sich aus einem Vergleich der Altersrücklagen ohne jegliche Beitragserhöhung mit der Höhe der Altersrücklagen unter Berücksichtigung der Prämienerhöhung ergebe. Zudem, würde der Versicherungsnehmer den Gesetzlichen Beitragszuschlag (GBZ) im Falle einer unwirksamen Beitragsanpassung zurückfordern können, erhielte er später Gutschriften zur Abmilderung späterer Prämienanpassungen zu Lasten des Kollektivs, ohne dass er selbst in dieser Höhe die Beiträge geleistet hätte. Ebenso sei im Hinblick auf die Risikoprämien eine Saldierung vorzunehmen. Der Kläger habe jederzeit konkrete Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen können oder auch in Anspruch genommen. Weiter profitiere der Kläger von den Leistungssteigerungen in Form neuer (und teurer) Behandlungsmethoden und medizinisch-technischer Geräte, obgleich die Finanzierung des vertraglich garantierten Versicherungsschutzes durch den Beitrag der übrigen Versicherungsnehmer in Form höherer Risikoprämien überhaupt erst ermöglicht werde. Auch der Sicherheitszuschlag und die Kosten seien bereicherungsrechtlich zu berücksichtigen.

In Höhe des vom Kläger erlangten Vermögensvorteils erklärt sie hilfsweise die Aufrechnung gegen die bezifferte Klageforderung.

Des Weiteren habe die Beklagte die gesamten erhaltenen Versicherungsprämien im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zweckentsprechend verwendet, insbesondere diese dem Kollektiv gutgeschrieben. Im Übrigen müsse bei erfolgter Beitragsrückgewähr eine spätere Beitragsanpassung deutlich höher ausfallen, weil weniger Alterungsrückstellung/GBZ gezahlt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist unbegründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Beitragsrückerstattung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1. BGB. Die Beklagte hat die erhöhten Prämienzahlungen des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Die hier streitgegenständlichen Prämienerhöhungen waren jeweils wirksam.

Gem. § 203 Abs. 2 VVG ist der Versicherer, wenn bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist – so wie hier gem. § 14 AVB -, bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a.

Die von der Beklagten in ihren Nachträgen und beigefügten Beilagen zu den Nachträgen zum Versicherungsschein angeführten Begründungen für diese Prämienanpassungen genügen, anders als es der Kläger geltend macht, jeweils den Anforderungen gem. § 203 Abs. 5 VVG, wonach die maßgeblichen Gründe für die Erhöhung anzugeben sind. Dies können höhere Leistungsausgaben oder eine Änderung der Sterbewahrscheinlichkeit sein.

aa.

Was unter Mitteilung der Gründe im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG zu verstehen ist, ist umstritten, wie das OLG Celle anschaulich darstellt (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018 – 8 U 57/18 = r+s 2018, 547): Teilweise wird vertreten, dass sowohl die die Prämienanpassung auslösende Veränderung der Rechnungsgrundlagen als auch die die Prämienerhöhung beeinflussenden Kriterien unter Nennung der konkreten Höhe mitgeteilt werden müssten (LG Neuruppin, Urt. v. 25. 8. 2017 – 1 O 338/16, VersR 2018, 469, 469 f.; jedenfalls für die Rechnungsgrundlagen auch Klimke, VersR 2016, 22, 23). Teilweise wird darüber hinaus vertreten, dass Name und Anschrift des Treuhänders mitgeteilt werden müssten (Klimke, a. a. O.; ablehnend LG Berlin, Urt. v. 10. 1. 2018 – 23 O 78/16, VersR 2018, 465, 465 f.).

Nach anderer Auffassung soll es ausreichen, die für die Anpassung ausschlaggebende Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistung oder Sterbewahrscheinlichkeit) zu benennen (Brand, VersR 2018, 453, 455; ähnlich wohl Wendt, VersR 2018, 449, 453; Voit in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 204 Rn. 49) oder zu erläutern, welche Faktoren für eine Prämienanpassung relevant sein können und wie das Verfahren der Prämienanpassung dem Grunde nach funktioniert (Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl., § 203 Rn. 19). Eine vermittelnde Meinung verlangt die Benennung der wichtigsten Gründe, die die Rechtsposition des Versicherungsnehmers am stärksten verändern; dazu sollen neben der Veränderung der Berechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung überhaupt erst ausgelöst hat, beispielsweise auch die Absenkung des Rechnungszinses gehören (vgl. Boetius in Münch-komm-VVG, 2. Aufl., § 203 Rn. 1155 b f.). Ebenfalls umstritten ist, ob die Angaben in der Mitteilung dem Versicherungsnehmer jedenfalls eine überschlägige Plausibilitätskontrolle ermöglichen müssen (so etwa LG Berlin, Urteil vom 10.1.2018 – 23 O 78/16 = NJW 2018, 1176; Klimke, a. a. O).

Diese Rechtsauffassungen verkennen jedoch, dass das Gesetz selbst über die benannten Rechtsgrundlagen hinaus keine weiteren Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe stellt. Für die teilweise geforderte Mitteilung einzelner Aspekte, wie Name und Anschrift des Treuhänders, bietet der Wortlaut des § 203 Abs. 5 VVG keine Stütze. Aber auch die Benennung konkreter Werte sowohl der Veränderung der die Prämienanpassung ermöglichenden Rechnungsgrundlage als auch der Veränderung der die Prämienhöhe beeinflussenden Kriterien erscheint nicht geboten. Soweit es um die Veränderung der Rechnungsgrundlage geht, ist die Kenntnis der konkreten Höhe der Veränderung nicht erforderlich. Für die Prämienanpassung reicht es aus, dass die Veränderung den in den Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert übersteigt. Dass dies der Fall ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Versicherer die Prämienanpassung vorgenommen hat. Wie groß die Überschreitung des Schwellenwerts ist, ist ohne Bedeutung (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018 – 8 U 57/18 = r+s 2018, 547).

Soweit es um die die Prämienhöhe beeinflussenden Kriterien geht, hat die Kenntnis konkreter Zahlen – soweit es sich dabei nicht ohnehin um Geschäftsgeheimnisse des Versicherers handelt – für den Versicherungsnehmer keinen Nutzen. Die von der Beklagten in der Klageerwiderung vorgelegten Unterlagen, aus denen sich die jeweiligen Berechnungen der Prämienanpassungen der Beklagten ergeben, belegen dabei zwanglos, dass die Kenntnis einzelner Zahlen dem Versicherungsnehmer weder eine rechnerische Kontrolle noch auch nur eine Plausibilitätsprüfung der Prämienerhöhung ermöglicht; dafür sind die versicherungsmathematischen Zusammenhänge zu komplex. Nach Ansicht der Kammer entspricht die Mitteilung der Gründe einer Prämienanpassung jedenfalls dann den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG, wenn sie die Rechnungsgrundlage, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, und die wesentlichen Kriterien, die deren Höhe beeinflusst haben, benennt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018 – 8 U 57/18 = r+s 2018, 547).

bb.

Diese Maßstäbe zugrundlegend sind die hier streitgegenständlichen Begründungen ausreichend.

In der Begründung zur Prämienerhöhung im Tarif „BEAE P“ zum 01.01.2015 sowie zum 01.01.2019 wird jeweils erläutert, dass der Beitragsberechnung die statistische Lebenserwartung (die sogenannte Sterbetafel) zugrunde gelegt werde und dass die Beiträge immer dann angepasst würden, wenn in der Pflegeversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt werde. Dies sei zum 01.01.2015 bzw. zum 01.01.2019 der Fall.

Damit wird sowohl auf die Rechnungsgrundlage der Sterbewahrscheinlichkeit als auch auf die wesentlichen Kriterien, nämlich die Zugrundlegung der jeweiligen Sterbetafel für die Beitragsberechnung eingegangen. Es ist dabei unschädlich, dass der Begriff „Sterbewahrscheinlichkeit“ nicht ausdrücklich genannt ist. Denn die Sterbewahrscheinlichkeit ist in der Sterbetafel abgebildet (Langheid/Wandt, MüKo zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 203, Rn. 849). Für den Versicherungsnehmer ist mit Verwendung dieses Synonyms die Rechnungsgrundlage zutreffend und – auch unter Berücksichtigung der weiteren Erläuterung – verständlich beschrieben. Soweit der Kläger hier meint, es werde auch auf veränderte Leistungsausgaben abgestellt, ist dies unzutreffend. Den Beitragsanpassungen im Tarif „BEAE P“ liegt ausweislich der jeweiligen Informationsbeilagen der Beklagten allein die jeweils neu eingeführte Sterbetafel zugrunde.

In der Begründung zur Prämienerhöhung im Tarif „VITAL 250“ zum 01.01.2016 wird erläutert, dass die Beklagte einmal jährlich die Beiträge überprüfe. Bei der Überprüfung würden die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen verglichen. Würden die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander abweichen, müssten die Beiträge überprüft werden. Müsse eine Beitragsanpassung erfolgen, müssten auch weitere Faktoren überprüft werden.

Somit wird die entsprechende Rechnungsgrundlage, die Veränderung der Leistungsausgaben, sowie die wesentlichen Kriterien, nämlich Abweichung der kalkulierten von den erforderlichen Leistungsausgaben, genannt. Zwar schildert die Beklagte hier nur das Verfahren der Überprüfung und nennt nicht ausdrücklich, dass eine solche Abweichung hier vorliegt. Diesen Rückschluss kann der Versicherungsnehmer jedoch unproblematisch selbst daraus ziehen, dass es zu einer Prämienerhöhung gekommen ist, sodass es dieses klarstellenden Zusatzes nicht bedurfte.

In der Begründung zur Prämienerhöhung im Tarif „VITAL 250“ zum 01.01.2019 werden die veränderten Leistungsausgaben (Versicherungsleistungen) als maßgebliche Gründe genannt. Erneut wird das Prüfungsverfahren beschrieben. Insoweit wird hier zusätzlich noch klarstellt, dass sich eine Abweichung um mehr als den zuvor dargestellten Prozentsatz ergebe. Somit liegen auch hier die Rechnungsgrundlage sowie die wesentlichen Kriterien vor.

cc.

Auch das grundsätzliche Verweisungssystem, das die Beklagte im Rahmen ihrer Begründungen verwendet, ist – entgegen des Vorbringens des Klägers – transparent und genügt insoweit den rechtlichen Anforderungen. Neben dem erhöhten Tarif findet sich als Änderungsgrund eine Ziffer, anhand derer sich auf dem beiliegenden Blatt „Änderungsgründe“ der Änderungsgrund ergibt. Der Änderungsgrund der Beitragsanpassung verweist seinerseits wieder auf eine separate Beilage. In dieser separaten Beilage befinden sich dann nähere Erläuterungen. Diese zwei Verweisungen sind dem Versicherungsnehmer zuzumuten. Der W-Weg ist leicht zu verstehen und nachzuvollziehen.

dd.

Weiter ist es unschädlich, dass die Beklagte bzgl. der Erhöhungen im Tarif „VITAL 250“ weitere Faktoren nennt, die bei der Beitragsanpassung berücksichtigt werden und die Einfluss auf den Beitrag haben. Denn dies ist zutreffend, die von der Beklagten genannten Faktoren, wie z.B. die steigende Lebenserwartung oder die Kapitalmarktsituation haben jeweils Einfluss auf die geänderten Berechnungsparameter der Anpassung von Versicherungsbeiträgen. Diese Faktoren führen erst zu den geänderten Leistungsausgaben und beschreiben diese insoweit zutreffend. Dass die Leistungsausgaben sich verändert haben und dies der maßgebende Grund war, ergibt sich dabei aus Sicht der Kammer sehr wohl aus dem gesamten Text des Informationsblattes. Zunächst wird die Begründung der Veränderung der Leistungsausgaben erläutert. Dadurch wird hinreichend deutlich, dass die „Leistungsausgaben“ die maßgebliche Rechtsgrundlage darstellen.

b.

Die weiteren Voraussetzungen für die jeweiligen Prämienerhöhungen stehen nicht im Streit. Ihr Vorliegen unterliegt auch keinen Bedenken. Insbesondere hat der Treuhänder jeweils seine Zustimmung erklärt und die Erhöhungen waren erforderlich.

c.

Überdies wären die Ansprüche des Klägers auf Prämienrückerstattung aus dem Jahr 2015 verjährt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung insoweit erhoben. Der Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen sowie von der Person des Schuldners voraus. Kenntnis verlangt nicht, dass der Gläubiger alle Einzelheiten der dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände überblickt. Ausreichend ist, dass der Gläubiger den Hergang in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (vgl. MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 199 Rn. 28 m.w.N). Nicht entscheidend ist, ob der Gläubiger alle Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Weise zutreffend würdigt, auch nicht im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre (vgl. MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 199 Rn. 29 m.w.N).

Es reicht vielmehr aus, wenn er die Tatsachen kennt, aus denen sich der Anspruch ergibt, während es nicht erforderlich ist, dass er auch Kenntnis von dem Bestehen eines Anspruchs hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. 7. 2010 – IV ZR 208/09 = NJW 2011, 73). Demgemäß genügt hier die Kenntnis des Klägers von den Prämienanpassungen auf Grundlage der in Rede stehenden Mitteilungen, ohne dass der Kläger den Schluss gezogen haben musste, dass diese unwirksam sind (so auch OLG Köln, Urt. v. 07.04.2017 – 20 U 128/16).

d.

Insoweit kam es für die Entscheidung der Kammer auf die Höhe des Bereicherungsanspruchs des Klägers nicht mehr an. Auch über die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten war nicht zu entscheiden.

2.

Der Feststellungsantrag zu 1) ist ebenfalls unbegründet. Da die Prämienerhöhungen jeweils wirksam waren, war der ursprüngliche Klageantrag zu 1) bereits von Anfang an unbegründet.

Ob hier das erforderliche Feststellungsinteresse vorliegt, kann offenbleiben, da der Klageantrag jedenfalls unbegründet ist. Insofern handelt es sich bei dem von § 256 ZPO geforderten rechtlichen Interesse nicht um eine Prozessvoraussetzung, ohne deren Vorliegen dem Gericht eine Sachprüfung und ein Sachurteil überhaupt verwehrt ist. Aufgrund dessen kann die Feststellungsklage auch bei fehlendem Feststellungsinteresse als unbegründet abgewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2009 – XI ZR 225/08, Rn. 12, juris).

3.

In Ermangelung des Hauptanspruchs steht dem Kläger weder ein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen noch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 709 S. 1, 2 ZPO.

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