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Versicherungsvertreterhaftung – Beratungspflichten bei Versichererwechsel

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 20/19 – Urteil vom 24.11.2021

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Januar 2019 – 14 O 243/17 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69.422,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Kündigung eines alten und dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages in Anspruch.

Der am 00. Juli 1970 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Dachdeckergesellen abgeschlossen und war in diesem Beruf seit dem 1. April 2014 – nachdem er zuvor zeitweise in anderen Berufen gearbeitet hatte – im Angestelltenverhältnis tätig. Im Jahr 2010 hatte er bei der Württembergischen Lebensversicherung AG (im folgenden kurz: Württembergische) eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen (Versicherungsschein vom 31. März 2010 bei den Anlagen K3 im Anlagenband Kläger). Im Falle bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit stand dem Kläger hieraus zuletzt eine monatliche Rente in Höhe von 841,85 Euro für die Zeit bis zum 31. März 2035 zu (Versicherungsschein vom 5. April 2014 bei den Anlagen K3 im Anlagenband Kläger). Nach den für diesen Vertrag geltenden Versicherungsbedingungen (Bl. 236 ff. d. A., im folgenden kurz AVB-BU) lag Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren bei Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben, wie sie ihn ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgeübt hat (§ 2 Abs. 1 AVB-BU). Wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls außer Stande gewesen ist, ihren bei Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübten Beruf auszuüben, und keine andere Tätigkeit konkret ausübt, die der bisherigen Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung entspricht, galt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit (§ 2 Abs. 5 AVB-BU). Daneben konnte auch Pflegebedürftigkeit die Berufsunfähigkeit begründen (§ 3 AVB-BU). Der Vertrag war für die Zeit vom 1. Mai bis 1. November 2014 unter Wegfall der Pflicht zur Beitragszahlung ruhend gestellt (Schreiben der Württembergischen vom 10. April 2014, Bl. 265 d. A.), weil der Kläger in finanziellen Schwierigkeiten war. Mit Schreiben vom 25. September 2014, das den Kläger als Absender und Unterzeichner ausweist, wurde der Vertrag „mit sofortiger Wirkung“ gekündigt, und der Kläger erhielt, nachdem die Beklagte die Kündigung zum 1. Oktober 2014 bestätigt hatte, den Rückkaufswert in Höhe von 1414,09 Euro ausgezahlt (Bl. 110 d. A.).

Auf einen Antrag vom 26. November 2014 (Anlage K5 im Anlagenband Kläger) wurde für den Kläger mit Versicherungsschein vom 23. Dezember 2014 (Anlage K4 im Anlagenband Kläger) eine „Existenzschutzversicherung“ bei der … Versicherung AG mit einer Monatsprämie von 39,50 Euro policiert, die auf Vermittlung des Beklagten, der seinerzeit als Ausschließlichkeitsvertreter für die … tätig gewesen ist, zustande gekommen war. Ebenfalls unter dem 26. November 2014 wurde eine Beratungsdokumentation erstellt (Anlage K6 im Anlagenband Kläger). Sowohl den Versicherungsantrag als auch die Beratungsdokumentation hat der Beklagte mit dem Namen des Klägers unterzeichnet.

Versicherungsvertreterhaftung - Beratungspflichten bei Versichererwechsel
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Die Versicherung bei der … bot keinen Versicherungsschutz für den Fall der Berufsunfähigkeit, sondern hätte Leistungen nur im Falle von schweren Krankheiten oder Unfällen erbracht. Es bestand lediglich die Option, unter bestimmten Bedingungen und bei bestimmten Anlässen (z. B. Heirat der versicherten Person oder Geburt eines Kindes) innerhalb von fünf Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen (Einzelheiten siehe Anlage K5 im Anlagenband Kläger, S. 8 f.). Nachdem der Kläger im Jahr 2016 Leistungen aus diesem Versicherungsvertrag geltend gemacht hatte, erklärte die … die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung bei Antragstellung (Schreiben vom 25. September 2017, Anlage K7 im Anlagenband Kläger). In dem Antragsformular vom 26. November 2014 waren Fragen zur Gesundheit des Klägers unzutreffend beantwortet worden; so wurde etwa die Frage nach Erkrankungen, die zu einer über 6 Wochen hinausgehenden ärztlichen Behandlung geführt haben, wie auch die Frage nach psychologischen Behandlungen verneint, obwohl der Kläger, nachdem er am 13. Juni 2013 Zeuge eines Tötungsdeliktes geworden war, bis Dezember 2013 wegen der psychischen Folgen dieses Ereignisses in ärztlicher Behandlung gewesen war.

Am 16. Dezember 2016 (Amtsgericht Saarbrücken – 110 IK 104/16, Bl. 79 d. A.) wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit weiterem Beschluss vom 28. Juni 2017 (Bl. 125 ff. der Beiakte Amtsgericht Saarbrücken 110 IK 104/16) wurde das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben.

Mit seiner im November 2017 erhobenen Klage hat der Kläger vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von 27.422,00 Euro – errechnet aus der entgangenen „Berufsunfähigkeitsrente“ von Oktober 2015 bis November 2017 bei der … Versicherung und der für diese Versicherung gezahlten Prämien – und laufende monatliche Zahlungen ab Dezember 2017 in Höhe von 1000 Euro bis längstens zum November 2035, hilfsweise – insoweit begründet mit der entgangenen Berufsunfähigkeitsrente bei der Württembergischen – 23.310 Euro zuzüglich monatlicher Zahlungen ab Dezember 2017 bis November 2035 in Höhe von 841,85 Euro begehrt. Zur Begründung hat der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihm bei seiner Beratung im Jahr 2014 erklärt, die frühere Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Württembergischen sei für ihn wertlos, da er zwischenzeitlich den Beruf gewechselt habe. Der Beklagte habe ihm versprochen, eine andere Berufsunfähigkeitsversicherung zu vermitteln, bei der die monatliche Berufsunfähigkeitsrente sogar 1000 Euro betrage und er geringere monatliche Versicherungsprämien zahlen müsse. Er habe den Beklagten darauf hingewiesen, dass er sich in ärztlicher Behandlung befunden habe, nachdem er Augenzeuge eines Tötungsdeliktes geworden sei und gefragt, ob dies nicht zu Problemen beim Versichererwechsel führen werde. Der Beklagte habe mittels gefälschter Unterschriften die alte Berufsunfähigkeitsversicherung gekündigt und eine „Existenzschutzversicherung“ bei der … abgeschlossen. Nachdem er von der Württembergischen Lebensversicherung die Zahlung von 1400 Euro erhalten habe, sei ihm von dem Beklagten erläutert worden, dies sei lediglich eine Vorabzahlung einer Überschussbeteiligung. Er sei seit dem 15. Oktober 2015 wegen eines Karpaltunnelsyndroms, eines Zervikalsyndroms und wegen einer Bandscheibenprotrusion als Dachdeckergeselle berufsunfähig.

Der Kläger hat beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 27.422,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.310,10 Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Dezember 2017 monatlich, zahlbar im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Kalendermonates, einen Betrag in Höhe von 1000 Euro bis längstens zum November 2035 zu zahlen.

Hilfsweise: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Dezember 2017 monatlich, zahlbar im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Kalendermonates, einen Betrag in Höhe von 841,85 Euro bis längstens zum November 2035 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2879,09 Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, den Kläger darauf hingewiesen zu haben, dass dieser der Württembergischen unbedingt angeben müsse, dass er nun als Dachdecker arbeite. Der Kläger habe diese Versicherung jedoch kündigen wollen, weil sie ihm zu teuer gewesen sei. Der Kläger habe die Versicherung auch selbst gekündigt. Von einer psychischen Erkrankung habe der Kläger nichts berichtet. Der Kläger habe auch die Frage nach psychologischen Behandlungen in den letzten fünf Jahren im Antragsformular für den Abschluss des Vertrages bei der … mit „Nein“ beantwortet. Im Anschluss an die Beantwortung der Gesundheitsfragen durch den Kläger habe der Beklagte den Antrag selbst mit dem Namen des Klägers unterzeichnet und lediglich vergessen, „i. A.“ davor zu setzen.

Mit Urteil vom 17. Januar 2019, auf dessen tatsächliche Feststellungen der Senat ergänzend Bezug nimmt, hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen, weil der Kläger nach seinem eigenen Vortrag keinen Vertrag bei der … Versicherung geschlossen habe, die „Existenzschutzversicherung“ auch nicht gewollt und den früheren Vertrag bei der Württembergischen nicht gekündigt habe. Von diesem Vorbringen ausgehend bestehe der Vertrag bei der Württembergischen fort, und ein Schaden des Klägers sei nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Er beanstandet, das Landgericht habe übersehen, dass er sehr wohl den Beklagten damit betraut habe, ihm einen Versicherungsvertrag bei der … zu vermitteln, der das Risiko der Berufsunfähigkeit abdeckt, was der Beklagte aber pflichtwidrig nicht getan habe. Nicht zutreffend sei auch die Annahme des Landgerichts, der Vertrag mit der Württembergischen bestehe ausgehend vom klägerischen Vortrag fort, denn der Kläger habe die Kündigung konkludent durch Entgegennahme des Rückkaufswertes und sein Schweigen auf die Kündigungsbestätigung der Württembergischen gebilligt.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 243/17 – vom 17.1.2019 den Beklagten zu verurteilen,

1. an ihn 27.422,00 EUR (hilfsweise 23.310,10 EUR) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. an ihn ab Dezember 2017 monatlich, zahlbar im Voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Kalendermonats einen Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR (hilfsweise 841,85 EUR) bis längstens zum November 2035 zu zahlen;

3. an ihn außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2879,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen J… und S… (Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 2019, Bl. 196 ff. d. A.) und durch Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten bei Herrn Prof. Dr. … R… (Gutachten vom 9. März 2020, Bl. 326 ff. d. A.; Ergänzungsgutachten vom 28. November 2020, Bl. 402 ff. d. A.) und bei Herrn Dr. … F… (Gutachten vom 19. Mai 2021, Bl. 435 ff. d. A.), welche die Sachverständigen im Termin vom 4. Oktober 2021 mündlich erläutert haben (Bl. 551 ff. d. A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 22. November 2018 und des Senats vom 16. Oktober 2019 und 4. Oktober 2021 sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 17. Januar 2019 Bezug genommen. Die Akten des Amtsgerichts Saarbrücken – Insolvenzgericht – 110 IK 104/16 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1.

Die Klage ist zulässig. Zwar ist am 16. Dezember 2016 über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden, weshalb der klagegegenständliche, auf eine behauptete Pflichtverletzung des Beklagten im Jahr 2014 gestützte Anspruch zur Insolvenzmasse (§ 38 InsO) gehört und die Forderung mithin während des laufenden Insolvenzverfahrens nur nach den besonderen Bestimmungen der Insolvenzordnung – im Regelfall durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gemäß § 174 Abs. 1 InsO – verfolgt werden kann (§ 87 InsO). Indes ist das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 28. Juni 2017 und damit noch vor Klageerhebung aufgehoben worden. Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens steht es dem Kläger frei, seinen Anspruch im Klagewege zu verfolgen. Die noch laufende Wohlverhaltensphase und die Geltung des Vollstreckungsverbotes nach § 294 Abs. 1 InsO ändern daran ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der geltend gemachte Anspruch von der Restschuldbefreiung (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO) erfasst wird, weil nicht feststeht, ob dem Beklagten die Restschuldbefreiung erteilt werden wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2008 – VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440 Rz. 7).

2.

Der mit dem Hauptantrag verfolgte Schadenersatzanspruch, welcher auf die Behauptung des Klägers gestützt ist, ihm sei durch Pflichtverletzungen des Beklagten seit Oktober 2015 eine – von der … Lebensversicherung AG zu zahlende – Berufsunfähigkeitsrente von 1.000 Euro monatlich und die Freistellung von der Pflicht zur Zahlung von Versicherungsprämien in Höhe von insgesamt 1.422 Euro entgangen, ist bereits nicht schlüssig dargelegt.

a.

Insoweit beruft sich der Kläger erfolglos darauf, der Beklagte habe ihm bei der Vermittlung des Vertrages mit der … zugesagt, dieser versichere auch das Risiko der Berufsunfähigkeit. Sollte diese Behauptung zutreffen, könnte der Beklagte aus der entsprechenden Pflichtverletzung, nämlich unzutreffende Angaben über den Umfang des Versicherungsschutzes gemacht zu haben, gleichwohl nicht im Sinne einer Erfüllungshaftung darauf in Anspruch genommen werden, den Kläger so zu stellen, als sei die Angabe zutreffend gewesen.

Unter Geltung des alten, mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretenen Versicherungsvertragsgesetzes war in der Rechtsprechung eine Vertrauens- und Erfüllungshaftung des Versicherers für Zusagen und für die Unterlassung der Korrektur von Fehlvorstellungen des Versicherungsnehmers im Zuge der Vertragsanbahnung anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – IV ZR 44/03, VersR 2004, 361; Urteil vom 4. Juli 1989 – VI ZR 217/88, VersR 1989, 948). Ob dieser Rechtsprechung mit der Neufassung des VVG und der in § 6 VVG enthaltenen Regelung der Beratungs- und Aufklärungspflichten des Versicherers und seiner Vermittler die Grundlage entzogen worden ist (dafür Armbrüster in: Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl., § 6 Rn. 332, 334; Rixecker in: Beckmann u. a., Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 18a Rn. 64; Rudy in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 6 Rn. 77; Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 6 Rn. 3; Münkel in: Rüffer u. a., VVG, 4. Aufl., § 6 Rn. 47; a. A. OLG Frankfurt, VersR 2012, 342; LG Saarbrücken, VersR 2014, 317; Schneider, r+s 2015, 477, 484; Schimikowski, r+s 2012, 577, 582; wohl auch Schwintowski in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 6 Rn. 5), bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn diese Vertrauens- und Erfüllungshaftung traf nur den Versicherer, nicht aber den für ihn tätigen Versicherungsvertreter (OLG Hamm, VersR 1987, 351; Kollhosser in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 43 Rn. 30), so dass ein Anspruch gegen den Beklagten hieraus nicht hergeleitet werden kann.

b.

Die behauptet unzulängliche Beratung seitens des Beklagten über den Umfang des Versicherungsschutzes des Klägers aus dem Vertrag mit der … kann einen Schadenersatzanspruch des Klägers auch nicht deshalb begründen, weil der Kläger bei anderer Beratung durch den Beklagten einen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag abgeschlossen hätte, aus dem ihm eine Rente in der begehrten Höhe von 1000 Euro monatlich zugestanden hätte. Dass der Kläger dies bei richtiger Beratung durch den Beklagten getan hätte, behauptet er selbst nicht. Im übrigen wäre es dem Kläger auch nach seinem eigenen Vortrag – insbesondere im Hinblick auf die nur kurz zurückliegende, über ein halbes Jahr dauernde Behandlung wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung – überhaupt nicht möglich gewesen, bei wahrheitsgemäßer Angabe dieser Behandlung uneingeschränkten Versicherungsschutz in einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu erhalten. Daher hätte auch jeder Versicherungsvermittler dem Kläger nur raten dürfen, seinen bestehenden Versicherungsschutz bei der Württembergischen nicht aufzugeben; der Rat zum Abschluss eines anderen Vertrages wäre demgegenüber falsch gewesen.

3.

Dem Kläger ist auch durch die Kündigung des Versicherungsvertrages mit der Württembergischen nicht der geltend gemachte Schaden – Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 841,85 Euro monatlich seit Oktober 2015 – entstanden, weil nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht erwiesen ist, dass der Kläger seit Oktober 2015 in dem seinerzeit zuletzt ausgeübten Beruf als Dachdeckergeselle zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. Er hätte daher auch bei Fortbestand dieses Vertrages keine Berufsunfähigkeitsrente erhalten.

a.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht dem von dem Kläger insoweit geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht der Fortbestand des Vertrages mit der Württembergischen entgegen. Dieser Vertrag ist vielmehr auch dann im Jahr 2014 beendet worden, wenn der Kläger – wie er behauptet – das Kündigungsschreiben vom 25. September 2014 nicht unterzeichnet haben sollte.

(1)

Das Landgericht hat insoweit angenommen, wenn der Beklagte entsprechend dem klägerischen Vortrag besagtes Kündigungsschreiben selbst mit dem Namen des Klägers unterzeichnet haben sollte, ohne hierfür bevollmächtigt gewesen zu sein, bestehe der Vertrag mit der Württembergischen fort. Soweit der Beklagte auf die Kündigungsbestätigung der Württembergischen nicht reagiert habe, sei darin nach den Maßstäben des § 177 Abs. BGB ein bloßes Schweigen ohne Erklärungswert zu sehen, das nicht zu einer schlüssigen Genehmigung einer Kündigung durch den Beklagten führen könne.

(2)

Dieser Annahme vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar war eine von dem Beklagten im Namen des Klägers ohne Vertretungsmacht erklärte Kündigung des Vertrages mit der Württembergischen gemäß § 180 Satz 1, Satz 2 BGB unwirksam. Der Kläger kann sich jedoch gegenüber der Württembergischen hierauf nicht berufen, nachdem er die Kündigungsbestätigung der Württembergischen sowie den von dieser ausgezahlten Rückkaufswert entgegengenommen hatte und in der Folgezeit keine Beiträge zu dem Vertrag mehr entrichtete, bevor er erstmals fast zwei Jahre später mit Schreiben vom 25. Juli 2016 mit der Geltendmachung von Leistungen aus diesem Vertrag konkludent dessen Fortbestand behauptete.

(a)

Eine von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene einseitige Willenserklärung ist grundsätzlich unwirksam (§ 180 Satz 1 BGB). Nicht unwirksam und gemäß § 177 ff. BGB genehmigungsfähig ist sie nur dann, wenn der Erklärungsempfänger die Vertretungsmacht nicht beanstandet oder mit einem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden ist (§ 180 Satz 2 BGB). Beides liegt hier nicht vor, weil die Württembergische in dem mit dem Namen des Klägers unterzeichneten Schreiben vom 25. September 2014 ein Vetreterhandeln überhaupt nicht erkennen konnte. Denn nicht nur das Einverständnis mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht, sondern auch das Unterlassen einer Beanstandung setzt voraus, dass der Erklärende dem Erklärungsempfänger als Vertreter gegenübergetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – Xa ZR 124/09, NJW 2010, 2950, 2951 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 1. September 2019 – 4 U 46/19, juris Rz. 38; Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 180 Rn. 9; Schilken in: Staudinger, BGB (2019), § 180 Rn. 4; Weinland in jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 180 BGB (Stand: 01.05.2020) Rn. 6). Das war hier nicht der Fall.

(b)

Auch wenn demnach eine Genehmigung der Kündigungserklärung nicht in Betracht kam, ist es dem Kläger im Verhältnis zur Württembergischen verwehrt, sich auf die unterbliebene Vertragsbeendigung zu berufen. Denn er hat die Kündigungsbestätigung der Württembergischen wie auch den Rückkaufswert ohne Widerspruch entgegengenommen und sodann auch keine Beiträge mehr für den Versicherungsvertrag entrichtet. Diese Umstände begründeten bei der Württembergischen ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Vertrag tatsächlich mit der Kündigungserklärung beendet wurde. Da dem Kläger alle diese Umstände auch bekannt waren, durfte die Württembergische erwarten, dass er sich auf den Fortbestand des Vertrages alsbald berufen würde, wenn er die Kündigung nicht gegen sich gelten lassen wollte. Dies jedoch zu unterlassen und erst nach fast zwei Jahren ohne Beitragszahlung Leistungsansprüche geltende zu machen, ist mit den Geboten von Treu und Glauben nicht vereinbar.

b.

Der Beklagte haftet dem Kläger dem Grunde nach auf Ersatz der Schäden, die dem Kläger durch die Kündigung des Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Württembergischen entstanden sind oder entstehen (werden). Diese Kündigung beruhte auf einer fehlerhaften Beratung durch den Beklagten, was diesen gemäß § 61, § 63 VVG zum Schadenersatz verpflichtet.

(1)

Nach den vom Kläger vorgelegten Versicherungsbedingungen unterhielt dieser bei der Württembergischen Lebensversicherung AG einen Versicherungsvertrag, der Berufsunfähigkeit nicht nur in berufsbezogener Weise schützte, sondern die – marktübliche – Klausel enthielt, nach der es für die Leistungspflicht des Versicherers auf eine Berufsunfähigkeit „im bei Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt ausgeübten Beruf“ ankommt. Folglich gefährdete der Berufswechsel des Klägers nach Abschluss des Versicherungsvertrages – entgegen der von dem Beklagten noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2019 vor dem Senat geäußerten Auffassung – seinen vorhandenen Versicherungsschutz nicht. Auch war dieser Vertrag, wie sich aus dem Schreiben des Versicherers vom 10. April 2014 (Anlage K18, Bl. 265 d. A.) ergibt, lediglich vorübergehend für ein halbes Jahr beitragsfrei gestellt, weshalb der Versicherer nicht dauerhaft leistungsfrei war. Denn nach § 10 Abs. 5 der für diesen Vertrag geltenden Bedingungen (Bl. 239 d. A.) hatte der Kläger die Möglichkeit, im Falle vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten den Versicherungsschutz bis zur Höhe des vor der Beitragsfreistellung geltenden Schutzes weiterzuführen, dies sogar bei einer Beitragsfreistellung von bis zu drei Jahren. Mithin verfügte der Kläger zum Zeitpunkt der Beratung durch den Beklagten über – unstreitig nicht anfechtbaren – Versicherungsschutz aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Er musste lediglich die Zahlung der Beiträge in Höhe von monatlich 103,98 € wieder aufnehmen.

(2)

In dieser Situation hat der Beklagte den Kläger falsch beraten.

(a)

Der Beklagte war Versicherungsvermittler im Sinne von § 61 Abs. 1, § 59 VVG. Er war als Ausschließlichkeitsvertreter für die … Versicherung AG tätig und demnach ein Versicherungsvertreter, der von einem Versicherer damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (§ 59 Abs. 2 VVG; vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2014 – III ZR 544/13, BGHZ 203, 174). Er hatte gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG den Kläger, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Klägers und dessen Situation hierfür Anlass bestand, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Bei einem – auch hier in Rede stehenden – beabsichtigten Versichererwechsel und der Kündigung des Vertrags beim bisherigen Mitbewerber in einem – wie hier – existenziell bedeutsamen Bereich, in dem Versicherungsschutz insbesondere wegen des Erfordernisses einer Gesundheitsprüfung nicht ohne weiteres erlangt werden kann, sind die an den Vermittler gestellten Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch. Er hat zu beachten, dass der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will (Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 5 U 36/16, VersR 2018, 480; OLG München, VersR 2012, 1292; siehe auch Münkel, jurisPR-VersR 4/2011, Anm. 3 zu OLG Hamm, Urteil vom 10. Juni 2010 – 18 U 154/09).

(b)

Diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung des Klägers hat der Beklagte nicht genügt.

(aa)

Nach dem Vorbringen der Parteien und den eigenen Angaben des Beklagten vor dem Senat hat der Beklagte den Kläger bereits dadurch grundlegend falsch beraten, indem er ihm erklärte, die bestehende Versicherung bei der Württembergischen sei für ihn wegen seines Berufswechsels wertlos. Dies war für den Kläger die entscheidende Information, die zur Änderung der Vertragsverhältnisse in der Folgezeit führte. Es leuchtet dem Senat ohne weiteres ein, dass der Kläger seinen Berufsunfähigkeitsversicherungsschutz nicht gefährden wollte und nach der Überwindung seiner Zahlungsschwierigkeiten den früheren Vertrag fortgesetzt hätte, wenn er nicht von dem Beklagten falsch beraten worden wäre. Der Kläger hat die von vornherein auf sechs Monate begrenzte Beitragsfreistellung nachvollziehbar mit vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten begründet, die bei dem Beratungsgespräch mit dem Beklagten bereits nicht mehr bestanden hätten. Auch wenn die Prämie für den von dem Beklagten vermittelten Vertrag deutlich niedriger war (39,50 Euro statt 103,98 Euro), wäre es schwer verständlich, warum der Kläger den bestehenden Berufsfähigkeitsversicherungsvertrag aufgeben und stattdessen den von dem Beklagten vermittelten Versicherungsvertrag, der insoweit keinen Versicherungsschutz bot, abschließen sollte – zumal dies wegen der Vorerkrankungen wirksam überhaupt nicht möglich war.

Der Beklagte hat auch nicht behauptet, der Kläger habe sich an ihn gewandt, weil er die Beiträge des Vertrages bei der Württembergischen nicht mehr tragen konnte. Vielmehr hat der Beklagte selbst vorgetragen, er habe dem Kläger gesagt, dieser müsse seine Versicherung auf den Beruf des Dachdeckers „umschreiben“, was zu stark erhöhten Beiträgen geführt hätte und was dem Kläger dann zu teuer gewesen wäre. Mithin behauptet der Beklagte selbst nicht, dass dem Kläger die aktuellen Beiträge – mit denen Versicherungsschutz auch für den Beruf als Dachdecker bestand – zu hoch waren.

(bb)

Eine Falschberatung des Klägers durch den Beklagten wird darüber hinaus vorliegend auch deshalb vermutet, weil eine Beratungsdokumentation nicht existiert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte eingeräumt, die Unterschrift des Klägers unter die vorgelegte Beratungsdokumentation (Anlage K6 im Anlagenband Kläger) selbst geschrieben zu haben. Mithin fehlt es an einer vom Kläger unterschriebenen Dokumentation darüber, dass der Beklagte dem Kläger die Folgen des Versicherungswechsels hinreichend verdeutlicht hat.

Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach § 61 Abs. 1 Satz 2, § 62 VVG kann Beweiserleichterungen zu Gunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr nach sich ziehen (BGH, Urteil vom 13. November 2014 – III ZR 544/13, VersR 2015, 107 Rz. 18; Urteil vom 25. September 2014 – III ZR 440/13, VersR 2014, 1328, Rz. 34 mwN.). Die Funktion dieser Dokumentationspflicht liegt vornehmlich darin, dass dem Versicherungsnehmer durch die Beratungsdokumentation die wesentlichen Inhalte der Beratung vor Augen geführt werden und er dadurch in die Lage versetzt wird, seine Entscheidung des Näheren zu überprüfen und den ihm sonst kaum möglichen Nachweis über den Inhalt der Beratung zu führen. Wird ihm diese Nachweismöglichkeit durch das Fehlen einer Dokumentation abgeschnitten, so hat dies zu seinen Gunsten Auswirkungen auf die Verteilung der Beweislast. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung – wie er auch hier in Rede steht – nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist (BGH, Urteil vom 13. November 2014 – III ZR 544/13, aaO.; Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 19 Rz. 63; Urteil vom 4. Mai 2011 – 5 U 502/10, VersR 2011, 1441; Urteil vom 27. Januar 2010 – 5 U 337/09-82, VersR 2010, 1181; OLG München, VersR 2012, 1292). Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so ist zu Gunsten des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass der betreffende Hinweis nicht erteilt worden ist, der Versicherungsvermittler mithin pflichtwidrig gehandelt hat. Diese Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt.

(cc)

Schließlich hat der Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass er aufgrund seiner Krankengeschichte – über sechs Monate dauernde Behandlung wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung im zweiten Halbjahr 2013, also weniger als ein Jahr vor Antragstellung bei der … – neuen Versicherungsschutz nicht in wirksamer Weise erreichen konnte und schon deswegen seinen früheren Versicherungsvertrag hätte weiterführen müssen.

Unstreitig hat der Beklagte dem Kläger die Gesundheitsfragen aus dem Antrag vom 26. November 2014 (Anlage K5 im Anlagenband Kläger) nicht vorgelesen oder sonst zur Kenntnis gebracht, und ebenso unstreitig hat der Beklagte selbst auch unter diesen Antrag die angebliche Unterschrift des Klägers geschrieben. Der Beklagte hat zwar vor dem Senat angegeben, dem Kläger die Gesundheitsfragen aus einem Werbeflyer vorgehalten zu haben und auch nach psychologischen Behandlungen gefragt zu haben. Das erschien aber wenig glaubhaft und war ohnehin eine erhebliche Verletzung seiner Pflichten, denn der Beklagte war gehalten, dem Kläger bei der Antragstellung die Gesundheitsfragen genau vorzulesen, sie sich beantworten zu lassen, dem Kläger die Belehrung über die Verletzung von Anzeigeobliegenheiten zur Kenntnis zu bringen und die Verbindlichkeit seiner Angaben auch durch eine Unterschrift bestätigen zu lassen. All dies kann nicht durch ein inhaltlich nicht einmal im einzelnen konkretisiertes Informationsgespräch anhand eines Werbeflyers ersetzt werden.

Überdies sprechen auch die Aussagen der Zeuginnen J… und S… vor dem Senat dafür, dass der Beklagte von den psychischen Beeinträchtigungen des Klägers wusste. Nicht nur die Zeugin S…, die Lebensgefährtin des Klägers, bekundete, der Kläger habe dem Beklagten erzählt, wie er ein Tötungsdelikt miterlebt habe, weshalb er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Es sei darauf hin, so die Zeugin, in dem Gespräch zwischen den Parteien ausdrücklich um die Frage gegangen, ob ein neuer Vertragsschluss nicht an der Beantwortung der Gesundheitsfragen scheitere. Auch die Zeugin J…, die frühere Lebensgefährtin des Beklagten, bestätigte, dass der Kläger bei einem gemeinsamen Treffen von einem Tötungsdelikt erzählt hatte, dessen Zeuge er geworden war, und auch davon, dass er deshalb in Behandlung gewesen sei.

(3)

Das Verschulden des Beklagten wird nach § 63 Satz 2 VVG vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt.

(4)

Ein zur Anspruchskürzung führendes Mitverschulden des Klägers (§ 254 Abs. 1 BGB) kommt nicht in Betracht.

(a)

Ein Mitverschulden lässt sich nicht damit begründen, dass der Kläger den Informationen des Beklagten hätte misstrauen müssen. Der Informationspflichtige kann dem Geschädigten nämlich grundsätzlich nicht entgegenhalten, er habe den Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mitverantwortlich. Die gegenteilige Annahme würde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärung- und Beratungspflicht stehen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 – XI ZR 355/02, VersR 2004, 740). Der Einwand, der Versicherungsinteressent habe sich anhand der übergebenen Versicherungsunterlagen selbst informieren und erkennen können, dass seine Vorstellungen von dem ausgewählten Versicherungsprodukt unzutreffend gewesen seien, ändert an diesem Ergebnis nichts. Vielmehr darf der Interessent auf die mündlichen Angaben des Versicherungsvermittlers Vertrauen und ist grundsätzlich – und so auch hier – nicht gehalten, diese nachzuprüfen (vgl. OLG München, VersR 2012, 1292).

(b)

Ebenso wenig kann ein Mitverschulden darin gesehen werden, dass der Kläger nach Erhalt der Kündigungsbestätigung nicht gegenüber der Württembergischen klargestellt hat, dass er den Vertrag nicht gekündigt hat. Denn der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe sich in dieser Situation an den Beklagten gewandt, der ihn unter Hinweis auf eine angebliche „Vorabzahlung“ beruhigt habe. Dies hat der für ein Mitverschulden des Klägers darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht widerlegt. Außerdem hatte der Kläger schon deswegen keine Veranlassung, der Kündigung des Vertrages zu widersprechen, weil er aufgrund der falschen Beratung durch den Beklagten einen Versichererwechsel bei – angeblich – besseren Leistungen und niedrigeren Prämien ja gerade wollte und beabsichtigte.

c.

Durch die Kündigung des Vertrages mit der Württembergischen Versicherung AG ist dem Kläger jedoch keine Berufsunfähigkeitsrente entgangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass der Kläger seit Oktober 2015 in seinem damals ausgeübten Beruf als Dachdecker zu mindestens 50 % berufsunfähig (gewesen) ist.

(1)

Die Feststellung, der Versicherte sei während der Vertragsdauer berufsunfähig geworden, setzt voraus, dass er nach Vertragsschluss infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls die Fähigkeit zu dem vereinbarten Prozentsatz verloren hat, voraussichtlich dauernd in seinem bis dahin konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein und einen Vergleichsberuf auszuüben. Die Beweislast trifft den Versicherungsnehmer (OLG Koblenz, VersR 2000, 749; OLG Hamm, VersR 2009, 818; Rixecker in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 46 Rn. 97; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3.Aufl., Rn. 184); auch im vorliegenden Schadenersatzprozess ist der Kläger insoweit beweisbelastet, weil ihm der Nachweis eines Schadens obliegt. Ein Schaden in Gestalt der entgangenen Berufsunfähigkeitsrente wäre ihm jedoch nur dann entstanden, wenn er gegenüber der Württembergischen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente hätte nachweisen können.

(2)

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lag eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % in dem seinerzeit ausgeübten Beruf als Dachdecker weder wegen Schwindelanfällen, noch wegen eines Karpaltunnelsyndroms noch wegen sonstiger orthopädischer Beschwerden vor.

(a)

Dass der Kläger unter wiederholten Schwindelanfällen litt oder leidet, die wohl ohne weiteres eine Berufsunfähigkeit als Dachdeckergeselle begründen würden, ist nach den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. R… und Dr. F… nicht erwiesen.

(aa)

Der dem Senat aus einer Vielzahl von Begutachtungen als kompetent und besonders sorgfältig bekannte Sachverständige Prof. Dr. R… konnte für die vom Kläger geschilderte Schwindelsymptomatik, die er als „Schwankschwindel“ einordnete, Veränderungen an der Halswirbelsäule als Ursache ausschließen. Die Halswirbelsäule sei „selten bis nie“ eine Ursache für Schwindel und werde in aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dieser Thematik überhaupt nicht als differentialdiagnostische Ursache erwähnt. Beim Kläger liege keine schwere Verformung der Halswirbelsäule vor, welche die Blutversorgung des Gehirns irritieren könne. Auch auf der Grundlage einer vom Sachverständigen als „schwer haltbar“ eingeschätzten manualtherapeutischen Theorie, rezidivierende Blockierungen der oberen Halswirbelsäule könnten Schwindel verursachen, lasse sich die Halswirbelsäule nicht als Ursache ausmachen, weil solche Blockierungen bei der Untersuchung durch den Sachverständigen nicht vorgelegen hätten. Damit ist auch für den Senat nachvollziehbar eine Verursachung des Schwindels durch Beeinträchtigungen an der Halswirbelsäule ausgeschlossen.

(bb)

Nach den überzeugenden Ausführungen des neurologischen Sachverständigen Dr. F… kommt die Halswirbelsäule gleichfalls nicht als Ursache des behaupteten Schwindels in Betracht. Auch eine Schädigung des peripheren Gleichgewichtsorgans konnte der Sachverständige ausschließen, weil dadurch nicht der vom Kläger geschilderte Schwankschwindel, sondern vielmehr ein Drehschwindel hervorgerufen werden würde. Zuletzt erbrachte auch eine Kernspinuntersuchung des Kopfes keinen Hinweis auf eine körperliche Ursache des Schwindels. Zwar zeigte sich dort eine Arachnoidalzyste im Bereich des Kleinhirns, die als angeborene Erweiterung des Liquorraums theoretisch Druck auf das umliegende Hirngewebe ausüben und eine Schwindelsymptomatik hervorrufen könnte. Dann hätten sich aber nach den Erläuterungen des Sachverständigen auch noch weitere Folgen in Gestalt überdauernder Funktionsstörungen, eines Nystagmus („Augenzittern“) oder Störungen der Gang- und Standsicherheit zeigen müssen, die beim Kläger jedoch allesamt nicht vorliegen. Eine körperliche Ursache, die den vom Kläger behaupteten Schwindel erklären könnte, vermochte der Sachverständige mithin insgesamt nicht auszumachen. Da der Sachverständige auf Nachfrage des Senats auch Ansatzpunkte für eine weitere Diagnostik verneinte, fehlt es insgesamt an jedem objektiven Beleg für die Angaben des Klägers. Weil sich keine Ursache für den behaupteten Schwindel finden ließ, ist naturgemäß auch keine (rückschauende) Prognose möglich, dass die Schwindelanfälle voraussichtlich auf Dauer bestehen bleiben werden. Eine nichtkörperliche Ursache der angeblichen Schwindelanfälle hat der Kläger auch auf einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2021 nicht behauptet.

(b)

Der Kläger ist auch nicht wegen eines Karpaltunnelsyndroms berufsunfähig.

(aa)

Die Feststellung, dass im Oktober 2015 beim Kläger ein Karpaltunnelsyndrom bestand, das seine Berufstätigkeit einschränkte, vermochten beide Sachverständige nicht zu treffen. Insoweit lag als Befund lediglich eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit aus Dezember 2015 vor (Anlage K1 im Anlagenband Kläger), die zwar eine Erhöhung der Latenz (sprich: eine Reduzierung der Nervenleitgeschwindigkeit) ergab. Alleine hieraus kann jedoch nach der übereinstimmenden Einschätzung der Sachverständigen kein Rückschluss auf funktionelle Beeinträchtigungen gezogen werden, zumal in dem ärztlichen Bericht vom 7. Dezember 2015 zugleich aktuelle Sensibilitätsstörungen verneint wurden.

(bb)

Es steht aber auch nicht fest, dass dem Kläger die Fortsetzung seiner Berufstätigkeit über Oktober 2015 hinaus nicht zuzumuten war, weil sich dadurch sein Gesundheitszustand verschlechtert hätte und infolge des Karpaltunnelsyndroms dauerhafte Sensibilitätsstörungen sowie motorische Störungen mit der Folge einer Beeinträchtigung der Greiffunktion eingetreten wären.

(aaa)

„Schlummernde Erkrankungen“ führen grundsätzlich nicht zum Eintritt der Berufsunfähigkeit, wenn dadurch lediglich die Gefahr erhöht ist, dass der Versicherte eines Tages konkret erkrankt und infolgedessen seinen Beruf nicht mehr ausüben kann (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3.Aufl., Rn. 60). Die Grenze zur Berufsunfähigkeit wird allerdings bei fortschreitender Erkrankung dann überschritten, wenn durch die berufliche Tätigkeit ernsthafte Gesundheitsgefahren drohen. Ein Versicherungsnehmer ist infolge Krankheit dann nicht mehr zur Fortsetzung seiner zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit imstande, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung eine Fortsetzung der Berufstätigkeit unzumutbar erscheinen lässt. Letzteres ist dann der Fall, wenn sich die fortgesetzte Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers angesichts einer drohenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes als Raubbau an der Gesundheit und deshalb überobligationsmäßig erweist. Einem Versicherungsnehmer ist eine Fortsetzung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit dann nicht zuzumuten, wenn diese nachweislich bereits zu weitergehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat oder solche Schäden ernsthaft zu erwarten sind (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – IV ZR 5/11, VersR 2012, 1547; Senat, Urteil vom 27. März 2019 – 5 U 44/17, juris Rz. 85; Rixecker in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 46 Rn. 82).

Erforderlich für diese Annahme ist allerdings, dass bei Fortsetzung der bisherigen Berufstätigkeit in einem Umfang von bis zu 50% aufgrund nachgewiesener konkreter Beweisanzeichen die Prognose gestellt werden kann, es werde mit einem messbaren, rational begründbaren Grad von Wahrscheinlichkeit zu weiteren Gesundheitsschäden kommen. Ist es dagegen völlig offen, ob weitere Gesundheitsschäden eintreten, kann eine Berufsunfähigkeit nicht angenommen werden (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – IV ZR 208/99, VersR 2001, 89; Senat, Urteil vom 27. März 2019 – 5 U 44/17, juris Rz. 86; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., Rn. 109). Die Unzumutbarkeit der Berufsausübung muss außerdem einen spezifischen Zusammenhang mit den gerade durch die Tätigkeit verbundenen Gefahren aufweisen, es darf also nicht nur eine Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos drohen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – IV ZR 5/11, VersR 2012, 1547; Senat, Urteil vom 27. März 2019, aaO.; Urteil vom 8. Dezember 2010 – 5 U 8/10, VersR 2011, 1166).

(bbb)

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann die Feststellung nicht getroffen werden, beim Kläger wäre es bei Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit als Dachdecker mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu weiteren Gesundheitsschäden gekommen.

Zwar hat der Sachverständige Dr. F… hierzu bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens angegeben, es spreche „mehr dafür als dagegen“, dass beim Kläger dauerhaft Sensibilitätsstörungen in den Händen sowie motorische Störungen mit der Folge einer Beeinträchtigung der Greiffunktion aufgetreten wären, wenn er nach Oktober 2015 weiterhin als Dachdecker tätig geblieben wäre. Allerdings hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang auch eingeräumt, dass das Auftreten eines Karpaltunnelsyndroms für den Beruf als Dachdecker nicht als Berufserkrankung anerkannt ist, sondern nur für Akkordarbeiter in der Industrie und im fleischverarbeitenden Gewerbe. Dass es, wie der Sachverständige Dr. F… erläuterte, auch im Beruf des Dachdeckers sich ständig wiederholende manuelle Tätigkeiten gibt (wie das Anheben von Ziegeln mit einem Gewicht von 3-4 kg), kann eine abweichende Einschätzung nicht begründen, zumal auch der Sachverständige bei dem Kläger keine besondere angeborene Disposition für ein Karpaltunnelsyndrom festzustellen vermochte. Denn es gibt zweifellos eine Vielzahl anderer Berufe, in denen auch immer wieder repetitive manuelle Tätigkeiten ausgeführt werden müssen, ohne dass diesen Berufen eine Schadensgeneigtheit im Hinblick auf ein Karpaltunnelsyndrom zuerkannt würde.

Der Senat erachtet den erforderlichen Nachweis auch vor dem Hintergrund der in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. R… für nicht geführt, der die Prognose des Sachverständigen Dr. F… nicht zu teilen vermochte. Er verwies insbesondere auf den Umstand, dass die Mehrzahl der von einem Karpaltunnelsyndrom betroffenen Personen Frauen seien, bei denen Verschlechterungen nicht in Zusammenhang mit schweren manuellen Tätigkeiten stünden. Die Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. R…, die weitere Entwicklung des Karpaltunnelsyndroms beim Kläger bei Fortsetzung seiner beruflichen Tätigkeit als Dachdecker sei offen, wird maßgeblich – und entscheidend – dadurch gestützt, dass für den Beruf des Dachdeckers das Karpaltunnelsyndrom nicht als Berufskrankheit anerkannt ist, was auch der Sachverständige Dr. F… bestätigte. Weil bei dem Kläger keine besondere Disposition für einen schweren Verlauf festzustellen war, fehlt es an begründeten Anhaltspunkten für die Annahme, es werde sich aufgrund der Tätigkeit als Dachdecker bei ihm abweichend von dem üblicherweise zu Erwartenden eine die Berufsunfähigkeit begründende Verschlimmerung einstellen.

(c)

Sonstige orthopädische Beeinträchtigungen liegen nach den – auch vom Kläger nicht angegriffenen – Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. R… nicht in relevantem Umfang vor. Der Sachverständige diagnostizierte ein Cervicalsyndrom mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung, wobei die objektiven Veränderungen an der Halswirbelsäule gegenüber dem altersgemäß zu erwartenden Befund nur geringfügig vorauseilend und nicht sehr ausgeprägt seien (Gutachten vom 9. März 2020, S. 29 = Bl. 364 d. A.). Es liege eine Bandscheibenprotrusion in einem Segment vor, während die übrigen Halsbandscheiben keine wesentliche Veränderung zeigten. Eine berufliche Beeinträchtigung vermochte der Sachverständige nur im Umfang von 10 % zu sehen. Dieser sorgsam begründeten und einleuchtenden Schlussfolgerung schließt sich der Senat an.

4.

Ein Schadenersatzanspruch des Klägers besteht zwar im Hinblick auf die Versicherungsprämien, die er für den Vertrag mit der … aufgewendet hat. Er muss sich jedoch im Wege der Vorteilsausgleichung den von der Württembergischen erhaltenen Rückkaufswert anrechnen lassen, so dass im Ergebnis kein Schaden verbleibt.

a.

Nach dem oben unter 3.b. Ausgeführten war der Rat des Beklagten zum Abschluss des Vertrages mit der … schon deshalb pflichtwidrig, weil für den Kläger anfechtungsfester Versicherungsschutz wegen seiner Vorerkrankungen nicht zu erlangen war, so dass der Schadenersatzanspruch des Kläger gemäß § 61, § 63 VVG die an die … nutzlos gezahlten Prämien umfasst. Der vom Kläger insoweit begehrte Betrag von 1.422 Euro ist jedoch nicht schlüssig dargetan. Dieser entspricht 36 Beitragszahlungen zu je 39,50 Euro. Da der Vertrag jedoch nur knapp 34 Monate lief, nämlich vom 1. Dezember 2014 bis zur Anfechtung der … am 25. September 2017, und da die … eine Beitragsberechnung nur bis zu diesem Datum vorgenommen hat (vgl. Schreiben vom 25. September 2017, Anlage K7 im Anlagenband Kläger), kann der Kläger nicht mehr als 34 x 39,50 Euro = 1343,00 Euro an Prämien gezahlt haben.

b.

Auf diesen Betrag muss sich der Kläger den von der Württembergischen erhaltenen Rückkaufswert anrechnen lassen.

(1)

Nach den im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten – jedenfalls in gewissem Umfang – auch diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen, denn der Geschädigte soll an dem Schadensfall nicht „verdienen“ (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, NJW 2003, 2085). Sind dem Geschädigten in adäquatem Zusammenhang mit dem schadensursächlichen Lebenssachverhalt zugleich vermögensmäßige Vorteile entstanden, so sind diese schadensmindernd zu berücksichtigen, ohne dass es hierfür einer Einrede oder Gestaltungserklärung des Schädigers bedürfte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – III ZR 28/08, NJW-RR 2009, 603). Zur Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen ist mit Blick auf die dem Gesetz zugrunde liegende Differenzhypothese deshalb jeweils klärungsbedürftig, ob die dem Geschädigten zufließenden Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sind, sie also den Schädiger entlasten. Dazu genügt nicht, dass der aus dem schädigenden Ereignis herrührende Vorteil durch dieses adäquat-kausal verursacht worden ist. Vielmehr muss die Anrechnung dem Zweck der Ersatzpflicht entsprechen und ist eine unbillige Entlastung des Schädigers zu vermeiden. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise „gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein“ (BGH, Urteil vom 12. März 2007 – II ZR 315/05, NJW 2007, 3130; Urteil vom 15. April 1983 – V ZR 152/82, MDR 1983, 1009).

(2)

Danach ist gegenüber dem Nachteil des Klägers, die Beiträge für die von ihm nicht gewünschte und wegen der Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen letztlich auch wertlose Versicherung bei der … gezahlt zu haben, auch der Vermögensvorteil in Gestalt des ihm zugeflossenen Rückkaufswertes aus der beendeten Versicherung bei der Württembergischen zu berücksichtigen. Die Entscheidung für den Abschluss des erstgenannten und die Kündigung des zweitgenannten Vertrages beruhte auf derselben Beratung des Klägers durch den Beklagten. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der Rückkaufswert aus der BU-Versicherung bei der Württembergischen wäre dem Kläger in jedem Fall irgendwann ausgezahlt worden. Wie sich aus den vorgelegten Vertragsunterlagen ergibt, war der Vertrag mit einem zunächst ansteigenden, dann aber zum Ende der Laufzeit hin sinkenden und in den letzten fünf Vertragsjahren auf 0 Euro abfallenden Rückkaufswert kalkuliert. Bei einer regulären Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses wäre dem Kläger also gerade kein Rückkaufswert zugeflossen; dass er tatsächlich 1.414,09 Euro erhalten hat, war eine adäquate Folge der (fehlerhaften) Beratung durch den Beklagten, die im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen ist. Dieser Betrag übersteigt die Summe der Prämienzahlungen des Klägers an die ….

5.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten teilt das Schicksal der Hauptforderung.

6.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 3, 4, 9 ZPO, 148 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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