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Ruheversicherung – Unterbringung stillgelegtes Motorrad – Obliegenheitsverletzung

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 14 U 143/16 – Urteil vom 23.12.2016

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17.06.2016, Az. 302 O 320/15, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 12.250,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Versicherungsgesellschaft auf Kaskoentschädigung wegen des in der Nacht auf den 20.11.2014 erfolgten Diebstahls seines vorübergehend stillgelegten Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen … in Anspruch, das in dem auf seinem Grundstück in Dassendorf befindlichen Carport abgestellt war. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob der Kläger die ihm gemäß lit. H.1.5 der vereinbarten AKB (Anl. K 5) obliegenden Pflichten bei der Ruheversicherung eingehalten hat.

Das Landgericht hat der Klage nach Anhörung des Klägers und Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin mit folgender Begründung stattgegeben: Nach der übereinstimmenden und glaubhaften Schilderung der Eheleute stehe fest, dass die Yamaha des Klägers im rechten hinteren Bereich des Carport abgestellt gewesen sei, davor habe sich das in derselben Nacht ebenfalls entwendete Motorrad seiner Ehefrau befunden. Wegen des vor den Motorrädern parallel zum Bürgersteig aufgebauten Pflanztisches und des links neben ihnen geparkten PKW dürfe der Carport als ein umfriedeter Abstellplatz im Sinne der Klausel in lit. H. 1.5 der vereinbarten AKB (Anl. K 5) anzusehen sein, sodass dem Geschädigten eine Obliegenheitsverletzung im Rahmen der mit der Beklagten vereinbarten Ruheversicherung nicht vorzuwerfen sei. Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, treffe ihn allenfalls leichte Fahrlässigkeit, weil er eine Zugangssperre geschaffen habe, die er gegenüber den nach den Versicherungsbedingungen geforderten Sicherungsmaßnahmen für gleichwertig halten durfte. Schließlich zeige die kaltblütige Begehungsweise der Entwendung und die Tatsache, dass in der Umgebung des Klägers im Tatzeitraum noch drei weitere Motorräder gestohlen wurden, dass die Täter auch bei einer unstreitig bedingungsgemäßen Sicherung, beispielsweise durch eine Kette zwischen den Trägern des Carports, nicht von der Ausführung ihres Planes abgesehen hätten.

Auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird ergänzend gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie meint, der Vortrag der Eheleute zum Standort des Pflanztisches sei unglaubhaft, zumal davon vorprozessual niemals die Rede gewesen sei. Jedenfalls habe der Kläger vorsätzlich eine Obliegenheit zur Gefahrminderung verletzt, denn der Tisch stelle weder eine körperliche noch psychologische Sperre dar, wie sie für einen umfriedeten Abstellplatz erforderlich sei. Auch der zur Tatzeit im linken Bereich des Carport abgestellte PKW stelle keine geeignete Zugangssperre in diesem Sinne dar.

Ruheversicherung - Unterbringung stillgelegtes Motorrad
(Symbolfoto: Nejron Photo/Shutterstock.com)

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist nochmals auf die professionelle Tatbegehung des Diebstahls hin, der durch das Anbringen einer Kette seines Erachtens nicht verhindert worden wäre. Eine solche hätte sogar einen geringeren Schutz geboten als im konkreten Fall die Zugangsbehinderung durch den Pflanztisch mit den darauf befindlichen Pflanzen und Töpfen.

Dem Kläger sei auch kein Verschulden vorzuwerfen. Der PKW seiner Ehefrau werde nur tagsüber genutzt. Ein Diebstahl der Motorräder durch die dadurch entstehende Öffnung im linken Bereich des Carports sei nicht zu befürchten gewesen, weil es sich um eine ruhige Anliegerstraße ohne Durchgangsverkehr handele, wo ausschließlich „Bürgertum“ wohnhaft sei, dem unwillkommene Personen am Tage sofort auffallen würden.

Zum Vortrag der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gelangten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein Entschädigungsanspruch aus der Teilkaskoversicherung gegen die Beklagte nicht zu. Diese ist wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei geworden.

1. Der Kläger hat nachvollziehbar erläutert, dass er den Standort des Pflanztisches vorprozessual nicht erwähnt habe, weil er diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen habe und danach auch nicht gefragt worden sei. Dafür, dass es sich bei den im vorliegenden Verfahren gemachten Angaben des Klägers und seiner Ehefrau zur Position des Pflanztisches um angepasste Behauptungen handelt, die nicht der Wahrheit entsprechen, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Parteianhörung oder Zeugenvernehmung zu wiederholen. Die Sachverhaltsschilderung des Geschädigten und seiner Ehefrau war somit der rechtlichen Beurteilung auch in der Berufungsinstanz zu Grunde zu legen.

2. Der Senat bleibt auch angesichts der ergänzenden Ausführungen des Geschädigten im Berufungstermin bei seiner im Hinweis vom 25.10.2016 dargelegten Ansicht, wonach der Kläger sein vorübergehend stillgelegtes Motorrad vor dessen Entwendung nicht entsprechend der für die Ruheversicherung geltenden Versicherungsbedingung lit. H.1.5 AKB an einem umfriedeten Abstellplatz untergebracht hatte. Maßgeblich für die Auslegung dieser Versicherungsbedingung ist die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig – unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs – würdigt. Unter Beachtung dieser Grundsätze und des allgemeinen Sprachgebrauchs versteht man unter dem Begriff Umfriedung, worauf auch der in dem Klammervermerk der zitierten Versicherungsklausel beispielhaft erwähnte geschlossene Hofraum hindeutet, eine gewisse Umhegung des betreffenden Bereichs, die sich als einheitliche Sperrvorrichtung gegen das Betreten durch Unbefugte darstellt, wobei allerdings eine lückenlose Umgrenzung nicht verlangt wird. In der Rechtsprechung (vgl. die Hinweise bei Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl., AKB 2008 H. 1, Rdnr. 5) werden beispielsweise Mauern, Zäune, Hecken oder Gräben zur Abgrenzung vom öffentlichen Straßenbereich als tatbestandsmäßig angesehen. Auch eine zwischen den Trägern eines Carports eingehängte stabile Metallkette wurde als ausreichende Schutzvorrichtung in diesem Sinne anerkannt (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 2009, 1332, 1234). Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es dabei allerdings nicht darauf an, wie beschwerlich sich die Überwindung des gewählten Zugangshindernisses darstellt.

Die vom Kläger und seiner Ehefrau übereinstimmend geschilderte und aus den angefertigten Skizzen (Bl. 39, 98 d. A.) ersichtliche Begrenzung des Motorradstellplatzes zum Straßenbereich durch einen parallel aufgestellten Pflanztisch von 80 bis 100 cm Breite nebst darauf befindlichen Töpfen und Pflanzen stellt keine typische Einhegung in diesem Sinne dar, die für jedermann als Barriere erkannt wird, um Unbefugte von dem Zutritt zu dem dahinterliegenden Grundstücksbereich fernzuhalten. Der Sinn und Zweck eines Pflanztisches, dessen Aussehen und Ausmaße sich im konkreten Fall aus den von der Beklagten eingereichten Lichtbildern (Anl. B 1, Seite 4 und 5) ergeben, ist regelmäßig nicht darin zu sehen, als Zugangssperre oder Diebstahlshindernis zu dienen. Das Regal bot nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch keine vor Diebstahl schützende psychologische Hemmschwelle, die mit einer Gartenpforte oder Absperrkette vergleichbar wäre. Das aus dem Foto 2 der Anlage B 1 ersichtliche Carport blieb trotz der geschilderten Anordnung des Pflanztisches zum nahe liegenden öffentlichen Straßenbereich weitgehend offen und frei zugänglich. Eine ausreichende Schutzeinrichtung vermag der Senat darin nach allem nicht zu erkennen. Der Kläger hat somit seine Pflichten gemäß lit. H.1.5 der AKB verletzt.

3. Bei der gewählten Abstellart verstieß der Kläger auch vorsätzlich gegen die aus der Ruheversicherung resultierenden Obliegenheiten, mit der Folge, dass gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1, lit. D.3.1 Satz 1 AKB der Versicherungsschutz entfiel. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass in diesem Zusammenhang bereits bedingter Vorsatz des Versicherungsnehmers ausreichend ist und auch Handeln „ins Blaue hinein“, ohne das eingegangene Risiko zu erwägen, genügt.

Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Der Geschädigte hat sich offenbar keine Gedanken über die ihm obliegenden Pflichten im Rahmen der Ruheversicherung seines Motorrads gemacht. Dies zeigt der Umstand, dass er in Zeiten, in denen die Zeugin … ihren unter dem Carport abgestellten PKW nutzte, auf der linken – zum Wohnhaus gerichteten – Seite zweifelsfrei keine ausreichende Umfriedung im Sinne der genannten AKB herstellte. Soweit der Kläger im Prozess einwendet, der aufgestellte Pflanztisch habe sogar einen größeren Schutz als die in der Rechtsprechung für ausreichend erachtete Absperrkette gebildet, handelt es sich um eine nachträgliche Argumentation, aus der sich nicht ergibt, dass er sich bereits vor dem Diebstahl mit dem von ihm geforderten Verhalten auseinandergesetzt hätte. Sein Verweis auf das gute Nachbarschaftsverhältnis in seinem Wohnbereich und das beträchtliche Gewicht des Fahrzeugs, das nur mit zwei kräftigen Personen, einem Hubmittel und Transportfahrzeug habe entwendet werden können, deutet vielmehr darauf hin, dass er Überlegungen in Bezug auf bedingungsgemäße Sicherungsmaßnahmen des Carport, um Dritten den Zutritt zu erschweren und Diebstähle des Inhalts zu verhindern, überhaupt nicht angestellt hat.

4. Schließlich trägt der Einwand des Klägers nicht, ein etwaiger Verstoß gegen vertragliche Obliegenheitspflichten sei jedenfalls nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalles geworden. An den Kausalitätsgegenbeweis im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG, lit. D.3.2 Satz 1 der AKB, der dem Versicherungsnehmer obliegt, sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Prölss/Martin, a.a.O. § 28 VVG Rdnr. 147). Standen dem Versicherungsnehmer mehrere Alternativen zur Erfüllung der gefahrmindernden Obliegenheit zu Gebote, so entfällt die Kausalität, wenn die Wahl irgendeiner der Alternativen den Eintritt des Versicherungsfalles nicht vermieden hätte. Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, dass er alternative Sicherungsmaßnahmen seines Carports und ggfs. welche überhaupt in Betracht gezogen hat. Er nimmt im vorliegenden Verfahren lediglich dazu Stellung, dass die im Falle des OLG Schleswig für ausreichend erachtete Begrenzung mit einer Metallkette leichter überwindbar gewesen wäre als die von ihm durch das Pflanzregal geschaffene Barriere. Über Täter und Tatausführung im konkreten Fall liegen keinerlei Erkenntnisse vor. Der Umstand, dass im Tatzeitraum in der Umgebung 3 weitere Motorräder gestohlen wurden, lässt nicht zwingend darauf schließen, dass die dortigen Täter auch für den vorliegenden Diebstahl verantwortlich sind. Es steht auch nicht fest, sondern beruht auf bloßer Spekulation des Klägers, wenn er vorträgt, dass der oder die Diebe seines Motorrades es in jedem Fall auch entdeckt und entwendet hätten, wenn das Carport mit anerkannten Schutzwehren im Sinne der erörterten Rechtsprechung gegen das Betreten durch Unbefugte gesichert gewesen wäre.

Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG, D.3.1 der AKB ist nach allem die Beklagte leistungsfrei geworden. Auf ihre Berufung war die Klage daher abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, § 543 Abs. 2 ZPO.

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