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Versicherungsmakler – Beratungspflichten bei Empfehlung eines Versicherungswechsels

Fehlerhafte Versicherungsberatung: Klägerin siegt vor Gericht

Das OLG Karlsruhe bestätigte, dass die Beklagte, eine Versicherungs- und Finanzanlagenberaterin, aufgrund unzureichender Beratung bei einem Versicherungswechsel schadensersatzpflichtig ist. Sie informierte die Klägerin nicht ausreichend über relevante Risiken und Unterschiede zwischen den Versicherungstarifen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 268/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Wichtige Punkte aus dem Urteil:

  1. Schadensersatzpflicht: Die Beklagte ist schadensersatzpflichtig für materielle Schäden, die durch die fehlerhafte Beratung beim Wechsel von einem Krankenversicherungsvertrag zum anderen entstanden sind.
  2. Beratungspflichten: Der Versicherungsmakler verletzte seine Beratungspflichten, indem er nicht auf wichtige Unterschiede in den Versicherungsbedingungen, insbesondere das Fehlen von Krankenhaustagegeld und Krankentagegeld im neuen Vertrag, hinwies.
  3. Pflichtverletzung: Die Beklagte unterließ es, die Klägerin über das Risiko einer unvollständigen Deckung durch den neuen Vertrag aufzuklären, was für die Klägerin als Selbständige essentiell war.
  4. Folgen der fehlerhaften Beratung: Die Klägerin erleidet materielle Schäden, da der neue Versicherungsvertrag bestimmte Risiken (z.B. Krankenhaus- und Krankentagegeld) nicht abdeckt.
  5. Kausaler Zusammenhang: Es wird angenommen, dass die Klägerin bei korrekter Beratung den Versicherungswechsel nicht vollzogen hätte.
  6. Kein Mitverschulden der Klägerin: Die Klägerin durfte auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Beratung vertrauen und ist daher nicht mitverschuldet.
  7. Umfang des Schadens: Die genaue Höhe des Schadens kann noch nicht beziffert werden, weshalb die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden relevant ist.
  8. Keine Revision zugelassen: Das Urteil ist abschließend, da eine Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen wird.

Haftung von Versicherungsmaklern bei Beratungsfehlern

Beratung Versicherung
(Symbolfoto:  G-Stock Studio/Shutterstock.com)

In der Versicherungsbranche ist das Thema Beratungspflichten von Versicherungsmaklern ein wesentlicher Aspekt, der sowohl für Klienten als auch für die Makler selbst von großer Bedeutung ist. Besonders im Fokus steht dabei, welche Verantwortung Versicherungsmakler tragen, wenn es um die Empfehlung eines Versicherungswechsels geht. Diese Fragestellung ist insbesondere dann relevant, wenn der Wechsel aufgrund einer fehlerhaften oder unzureichenden Beratung zu materiellen Schäden für den Versicherungsnehmer führt.

Gerade im Kontext von privaten Krankenversicherungen können solche Beratungsfehler gravierende Folgen haben, wie etwa den Verlust wichtiger Versicherungsleistungen oder finanzielle Nachteile durch unerwartete Beitragszuschläge. In diesem Spannungsfeld zwischen den Beratungspflichten des Maklers und den Interessen des Versicherungsnehmers bewegt sich auch das Urteil des OLG Karlsruhe, das sich mit einem konkreten Fall fehlerhafter Versicherungsmaklerberatung auseinandersetzt.

Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie das Gericht in diesem speziellen Fall entschieden hat und welche Auswirkungen dies für die Praxis der Versicherungsmakler und die Rechte der Versicherungsnehmer hat.

Die Rolle des Versicherungsmaklers: Beratungsfehler beim Versicherungswechsel

Das Oberlandesgericht Karlsruhe befasste sich kürzlich mit einem Fall, der die Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers in den Fokus rückte. Hierbei ging es um die Empfehlung zum Wechsel der Krankenversicherung, welche weitreichende Konsequenzen für eine selbstständige Augenoptikerin hatte.

Hintergrund: Unzureichende Aufklärung und ihre Folgen

Die Klägerin, eine selbstständige Augenoptikerin, vertraute auf den Rat der beklagten Versicherungsmaklerin und wechselte ihre Krankenversicherung. Der neue Vertrag bei einer anderen Versicherung enthielt allerdings nicht den gleichen Versicherungsschutz wie der vorherige. Insbesondere fehlten Leistungen wie Krankenhaustagegeld und Krankentagegeld. Diese Lücke im Versicherungsschutz und die fehlende Aufklärung über die Bedeutung der Gesundheitsfragen beim Wechsel führten zu einer rechtlichen Auseinandersetzung.

Rechtliche Bewertung: Verletzung der Beratungspflicht

Das Gericht stellte fest, dass die Versicherungsmaklerin ihre Beratungspflicht verletzt hatte. Als Versicherungsmaklerin hatte sie die Aufgabe, der Klägerin einen ihren Bedürfnissen entsprechenden Versicherungsschutz zu vermitteln. Der Makler hätte insbesondere über die Risiken des Wechsels, einschließlich der Deckungslücken im neuen Vertrag, aufklären müssen.

Das Urteil des OLG Karlsruhe: Konsequenzen für die Versicherungsmaklerin

Das Gericht erkannte auf eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der durch den Wechsel der Krankenversicherung entstanden ist und noch entstehen wird. Die Beklagte muss die Klägerin so stellen, als hätte sie den alten Versicherungsvertrag fortgeführt. Dies umfasst unter anderem den Ersatz für entgangene Krankenhaus- und Krankentagegeldleistungen.

Wichtige Lehren für Versicherungsmakler und Versicherungsnehmer

Dieses Urteil betont die Wichtigkeit einer umfassenden und korrekten Beratung durch Versicherungsmakler. Für Versicherungsnehmer unterstreicht es die Notwendigkeit, auf vollständige Informationen und Transparenz bei Versicherungswechseln zu achten. Es zeigt auf, dass eine unzureichende Beratung nicht nur zu finanziellen Einbußen, sondern auch zu rechtlichen Streitigkeiten führen kann.

In der Folge dieses Urteils ist es für Versicherungsmakler entscheidend, ihre Kunden detailliert über Vor- und Nachteile eines Versicherungswechsels aufzuklären. Für Versicherungsnehmer bedeutet es, bei Beratungsgesprächen aufmerksam zu sein und gegebenenfalls weitere Informationen einzufordern.

Ausblick: Das nachfolgende konkrete Urteil

Das Urteil des OLG Karlsruhe setzt einen wichtigen Präzedenzfall für ähnliche Fälle und dient als Orientierungspunkt für zukünftige Entscheidungen in der Versicherungsmaklerbranche. Es zeigt die Bedeutung der Einhaltung von Beratungspflichten und dient als Warnung für Makler, ihren Pflichten nicht nachzukommen. Mit Spannung wird erwartet, wie sich dieses Urteil auf die Praxis der Versicherungsmakler und die Rechtsprechung in ähnlichen Fällen auswirken wird.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was umfasst die Beratungspflicht eines Versicherungsmaklers?

Die Beratungspflicht eines Versicherungsmaklers umfasst verschiedene Aspekte. Vor dem Abschluss von Versicherungsverträgen muss der Makler den Kunden nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen und ihn unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und Prämien beraten. Dabei sollte der Rat auf einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherern basieren. Die Beratungspflicht ist abhängig vom Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers. Der Makler muss den Kunden auch auf mögliche Deckungslücken und wirtschaftliche Risiken hinweisen.

Nach Abschluss eines Versicherungsvertrages hat der Versicherungsmakler eine laufende Beratungs- und Betreuungspflicht. Er muss den Versicherungsschutz regelmäßig überprüfen, den Kunden auf Neuerungen hinweisen und bei Änderungen des Risikos über notwendige Anpassungen beraten. Dies gilt insbesondere für die Überprüfung, ob die Versicherungssummen noch angemessen sind oder einer Anpassung bedürfen.

Die Beratungspflicht richtet sich sowohl nach dem Versicherungsprodukt als auch nach den persönlichen Kenntnissen und Verhältnissen des Versicherungsnehmers. Bei besonderen Umständen, wie dem Besitz von Wertgegenständen oder Vorschädigungen, muss der Makler auf zusätzlichen Versicherungsschutz oder mögliche Leistungsminderungen im Versicherungsfall hinweisen.

Wenn der Versicherungsmakler seinen Kunden zu einer Umdeckung rät, muss er den Versicherungsnehmer über sämtliche Folgen des Wechsels aufklären.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 268/22 – Urteil vom 07.03.2023

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 09.09.2022, Az. 2 O 4/22, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei Eintritt des mit der —versicherung — zu der Vers.Nr. — vereinbarten Versicherungsfalls das im Tarif — bedingungsgemäß vereinbarte Krankenhaustagegeld in Höhe von 50,- €/Tag für die Dauer eines bedingungsgemäßen Krankenhausaufenthaltes und das im Tarif — bedingungsgemäß vereinbarte Krankentagegeld ab dem 29. Tag der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 100,- €/Tag zu zahlen.

Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen in der Vergangenheit entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schaden – mit Ausnahme der Mehrkosten auf Grund des Risikozuschlags für Erkrankungen der Speiseröhre und Folgen (Klageanträge Ziffer 1 bis 4) – aufgrund des durch die fehlerhafte Versicherungsmaklerberatung vom 21.11.2018 bedingten Wechsels vom Vertrag mit der —versicherung — (Nr. KV —) zum Vertrag mit der — (Nr. —) zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 46 % und die Beklagte 54 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus Versicherungsmaklerhaftung im Zusammenhang mit dem Wechsel der privaten Krankenversicherung der Klägerin.

Die Klägerin ist selbstständige Augenoptikerin. Die Beklagte ist Finanzanlagenberaterin und Versicherungsmaklerin.

Die Klägerin unterhielt bis Ende 2018 bei der —versicherung — (i.F.: —) eine Krankheitskostenvollversicherung im Tarif — mit einer Zusatzversicherung für Sehhilfen sowie ambulante und stationäre Kur- und Sanatoriumsbehandlungen, Krankenhaustagegeld und Krankentagegeld sowie einer privaten Pflegepflichtversicherung. Der vereinbarte Tarif sah für einen Versicherungsbeitrag ein Krankenhaustagegeld in Höhe von 50,- € pro Tag und ein Krankentagegeld ab dem 29. Tag in Höhe von 100,- € pro Tag vor.

Am 21.11.2018 fand sich die Klägerin mit ihrem Ehemann, dem Zeugen —, in den Büroräumen der Beklagten ein. Bei dieser Gelegenheit riet der Zeuge — der Klägerin, den Krankheitskostenversicherer zu wechseln. Der Ablauf des Beratungsgesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Zeuge — füllte den Antrag für den neuen Versicherungsvertrag mit der — (i.F.: —) für die Klägerin aus, woraufhin die Klägerin den Antrag „blind“ vor Ort unterzeichnete. Der kalkulierte Versicherungsbeitrag für die neue Versicherung lag bei 598,27 €.

Nachdem die — noch Nachfragen hatte, bestellte der Zeuge — die Klägerin unter dem 15.12.2018 erneut zur Unterschrift in die Büroräume der Beklagten ein.

Es kam dann zum 01.04.2019 zu einem Versicherungswechsel, wobei ursprünglich ein Wechsel zum 01.01.2019 avisiert war. Der Versicherungsbeitrag betrug 596,- €. Der von der Beklagten vermittelte Krankenversicherungsvertrag bei der — sieht weder ein Krankenhaustagegeld noch ein Krankentagegeld vor.

Anfang 2021 meldete die Klägerin der — einen Leistungsfall. Dies nahm die — zum Anlass, zu prüfen, ob die Klägerin den vorvertraglichen Anzeigepflichten genügt hat. Sie kam zu dem Ergebnis, dass ihr eine Vorerkrankung an einem Barett-Ösophagus verschwiegen worden war und trat mit Schreiben vom 30.06.2021 vom Versicherungsvertrag zurück (Anlage K 7). Die Klägerin konnte die Vertragsauflösung rückgängig machen, allerdings nur zu dem Preis eines rückwirkenden Risikozuschlages in Höhe von monatlich 190,63 €. Diesen erhob die — zeitgleich mit ihrem Schreiben vom 15.07.2021 (Anlage K 8). Mit Schreiben vom 21.08.2021 machte die — dementsprechend Nachforderungen in Höhe von 5.408,35 € geltend (Anlage K 9).

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Gesundheitsfragen, deren Bedeutung – insbesondere für eine mögliche Vertragsauflösung – ihr überhaupt nicht klar gewesen sei, habe der Berater ihr nicht vollständig vorgelesen. Er habe der Klägerin lediglich ein paar wenige Fragen gestellt. Auf Risiken oder mögliche Nachteile eines Wechsels habe der Berater nicht hingewiesen. Der Makler hätte Anlass gehabt, die Klägerin darüber aufzuklären, dass es bei jedem Krankenversicherer in einem Leistungsfall zu Abwicklungsproblemen kommen könne. Darüber, dass Vorerkrankungen beitragsrelevant seien und zu Zuschlägen führen könnten, sei die Klägerin nicht aufgeklärt worden. Auch insoweit sei die Beratung fehlerhaft gewesen. Ein weiteres wesentliches Kriterium sei die vorher und nachher gegebene Prämienbelastung, derentwegen der Versicherungsvermittler die notwendigen Daten zu ermitteln und eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage zu schaffen habe. Der Umstand, dass der neue Versicherungsvertrag keinen Versicherungsschutz für ein Krankenhaustagegeld oder ein Krankentagegeld vorsehe, sei der selbständigen Klägerin nicht erläutert worden. Der Vergleich des Vorversicherers mit gerade einmal drei weiteren Versicherern – ohne Hinweis auf die Gründe der eingeschränkten Auswahl – genüge nicht den gesetzlichen Vorgaben an eine Maklerberatung. Der Versicherungsvermittler müsse dem Versicherungsnehmer (auch) vom zeitlichen Prozedere her deutlich vor Augen führen, welche gravierenden Nachteile eine Kündigung der bestehenden Versicherung, ehe nicht das Zustandekommen des Neuvertrages mit den gewünschten Konditionen sicher gewährleistet sei, haben könne. Hinzuweisen sei auch auf die Möglichkeit der Prämienerhöhung wegen einer erneuten Gesundheitsprüfung.

Wäre die Klägerin ordnungs– und pflichtgemäß beraten worden, hätte sie niemals den Krankheitskostenversicherer gewechselt. Hätte sie um das Anfechtungsrisiko bei einer Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen gewusst, hätte sie den Krankenversicherer nicht gewechselt, jedenfalls nicht am gleichen Tage einen Versicherungsantrag unterschrieben, sondern sich bei ihrem damaligen Krankenversicherer eine Übersicht über die aufgezeichneten Behandlungen geben lassen. Sie hätte dann jedenfalls die Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.408,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 26.10.2021 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 328,89 € nebst Zinsen aus 109,63 € in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 26.10.2021 und aus 328,89 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von dem monatlichen Risikozuschlag i.H.v. 109,63 € wegen einer Vorerkrankung an einem Barett-Ösophagus aus dem Krankheitskostenversicherungsvertrag mit der — mit der Vers.Nr. — freizustellen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich entstandene Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.873,06 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 26.10.2021 zu zahlen.

5. Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen in der Vergangenheit entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen aus der fehlerhaften Versicherungsmaklerberatung vom 21.11.2018 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht von den Klageanträgen zu Ziffer 1. – 4 erfasst worden sind und soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

9. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den mit der —versicherung — zu der Vers.Nr. — vereinbarten Versicherungsfall der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit das im Tarif — bedingungsgemäß vereinbarte Krankenhaustagegeld i. H. v. 50,00 €/Tag für die Dauer eines bedingungsgemäßen Krankenhausaufenthaltes und das im Tarif — bedingungsgemäß vereinbarte Krankentagegeld ab dem 29. Tag der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit i. H. v. 100,00 €/Tag zu zahlen.

10. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin im Falle eines Rücktrittes vom, der Anfechtung des oder Kündigung des Krankheitskostenvollversicherungsvertrages bei der — mit der Vers.Nr. — wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung (Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen) vom Deckungsschutz so zu stellen als wäre sie weiterhin unter der vorg. Vers.Nr. bei der — in denselben Tarifen weiterhin versichert.

11. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin an weiteren außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten 1.728,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Im Zusammenhang mit der präsentierten „Tarifampel“ seien die unterschiedlichen Leistungen der bisherigen und der möglichen alternativen Versicherung besprochen worden.

Sie bestreite, dass der Zeuge — bei einem Beratungsgespräch am 21.11.2018 das Procedere eines Wechsels des privaten Krankenversicherers als „überhaupt kein Problem“ verharmlost und bei einem neuen Versicherungsantrag für eine Krankheitskostenversicherung bei der — die dortigen Gesundheitsfragen unvollständig abgefragt und schließlich außerdem erklärt habe, dass es bei dieser Versicherung mit der Krankheitskostenerstattung keinerlei Probleme gebe.

Der Zeuge — habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Alterungsrückstellungen nur zum Teil zum neuen Versicherer „mitgenommen“ werden könnten. Er habe die Klägerin auf die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag gemäß Anlage K 2 ausdrücklich hingewiesen und deren vollständige und richtige Beantwortung als zentrale Voraussetzung genannt, um spätere Probleme zu vermeiden. Er habe die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass die ihr präsentierte „Tarifampel“ und die genannten Versicherungsbeiträge nur dann Gültigkeit hätten, wenn die Klägerin keine Vorerkrankungen habe.

Weiter bestreite sie, dass die Klägerin den Abschluss einer Krankentagegeld- sowie einer Krankenhaustagegeld-Versicherung gewünscht habe.

Dem Klägervortrag lasse sich nicht entnehmen, welche kausalen Folgen die Klägerin aufgrund der angeblichen Pflichtverletzung der Beklagten für sich beanspruchen wolle.

Das Landgericht hat nach informatorischer Anhörung der Klägerin und Vernehmung der Zeugen — und — (vgl. Protokoll vom 11.07.2022, AS I 62 ff.) die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von Krankenhaustagegeld und Krankentagegeld für den mit der — vereinbarten Versicherungsfall der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit verurteilt und weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus der fehlerhaften Versicherungsmaklerberatung vom 21.11.2018 zu ersetzen. Die Beklagte hafte nach §§ 61, 63 VVG auf Ersatz der Schäden, die der Klägerin durch die Kündigung des Vertrags über die Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeldversicherung mit der — entstehen würden. Der Zeuge — sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seiner Hinweispflicht, dass die neue Versicherung keinen Versicherungsschutz für Kranken- und Krankenhaustagegeld beinhalte, nicht nachgekommen. Die Beklagte treffe daher als Versicherungsmaklerin eine der Erfüllungshaftung nahekommende Haftung im Sinne einer „Quasideckung“. Etwaige erlangte Vorteile seien erst im Rahmen eines etwaigen Folgeprozesses im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Zudem habe die Beklagte der Klägerin zukünftige Schäden zu ersetzen, die der Klägerin im Zusammenhang mit der Falschberatung entstanden seien. Jedenfalls im Hinblick auf das im Antrag nicht angegebene Hörgerät gehe das Gericht von einem Beratungsfehler der Beklagten aus.

Dagegen richtet sich die Beklage mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie vorträgt:

Selbst wenn man zugrunde lege, der seinerzeitige Geschäftsführer der Beklagten habe die Klägerin nicht sachgerecht aufgeklärt, sei die Beklagte nicht im Wege einer Quasideckung zur Erbringung der Versicherungsleistungen verpflichtet. Ein kausaler Nachteil sei der Klägerin aus dem Unterlassen der Beklagten nicht entstanden. Es sei nicht vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt, dass es der Klägerin nicht möglich (gewesen) sei, bei der — eine Krankenhaustagegeld- und/oder eine Krankentagegeld-Versicherung abzuschließen. Zudem sei nicht erst in einem Folgeprozess zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Versicherungsbeiträge erspart habe. Aufgrund des Tenors Ziffer 1 des angefochtenen Urteils sei für die Berücksichtigung solcher Vorteile in einem Folgeprozess kein Raum.

Der Verurteilung gemäß Urteilstenor Ziffer 2 mangele es an der erforderlichen Bestimmtheit. Zudem zeige der Vorwurf, die Beklagte habe sich pflichtwidrig verhalten, weil sie die Klägerin nicht auf die Notwendigkeit der Angabe von Hörgeräten im Rahmen der Gesundheitsfragen hingewiesen habe, keinen kausalen Schaden auf. Vielmehr sei das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche objektive Falschangabe die — nicht zur Anfechtbarkeit des Versicherungsvertrages berechtige. Die Hypothese, ein kausaler Schaden könne daraus erwachsen, dass die Klägerin sich zur Abwehr einer unberechtigten Anfechtung der — anwaltlicher Hilfe bedienen müsse, begründe kein Feststellungsinteresse. Denn bei bloßen möglichen Vermögensschäden setze ein Feststellungsinteresse voraus, dass die Wahrscheinlichkeit eines auf der Verletzungshandlung zurückführenden Schadens im Sinne einer Vermögensgefährdung bestehe.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 09.09.2022 die Klage – auch hinsichtlich des heute verlesenen Hilfsantrags – kostenfällig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise zum Klageantrag Ziffer 9 beantragt sie, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei Eintritt des mit der — versicherung — zu der Vers.Nr. — vereinbarten Versicherungsfalls das im Tarif — bedingungsgemäß vereinbarte Krankenhaustagegeld in Höhe von 50,- €/Tag für die Dauer eines bedingungsgemäßen Krankenhausaufenthaltes und das im Tarif — bedingungsgemäß vereinbarte Krankentagegeld ab dem 29. Tag der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 100,- €/Tag zu zahlen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt ergänzend vor:

Ein Eigen- oder Mitverschulden der Klägerin komme nicht in Betracht. Die Klägerin habe sich tatsächlich und überobligatorisch um die Eindeckung des Krankentagegeld-Risikos bei der — bemüht. Die — habe eine Eindeckung indes abgelehnt (Anlage K 22).

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat, auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber nur in geringem Umfang Erfolg.

1. Der Hauptantrag auf Krankenhaus- und Krankentagegeld ist als Leistungsantrag unzulässig.

a) Der als Leistungsantrag formulierte und entsprechend tenorierte Klageantrag Ziffer 9 ist unzulässig. Der Antrag ist auf Ersatz eines noch nicht entstandenen Schadens gerichtet, der von dem Eintritt des Versicherungsfalls der stationären Heilbehandlung (Krankenhaustagegeld) bzw. der Arbeitsunfähigkeit (Krankentagegeld) abhängig sind. Die Voraussetzungen einer Klage auf künftige Leistungen (§§ 257 ff. ZPO), insbesondere nach § 259 ZPO liegen nicht vor.

aa) Eine Klage auf zukünftige Leistung ist gemäß § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sich der Schuldner der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (BGH, Urteil vom 05.04.2001 – IX ZR 441/99, juris Rn. 24). Die Besorgnis der Leistungsverweigerung kann sich auf einen bedingten Anspruch beziehen, sofern abgesehen vom Eintritt der Bedingung die Verpflichtung des Schuldners zur Erbringung der künftigen Leistung in ihrem Bestand gewiss ist. § 259 ZPO ermöglicht aber nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs, sondern setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist (BAG, Urteil vom 22.10.2014 – 5 AZR 731/12, juris Rn. 40; BGH, Urteil vom 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 05.04.2001 aaO Rn. 25; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. § 259 Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. § 259 Rn. 4).

bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der geltend gemachte Anspruch ist auf Ersatz eines konkreten Vermögensschadens in Form von – der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalls entgehenden – Krankenhaus- und Krankentagegeldleistungen gerichtet. Er ist daher in seinem Bestand und seiner Höhe vom Eintritt des Versicherungsfalls der krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit (Krankentagegeld, § 192 Abs. 5 VVG) bzw. der medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung (Krankenhaustagegeld, § 192 Abs. 4 VVG), d.h. vom Eintritt eines derzeit noch ungewissen Ereignisses abhängig. Sind die Voraussetzungen, unter denen der eingeklagte Zahlungsanspruch entsteht, wie hier noch nicht hinreichend sicher zu beurteilen, kommt eine Klage nach § 259 ZPO nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 12.07.2006 aaO Rn. 12; BeckOK-ZPO/Bacher, 47. Ed. § 259 Rn. 4; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.12.1965 – VIII ZR 47/63, juris Rn. 15). Andernfalls würde die Prüfung des Eintritts des Versicherungsfalls als Voraussetzung der Leistungspflicht der Beklagten in das Vollstreckungsverfahren verlagert.

2. Dagegen ist der hilfsweise zum Leistungsantrag gestellte Feststellungsantrag zulässig und auch begründet.

a) Der Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten ist zulässig.

Die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise erklärte Beschränkung des Antrags durch die Berufungsbeklagte/Klägerin (Feststellungsklage statt Leistungsklage) war auch in der Berufungsinstanz als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig (BAG, Urteil vom 05.06.2019 – 10 AZR 100/18, juris Rn. 18 ff.).

Sind Gegenstand der Klage – wie hier – reine Vermögensschäden, ist bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts abhängig. Für die Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt, trägt die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 26.07.2018 – I ZR 274/16, juris Rn. 20 m.w.N.).

Dieser Darlegungslast genügt die Klägerin durch den Vortrag, dass der neue Vertrag bei der — keinen Versicherungsschutz in Form von Krankentagegeld und Krankenhaustagegeld bietet und aus diesem Grund für die Klägerin nachteilig ist. Der Darlegung einer auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogenen Vermögensdifferenz bedarf es nicht, da die Feststellungsklage die gerichtliche Vorklärung der Ansprüche gerade dann ermöglichen soll, wenn der Schaden – wie hier – ganz oder teilweise noch nicht berechnet werden kann (vgl. BGH aaO Rn. 23 f.).

b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Beklagte ist als Versicherungsmaklerin im Sinne von § 59 Abs. 3 VVG der Klägerin gegenüber nach §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 63 VVG zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der sich aus der fehlenden Deckung der Risiken der Arbeitsunfähigkeit und des Tagegeldes bei einer medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung infolge des Wechsels des privaten Krankenversicherers ergibt.

aa) Der Zeuge — hat seine Beratungspflichten schuldhaft verletzt.

(1) Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Risiko passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Wegen der umfassenden Pflichten des Versicherungsmaklers kann dieser für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (BGH, Urteil vom 22.05.1985 – IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, juris Rn. 11; Urteil vom 14.06.2007 – III ZR 269/06, juris Rn. 10; Urteil vom 16.07.2009 – III ZR 21/09, juris Rn. 8; Urteil vom 10.03.2016 – I ZR 147/14, juris Rn. 18). Empfiehlt der Versicherungsmakler – wie hier – den Wechsel einer Personenversicherung, hat er dem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung zu verschaffen (Senat, Urteil vom 15.09.2011 – 12 U 56/11, juris Rn. 48).

Die Beratungs- bzw. Hinweispflichtverletzung hat grundsätzlich der Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, wobei den Versicherungsmakler eine sekundäre Darlegungslast trifft (BGH, Urteil vom 10.03.2016 – I ZR 147/14, BGHZ 209, 256, juris Rn. 24). Allerdings kann die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 62 VVG zu Beweiserleichterungen des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr führen (BGH, Urteil vom 13.11.2014 – III ZR 544/13, BGHZ 203, 174, juris Rn. 18). Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so ist zugunsten des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass der betreffende Hinweis nicht erteilt worden ist, der Versicherungsvermittler mithin pflichtwidrig gehandelt hat (BGH, Urteil vom 13.11.2014 – III ZR 544/13, juris Rn. 18).

(2) Daran gemessen hat der Zeuge — seine Pflichten bereits deshalb verletzt, weil er es unterlassen hat, die Klägerin auf die fehlende Deckung des Risikos der Arbeitsunfähigkeit durch Krankentagegeldleistungen und des Risikos einer stationären Heilbehandlung durch Krankenhaustagegeldleistungen hinzuweisen. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs am 21.11.2018 selbständig tätig, über 50 Jahre alt und unterhielt eine private Krankenversicherung bei der —, welche eine Absicherung gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit durch Krankentagegeld und Krankenhaustagegeld beinhaltete. Vor diesem Hintergrund war die Empfehlung eines Wechsels des privaten Krankenversicherers ohne einen deutlichen Hinweis auf die fehlende Absicherung dieser Risiken in dem neuen Versicherungsvertrag pflichtwidrig.

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob Anlass des Gesprächs – wie die Klägerin geltend macht – lediglich ihre Angaben über die schleppende und ärgerliche Leistungsabwicklung der — war. In jedem Fall hätte deutlich auf die Deckungslücke des neuen Krankenversicherungsvertrags im Vergleich zum bisherigen Vertrag und die damit verbundenen Risiken hingewiesen werden müssen. Ebenso unerheblich ist, ob die Klägerin ausdrücklich den Wunsch geäußert hat, eine neue Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeldversicherung abzuschließen. Im Hinblick auf die im Vorvertrag bestehende Absicherung dieser Risiken und der existentiellen Bedeutung der Absicherung für die Klägerin als Selbständige hätte der Zeuge — auch ohne ausdrücklichen Wunsch der Klägerin auf die Deckungslücke in der neuen Versicherung hinweisen und die Klägerin über die sich daraus ergebenden Risiken aufklären müssen.

Zu einem solchen Hinweis ist es nach den Feststellungen des Landgerichts nicht gekommen. Hieran ist der Senat gebunden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht vorgenommenen Würdigung der Zeugenaussagen begründen und insoweit eine erneute Tatsachenfeststellung gebieten könnten, sind nicht ersichtlich und auch von der Berufung nicht dargetan (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Vielmehr stehen die Feststellungen im Einklang mit den protokollierten Zeugenaussagen. So konnte sich der Zeuge — nicht konkret daran erinnern, ob über eine Krankentagegeld- oder Krankenhaustagegeldversicherung gesprochen worden ist. Demgegenüber hat der Zeuge — ausgesagt, er und die Klägerin hätten erst im Nachhinein gemerkt, dass diese Absicherung in dem neuen Vertrag nicht enthalten war, der Zeuge — habe dazu nichts gesagt.

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Hinweispflicht hier bei der Beklagten liegt, da die Erteilung des Hinweises trotz der erheblichen Bedeutung dieser Deckungslücke für die Entscheidung der Klägerin und trotz der Komplexität des Versicherungsproduktes entgegen § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht dokumentiert worden ist. Die Beklagte ist hier bereits ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, da sie nicht substantiiert dazu vorgetragen hat, dass und in welcher Form die Klägerin auf das Fehlen einer Deckung des Arbeitsunfähigkeitsrisikos durch den neuen Vertrag bei der — hingewiesen worden ist. Die Beklagte hat lediglich in Abrede gestellt, dass die Klägerin den (Neu-)abschluss einer Krankentagegeld- bzw. einer Krankenhaustagegeldversicherung gewünscht habe (AS I 57), was indes aus den bereits dargelegten Gründen ohne Belang ist.

Allein mit der Präsentation des als Anlage zum Protokoll vom 11.07.2022 vorgelegten Leistungsvergleichs nebst Angebotsblatt (AS I 88 ff.) ist der Zeuge — seiner Hinweis- und Beratungspflicht nicht nachgekommen. Ein Krankentagegeldtarif war in dem Angebotsblatt für die private Krankenversicherung bei der — als Tarif — noch enthalten, wurde in der Folge bei der — jedoch nicht beantragt (Anlage K 2). Unabhängig von dem Inhalt des Leistungsvergleichs und des Angebotsblattes hätte es im Übrigen eines eindeutigen mündlichen Hinweises auf die Deckungslücke und die daraus für die Klägerin resultierenden Risiken bedurft, um sicherzustellen, dass die Klägerin diese in ihre Abwägung und Entscheidung über den Wechsel des privaten Krankenversicherers einbezieht.

(3) Das Verhalten des Zeugen — hat sich die Beklagte, so zutreffend das Landgericht, nach § 278 Satz 1 BGB zurechnen zu lassen. Aufgrund der objektiven Pflichtverletzung ist das Verschulden nach § 63 Satz 2 VVG zu vermuten; Anhaltspunkte, die den Zeugen — entlasten könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt.

bb) Durch die Pflichtverletzung ist der Klägerin ein Schaden entstanden, da sie bei pflichtgemäßer Beratung ihren Altvertrag bei der — nicht gekündigt hätte und ihr neuer Krankenversicherungsvertrag bei der — eine Absicherung in Form von Krankenhaustagegeld- und Krankentagegeldleistungen nicht umfasst.

(1) Nach der sogenannten Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2018 – I ZR 274/16, juris Rn. 29; Urteil vom 07.04.2016 – IV ZR 370/13, juris Rn. 14) ist davon auszugehen, dass die Klägerin bei einer pflichtgemäßen Information über die fehlende Absicherung durch ein Krankenhaus- und ein Krankentagegeld in der angebotenen Versicherung bei der — ihrem Vortrag entsprechend – ihren bestehenden Vertrag bei der — nicht gekündigt und den neuen Vertrag bei der — nicht abgeschlossen hätte. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht entkräften können.

Der Wechsel des privaten Krankenversicherers war für die selbständig tätige Klägerin bereits aufgrund der damit verbundenen Deckungslücke objektiv nachteilig. Der Vortrag der Klägerin, die Tagegelder hätten für sie als Selbständige existenzsichernde Funktion, weshalb sie bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung zu keinem Zeitpunkt den Krankenversicherer gewechselt hätte (AS I 17), ist plausibel. Hinzu kam das mit der Beantwortung von Gesundheitsfragen verbundene Risiko einer Anfechtung, eines Rücktritts bzw. der nachträglichen Geltendmachung von Risikozuschlägen durch die —, welches sich bei der Klägerin in der Folge realisiert hat. Zudem konnten, was die Beklagte selbst vorträgt (AS I 36), die Alterungsrückstellungen des Vorvertrags nur zum Teil – im Umfang der auf den Basistarif kalkulierten Rückstellungen (§ 204 Abs. 1 Nr. 2 a) VVG) – auf den neuen Versicherer übertragen werden.

Vorteile des neuen Vertrags, die diese Nachteile hätten kompensieren können, sind nicht erkennbar und auch von der Beklagten nicht dargelegt. Allein niedrigere Prämien für die neue Krankheitskosten- und Pflegeversicherung bei der — im Vergleich zu den Krankheitskosten- und Pflegeversicherungstarifen bei der — waren zum Ausgleich der dargestellten Nachteile nicht geeignet, was bereits der nachträglich von der — verlangte Risikozuschlag deutlich gemacht. Ein Selbstbehalt war – laut Leistungsvergleich (AS I 88 ff.) – in beiden Verträgen vereinbart, in dem alten in Höhe von 520,- € jährlich, in dem neuen in Höhe von „max. 20,- €“ für jeden Behandlungstag (bei ärztlichen, zahnärztlichen und Krankenhausleistungen sowie bei Heilmitteln) und für jedes Arznei- und Verbandmittel, was allenfalls bei jungen und gesunden Versicherten als klarer Vorteil gegenüber dem jährlichen Selbstbehalt gewertet werden kann.

(2) Der Vermögensschaden der Klägerin liegt hier jedenfalls in dem Verlust des Versicherungsschutzes durch Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeldleistungen.

(a) Ob ein Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach der sog. Differenzhypothese, also nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (BGH, Urteil vom 26.07.2018 – I ZR 274/16, juris Rn. 15; Urteil vom 26.09.1997 – V ZR 29/96, juris Rn. 25). Erforderlich ist dabei grundsätzlich ein vollständiger Vergleich der beiden Vermögenslagen (BGH, Urteil vom 26.07.2018 aaO Rn. 17). Aber auch dann, wenn die Differenzhypothese vordergründig nicht zu einem rechnerischen Minus führt, ist die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen. Erforderlich ist eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (BGH, Urteil vom 26.09.1997 aaO; Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, juris Rn. 17; jeweils m.w.N.). So kann bei der gebotenen wertenden Betrachtung ein Schaden etwa darin liegen, dass der Geschädigte einen Vertrag abgeschlossen hat, der für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH aaO Rn. 18).

(b) Ob bereits nach der Differenzhypothese ein Schaden vorliegt, da die Klägerin für ihren neuen Vertrag insgesamt höhere Prämien zahlt als sie bei Fortführung ihres alten Vertrags gezahlt hätte, kann offen bleiben. Ein Schaden liegt hier jedenfalls bei der gebotenen wirtschaftlichen und normativen Betrachtung in dem Verlust des Versicherungsschutzes für den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit (Krankentagegeld) und des stationären Krankenhausaufenthalts (Krankenhaustagegeld). Da die verletzte Beratungspflicht zum Inhalt hatte, der Klägerin einen ihren Interessen optimal angepassten Krankenversicherungsvertrag zu vermitteln und Deckungslücken auszuschließen, ist jedenfalls der Verlust des bisherigen Versicherungsschutzes durch Krankentagegeld und Krankenhaustagegeld als Vermögensschaden zu werten.

(3) Daher ist die Beklagte nach § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Krankenversicherung bei der — nicht gekündigt worden wäre (vgl. Senat, Urteil vom 15.09.2011 – 12 U 56/11, juris Rn. 69; BGH, Urteil vom 26.07.2018 – I ZR 274/16, juris Rn. 15). In diesem Fall stünde ihr bei Eintritt des mit der — vereinbarten Versicherungsfalls im Tarif — das vereinbarte Krankenhaustagegeld in Höhe von 50,- € pro Tag für die Dauer eines bedingungsgemäßen Krankenhausaufenthalts und im Tarif — das vereinbarte Krankentagegeld in Höhe von 100,- € pro Tag ab dem 29. Tag der Arbeitsunfähigkeit zu.

Bei Eintritt des Versicherungsfalls kommt, anders als die Beklagte meint (AS I 58), eine Anrechnung der ersparten Beiträge für die Krankentagegeld- und eine Krankenhaustagegeld-Versicherung bei der — nicht in Betracht. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Vorteile, die zwangsläufig mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen; sie sind daher Teil des Gesamtvermögensvergleichs und unmittelbar – nicht erst im Wege der Vorteilsausgleichung – in die Schadensberechnung einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2021 – IX ZR 9/21, juris Rn. 16; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. Vor § 249 Rn. 67). Im Rahmen des gebotenen Gesamtvermögensvergleichs ist indes ein mit der Pflichtverletzung der Beklagten zusammenhängender Vermögensvorteil der Klägerin, welcher den bei Eintritt des Versicherungsfalls entstehenden Schaden mindern könnte, nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch den Wechsel des Krankenversicherers Beiträge erspart hat. Vielmehr zahlt sie unter Berücksichtigung des nachträglichen Risikozuschlags für Erkrankungen der Speiseröhre in Höhe von monatlich 190,63 € bereits ab dem 01.04.2019 allein für die Krankenversicherungstarife (— und —) und den Pflegeversicherungstarif (—) einen deutlich höheren Gesamtbeitrag (773,25 €, vgl. Anlage K 8) als bei der — unter Einschluss sämtlicher Tarife (einschließlich — und —) zum Stand ab 01.04.2019 (737,17 €, vgl. Anlage K 19). Auch der aus dem Risikozuschlag resultierende Nachteil wäre ohne die Pflichtverletzung der Beklagten nicht eingetreten, da die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung ihren Vertrag bei der — nicht gekündigt hätte. Da die Beklagte der Klägerin umfassende Beratung und Aufklärung schuldete, haftet sie für alle mit der nachteiligen Entscheidung verbundenen Schäden (vgl. Senat, Urteil vom 15.09.2011- 12 U 56/11, juris Rn. 69). Der Risikozuschlag ist daher im Rahmen des bei der Schadensberechnung gebotenen Gesamtvermögensvergleichs zu berücksichtigen.

Dem steht nicht entgegen, dass der aus dem Risikozuschlag resultierende Nachteil nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Das Landgericht hat – insoweit rechtskräftig – die mit den Klageanträgen 1 bis 3 geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz des von der — erhobenen Risikozuschlags mit der Begründung abgewiesen, dass sich der Risikozuschlag nicht als Folge einer mangelnden Belehrung über die Bedeutung der Gesundheitsfragen durch den Zeugen — und einer darin liegenden Pflichtverletzung darstellt. Die der Teilabweisung zugrunde liegende Begründung des erstinstanzlichen Urteils, der Risikozuschlag sei nicht kausale Folge einer Pflichtverletzung der Beklagten, ist indes als bloße Vorfrage nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl. Vor § 322 Rn. 31, 33). Rechtskräftig abgewiesen ist im Übrigen nur ein etwaiger Anspruch auf Ersatz des in der höheren Zahlungspflicht der Klägerin liegenden Vermögensnachteils. Demgegenüber ist hier im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs zu berücksichtigen, dass der Klägerin durch den Vertragswechsel – auch infolge des Risikozuschlags – kein nach der Differenzhypothese anzurechnender Vermögensvorteil durch niedrigere Gesamtprämien entstanden ist.

cc) Ein Mitverschulden nach § 254 BGB muss sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen.

(1) Ein solches kann nicht daraus abgeleitet werden, dass für die Klägerin aus den vor, bei und nach Vertragsschluss überlassenen Vertragsunterlagen und Informationen, etwa aus dem von ihr unterzeichneten Antrag, die Deckungslücke erkennbar war. Die Klägerin traf auch keine Obliegenheit, sich durch Nachfrage bei dem Zeugen — zu vergewissern, dass die in der alten Versicherung abgedeckten Leistungen auch in dem neuen Vertrag enthalten sind.

Eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Selbstinformation ist grundsätzlich mit dem Schutzzweck der Beratungspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht zu vereinbaren, da hiermit der Versicherungsnehmer in die Lage versetzt werden soll, auf Grundlage der Beratung das Angebot zu beurteilen und seine Entscheidung in Kenntnis der wesentlichen Umstände zu treffen (BGH, Urteil vom 30.11.2017 – I ZR 143/16, juris Rn. 20, 22; Dörner in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. § 63 Rn. 15). Wer einen sachkundigen Berater hinzuzieht, gibt zu erkennen, dass er auf dem betreffenden Fachgebiet nicht die erforderlichen Kenntnisse hat und auf fremde Hilfe angewiesen ist, so dass sein Vertrauen besonderen Schutz verdient. Der Einwand eines Mitverschuldens kommt daher nur unter besonderen Umständen in Betracht, etwa wenn Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet wurden oder wenn im Hinblick auf die Interessenlage, in der der Interessent und der Vermittler in vertragliche Beziehungen zueinander treten, solche besonderen Umstände vorliegen (so bereits Senat, Urteil vom 15.09.2011 – 12 U 56/11, juris Rn. 77; BGH, Urteil vom 30.11.2017 aaO Rn. 21). Dieses berechtigte Vertrauen steht einer grundsätzlichen Obliegenheit des Versicherungsnehmers entgegen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Vermittlers anhand der ihm übergebenen Unterlagen zu überprüfen.

Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind hier nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte keinen Grund, von einem Informationsdefizit auszugehen, sondern durfte darauf vertrauen, dass ihre Absicherung durch die angebotene private Krankenvollversicherung bei der — in den wesentlichen Punkten der vorherigen Absicherung entspricht.

Im Übrigen war die Deckungslücke für die Klägerin weder aus dem Leistungsvergleich noch aus dem Angebotsblatt (Anlage zum Protokoll vom 11.07.2022, AS I 88 ff.) erkennbar; in dem umfänglichen, mehrere kleinbedruckte Seiten umfassenden Leistungsvergleich fehlte bereits eine Hervorhebung dieser Punkte, in dem Angebotsblatt war ein Krankentagegeldtarif der — enthalten, der in der Folge nicht beantragt worden war. Aus den im Antrag aufgeführten Tarifbezeichnungen konnte die Klägerin jedenfalls nicht auf den ersten Blick entnehmen, dass hierin keine Krankenhaus- und Krankentagegeldleistungen enthalten waren. Gleiches gilt für die Tarifbezeichnungen in dem der Klägerin übersendeten Versicherungsschein der —, welche keine näheren Erläuterungen der davon umfassten Leistungen enthielten. Weshalb sich aus der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Inhaberin eines Optiker-Geschäfts – wie die Beklagte geltend macht (AS I 58) – eine nähere Kenntnis der Tarifbezeichnungen, insbesondere der Krankenhaustagegeld- und der Krankentagegeld-Tarife, eines Privatversicherers ergeben soll, ist nicht nachvollziehbar.

(2) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Klägerin hätte im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht eine Krankenhaustagegeld- und eine Krankentagegeld-Versicherung auch nachträglich abschließen können und müssen. Die Vorschrift des § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter HS BGB setzt voraus, dass es der Geschädigte schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Erforderlich ist ein Verschulden gegen sich selbst, also die Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden Obliegenheit. Von der Verletzung einer solchen Obliegenheit kann nur ausgegangen werden, wenn der Geschädigte unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch an der Stelle des Geschädigten zur Schadensabwehr oder -minderung ergreifen würde (BGH, Urteil vom 17.11.2020 – VI ZR 569/19, juris Rn. 7). Nach diesen Maßstäben oblag es der Klägerin nicht, sich um eine Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeldversicherung bei der — oder einem anderen Versicherer zu bemühen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beitragsbelastung der Klägerin infolge des Wechsels des privaten Krankenversicherers und des vereinbarten Risikozuschlags bereits deutlich höher ist als die Gesamtbeitragsbelastung der Altversicherung bei der —. Zudem würde der Abschluss solcher Zusatztarife den Schaden durch die zusätzliche Beitragslast bis zum Eintritt des – nicht vorhersehbaren – Versicherungsfalls erhöhen und nicht vermindern, so dass die Klägerin die zusätzlichen Beiträge wiederum als weiteren Schaden gegenüber der Beklagten hätte geltend machen müssen. Damit hätte sie sich dem Risiko ausgesetzt, dass die Beklagte eine Ersatzpflicht mit der Begründung ablehnt, dass der Abschluss der Zusatztarife auf einer Entscheidung der Klägerin beruhe, der Beklagten mithin nicht zurechenbar sei. Entscheidend ist, dass nicht prognostiziert werden kann, ob der nachträgliche Abschluss einer Krankenhaustagegeld- und eine Krankentagegeld-Versicherung den durch die Pflichtverletzung der Beklagten verursachten Schaden langfristig erhöht oder vermindert. Daher ist die Entscheidung der Klägerin gegen einen solchen Abschluss nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten.

Im Übrigen hat die für ein Mitverschulden der Klägerin darlegungs- und beweispflichtige Beklagte bereits nicht substantiiert vorgetragen, dass der Klägerin der nachträgliche Abschluss dieser Tarife bei der — oder einem anderen Versicherer zu einem der Klägerin zumutbaren Beitrag möglich war. Vielmehr ergibt sich aus der von der Klägerin als Anlage K 22 vorgelegten E-Mail vom 18.11.2022, dass jedenfalls die — unter Verweis auf die „vorhandenen Erkrankungen“ und die sich daraus ergebende hohe Rezidivgefahr die Mitversicherung eines Krankenhaustagegeldes und eines Krankentagegeldes abgelehnt hat.

dd) Der Einwand der Berufung, der Beklagten seien mit der Tenorierung unter Ziffer 1 des angefochtenen Urteils sämtliche Einwendungen abgeschnitten, greift gegenüber der im hiesigen Urteil tenorierten Feststellung nicht. Die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils steht dem Mitverschuldenseinwand und sonstigen Einwendungen nur dann entgegen, wenn die dem jeweiligen Einwand zugrunde liegenden Tatsachen bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorlagen (BGH, Urteil vom 14.06.1988 – VI ZR 279/87, juris Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. § 256 Rn. 4a und § 322 Rn. 10).

3. Zu Recht hat das Landgericht unter Ziffer 2 des Tenors die Ersatzpflicht der Beklagten für bereits entstandene und zukünftige Schäden aus der fehlerhaften Versicherungsmaklerberatung vom 21.11.2018 festgestellt.

a) Der Feststellungsantrag ist zulässig.

aa) Dem steht der Vorrang der Leistungsklage nicht entgegen, da die Klägerin den durch die Pflichtverletzung entstandenen Gesamtschaden noch nicht beziffern kann. Ist – wie hier – die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen, kann die Klagepartei in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (BGH, Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14, juris Rn. 6 m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. § 256 Rn. 7a).

bb) Ohne Erfolg rügt die Beklagte, es seien die bereits in der Vergangenheit erlittenen Nachteile und die schadensursächliche Pflichtverletzung zu präzisieren. Bei einer nicht abgeschlossenen Schadensentstehung ist die Klagepartei nicht gehalten, bereits entstandene Schäden zu beziffern oder in anderer Form zu konkretisieren (s.o.). Die Pflichtverletzung ist unter Bezugnahme auf die streitgegenständliche Beratung vom 21.11.2018 hinreichend umschrieben. Zur weiteren Präzisierung ist im Tenor lediglich klarzustellen, dass die Schäden zu ersetzen sind, welche durch den Wechsel des Krankenversicherungsvertrags entstanden sind bzw. zukünftig noch entstehen.

cc) Auch insoweit steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, dass sie auf reine Vermögensschäden gerichtet ist. Die Klägerin hat die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines weiteren – über den Verlust des Versicherungsschutzes durch Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeldleistungen hinausgehenden – Vermögensschadens dargetan.

(1) Jedenfalls für den hiesigen Fall eines Beratungsfehlers und einer dadurch bedingten Entscheidung über die Umschichtung bzw. den Wechsel eines komplexen Versicherungsprodukts kann die Darlegungslast nicht überspannt werden. In diesem Fall spricht die Gefahr der Verjährung des Gesamtanspruchs für eine großzügige Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte die Wahrscheinlichkeit eines Vermögensschadens hinreichend dargelegt hat (BGH, Urteil vom 26.07.2018 – I ZR 274/16, juris Rn. 26).

(2) Daran gemessen ist es ausreichend, dass sich die Klägerin auf das erhöhte (generelle) Anfechtungsrisiko im Hinblick auf die Beantwortung der Gesundheitsfragen bei Abschluss des neuen Vertrags mit der — beruft. Damit ist eine Vermögensgefährdung substantiiert dargetan. Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin über den aus der Deckungslücke resultierenden Schaden hinaus, welcher bereits Gegenstand des Tenors Ziffer 1 ist, und unter Ausklammerung des bereits rechtskräftig aberkannten Anspruchs auf Erstattung des Risikozuschlags weitere Vermögensnachteile entstehen werden. So ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin jedenfalls im Zusammenhang mit dem bei der Antragstellung gegenüber der — nicht angegebenen Hörgerät weitere Nachteile infolge des Versicherungswechsels entstehen können. Im Antragsformular wurde die Gesundheitsfrage lit. E. (“Besteht Hilfsmittelbedarf oder bestehen Defizite körperlicher oder geistiger Art?“) mit „nein“ beantwortet. Diese Antwort war objektiv unzutreffend, da die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung auf ein Hörgerät angewiesen war. Aber auch im Hinblick auf die weiteren Angaben zu den Gesundheitsfragen ist es – auch nach Ablauf der Frist von drei Jahren nach Abschluss des Vertrags mit der — (§ 194 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG) – möglich, dass die — die Beantwortung der Gesundheitsfragen zukünftig zum Anlass nimmt, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu erklären (§ 22 VVG). Ob der — ein Anfechtungsrecht zusteht und mit Erfolg durchgesetzt werden kann, ist im Rahmen der Feststellungsklage unerheblich. Ausreichend ist die aus dem generellen Anfechtungsrisiko folgende hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Klägerin Vermögensnachteile, ggf. auch nur in Form von Rechtsanwaltskosten, durch die Pflichtverletzung zukünftig entstehen werden. Die von der Klagepartei geforderte Erklärung des Inhalts, dass alle Vorerkrankungen und Diagnosen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer Rücktritts-, Kündigungs- und/oder Anfechtungsmöglichkeit geprüft und verneint worden sind, hat die — mit Schreiben vom 18.11.2021 (Anlage K 18) abgelehnt.

b) Der Antrag auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten ist auch begründet.

aa) Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus den bereits oben (unter 1 b) dargelegten Gründen ein Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung der Pflicht zum Hinweis auf die fehlende Deckung des Krankenhaustagegeld- und des Krankentagegeldschutzes dem Grunde nach zu. Da die Beklagte der Klägerin umfassende Beratung und Aufklärung schuldete, haftet sie für alle mit dem Versicherungswechsel verbundenen Schäden, selbst wenn sie ihre Pflicht nur hinsichtlich einzelner aufklärungsbedürftiger Punkte verletzt hat (vgl. Senat, Urteil vom 15.09.2011 – 12 U 56/11, juris Rn. 69; BGH, Urteil vom 15.01.2009 – IX ZR 166/07, juris Rn. 14).

Auf die Frage, ob der Zeuge — auch seine Pflichten zur Aufklärung über die Bedeutung der Gesundheitsfragen verletzt hat, kommt es daher nicht entscheidend an. Nach den – von der Berufung unangegriffenen – Feststellungen des Landgerichts, welche im Berufungsverfahren zugrunde zu legen sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), liegt allerdings eine weitere Pflichtverletzung jedenfalls darin, dass der Zeuge, obwohl er bei dem Beratungsgespräch Kenntnis von dem Hörgerät der Klägerin hatte, sie nicht darauf hingewiesen hat, dass es sich dabei um ein Hilfsmittel im Sinne der Antragsfrage lit. E handelte.

bb) Daher ist die Beklagte verpflichtet, die Klägerin so zu stellen wie sie stehen würde, wenn sie den Krankenversicherungsvertrag nicht gewechselt, also den Vertrag mit der — fortgeführt hätte. Hiervon ausgenommen sind die mit den Klageanträgen Ziffer 1 bis 4 geltend gemachten, durch das angefochtene Urteil bereits rechtskräftig abgewiesenen Ansprüche auf Erstattung des Risikozuschlags (für Erkrankungen der Speiseröhre und Folgen).

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Kosten für das Berufungsverfahren hat die Beklagte zu tragen. Zwar wurde auf den Klageantrag Ziffer 9 die Leistungspflicht der Beklagten in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung lediglich feststellt. Die Unsicherheit des zukünftigen Eintritts des Versicherungsfalls und der Realisierung des Schadens der Klägerin war aber bereits von der Klägerin selbst durch einen Abschlag von 80 % bei der Bewertung ihres Interesses berücksichtigt worden (Schriftsatz vom 21.12.2021, S. 4, AS I 18); dementsprechend ist der Streitwert für den erstinstanzlichen Klageantrag Ziffer 9 mit nur 5.475,- € anzusetzen (182,5 x 150,- €, davon 20 %). Daher rechtfertigt die Abänderung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils eine Kostenquote zu Lasten der Klägerin nicht.

Bei der Kostenquote für die erste Instanz war dagegen zugunsten der Beklagten die Korrektur der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für den Klageantrag Ziffer 5 zu berücksichtigen. Der Feststellungsantrag Ziffer 5 wurde von der Klagepartei mit dem Risiko einer Anfechtung des neuen Vertrags durch die — im Hinblick auf die Beantwortung der Gesundheitsfragen begründet (AS I 11). Im Hinblick auf die Unsicherheit einer Anfechtung ist insoweit ein Feststellungsabschlag von 50 % vorzunehmen, so dass für diesen Antrag ein Streitwert in Höhe von 12.558,- € anzusetzen ist (598,- € x 42 Monate, davon 50 %). Daraus ergibt sich ein Gesamtstreitwert für die erste Instanz in Höhe von 33.398,02 € und bei einem Obsiegen der Klägerin im Umfang von 18.033,- € (12.558,- € + 5.475,- €) eine Kostenquote von 54 % zu Lasten der Beklagten und 46 % zu Lasten der Klägerin.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 713 ZPO liegen nicht vor, da die Beschwer der Beklagten nicht zweifelsfrei unter der Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. § 713 Rn. 3).

3. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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