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Berufsunfähigkeitsversicherung – Versicherer muss Leistungseinstellung begründen

Oberlandesgericht Celle, Az.: 8 U 139/18, Urteil vom 19.11.2018

In dem Rechtsstreit vom 29. Oktober 2018 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. Mai 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 51.734,02 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2017.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Januar 2017 bis längstens Januar 2044 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.890,77 € monatlich im Voraus zu zahlen und dem Kläger für den Zeitraum ihrer Leistungspflicht Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von jeweils 99,00 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 140.000,00 € festgesetzt.

G r ü n d e:

I.

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem 1. Januar 2006 eine Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zugrunde (BUZ). Hinsichtlich des Inhalts der BUZ wird auf Bl. 28 – 32 d. A. Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsscheins vom 15. Dezember 2005 wird auf Bl. 13 – 17 d. A. Bezug genommen.

Am 23. Februar 2013 erlitt der Kläger anlässlich seiner Tätigkeit als selbstständiger Forstwirt einen Unfall. Dabei kam es zu Frakturen im Bereich der Wirbelsäule und des Unterschenkels. Mit Schreiben vom 19. November 2013 bestätigte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen rückwirkend ab dem 1. März 2014 (Bl. 39 d. A.).

Mit Schreiben vom 23. September 2014 (Bl. 42 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die beim Kläger vorhandenen unfallbedingten Einschränkungen laut Auskunft der behandelnden Klinikärzte „in allen Teiltätigkeiten auf unter 50 % gesunken“ seien. Deshalb stelle sie ihre Zahlungen zum 1. November 2014 ein.

Der Kläger hat gemeint, dass die Beklagte bereits mangels ordnungsgemäßer Einstellungsmitteilung zur fortlaufenden Leistung verpflichtet sei (Bl. 6 – 7 d. A.). Unabhängig hiervon bestehe die aufgrund des Unfalls eingetretene Berufsunfähigkeit des Klägers uneingeschränkt fort.

Der Kläger hat beantragt,

1.    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 49.160,02 € nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere 2.574,00 € nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 2017 bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Januar 2044 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.890,77 € monatlich zu zahlen und dem Kläger von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge von jeweils 99,00 € zu gewähren,

4.    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger als Nebenforderung 2.611,93 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Einstellungsmitteilung sei wirksam. Darüber hinaus habe sich der Gesundheitszustand des Klägers so weit verbessert, dass er jedenfalls teilweise seiner Tätigkeit als Forstwirt nachgehen könne und dieser Tätigkeit seit dem 3. Juni 2014 auch tatsächlich wieder nachgehe (Bl. 65 d. A.).

Mit Urteil vom 4. Mai 2018 (Bl. 184 – 186 R d. A.) hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Voraussetzungen für eine Leistungseinstellung lägen nicht vor. Weder die vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten noch ihr Vortrag im Rechtsstreit würden den Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung genügen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 23. September 2014 sei formal wirksam, jedenfalls aber mit der Klageerwiderung nachgeholt worden. Die Beklagte habe dort detailliert geschildert, inwieweit sich die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers gebessert hätten. Warum dies nicht ausreiche, sei nicht nachvollziehbar. Außerdem könne der Kläger nach durchgeführter Umorganisation die nunmehr von ihm ausgeübte Tätigkeit zu mehr als 50 % ausüben. Dass dies nicht auskömmlich sei, werde bestritten.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als das Landgericht versäumt hat, den auf die Zukunft gerichteten Anspruch bis „längstens“ Januar 2044 zuzuerkennen. Weiter besteht kein Anspruch auf Zahlung ab dem 1. Januar 2017, sondern erst ab dem Folgetag. Schließlich steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch über den 1. November 2014 hinaus ein Anspruch auf Rentenzahlung und Beitragsbefreiung gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit § 1 (1) BUZ zu.

1.    Der Versicherungsfall im Sinne von § 2 (1) BUZ ist jedenfalls zunächst eingetreten. Dabei kann dahingestellt bleiben, wie die vom Kläger zuletzt an gesunden Tagen ausgeübte berufliche Tätigkeit tatsächlich ausgestaltet war und ob der Kläger dieser Tätigkeit aufgrund seines Unfalls (zunächst) nicht mehr zu wenigstens 50 % nachgehen konnte. Denn die Beklagte erkannte den Leistungsanspruch des Klägers mit Schreiben vom 19. November 2013 ausdrücklich an. Mit einem zeitlich unbefristeten und der Sache nach uneingeschränkten Anerkenntnis verliert der Versicherer aber die Möglichkeit, sich später auf das Fehlen der beruflichen oder gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsfalls zu berufen oder eine zum Zeitpunkt der Abgabe bereits vorhandene Verweisungsmöglichkeit nachzuschieben (vgl. BGH VersR 2011, 655; Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 5. Auflage, § 173, Rn. 1; Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 173, Rn. 4).

2.    Die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht nachträglich wieder gemäß § 7 Abs. 4 BUZ erloschen.

In den Versicherungsbedingungen ist der Inhalt der Einstellungsmitteilung zwar nicht näher ausgestaltet. Aus Sinn und Zweck der Klausel ergibt sich jedoch, dass in der Mitteilung eine nachvollziehbare Begründung für die Leistungseinstellung gegeben werden muss (vgl. BGH VersR 1996, 958; BGH NJW-RR 1993, 721). Dazu zählt, dass der Versicherungsnehmer durch die Mitteilung seine Prozessrisiken abschätzen kann. Die hieran geknüpften Anforderungen sind abhängig vom Grund der Leistungseinstellung. Bei der Leistungseinstellung aufgrund eines verbesserten Gesundheitszustandes muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer etwaig eingeholte Gutachten oder ärztliche Bescheinigungen zugänglich machen, auf die der Versicherer seine Entscheidung stützt. Darüber hinaus muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufzeigen, wie er zu seiner getroffenen Entscheidung gelangt ist. Deshalb muss der Versicherer seine Vergleichsbetrachtung und die aus ihr gezogenen Folgerungen aufzeigen. Hierzu gehört der Vergleich des Gesundheitszustandes, wie ihn der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung (vgl. BGH VersR 1996, 958; BGH NJW-RR 1993, 721; OLG München NJW-RR 2010, 1619; KG Berlin RuS 2006, 515). Bei einer Verweisung auf einen anderen Beruf muss der Versicherer darlegen, weshalb er meint, den Versicherungsnehmer auf diesen anderen Beruf verweisen zu können (vgl. Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., J, Rn. Rn. 39).

Zwar dürfen die Anforderungen an eine Leistungseinstellung auch nicht überspannt werden. Insbesondere ist ein gesonderter Bescheid nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr der Vortrag im Rechtsstreit selbst, dass und ab welchem Zeitpunkt der Versicherungsnehmer wieder berufsfähig ist, aus welchen veränderten Umständen sich dies ergibt und dass damit der Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen wieder entfallen ist (vgl. BGH VersR 2000, 171; OLG Karlsruhe RuS 2015, 81).

Zutreffend ist das Landgericht aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte weder vorgerichtlich noch im Rechtsstreit zu den Gründen der Leistungseinstellung ausreichend vorgetragen hat:

In ihrer Einstellungsmitteilung vom 23. September 2014 (Anlage K5a, Bl. 42 d. A.) nahm die Beklagte keine Gegenüberstellung des aktuell beim Kläger bestehenden Gesundheitszustand mit dem Zustand vor, der Grundlage ihres Anerkenntnisses war. Die Beklagte beschränkte sich vielmehr unter Bezugnahme auf ein beigefügtes Schreiben des B. K. H. vom 5. September 2014 (Bl. 43 d. A.) auf die Behauptung, dass die Einschränkungen des Klägers hinsichtlich aller Teiltätigkeiten auf unter 50 % gesunken seien. Hierbei handelt es sich aber nur um eine von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung auf der Grundlage einer dem Kläger nicht mitgeteilten Ermittlung seines aktuellen Gesundheitszustandes im Vergleich mit einem – dem Kläger gleichfalls nicht mitgeteilten – Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses.

Dass allein die Bezugnahme auf eine etwaig verbesserte Leistungsfähigkeit hinsichtlich einzelner Teilbereiche der ursprünglich ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht ausreicht, hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 28. April 1999 (Az. IV ZR 123/98) entschieden. In dem Urteil heißt es unter anderem:

„Allein die Gegenüberstellung der damals und jetzt von verschiedenen Gutachtern geschätzten Grade der Berufsunfähigkeit genügt aber nicht für eine Vergleichsbetrachtung. Denn allein der Umstand, dass ein früher tätig gewordener Erstgutachter den Grad der Berufsunfähigkeit höher bewertet hat als ein später nachuntersuchender Arzt, rechtfertigt nicht den Schluss auf eine zwischenzeitliche Besserung der Gesundheit und der Berufsfähigkeit und erlaubt erst recht nicht, deren Ausmaß mit der Differenz der beiden gutachterlichen Bewertungen gleichzusetzen. Wegen des den Ärzten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums, der Raum für individuell unterschiedliche Schätzungen lässt, besteht nämlich die Möglichkeit, dass verschiedene Ärzte demselben Gesundheitszustand verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit zuordnen. Deshalb lässt sich nicht ausschließen, wenn ein früheres und ein späteres Gutachten verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit angeben, dass dem Unterschied keine Gesundheitsänderung, sondern lediglich verschiedene subjektive Maßstäbe der verschiedenen Gutachter zugrunde liegen. Eine unterschiedliche Bewertung des unveränderten Gesundheitszustandes gibt dem Versicherer aber kein Recht zur Leistungseinstellung.“

Die vom Bundesgerichtshof aufgezeigte Problematik äußert sich im vorliegenden Fall besonders eindrucksvoll. Denn in ihrem Schreiben vom 5. September 2014 bewerteten die von der Beklagten beauftragten Ärzte die Einschränkungen des Klägers hinsichtlich einzelner Teiltätigkeiten wie folgt:

  • Pflanzarbeiten    20%
  • Baumfällung, Holzeinschlag    40%
  • Kletterarbeiten    40%
  • Gartenpflege    30%
  • aufsichtsführende Tätigkeit    10%
  • Führung von Kfz    5%
  • kaufmännische Tätigkeiten    0%

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 (Bl. 45 d. A.) und damit gerade einmal sechs Wochen später nahmen dieselben Ärzte hingegen folgende Beurteilung vor:

  • Pflanzarbeiten    80%
  • Baumfällung, Holzeinschlag    80%
  • Kletterarbeiten    70%
  • Gartenpflege    30%
  • aufsichtsführende Tätigkeit    10%
  • Führung von Kfz    5%
  • kaufmännische Tätigkeiten    0%

Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, dass allein die Einschätzung der unfallbedingten Leistungsbeeinträchtigung durch einen Arzt keine ausreichende Grundlage für den Versicherungsnehmer darstellt, seine Prozessrisiken zu bewerten.

Auch der ärztliche Bericht des B. K. vom 16. Juli 2014 (Anlage BLD 12, Bl. 115 – 119 d. A.) kann nicht für eine Vergleichsbetrachtung herangezogen werden. Dort wird lediglich auf eine „rückläufige Bewegungs- und Belastungsinsuffizienz nach konsolidierter LWK-4-Fraktur“ hingewiesen, ohne aber den aktuellen Gesundheitszustand nachvollziehbar aufzuzeigen. Abgesehen davon hat sich die Beklagte darauf in ihrer Einstellungsmitteilung vom 23. September 2014 auch nicht bezogen. Entsprechendes gilt für das inhaltlich gleichlautende weitere außergerichtliche Schreiben vom 15. Juni 2016 (Anlage K9, Bl. 48 d. A.).

Auch im nachfolgenden Rechtsstreit hat die Beklagte zum aktuellen Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich mit seinem Zustand zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht ausreichend vorgetragen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, abermals auf die von ihr vorgerichtlich eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahme zu verweisen. Diese sind aber nicht geeignet, um dem Kläger eine Vergleichsbetrachtung zwischen seinen aktuellen und seinen ursprünglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erlauben. Damit vermag der Kläger auch weiterhin nicht abzuschätzen, auf welcher Tatsachengrundlage die Beklagte ihre Leistungen einstellte.

Zwar hat die Beklagte auf S. 8 f. der Klagerwiderung (Bl. 62 f. d. A.) unter Bezugnahme auf den Bericht der A. K. A. vom 30. Juli 2013 (Anlage BLD 8, Bl. 92 ff. d. A.) den von ihr für den Zeitpunkt ihres Leistungsanerkenntnisses angenommenen gesundheitlichen Zustand des Klägers nunmehr in ausreichender Weise dahingehend beschrieben, dass auch 6 Monate nach dem Unfall die Mobilisation mit Unterarmgehstützen noch nicht abgeschlossen gewesen sei sowie in der Wirbelsäule noch ein Fixateur eingebracht gewesen sei mit der Folge erheblicher Bewegungseinschränkungen an der unteren Lendenwirbelsäule. Aus dem genannten Bericht ergab sich zudem, dass infolgedessen u.a. Heben und Tragen, Autofahren, Bücken, Knien und Arbeiten in Zwangshaltung völlig ausgeschlossen waren. Dadurch waren auch die von der Beklagten für den Anerkenntniszeitpunkt zugrunde gelegten Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den für die berufliche Tätigkeit des Klägers als Forstwirt relevanten Funktionsbereichen jedenfalls im Wesentlichen umrissen.

Allerdings fehlt es nach wie vor an einer ausreichenden Vergleichsbetrachtung bezogen auf den Nachprüfungszeitpunkt. Allein der Hinweis auf eine rückläufige Bewegungs- und Belastungsinsuffizienz des Rumpfes nach der zwischenzeitlich durchgeführten Materialentfernung aus Wirbelsäule und Unterschenkel und die Konsolidierung der Frakturen reicht dafür nicht aus. Denn es bleibt offen, welche tatsächlichen Veränderungen sich aus Sicht der Beklagten in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers in den für die Berufs-(un-)fähigkeit maßgeblichen Funktionsbereichen konkret ergeben hatten. Wie weit etwa tatsächlich die Beweglichkeit und Belastbarkeit von Rumpf und Knien wiederhergestellt war und auch einer dauerhaften Beanspruchung standhalten würde, ergibt sich weder aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten noch aus dem von ihr insoweit in Bezug genommenen Bericht vom 16. Juli 2014 (Anlage BLD 12). Auch die Auswirkungen der – nicht näher konkretisierten – gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die relevanten Funktionsbereiche sind nicht ausreichend dargelegt. So fehlt beispielsweise in dem Bericht vom 16. Juli 2014 jede Aussage zum Knien und Arbeiten in Zwangshaltung. Zudem soll danach die Belastbarkeit beim Heben und Tragen nach wie vor „stark“ eingeschränkt gewesen sein. Das reicht nicht, um eine relevante gesundheitliche Verbesserung nachvollziehbar darzutun.

Auch nach entsprechendem Hinweis der Senatsvorsitzenden (LA Bl. 239, 240 d. A.) hat sich die Beklagte darauf beschränkt, die von den Ärzten des B. K. H. vom 5. September 2014 auf der Grundlage des von den Ärzten in ihrem Schreiben nicht mitgeteilten Gesundheitszustandes gezogenen Schlussfolgerungen aufzugreifen und sich zu eigen zu machen (Bl. 259 d. A.). Die von den Ärzten vorgenommene Bewertung etwaig vorhandener Einschränkungen hinsichtlich der früher ausgeübten Teiltätigkeiten des Versicherungsnehmers ist aber für eine Gegenüberstellung des Gesundheitszustandes nicht ausreichend (s. o.). Die im Übrigen pauschal gebliebene Behauptung eines verbesserten Gesundheitszustandes (und mehr kann auch dem ärztlichen Bericht vom 16. Juli 2014 nicht entnommen werden) genügt ebenso wenig.

3.    Der Kläger ist auch nicht zu einer Umorganisation seines Betriebs imstande. Unstreitig war der Kläger vor dem Unfall der alleinige Mitarbeiter seines Betriebs. Eine Umorganisation käme somit nur in Betracht, wenn der Kläger seine ursprüngliche Tätigkeit durch eine Änderung der Arbeitsabläufe wieder ausüben könnte.  Zwar betrifft die Umorganisation augenscheinlich nur die Delegation auf andere Personen. Sie umfasst aber genauso jede Änderung in den Arbeitsvorgängen des verpflichteten Unternehmers, also etwa zeitliche Umgestaltung, Nutzung anderer Maschinen, Veränderungen der zeitlichen Abläufe oder Nutzung von Hilfsmitteln (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., Kap. F, Rn. 128).

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 hat der Kläger die zuletzt von ihm ausgeübte Tätigkeit geschildert. Danach habe er in den letzten drei Monaten vor dem Unfallereignis nur für einen einzigen Kunden gearbeitet. Für diesen habe er nahezu ausschließlich Pflanzungen, Holzeinschlag, Jungwuchspflege sowie die Unterhaltung von Wildzäunen einschließlich deren Montage und Demontage durchgeführt (Bl. 152 d. A.). Weiter heißt es in dem Schriftsatz unter anderem (Bl. 153 d. A.):

„Dabei bestand die Arbeit des Klägers tagtäglich darin, zwischen 8:00 Uhr und 17:00 Uhr Pflanzungen im Wald an der hierfür jeweils vorgesehenen Fläche vorzunehmen. Dabei war der Kläger aufgrund seiner Routine und körperlichen Leistungsfähigkeit in der Lage, pro Stunde ca. 100 Pflanzen und Setzlinge in den Boden zu bringen, sodass er hierfür pro Tag eine Akkordvergütung für insgesamt ca. 800 Pflanzen und Setzlinge zu generieren vermochte.“

Die Darlegungs- und Beweislast für eine dem Versicherten mögliche und zumutbare Umorganisation liegt im Nachprüfungsverfahren beim Versicherer (vgl. Neuhaus aaO, Kap. M, Rn. 130). Dementsprechend muss der Versicherer entweder auf der Grundlage der vom Versicherten geschilderten Tätigkeit darlegen und ggf. beweisen, inwieweit dieser seinen Betrieb umorganisieren kann. Oder der Versicherer muss darlegen und beweisen, welchen Beruf der Versicherte zuletzt an gesunden Tagen tatsächlich ausübte und dass insoweit eine Umorganisation möglich und zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte darauf beschränkt, die Tätigkeitsbeschreibung des Klägers zu bestreiten. Das ist im Nachprüfungsverfahren aber nicht ausreichend.

Soweit die Beklagte auf die aktuell vom Kläger ausgeübte Tätigkeit hingewiesen hat, handelt es sich entgegen der von ihr mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2018 vertretenen Auffassung (Bl. 261, 262 d. A.) nicht um eine Form der Umorganisation. Die nunmehr vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist nicht mit der vom Kläger geschilderten Tätigkeit vor dem Unfall im Wesentlichen vergleichbar. Eine Umorganisation setzt aber immer voraus, dass der Betrieb in seiner ursprünglichen Ausgestaltung – wenngleich unter Abänderung der betriebsinternen Abläufe – fortgeführt werden kann. Ist das nicht mehr möglich und muss der Betriebsinhaber zur Kompensation seiner unfallbedingten Beschwerden das bisherige Tätigkeitsfeld verändern, handelt es sich nicht mehr um eine Umorganisation. Vielmehr handelt es sich um eine andere Tätigkeit, die den Versicherer nur zur Leistungseinstellung berechtigt, wenn er den Versicherten auf diese Tätigkeit verweisen kann.

Im vorliegenden Fall kann die Beklagte den Kläger aber nicht mit Erfolg auf seine aktuell ausgeübte Tätigkeit verweisen. Hat der Versicherte in der Zeit seit dem Anerkenntnis eine andere Erwerbstätigkeit aufgenommen, dann muss er sich allenfalls dann darauf verweisen lassen, wenn diese neue Tätigkeit den Anforderungen der maßgeblichen Versicherungsbedingungen genügt (vgl. Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 174, Rn. 18). Gemäß § 7 (1) Satz 1 in Verbindung mit § 2 (1) Satz 1 BUZ kann der Versicherungsnehmer auf einen anderen Beruf verwiesen werden, wenn er diesen aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und wenn dieser seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (vgl. BGH VersR 2018, 152).

Insoweit fehlt es abermals an einem ausreichenden Vortrag der auch insoweit darlegungs- und beweispflichtigen (vgl. Neuhaus aa) Beklagten. Nicht nur hat sie die vom Kläger dargestellte aktuelle Tätigkeit bestritten, ohne ihrerseits hierzu näher vorzutragen (Bl. 170 d. A). Vielmehr hat die Beklagte auch nicht behauptet, dass die ursprünglich vom Kläger erzielte Vergütung seinem jetzigen Einkommen zumindest ungefähr entspricht.

4.    Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Leistungen ist unstreitig. Das betrifft sowohl die Höhe der monatlich geschuldeten Rente als auch die Höhe der monatlichen Prämie.

Begründet ist die Berufung allerdings insoweit, als das Landgericht dem Kläger einen uneingeschränkten Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen bis zum Ende der Versicherungsdauer zugesprochen hat. Insoweit hat das Landgericht nicht der Möglichkeit eines jederzeit erneut in Betracht kommenden Nachprüfungsverfahrens und/oder einer nachfolgenden (ordnungsgemäßen) Einstellungsmitteilung der Beklagten Rechnung getragen. Damit besteht die Möglichkeit einer bereits vor dem 1. Januar 2044 endenden Leistungspflicht der Beklagten. Dementsprechend hätte das Landgericht dem Kläger einen Anspruch auf zukünftige Leistungen nur „längstens“ bis zum 1. Januar 2044 zusprechen dürfen.

Die Berufung ist auch insoweit begründet, als dem Kläger gegen die Beklagte kein auf die Zukunft gerichteter Anspruch beginnend mit dem 1. Januar 2017 zusteht. Die Beklagte schuldet gemäß § 1 (1) a) BUZ im Leistungsfall Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente monatlich im Voraus. Das bedeutet, dass die Leistung bis zum Monatsersten erbracht worden sein muss (vgl. Brudermüller in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1585, Rn. 1). Allerdings ist der Bestimmung des § 193 BGB Rechnung zu tragen. Hieraus folgt, dass an die Stelle des 1. Januar der nächste Werktag tritt und die Beklagte somit Zahlung erst am 2. Januar schuldet.

Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB. Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Verzinsung des begründeten Anspruchs erst ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag ausgesprochen, § 187 Abs. 1 BGB.

Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger hingegen nicht zu. Die Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 23. September 2014 (Bl. 42 d. A.) kann nicht als endgültige Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verstanden werden. Dass die Beklagte unter keinen Umständen zu einer Wiederaufnahme ihrer Leistungen bereit sein würde, ergibt sich aus dem Schreiben nicht. Auch der Kläger ging hiervon erkennbar nicht aus, denn er holte zunächst vom B. U. eine ergänzende Stellungnahme ein. Darüber hinaus ließ sich die Beklagte im Anschluss auf die vom Kläger vorgebrachten Gegenargumente ein und bat das B. U. H. ihrerseits um eine ergänzende Stellungnahme (Bl. 48 d. A.). Dass es im Anschluss bis zur Beauftragung des Klägervertreters zu einer Inverzugsetzung der Beklagten oder zu einer Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB kam, kann weder dem Parteivortrag noch dem weiteren Akteninhalt entnommen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Von der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO hat der Senat abgesehen. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert errechnet sich für das Berufungsverfahren wie folgt:

Antrag zu 1 (rückständige Rente) …………………………….    49.160,02 €

Antrag zu 2 (Rückzahlungsanspruch Prämie) ……………    2.574,00 €

Antrag zu 3 (zukünftige Rente + zukünftige Beitragsfreistellung) …………… 83.570,34 €

Gesamt ………………………………………………………………..    135.304,36 €

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