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Verkehrsunfallflucht § 142 StGB – verspätete Schadensmeldung durch Versicherungsnehmer

AG Ludwigshafen – Az.: 2a C 50/14 – Urteil vom 06.08.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2 500,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.11.2012 sowie 3 EUR Nebenkosten.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrages zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Gegenstand der Klage sind Regressansprüche der Klägerin aus §§ 426 BGB, 28 Abs. 3, 116 VVG.

Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen…, dessen Halter der Ehemann der Beklagten ist.

Die Beklagte hatte am 25.09.2011 gegen 16.30 Uhr, so die Klägerin, bzw. 15.30 Uhr, so die Beklagte, das vorgenannte Fahrzeug in der A…straße 1 in W… rückwärts ausgeparkt und hierbei den  rechts daneben stehenden Pkw beschädigt. Die Beklagte hinterließ eine Visitenkarte mit ihren Daten sowie eine Benachrichtigung, in der sie ihre Schuld einräumte. Die Beklagte verließ sodann den Unfallort und wurde noch im Laufe des Tages von der Polizei aufgesucht, die von der Geschädigten informiert worden war. Der Klägerin erstattete die Beklagte Schadensmeldung am 12.10.2011.

Die Klägerin regulierte die Ansprüche der Geschädigten gemäß § 117 VVG in Höhe von 5 761,32 EUR. Hinsichtlich der einzelnen Positionen wird auf den Klagebegründungsschriftsatz verwiesen. Mit Schreiben vom 24.10.2012 wurde die Beklagte unter Fristsetzung binnen zwei Wochen aufgefordert, einen Betrag in Höhe von 2 500,00 EUR zu erstatten.

Das Verfahren gegen die Beklagte nach § 142 StGB wurde gemäß § 153 a StPO eingestellt. Auf die Akte der Staatsanwaltschaft F…. mit dem Aktenzeichen … Js ….. wird verwiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe in eklatanter Weise ihre Aufklärungspflicht gemäß § 28 VVG, in Verbindung mit den AKB verletzt, indem sie sich vom Unfallort entfernt habe, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Sie habe Verkehrsunfallflucht begangen. Auf Grund der nachträglich erteilten Angaben sei eine Aufklärung gerade nicht zuverlässig gewährleistet gewesen. Ein Regressanspruch sei demgemäß in beantragter Höhe begründet.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie  2 500,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.11.2012 zuzüglich außergerichtliche Nebenkosten in Höhe von 3,00 EUR sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bezweifelt, dass der Unfall im Straßenverkehr geschehen ist.

Des Weiteren behauptet sie, der Unfall habe sich gegen 15.30 Uhr zugetragen. Sie habe 45 Minuten zugewartet, während ihr Ehemann in der naheliegenden Gaststätte „…..“ erfolglos nach dem Halter/Fahrer des beschädigten Pkw gesucht habe. Sie habe sich noch nicht einmal eine Stunde zu Hause befunden, als sie von den Polizeibeamten aufgesucht worden sei. Sie sei davon ausgegangen, durch Anheften der Visitenkarte und des Schuldanerkenntnisses alles zur Aufklärung mögliche getan zu haben. Hätte sich die Geschädigte nicht gemeldet, so hätte sie nach ein paar Stunden die Polizei informiert. Die Voraussetzungen des § 142 StGB lägen demgemäß nicht vor.

Selbst bei unterstellter Pflichtverletzung sei die Klägerin nach E. 6.2 AKB zur Leistung verpflichtet, da die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder dem Umfang der Leistungspflicht ursächlich gewesen sei. Die Polizeibeamten seien informiert worden. Sie hätten sich auch von ihrer Fahrtüchtigkeit überzeugt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und aus §§ 426 BGB, 28 Abs. 3, 116 VVG in Verbindung mit den Vorschriften der AKB 2008 begründet.

Die Beklagte hat eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung nach E.1.1, E.1.3 der AKB begangen. Sie hat den Tatbestand des § 142 StGB, der das unerlaubte Entfernen vom Unfallort unter Strafe stellt, verwirklicht.

Zum Einen war die Beklagte nach E. 1.1. der AKB verpflichtet, das Schadensereignis binnen einer Woche bei der Klägerin anzuzeigen. Dies hat sie jedoch erst am 12.10.2011, und damit mehr als 2 Wochen nach dem Schadensfall getan.

Im Übrigen muss sich die Beklagte eine Unfallflucht vorwerfen lassen. Die Beklagte hat bereits den Tatbestand nach § 142 Abs. 1 Ziffer 2 StGB verletzt. Dieser normiert nämlich eine angemessene Wartepflicht, wenn keine zur Aufnahme der Feststellung der relevanten Tatsachen bereite Person anwesend ist. Unzweifelhaft hat sich der Unfall auf dem allgemein zugänglichen Parkplatz der „……..“, und damit im Straßenverkehr ereignet. Der Vortrag der Beklagten zu den Begleitumständen ist ungenau und damit nicht berücksichtigungsfähig. Sie trägt lediglich vor, sie habe ca. 45 Minuten gewartet und sei sodann nach Hause gefahren. Wann der Unfall genau war, bzw. wann sie den Unfallort exakt verlassen hat, lässt die Beklagte offen. Abgesehen davon trägt sie auch nicht vor, wann sie zu Hause ankam. Darüberhinaus ergibt sich ausweislich des Polizeivermerks in der Ermittlungsakte, dass die Beklagte vor den Polizeibeamten geäußert hat, sie habe ca. 1/2 Stunde gewartet. Eine Wartezeit von 30 Minuten hält das Gericht angesichts des Schadens für nicht ausreichend.  Die Beklagte hat nicht lediglich einen Minimalschaden verursacht, sondern einen wirtschaftlichen Totalschaden. Die Reparaturkosten lagen erheblich über dem Wiederbeschaffungswert. Dass der Schaden erheblich war, musste auch der Beklagten im Hinblick auf die vorgelegten Lichtbilder ersichtlich sein. Das Gericht ist deshalb der Auffassung, dass eine längere Wartezeit erforderlich gewesen wäre.

Die Beklagte kann auch nicht entlasten, dass ihr Ehemann angeblich in der Gaststätte „…….“ nach dem oder der Geschädigten gesucht hat. Auch insoweit ist der Vortrag der Beklagten ungenau und nicht berücksichtigungsfähig. Aus dem Ermittlungsvermerk ergibt sich, dass sich der Ehemann der Beklagten bei einem unbekannten Mitarbeiter erkundigt haben will. Somit handelte es sich um einen Mitarbeiter der Gaststätte, der von der Beklagten ohne Probleme hätte ausfindig gemacht und benannt werden können.

Letztendlich entlastet die Beklagte nicht, dass sie ihre Visitenkarte und eine weitere Benachrichtigung angebracht hat. Es dürfte jedem Verkehrsteilnehmer bekannt sein, dass solche Benachrichtigungen nicht ausreichend sind. Dass sie vom Geschädigten beim Eintreffen am Unfallort noch vorgefunden werden, ist nicht gewährleistet.

Jedenfalls hat die Beklagte entgegen § 142 Abs. 2 StGB die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. Dies hätte sie aber bei berechtigtem oder entschuldigtem Entfernen vom Unfallort tun müssen. Angesichts des erheblichen Schadens sowie des Umstandes, dass der Schadenseintritt am Nachmittag erfolgte und nicht zu außergewöhnlicher Uhrzeit, hätte die Beklagte umgehend eine Polizeibehörde informieren müssen. Der Einwand, sie habe erst ein paar Stunden zu Hause abwarten wollen, kann sie nicht entlasten.

Die Beklagte hat vorsätzlich gehandelt, da ihr die Sachverhaltsumstände bekannt waren. Im Übrigen muss jedem Verkehrsteilnehmer, der einen Fremdschaden verursacht, bewusst sein, dass er für eine umgehende Aufklärung zu sorgen hat, da der Zeitablauf im Hinblick auf die festzustellenden Umstände von erheblicher Bedeutung sowohl für den Geschädigten als auch für den Haftpflichtversicherer ist. Das Gebot, nach einem Verkehrsunfall die Unfallaufnahme durch die Polizei an Ort und Stelle abzuwarten, wenn der Geschädigte nicht erreichbar bzw diese jedenfalls unverzüglich zu ermöglichen zur Verhinderung von Feststellungsnachteilen, stellt eine elementare und jedem Kraftfahrer bekannte Pflicht dar.

Im Innenverhältnis zwischen Klägerin und Beklagte steht der Beklagten somit Versicherungsschutz nicht zu.

Die Klägerin ist auch nicht gemäß E.6.2  der AKB zur Leistung verpflichtet. Dies ist wäre nur dann der Fall, soweit die Beklagte nachweisen könnte, „dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war“. Ihrer Darlegungs- und Beweislast ist die Beklagte insoweit nicht nachgekommen. Verlässt der Versicherungsnehmer entgegen der Aufklärungsobliegenheit den Unfallort unerlaubt, geht dies regelmäßig mit konkreten Feststellungsnachteilen für den Versicherer einher. Der Relevanzrechtsprechung bedarf es vorliegend nicht, insoweit trifft die Rechtsauffassung zu, dass diese nicht maßgeblich ist. Vorliegend hätte die Beklagte aber den Nachweis fehlender Ursächlichkeit zu erbringen. Dieser Nachweis ist nur dann erbracht, wenn feststeht, dass dem Versicherer keine Feststellungsnachteile erwachsen. Ein ausreichender unter Beweis gestellter Vortrag fehlt. So sind die unmittelbaren Feststellungen nach dem Unfall hinsichtlich des Fahrers, einer möglichen Alkoholbeeinflussung etc. ebenso erforderlich, wie Feststellung zu möglichen Zeugen sowie zum Umfang des Schadens. Dass sich keiner dieser Gesichtspunkte kausal ausgewirkt hat, ist weder ausreichend dargetan noch nachgewiesen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Klägerin der Schaden erst mehr als 2 Wochen später mitgeteilt wurde und die Klägerin damit keine Möglichkeit mehr hatte, zeitnah die gesamten Sachverhaltsumstände zu ermitteln.

Die Klägerin ist somit in Höhe von 2 500,00 EUR gemäß E.6.3 der AKB leistungsfrei.

Die Nebenforderungen resultieren aus Verzug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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