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Vermögensversicherung – Schäden durch Vertrauenspersonen

LG Frankfurt – Az.: 2-08 O 334/16 – Urteil vom 13.07.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Das Bankhaus ….war eine Hamburger Privatbank, die im Bereich Fondsinitiierung und Fondsverwaltung tätig war. Im Jahre 2006 erwarb Prof. … das Bankhaus und übertrug während der Finanzkrise 2008 sämtliche Beteiligungen an dem Bankhaus an die … (AG & Co. KGaA). Von dem Bankhaus abgespalten wurde die … deren Komplementärin die ….war, die durch den persönlich haftenden Gesellschafter Prof. … vertreten wurde. Aufgabe der… war seit der Entstehung durch Abspaltung die Initiierung, die Konzeption und der Vertrieb von Publikumsfonds. Dabei wurden GmbH & Co. KGs gegründet, wobei die Beteiligung über Treuhandmodelle erfolgte. Bei den Klägerinnen handelt es sich um zwei dieser Fondsgesellschaften.

Die Klägerin zu 1) firmierte ursprünglich unter … . Persönlich haftende Gesellschafterin war die … . Die Klägerin zu 2) firmierte ursprünglich unter ….

Persönlich haftende Gesellschafterin war die … . Die persönlich haftende Gesellschafterin war in beiden Fällen von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Sämtliche Maßnahmen der Geschäftsführung wurden von der geschäftsführenden Kommanditistin … ausgeübt. Deren Geschäftsführer war Prof. …. Die … im November 2011 umgewandelt in die … hielt als Treuhänderin die Anteile der Anleger. Im September 2013 firmierten die Klägerinnen in ihre heutigen Firmen um. Es wurde sowohl die persönlich haftende Gesellschafterin, als auch die geschäftsführende Kommanditistin ausgewechselt. Persönlich haftende Gesellschafterinnen sind jetzt die … und die … ; geschäftsführende Kommanditistin ist jeweils die … .

Die … vertreten durch Prof. …, schloss als Versicherungsnehmerin zum 01.04.2010 mit … einen kombinierten Versicherungsvertrag mit den Bausteinen D&O, E&O (Errors & Omissions) und Vorsatzdeckung (Vertrauensschadensversicherung).

Die Klägerinnen sind nach Art. III der Besonderen Bedingungen 7A Mitversicherte.

Ersatz wird u.a. gewährt für vorsätzliche unerlaubte Handlungen von „Vertrauenspersonen“, die in den Versicherungsbedingungen wie folgt definiert sind:

„3.4 Vertrauenspersonen

VERTRAUENSPERSONEN sind sämtliche zum Zeitpunkt der Schadensverursachung aufgrund eines Arbeits- oder Dienstvertrages bei der Versicherungsnehmerin, TOCHTERUNTERNEHMEN oder FONDS beschäftigen

3.4.1 Arbeitnehmer, Aushilfen, Volontäre, Auszubildende und Praktikanten,

3.4.2 VERSICHERTEN ORGANE, sofern sie nicht mit mehr als 20 % am Gesellschaftskapital beteiligt sind und in Bereicherungsabsicht handeln (…)

3.4.3 Zeitarbeitskräfte

3.4.4 Personen, die in Räumlichkeiten derselben in arbeitnehmerähnlicher Position tätig sind

3.4.5 Personen, die auftragsgemäß mit der Installation, Wartung oder Betreuung der EDV-Geräte oder mit der Entwicklung, Betreuung oder Wartung von EDV-Programmen derselben betraut sind.“

Die Versicherungsbedingungen enthalten weiter in VI Ziffer 2 folgende Regelung:

„Dieser Versicherungsvertrag verlängert sich stillschweigend um eine weitere Versicherungsperiode von einem Jahr, wenn er nicht spätestens 6 Wochen vor Ablauf der Versicherungsperiode schriftlich gekündigt wird. Stellt die Versicherungsnehmerin dem Versicherer auf schriftliche Anforderung keinen jeweils aktuellen Geschäftsbericht und einen Erneuerungsfragebogen nebst Anlagen spätestens acht Wochen vor Ablauf zur Verfügung, so ist der Versicherer berechtigt, den Vertrag ohne Frist zum Ablaufdatum zu kündigen. Wird die Jahresprämie für das folgende Versicherungsjahr nach Einforderung nicht rechtzeitig entrichtet, so gilt die Regelung des § 38 VVG.“

Die Police wurde dreimal mit Nachträgen vom 08.04.2011, 27.04.2012 und 21.02.2013 jeweils um ein Jahr verlängert.

Weiter enthalten die Versicherungsbedingungen u.a. die nachfolgenden Regelungen:

Ziffer I. 1.3.1:

„Der Versicherer ersetzt dem Versicherungsnehmer die folgenden während der Laufzeit des Versicherungsvertrages oder nach einem im Policenverzeichnis genannten Rückwirkungsdatum verursachten und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages oder einer eventuell vereinbarten Nachmeldefrist entdeckten Vermögensschäden (…).“

Ziffer I. 2.3:

„Für Vertrauenspersonen, die bereits einen Versicherungsfall verursacht haben, erlischt der Versicherungsschutz für zukünftige Handlungen in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherungsnehmer von der unerlaubten Handlung Kenntnis erlangt.“

Ziffer II.4.4:

„Nicht erstattet werden Schäden (…) die von persönlich haftenden Gesellschaftern oder Gesellschaftern mit einem Anteilsbesitz von mehr als 20 % verursacht worden sind.“

Ziffer VI. 3.1:

„Wird dieses Versicherungsverhältnis nach Ablauf mindestens eines vollen Versicherungsjahres aufgrund Kündigung des Versicherers nicht fortgeführt, so sind auch solche Schadensersatzansprüche versichert gemäß I.1.1 bzw. I.1.2, die nach der Beendigung des Vertrages innerhalb einer Frist von 12 Monaten geltend gemacht, bzw. gemäß I.1.3 innerhalb dieser Frist entdeckt wurden, sofern die ursächliche Pflichtverletzung vor dem Ablauf dieser Versicherung begangen wurde. (…) Die Nachmeldefrist entfällt, sofern der Vertrag (…) wegen arglistiger Täuschung einer versicherten Person beendet wird.“

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Versicherungsbedingungen Bezug genommen.

Bei der Initiatorengesellschaft … trat im Laufe des Sommers 2011 Zahlungsunfähigkeit ein, und auch die Finanzlage des Prof. … selbst gestaltete sich problematisch. Prof … gründete in Holland eine … Er eröffnete Konten bei der … AG für diese Gesellschaft, sowie für die … und sich selbst. Im Zeitraum vom 16.08.2011 bis zum 31.12.2011 überwies Prof. … Beträge von insgesamt etwas über 64 Mio. Euro von den Konten der Fondsgesellschaften auf die Konten bei der … AG. Begründet wurden diese Überweisungen mit der (vorgetäuschten) Einführung eines Cash-Pool-Systems. Ende Dezember 2011 wurden an die Anleger der Fondsgesellschaften Abstimmungsbögen betreffend die Einführung des Cash-Pools verschickt. Es kamen in vielen Fonds zustimmende Beschlüsse zustande, woraufhin einige Anleger einstweilige Verfügungen vor dem Landgericht Hamburg erwirkten, mit denen den jeweiligen Fondsgesellschaften die Beteiligung an dem Cash-Pool-System untersagt wurden. Diese Entscheidungen wurden obergerichtlich bestätigt. Prof. … wurde klar, dass das (vorgetäuschte) Cash-Pool-System nicht haltbar sein würde. Daher kam er auf die Idee, die bereits erfolgten Vermögensverschiebungen durch ein nachträglich geschaffenes Anleihesystem mit rückdatierten Verträgen zu legitimieren und mit dem (wiederum nur vorgetäuschten) Anleihe- bzw. Bondssystem auch eine Begründung für weitere Vermögensverschiebungen zu schaffen. Von diesen Vermögensabflüssen waren jetzt auch die Klägerinnen betroffen.

In der Zeit vom 02.02.2012 bis zum 31.03.2012 wurden aus dem Vermögen der Klägerin zu 1) € 6.450.000,00 und aus dem Vermögen der Klägerin zu 2) € 7.750.000,00 auf die oben genannten Konten verschoben. In der Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.03.2013 wurden aus dem Vermögen der Klägerin zu 1) € 1.394.000,00 und aus dem Vermögen der Klägerin zu 2) € 1.160.000,00 auf die oben genannten Konten verschoben. In der Zeit vom 01.04.2013 bis Ende September 2013 wurden aus dem Vermögen der Klägerin zu 1) € 470.000,00 und aus dem Vermögen der Klägerin zu 2) € 330.000,00 auf die oben genannten Konten verschoben.

Bereits im März 2012 hatte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen Prof. … eingeleitet. Im September 2013 wurde Prof. … in Untersuchungshaft genommen und mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.04.2015 wegen gewerbsmäßiger Veruntreuung eines Gesamtbetrages von € 147.312.000,00 aus verschiedenen Fonds zu einer Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt. Es kam vor der Verhaftung noch zu verschiedenen Rückführungszahlungen, die auch strafmildernd berücksichtigt wurden.

Vor der jeweiligen Vertragsverlängerung gemäß den Nachträgen vom 08.04.2011, 27.04.2012 und 21.02.2013 bekam die Versicherungsnehmerin jeweils einen sogenannten Erneuerungsfragebogen zugesandt. Die Erneuerungserklärung für die Vertragsverlängerung 2012/13 wurde von Prof. … am 15.02.2012 ausgefüllt. Dabei beantwortete er die Frage: „Sind dem Antragsteller oder versicherten Organen Tatsachen, Beschwerden der letzten 12 Monate oder Umstände bekannt, welche zu einem unter der Police versicherten Schadensersatz führen können?“ mit „Nein“. Bei der Erneuerungserklärung für das Folgejahr wurde dieselbe Frage bejaht, wobei diverse Schadensersatzforderungen aufgeführt, Straftaten des Prof. … aber nicht erwähnt wurden.

Der Versicherer erklärte mit Schreiben vom 23.07.2014 gegenüber dem Insolvenzverwalter der Versicherungsnehmerin die Anfechtung der Vertragsverlängerungen für die Versicherungsperioden 2012/13 und 2013/14.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, da sich der Versicherungsvertrag automatisch verlängere, fehle es an einer anfechtbaren Willenserklärung. Zudem erfasse die Anfechtung ohnehin nicht den Zeitraum bis 31.12.2012.

Bei Prof. … handele es sich um eine Vertrauensperson. Auf das Kriterium des Bestehens eines Arbeits- oder Dienstvertrag komme es nicht an. Soweit in den Versicherungsbedingungen auf die Kapitalbeteiligung abgestellt werde, komme es immer nur auf die Beteiligung bei dem jeweiligen geschädigten Rechtsträger an. Die Klägerinnen behaupten bei ihnen habe die Beteiligung des Prof. … unterhalb der Beteiligungsschwelle von 20 % gelegen.

Da es sich um eine Fremdversicherung für fremde Rechnung handele, könne § 81 VVG keine Anwendung finden. Es sei strikt zwischen der Funktion des Prof. … bei der Versicherungsnehmerin und der Funktion, in der er die schädigenden Handlungen vorgenommen habe, zu differenzieren.

Es gebiete der Vertragszweck, dass das Wissen des dolos handelnden Prof. … der Versicherungsnehmerin nicht zuzurechnen sei.

Die Klägerinnen beantragen,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) € 1.048.451,15 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 03.03.2014 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) € 2.251.548,85 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 03.03.2014 zu zahlen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) weitere € 25.000,00 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 03.03.2014 zu zahlen,

4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) weitere € 25.000,00 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 03.03.2014 zu zahlen,

5. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) weitere € 25.000,00 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 03.03.2014 zu zahlen,

6. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) weitere € 25.000,00 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 03.03.2014 zu zahlen,

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beruft sich auf die Anfechtung der Vertragsverlängerung. Er ist der Ansicht, die in den Versicherungsbedingungen vorgesehene stillschweigende Verlängerung sei dadurch abbedungen worden, dass im Vorfeld der Erstellung der Nachträge Verhandlungen geführt wurden. Insoweit lägen auf eine Vertragsverlängerung gerichtete Willenserklärungen vor, die anfechtbar seien. Jedenfalls vollziehe sich die Verlängerung mit einer konkludenten Zustimmung des Versicherers, die durch den Nichtausspruch der Kündigung manifestiert werde. Da der Versicherungsvertrag zum 31.12.2012 geendet habe, sei die Entdeckung der Vermögenseinbußen im September 2013 erst nach Vertragsende erfolgt.

Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass mit Prof. … ein Arbeits- oder Dienstvertrag bestanden habe und dass die Kapitalbeteiligung des Prof. … an den Klägerinnen bei unter 20 % gelegen habe. Der Beklagte argumentiert, Prof. … sei aufgrund des Umstandes, dass er zu 100 % die Anteile an der Versicherungsnehmerin halte, wirtschaftlich mit der Versicherungsnehmerin gleichzusetzen. Insoweit sei zum einen § 81 VVG anzuwenden. Zudem habe die Versicherungsnehmerin ab der ersten Veruntreuungshandlung am 16.08.2011 Kenntnis vom Tun des Prof. … gehabt, so dass alle danach liegenden Handlungen nicht versichert seien.

Ergänzend wird auf das gesamte Sachvorbringen der Parteien, insbesondere auf den Inhalt der wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Den Klägerinnen steht als versicherten Personen des unstreitig bei dem Versicherer, dessen Hauptbevollmächtigter unstreitig der Beklagte ist, bestehenden Versicherungsvertrags kein Anspruch zu.

Allerdings wären die Klägerinnen für derartige Ansprüche grundsätzlich aktivlegitimiert. Nach Ziffer 1.3.1 der Versicherungsbedingungen ersetzt der Versicherer der Versicherungsnehmerin während der Laufzeit des Versicherungsvertrages oder nach einem im Policenverzeichnis genannten Rückwirkungsdatum verursachte und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages oder einer vereinbarten Nachmeldefrist entdeckte Vermögensschäden, die ihr selbst oder Tochterunternehmen oder Fonds durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen von Vertrauenspersonen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen zu Schadensersatz verpflichten, unmittelbar zugefügt wurden.

Beinhaltet diese Regelung an sich nur einen Anspruch der inzwischen insolventen Versicherungsnehmerin, nicht aber einen Direktanspruch der geschädigten versicherten Personen, so ist unstreitig, dass der Insolvenzverwalter der Versicherungsnehmerin die Klägerinnen ermächtigt hat, ihre Ansprüche selbst geltend zu machen, was der Versicherer im Schreiben vom 15.04.2016 (Anlage K 57) auch bestätigt hat. Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerinnen auch gar nicht bestritten und zudem nicht in Abrede gestellt, dass die formalen Anforderungen des § 44 Abs. 2 VVG erfüllt sind.

Es sind auch Versicherungsfälle eingetreten. Denn Prof. … hat als Vertrauensperson im Sinne der Versicherungsbedingungen vorsätzlich schädigende Handlungen begangen.

Prof. … war, soweit er Organ der Versicherungsnehmerin ist, aufgrund seiner Kapitalbeteiligung keine Vertrauensperson und damit nicht versichert. Die Klägerinnen haben zwar in Abrede gestellt, dass seine Beteiligung an der Versicherungsnehmerin bei 100 % gelegen hat. Sie haben sich aber zur tatsächlichen Höhe der Beteiligung konkret nicht positioniert. Umgekehrt wäre indes die eingehende Argumentation der Klägerinnen zu der Frage, auf welche Beteiligung es bei der Definition der Vertrauensperson ankommt, letztlich entbehrlich, wenn seine Beteiligung an der Versicherungsnehmerin ebenfalls bei unter 20 % gelegen hätte.

Umgekehrt hat der insoweit darlegungsbelastete Beklagte, soweit Prof. … bei den Klägerinnen die Funktion als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin inne hatte, nicht dargetan, dass seine Beteiligung bei über 20 % gelegen hat. Er hat lediglich mit Nichtwissen bestritten, dass die Beteiligung des Prof. … bei den Klägerinnen bei unter 20 % lag. Dieses Bestreiten ist nicht ausreichend, vielmehr hätte der Beklagte konkret darlegen müssen, dass bei den Klägerinnen eine höhere Beteiligung vorgelegen hat. Die hier gegenständlichen Untreuehandlungen hat Prof. … in seiner Funktion als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin der Klägerinnen ausgeübt, so dass es für die Frage, ob er Vertrauensperson ist, auch nur auf seine Beteiligung an den Klägerinnen ankommt.

Prof. … ist auch als Organ der Klägerinnen anzusehen. Versicherte Organe sind nach Ziffer 3.1 der Versicherungsbedingungen Mitglieder der geschäftsführenden Organe der Versicherungsnehmerin, der Tochtergesellschaften und der Fonds. An sich ist der geschäftsführende Kommanditist einer GmbH & Co. KG kein Organ der Gesellschaft, sondern alleine die Komplementär-GmbH. Vorliegend ist aber in den Gesellschaftsverträgen der Klägerinnen vorgesehen, dass die Geschäfte der Gesellschaft allein durch den Geschäftsführenden Kommanditisten übernommen werden. Mit dieser Vertragsfassung verliert die Komplementärin ihre alleinige Organstellung im gesellschaftsrechtlichen Sinne nicht.

Indes eröffnen die Versicherungsbedingungen bei der Definition der „Versicherten Organe“ die Möglichkeit eines nicht streng formalen gesellschaftsrechtlichen Verständnisses. Denn dort ist die Regelung enthalten, dass als Versicherte Organe auch „leitende Angestellte der ersten Führungsebene“ gelten. Dies beinhaltet die Wertung, dass es bei dem Organbegriff im Regelwerk primär auf die Leitungsfunktion ankommt, d.h. mehr darauf, dass die Person die Geschicke des Unternehmens tatsächlich in der Hand hat und weniger, ob die Person formal eine Organstellung inne hat.

Die Kammer übersieht nicht, dass die Versicherungsbedingungen das Erfordernis des Abschlusses eines Anstellungsvertrages beinhalten. Ein solcher ist nicht vorgelegt worden und man kann auch nicht annehmen, dass der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers konkludent durch die Aufnahme der vergüteten Tätigkeit bereits zustande kommt. Indes ergibt das Merkmal „aufgrund eines Arbeits- oder Dienstvertrages“ bei den versicherten Organen keinen Sinn. In dem unter 3.4.1 ff. der Versicherungsbedingungen genannten Personenkreis befinden sich mehrere Personengruppen, mit denen in aller Regel keine Arbeits- oder Dienstverträge bestehen.

Es handelt sich hierbei um Personen, die in der Regel mit nachrangigen Aufgaben betraut sind und von daher in aller Regel keine Vertrauensposition einnehmen. Bei diesem Personenkreis führt das Bestehen einer Vertragsbeziehung mit dem Unternehmen auch zu einer erhöhten Bindung, die es rechtfertigt, sie in den Versicherungsschutz mit aufzunehmen. Bei Organen ist hingegen nicht ersichtlich, welchen Unterschied es machen soll, ob sie ihren Einfluss qua ihrer Organstellung oder auf Grundlage eines Anstellungsvertrages ausüben. Insoweit gehört das Merkmal „aufgrund eines Arbeits- oder Dienstvertrages“ systematisch hinter die Ziffer 3.4.1.

Es ist unstreitig, dass Prof. … die hier gegenständlichen Untreuehandlungen in den Tatzeiträumen 02.02. bis 31.03.2012, 01.04.2012 bis 31.03.2013 und 01.04.2013 bis Ende September 2013 begangen hat, so dass diese Taten während des Bestehens des Versicherungsvertrages stattfanden. Denn der Versicherungsvertrag hat vor Ende September 2013 seine Wirkung nicht verloren. Insbesondere wurde er nicht wirksam vom Versicherer angefochten.

Allerdings hat Prof. … in seiner Funktion als Gesellschafter der Versicherungsnehmerin unstreitig am 15.02.2012 beim Ausfüllen der Erneuerungserklärung für die Vertragsverlängerung 2012/13 die Frage: „Sind dem Antragsteller oder versicherten Organen Tatsachen, Beschwerden der letzten 12 Monate oder Umstände bekannt, welche zu einem unter der Police versicherten Schadensersatz führen können?“ verneint, obschon er im Februar 2012 bereits Fondsvermögen in Höhe von 64 Mio. Euro abgeschöpft hatte. Unzweifelhaft begründet diese Angabe des Gesellschafters der Versicherungsnehmerin eine arglistige Täuschung des Versicherers durch die Versicherungsnehmerin. Jedoch kann der Versicherer aus diesem Umstand kein Anfechtungsrecht im Sinne des § 123 BGB ableiten.

Denn der Versicherer hat infolge dieser Täuschung keine Willenserklärung abgegeben. Der Versicherungsvertrag beinhaltete eine automatische Verlängerungsklausel. Diese ist auch nicht konkludent dadurch abbedungen worden, dass die Vertragsparteien vor jeder Vertragsfortsetzung gesondert verhandelten und die Konditionen neu besprochen hätten. Alleine der Umstand der Erörterung zwischen den Vertragsparteien vermag die Annahme einer Abbedingung der Verlängerungsklausel nicht zu tragen. Denn wenn eine solche Vertragsregelung besteht, muss jede Seite vor Erreichen des entsprechenden Zeitpunktes überprüfen können, ob der Versicherungsvertrag gekündigt werden soll oder nicht. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass die vertraglichen Gegebenheiten zwischen den Parteien besprochen werden. Gespräche zur Klärung der Frage, ob von einer Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird oder nicht, stellen aber keine Verhandlungen über Neuabschlüsse dar, sondern setzen die Regelung zur automatischen Vertragsverlängerung gerade um. Hat damit die Falschangaben der Versicherungsnehmerin den Versicherer lediglich dazu veranlasst, die Kündigungserklärung nicht abzugeben, so kann das Unterlassen der Abgabe einer vertraglichen Erklärung nicht zur Begründung eines Anfechtungsrechts führen.

Allenfalls hat der die Erklärung Unterlassende einen Schadensersatzanspruch gegen den Vertragspartner, so gestellt zu werden, als habe er die täuschungsbedingt unterlassene Erklärung abgegeben. War der Versicherungsvertrag damit Ende September 2013 noch wirksam, so wurden die hier gegenständlichen Schäden während der Laufzeit des Vertrages begangen, und sie wurden auch noch während der Laufzeit des Vertrages entdeckt.

Ist damit dem Grunde nach ein Versicherungsfall gegeben, so kann sich der Beklagte jedoch auf Leistungsfreiheit berufen.

Allerdings kann der Einwand der Leistungsfreiheit nicht auf § 81 Abs. 1 VVG gestützt werden, auch wenn diese Norm auch bei Vertrauensschadensversicherungen grundsätzlich Anwendung findet (vgl. noch zu § 61 VVG a.F. OLG Frankfurt, Urteil vom 05.06.2013, Az.: 3 U 204/11, Rn. 26, zitiert nach juris). Das Argument der Klägerinnen, § 81 VVG könne hier per se keine Anwendung finden, weil es sich vorliegend nicht um eine Eigenversicherung oder um eine Fremdversicherung für eigene Rechnung, sondern um eine reine Fremdversicherung handele, überzeugt die Kammer nicht. Wenn die Klägerinnen argumentieren, dass bei einer Versicherungsleistung, die nicht der Versicherungsnehmerin, sondern ausschließlich der versicherten Person zukommt, die Versicherungsnehmerin in der Regel kein wirtschaftliches Interesse an einer Herbeiführung des Versicherungsfalles hat, so dass keine von § 81 VVG vorgesehene Konstellation gegeben sei, übersieht dies, dass die Versicherungsnehmerin ein Interesse aus dem Aspekt heraus haben kann, dass die versicherte Person einen Schaden gegen den Versicherer geltend machen kann, den sie andernfalls gegen die Versicherungsnehmerin erheben würde.

Eine reine Fremdversicherung liegt hier nicht vor. Entsprechend ist auch bei Versicherungsverträgen, die eine Eigen- und Fremdversicherung beinhalten, im Falle einer Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Mitversicherten die Leistungsfreiheit nur insoweit gegeben, als die Interessen des Mitversicherten betroffen sind, während bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer die Leistungsfreiheit gegenüber Versicherungsnehmer und Mitversichertem durchgreift (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, § 81, Rn. 25).

Diese Differenzierung versagt indes wiederum in dem Fall, dass von § 81 VVG erfasste Handlungen gerade den Versicherungsfall definieren. Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn auf der einen Seite die Vorsatztat eines versicherten Organs einen Versicherungsfall darstellen könnte, und auf der anderen Seite sich der Versicherer wegen des Vorsatzes auf § 81 VVG berufen könnte. Vorliegend ist Prof. … aber als Organ der Versicherungsnehmerin gar keine versicherte Vertrauensperson, so dass man grundsätzlich auch nicht gehindert wäre, seine vorsätzlichen Handlungen im Rahmen einer Prüfung von Leistungsausschlüssen nach § 81 VVG zu berücksichtigen.

Gleichwohl greift es aber nicht durch, wenn der Beklagte sich darauf beruft, Prof. …, dessen Handeln der Versicherungsnehmerin zuzurechnen sei, weil er zum einen zu 100 % an ihrem Kapital beteiligt sei und zum anderen jedenfalls als ihr Repräsentant anzusehen sei, habe den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt. Denn auch wenn ohne Zweifel die schädigenden Handlungen durch Prof. … vorsätzlich ausgeführt wurden, agierte Prof. … insoweit nicht als der geschäftsführende Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin, sondern in seiner Funktion als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin der Klägerinnen. Auf der Handlungsebene ist daher zwischen den Handlungen des Prof. … in der Funktion als Organ der versicherten Person auf der einen Seite und seinem Handeln als Organ und Repräsentant der Versicherungsnehmerin auf der anderen Seite zu trennen.

Die Herbeiführung des Versicherungsfalles hat Prof. … kraft seines Amtes bei den Klägerinnen bewirkt. In seiner Funktion als geschäftsführender Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin hätte er diese Taten nicht begehen können. Insoweit ist bei der Anwendung des § 81 VVG auch nur auf die Rolle des Prof. … als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin der Klägerinnen abzustellen. Ein eigenes Handeln der Versicherungsnehmerin ist darin nicht begründet. Lediglich soweit es um gegenüber dem Versicherer vorzunehmende Handlungen, wie beispielsweise die Abgabe der Erneuerungserklärung oder die Einhaltung von Obliegenheiten, geht, agierte Prof. … in seiner Funktion als geschäftsführender Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin.

In dieser Funktion hat Prof. … auch Obliegenheitsverletzungen begangen. Neben der bereits oben erwähnten – im Ergebnis folgenlosen – Falschangabe beim Ausfüllen der Erneuerungserklärung liegt hier durch das Handeln des Prof. … auch eine Verletzung der sich aus § 23 Abs. 1 VVG ergebenden Obliegenheit der Versicherungsnehmerin vor. Hiernach darf ein Versicherungsnehmer nach Abgabe seiner Vertragserklärung keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. Eine Gefahrerhöhung, die sich definiert als nachträgliche Änderung der im Zeitpunkt der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt eines Versicherungsfalles wahrscheinlicher macht, ist in der Begehung der ersten Untreuehandlungen des Prof. … zu sehen. Selbst wenn man unterstellt, dass nicht jeder Eintritt eines Versicherungsfalles automatisch den Eintritt weiterer Versicherungsfälle nach sich zieht, so ist doch zu sehen, dass sich im Laufe des Jahres 2011 – unstreitig hat Prof. … in diesem Jahr bereits Veruntreuungen in einem Volumen von 64 Mio. Euro begangen – herauskristallisierte, dass es sich bei den Veruntreuungen nicht um ein singuläres Ereignis handelt, sondern ein planvolles, auf Wiederholung ausgerichtetes Vorgehen des Prof. … gegeben ist.

Durch jede Untreuehandlung stieg damit die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Folgezeit zu weiteren Untreuehandlungen kommen wird, so dass eine objektive Gefahrerhöhung in 2011 eingetreten war. Weil es wertungswidersprüchlich wäre, wenn man auf der einen Seite im Rahmen des § 81 VVG zwischen den Handlungen des Prof. … als geschäftsführender Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin und seinen Taten als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin der Klägerinnen trennt, und auf der anderen Seite im Rahmen des § 23 Abs. 1 VVG diese Trennung nicht vornähme, ist die in der Norm genannte Konstellation einer eigenen Gefahrerhöhung nicht anzunehmen. Vielmehr liegt der Fall vor, dass Prof. … als geschäftsführender Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin sich selbst in seiner Funktion als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin der Klägerinnen dessen gefahrerhöhendes Verhalten gestattet hat (§ 23 Abs. 1, 2. Alt. VVG).

Dass Prof. … sein eigenes Handeln kannte, unterliegt keinem Zweifel, und es ist auch für die Kammer kein Grund ersichtlich, wieso man das tatsächlich vorhandene Wissen des Prof. … in seiner Funktion als geschäftsführender Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin von seinem eigenen Tun in anderer Funktion als nicht gegeben fingieren soll.

Wären der Gesellschaftergeschäftsführer der Versicherungsnehmerin und der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin der Klägerinnen tatsächlich nicht personenidentisch, und würde ersterer Kenntnis von dem Tun des zweiten erlangen, bestünde kein Grund, ein stillschweigendes Dulden dieses Tuns durch den Gesellschaftergeschäftsführer der Versicherungsnehmerin nicht als Gestattung im Sinne des § 23 Abs. 1 VVG anzusehen.

Es erschließt sich nicht, wieso man die Konstellation, dass der Gesellschaftergeschäftsführer der Versicherungsnehmerin aufgrund der Personenidentität diese Kenntnis von Anbeginn an hat, anders behandeln soll. Dem kann aus Sicht der Kammer nicht entgegen gehalten werden, dass der anfänglich gutgläubige Gesellschaftergeschäftsführer der Versicherungsnehmerin das Tun des anderen nicht gleich bei der ersten Tat bemerken wird, sondern erst nach einiger Zeit Kenntnis von Anhaltspunkten erlangen wird. Denn umgekehrt führt ja nur der Umstand der Personenidentität zwischen den beiden Funktionsträgern überhaupt erst dazu, dass Prof. … eine Mehrheit von Taten begehen konnte, weil er sicher sein konnte, keinerlei Kontrolle ausgesetzt zu sein. Würde man die auf der Handlungsebene vollzogene Trennung zwischen den beiden Funktionen des Prof. … auch auf der Wissensebene vollziehen, so würde der dolos agierende geschäftsführende Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin besser gestellt, als der anfänglich gutgläubige Versicherungsnehmer. Dieser müsste sich gegebenenfalls im Rahmen des § 81 VVG eine mangelhafte Organisations- und Überwachungsstruktur entgegen halten lassen (vgl. dazu OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 29, zitiert nach juris), während der von Anbeginn an dolos agierende geschäftsführende Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin quasi uneingeschränkt und unbeanstandet eine zu einem Versicherungsfall führende Handlung nach der anderen ausführen könnte.

Insbesondere überzeugt das Argument, der Vertragszweck gebiete, das Wissen des dolos handelnden Prof. … der Versicherungsnehmerin nicht zuzurechnen, die Kammer nicht. Es soll der Ansatz der Klägerinnen nicht in Abrede gestellt werden, dass wenn eine Versicherungsnehmerin sich gegen das vorsätzliche Handeln ihrer eigenen Organe versichert, der Versicherungsschutz leer liefe, wollte man das Wissen des versicherten Organs über § 31 BGB der Versicherungsnehmerin zurechnen. Indes ist vorliegend zu sehen, dass Prof. … als geschäftsführender Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin nicht versichert war, weil er aufgrund seiner Beteiligung an der Versicherungsnehmerin insoweit keine Vertrauensperson im Sinne der Versicherungsbedingungen war. Versichert war Prof. … alleine als Organ der versicherten Personen, und die Handlungen, die er in dieser Funktion begangen hat, begründen die hier gegenständlichen Versicherungsfälle.

Eventuell könnte man nun hinterfragen, ob eine automatische Zurechnung der Kenntnisse, die Prof. … in seiner Funktion als versichertes Organ hat, an ihn in seiner Funktion als geschäftsführender Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin und weiter über § 31 BGB oder über die Figur des Repräsentanten an die Versicherungsnehmerin nicht den Versicherungsschutz aushebelt. Doch selbst wenn man dies noch bejahen wollte, wäre jedenfalls dann, wenn eine Situation eingetreten ist, in der ein objektiver Handlungsbedarf bestand, kein Grund mehr ersichtlich, diese Wissenszurechnung nicht vorzunehmen.

Wäre Prof. … nicht personenidentisch gewesen mit der Organperson der versicherten Fonds, welche die Untreuehandlungen ausführt, sondern ein anfänglich gutgläubiger Gesellschaftergeschäftsführer der Versicherungsnehmerin, so wäre ihm im Laufe des Jahres 2011 der Vorwurf zu machen gewesen, dass er ein nicht mehr zu übersehendes Fehlverhalten einer Vertrauensperson ignoriert hätte und seinen Kontrollpflichten nicht nachgekommen wäre. Hätte aber für jeden objektiven Dritten aus der Sphäre der Versicherungsnehmerin eine Pflicht zum Einschreiten bestanden, kann es auch nicht mehr wertungswidersprüchlich sein, wenn man das Wissen, das Prof. … als Person denknotwendig hat, auch als tatsächlich gegeben annimmt und auch der von ihm vertretenen Rechtsperson zurechnet.

Wann genau im Laufe des Jahres 2011 dieses Stadium erreicht wurde, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner abschließenden Klärung, weil jedenfalls als die Taten des Prof. … zu Lasten der Klägerinnen stattfand, bereits Veruntreuungen mit einem Volumen von 64 Mio. Euro stattgefunden hatten, so dass zu diesem Zeitpunkt einer Wissenszurechnung nichts mehr entgegenstand.

Insoweit greift auch das Argument, die auf der Handlungsebene vollzogene Trennung nicht auch auf der Wissensebene fortzusetzen, hebele den gesamten Versicherungsschutz aus, nicht durch. Denn für die ersten Taten des Prof. … in 2011 bestand Versicherungsschutz. Der Einwand aus den §§ 23 Abs. 1, 26 Abs. 1 VVG greift erst zu einem späteren Zeitpunkt in 2011.

Soweit die Klägerinnen sich überrascht zeigen, dass die Kammer im Rahmen des letzten Verhandlungstermins diese Frage noch einmal erörterte, ist diese Überraschung nicht ganz verständlich. Die Kammer hatte in dem ersten Verhandlungstermin erläutert, dass die Erklärungen des geschäftsführenden Alleingesellschafters der Versicherungsnehmerin beim Ausfüllen des Erneuerungsfragebogens eine bewusste Falscherklärung der Versicherungsnehmerin darstellen, die nur deswegen ohne rechtliche Konsequenzen bleibt, weil diese falsche Auskunft keine der Anfechtung unterliegende Willenserklärung des Versicherers nach sich zog. Daraus war aber ohne weiteres erkennbar, dass die Kammer bei der Prüfung von Obliegenheitsverletzungen auf den tatsächlichen Wissensstand des geschäftsführenden Alleingesellschafters der Versicherungsnehmerin abstellt. Der von dem Beklagten erhobene Einwand der Obliegenheitsverletzung nach § 23 Abs. 1 VVG erfolgte sodann als Reaktion darauf, dass die Kammer die von dem geschäftsführenden Alleingesellschafter der Versicherungsnehmerin begangene Falschangabe im Rahmen der Prüfung des § 123 BGB als folgenlos ansah, unter dem Hinweis, dass es eines Zurückgreifens auf den allgemeinen Teil des BGB nicht bedarf, wenn nach dem VVG ähnliche Mechanismen eingreifen. Weder konnte die Klägerinnen überraschen, dass sich die Kammer mit diesem Argument auseinandergesetzt hat, noch das dabei von der Kammer gefundene Ergebnis.

Gestattet der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung durch einen Dritten vorsätzlich, so ist der Versicherer bei einem nach Eintritt der Gefahrerhöhung eintretenden Versicherungsfall nach § 26 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht zur Leistung verpflichtet. Der Ausschluss einer fehlenden Kausalität nach § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG greift ebenso wenig ein, wie der Ausschluss nach § 27 VVG. Dort ist geregelt, dass die §§ 23 bis 26 VVG keine Anwendung finden, wenn es sich nur um eine unerhebliche Gefahrerhöhung handelt – dies kann schon aufgrund des Umfangs der nach 2011 noch begangenen Taten nicht gegeben sein – oder die Versicherung der erhöhten Gefahr nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist. Letzteres kann vor dem Hintergrund, dass die Versicherungsbedingungen eine Regelung enthalten, wonach die versicherte Person, die einen Versicherungsfall verursacht hat, keinen Versicherungsschutz mehr genießt, nicht angenommen werden. Der Versicherer wollte sich durch diese Regelung gerade vor einer Serienbegehung, wie sie hier gegenständlich ist, schützen.

Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Zinsanspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Vollstreckbarkeitsausspruch findet seine Grundlage in § 709 ZPO.

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