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Verkehrsunfall: Verletzung Obliegenheit zur Schadensmeldung

Im Bereich des Versicherungsrechts ergeben sich häufig rechtliche Auseinandersetzungen, die sich auf Ansprüche nach einem Verkehrsunfall beziehen. Ein zentrales Thema solcher Streitigkeiten ist die Frage, ob und inwieweit eine Partei, oft die Beklagte, ihre vertraglichen Pflichten und Obliegenheiten verletzt hat und somit für entstandene Schäden aufkommen muss. Dabei spielen Regressansprüche eine bedeutende Rolle, bei denen es darum geht, bereits geleistete Zahlungen zurückzufordern. Ein weiteres wichtiges Element in solchen Fällen ist das Sachverständigengutachten, welches zur Klärung des Sachverhalts und zur Bewertung des Schadens herangezogen wird. Zudem können Obliegenheitsverletzungen, also die Verletzung bestimmter Pflichten nach einem Unfall, erhebliche Auswirkungen auf die Schadensregulierung haben. In einigen Fällen kann es auch zu Fragen rund um das Widerspruchsrecht im Versicherungsbereich kommen. Das Urteil in solchen Fällen bildet oft den Abschluss einer juristischen Auseinandersetzung und gibt Aufschluss darüber, wie das Gericht die jeweilige Sachlage bewertet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 101 C 73/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die Beklagte wird aufgrund einer Obliegenheitsverletzung verurteilt, der Klägerin 2.482,61 € nebst Zinsen zu zahlen, da sie nach einem Verkehrsunfall weiterfuhr, obwohl sie den Unfall bemerkte.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrsunfall in Düsseldorf am 20.12.2011, bei dem die Beklagte mit einem anderen Fahrzeug kollidierte.
  2. Die Klägerin, die Versicherung der Beklagten, hat den Schaden des Geschädigten beglichen und fordert nun den Betrag von der Beklagten zurück.
  3. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe den Unfall bemerkt und sei dennoch weitergefahren, was eine Obliegenheitsverletzung darstellt.
  4. Die Beklagte bestreitet, den Unfall bemerkt zu haben und argumentiert, sie habe den Anstoß nicht wahrgenommen.
  5. Das Gericht hat Beweise durch ein Sachverständigengutachten und Zeugenaussagen erhoben.
  6. Das Urteil basiert auf der Überzeugung, dass die Beklagte den Unfall bemerkt haben muss und ihre Obliegenheit verletzt hat, indem sie weiterfuhr.
  7. Ein gegen die Beklagte gerichtetes Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.
  8. Die Beklagte muss 2.482,61 € nebst Zinsen an die Klägerin zahlen, und die Kosten des Rechtsstreits trägt ebenfalls die Beklagte.

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht ein Verkehrsunfall, der sich am 20. Dezember 2011 gegen 18.35 Uhr auf der Johannstraße in Düsseldorf ereignete. Die Beklagte, Eigentümerin eines PKWs, der bei der Klägerin haftpflichtversichert war, fuhr in den Kreuzungsbereich Kennedydamm ein. Sie ordnete sich auf der linken der beiden Linksabbiegerspuren ein, während sich rechts von ihr das Fahrzeug eines Zeugen befand. Beim Versuch, sich nach rechts auf die andere Spur einzuordnen, kollidierte sie mit dem PKW des Zeugen. Dieser Unfall führte zu einem Sachschaden am Fahrzeug des Zeugen, welcher von der Klägerin, der Versicherung, beglichen wurde. Die Klägerin fordert nun den erstatteten Betrag von der Beklagten zurück.

Die rechtliche Debatte: Hat die Beklagte den Unfall bemerkt?

Obliegenheit zur Schadensmeldung
(Symbolfoto: New Africa /Shutterstock.com)

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der Frage, ob die Beklagte den Unfallbemerkt hat und trotzdem weitergefahren ist, ohne die notwendigen Feststellungen zu ermöglichen. Die Klägerin argumentiert, dass die Beklagte den Unfall vorsätzlich bemerkt und dennoch weitergefahren sei, was eine Obliegenheitsverletzung darstelle. Daher sei die Beklagte zur Erstattung der Versicherungsleistung verpflichtet. Die Beklagte hingegen behauptet, sie habe den Unfall nicht bemerkt und sei sich keiner Schuld bewusst.

Beweisaufnahme und mündliche Verhandlung

Das Gericht hat zur Klärung des Sachverhalts Beweise erhoben, indem es ein ergänztes Sachverständigengutachten einholte und sowohl den Sachverständigen als auch den Geschädigten als Zeugen anhörte. Die Beweisaufnahme und die mündliche Verhandlung ergaben, dass die Beklagte den Unfall bemerkt haben muss. Dies wurde insbesondere durch die Tatsache gestützt, dass auch der Unfallgegner den Unfall bemerkte und die Polizei benachrichtigte.

Das Urteil: Konsequenzen der Obliegenheitsverletzung

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klage begründet ist. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Beträge, da sie aufgrund einer Obliegenheitsverletzung der Beklagten leistungsfrei geworden ist. Die Beklagte hat ihre Obliegenheit verletzt, indem sie nach dem Unfall weiterfuhr, obwohl sie den Unfall bemerkte. Das Gericht stützte sich dabei auf das ergänzte Sachverständigengutachten, welches zu dem Schluss kam, dass der Unfall für die Beklagte wahrnehmbar war.

Zusätzlich zu den Hauptpunkten des Falles ist es wichtig zu erwähnen, dass ein gegen die Beklagte gerichtetes Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurde. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Beklagte zumindest eine gewisse Verantwortung für den Unfall anerkannt hat.

Das Fazit des Urteils ist, dass die Beklagte zur Zahlung des von der Klägerin geltend gemachten Betrags verurteilt wurde. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Obliegenheiten im Versicherungsrecht und die Konsequenzen, die sich aus deren Verletzung ergeben können. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, nach einem Unfall anzuhalten und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Sachverhalt zu klären.

Obliegenheit zur Schadensmeldung – kurz erklärt


Die Obliegenheit zur Schadensmeldung ist eine der wichtigsten Pflichten, die ein Versicherungsnehmer gegenüber seiner Versicherung hat. Sie besagt, dass der Versicherungsnehmer den Eintritt eines Versicherungsfalles, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzeigen muss. Die unverzügliche Schadenmeldung gehört zu den Obliegenheiten, die sowohl vor als auch nach dem Schaden gelten. Sie dient dazu, der Versicherung eine möglichst frühzeitige Mitwirkung bei der Schadenregulierung zu ermöglichen. Bei einigen Ereignissen sind sogar Fristen gesetzt, die zwingend eingehalten werden müssen.

Eine Verletzung dieser Obliegenheit, beispielsweise durch eine verspätete Schadenmeldung, kann schwerwiegende Folgen haben. Im schlimmsten Fall kann die Versicherung sich auf Leistungsfreiheit berufen, das heißt, sie muss für den entstandenen Schaden nicht aufkommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich erfolgt ist. Aber auch bei grober Fahrlässigkeit kann die Versicherung von der Leistungspflicht befreit sein].

AG Kerpen – Az.: 101 C 73/14 – Urteil vom 20.07.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.482,61 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung In Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Regressansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Die Beklagte ist Eigentümerin eines bei der Klägerin haftpflichtversicherten PKW mit dem Kennzeichen … . Am 20.12.2011 befuhr die Beklagte gegen 18.35 Uhr die Johannstraße in Düsseldorf. Im Kreuzungsbereich Kennedydamm ordnete sie sich mit dem Fahrzeug auf die linke der beiden Linksabbiegerspuren ein. Rechts von ihr befand sich das Fahrzeug des Zeugen …, der auf der rechten Linksabbiegerspur fuhr. Beim Weiterfahren versuchte sich die Beklagte nach rechts auf die andere Spur einzuordnen und stieß mit dem PKW des Zeugen … (nachfolgend: der Geschädigte) zusammen. An dessen Fahrzeug entstand Sachschaden, der von der Klägerin an den Zeuge … geleistet wurde. Diesen Betrag verlangt sie von der Beklagten ersetzt.

Mit der Klage verfolgt die Klägerseite den Ersatz folgender Positionen:

  • Reparaturkosten netto 1.996,37 €,
  • Sachverständigenkosten 461,24 €,
  • Kostenpauschale 250,00 €,

gesamt 2.482,61 €.

Ein gegen die Beklagte gerichtetes Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte den Unfall bemerkt und dennoch weitergefahren sei, ohne weitere Feststellungen zu ermöglichen. Der Beklagten falle deswegen Vorsatz zur Last. Der geltend gemachte Schaden sei unfallursächlich.

Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte wegen der geschilderten vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung zur Erstattung der Versicherungsleistung verpflichtet sei.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt,

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass sie sich nicht vorsätzlich vom Unfallort entfernt habe, da sie keine Kenntnis vom Unfall gehabt habe. Ihr sei lediglich aufgefallen, wie der Geschädigte schnell und dicht an ihr vorbeigefahren sei. Da ein rein streifender Anstoß stattgefunden habe, sei es der Beklagten auch nicht möglich gewesen, den Anstoß wahrzunehmen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzten Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Anhörung des Sachverständigen im Termin sowie durch Einvernahme des Geschädigten als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus § 116 Abs. 1 S. 3 WG i. V. m. mit dem Kfz-Haftpflichtvertrag, jedenfalls aber aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, da die Klägerin wegen einer Obliegenheitsverletzung der Beklagten gemäß §§ 116 Abs. 1 S. 2, 28 Abs. 2 WG leistungsfrei geworden ist und die im Gesamtschuldnerinnenverhältnis rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen von der Beklagten erstattet verlangen kann.

Zwischen den Parteien besteht ein Versicherungsverhältnis gemäß § 1 PflVG.

Aufgrund des Unfalls vom 20.12.2011 haften beide Parteien gegenüber dem Geschädigten aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1, 249, 421 BGB, 115 WG voll. Die Haftpflicht dem Grunde nach ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Die Beklagte bestreitet letztlich lediglich die Wahrnehmbarkeit des Unfalls durch ihre Person.

Die Beklagte ist im versicherungsrechtlichen Innenverhältnis allein gegenüber dem Geschädigten verpflichtet. Die Klägerin kann sich der Beklagten gegenüber auf Leistungsfreiheit gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 WG, jedenfalls aber gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 WG i. V. m. Abschnitt A § 7a lit a) S. 1 AKB berufen.

Die Beklagte hat vorsätzlich ihre Obliegenheit aus Abschnitt A § 7 I Abs. 2 AKB verletzt. Danach hat der Versicherte jeden Versicherungsfall innerhalb einer Woche schriftlich oder durch Meldung bei der Unfall-/Pannennotrufzentrale anzuzeigen und ist verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Schadensminderung erforderlich ist.

Die Obliegenheit hat die Beklagte verletzt, indem sie nach dem Unfallereignis weitergefahren ist, obwohl sie den Unfall bemerkte. Feststellungen zum Unfall wurden zu Lasten der Beklagten dadurch unterbunden. Von dem klägerseits geschilderten Vorbringen ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen:

Einerseits liegt dies bereits deswegen nahe, weil auch der Unfallgegner den Unfall bemerkt und daraufhin die Polizei benachrichtigt hat. Beide Fahrzeuge sind vergleichbar groß, so dass Einiges dafür spricht, dass das, was der eine Unfallbeteiligte bemerkt, auch dem anderen Unfallbeteiligten nicht verborgen bleibt. Ob es zu einer besonderen Reaktion der Beklagten nach dem Unfall gekommen ist, die der Geschädigte bei seiner Einvernahme nicht in besonderer Erinnerung hatte, ist dafür nicht entscheidend. Denn dafür kann es verschiedene Ursachen geben, unter anderem die, dass man den stattgehabten Unfall nicht wahrhaben will und sich deswegen so unauffällig wie möglich verhält.

Der Sachverständige kommt in seinem ergänzten Gutachten für das Gericht überzeugend zu der Schlussfolgerung, dass anhand der Schadensbilder eine jedenfalls taktile Wahrnehmbarkeit des Unfalls gegeben war, weil nach dem von ihm angewandten Bewertungsschema von einer Gesamtpunktzahl von 7 auszugehen sei, was einer harten Anstoßsituation entspreche. Bei dieser Punktzahl sei in jedem Fall von einer taktilen Wahrnehmbarkeit des Unfalls auszugehen. Erst recht hat dies zu gelten, wenn es zu zwei Kollisionspunkten an den Fahrzeugen gekommen ist, was die Wahrscheinlichkeit der sinnlichen Erfassung des Unfalls erhöht. Zu der Frage des angewandten Klassifizierungsschemas hat der Sachverständige kritisch Stellung genommen; seine Anwendbarkeit begegnet deswegen keinen erheblichen Bedenken. Im Übrigen schließt sich das Gericht den überzeugenden Ausführungen an, die zur Vermeidung von Wiederholungen hier nicht wiedergegeben werden müssen.

Andere Ursachen, die gegen eine Wahrnehmung des Unfalls durch die Beklagte sprechen könnten, sind von den Parteien nicht aufgezeigt worden: Weder befanden sich im Auto der Beklagten laute Geräuschquellen, die die akustische Unfallwahrnehmung hätten verhindern können noch ist die Beklagte nach eigenen Angaben schnell gefahren (gegenteilig behauptet sie Stillstand ihres Fahrzeugs beim Unfall: „Sodann setzte sie ihre Fahrt geradeaus weiter fort, S. 2 KE, Bl. 65 GA), so dass auch laute Motorengeräusche als Störquelle der Wahrnehmung ausscheiden. Durch andere Dinge – lärmende Kinder auf der Rückbank, Mobiltelefon – ist die Beklagte schließlich nicht abgelenkt worden. Stattdessen konzentrierte sich die Beklagte darauf, einen Spurwechsel vorzunehmen, weil sie der Wegempfehlung ihres Navigationsgerätes nicht folgen wollte. Sie hatte wegen des anstehenden Spurwechsels im laufenden Verkehr daher volle Konzentration auf ihre Umgebung, und zwar ganz konkret auf die an ihr vorbeifahrenden Fahrzeuge, zu denen auch das Fahrzeug der Geschädigtenseite gehörte.

Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht schwer nachzuvollziehen, wie die Beklagte in einem stehenden Auto – Erschütterungen durch die Fahrt fallen danach ebenfalls weg – den Unfall nicht bemerkt haben will.

Dass die Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls erheblich war, ist von der hierfür vortragsbelasteten Beklagten nicht dargetan worden, § 28 Abs. 3 S. 1 VVG. Im Übrigen ist nach dem Vorgesagten auch von einer Arglist im Sinne von § 28 Abs. 3 S. 2 WG auszugehen. Auf die klägerischen Ausführungen der Anspruchsbegründung kann insoweit Bezug genommen werden.

Gegen die geltend gemachte Schadenshöhe ist nichts zu erinnern. Unabhängig von der Frage, ob die Beklagte im Innenverhältnis zur Klägerin die Regulierungsentscheidung gemäß § 116 Abs. 1 S. 3 VVG gegen sich gelten zu lassen hat geht nach den Ergebnissen der Begutachtung jedenfalls mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Sicherheit fest, dass die geltend gemachten Ansprüche des Geschädigten auf den Unfall zurückzuführen sind.

Die Zinsforderung ist aus Verzug gerechtfertigt.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

III.

Streitwert: 2.482,61 €.

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