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Vergleichsmehrwert – Aufhebung einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung

OLG Karlsruhe, Az.: 12 W 7/15, Beschluss vom 31.3.2015

1. Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2015 – 10 O 369/14 – dahin abgeändert, dass der Mehrwert des mit Beschluss vom 30. Januar 2015 festgestellten Prozessvergleichs auf EUR 3.868,96 festgesetzt wird.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um den Mehrwert eines in einem Versicherungsrechtsstreit abgeschlossenen Prozessvergleichs.

Die Klägerin hat den beklagten Versicherer auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch genommen; sie hat auf rückständige Leistungen, Zahlung einer Rente und Beitragsfreistellung geklagt . Der Bestand des Versicherungsvertrages war zwischen den Parteien nicht streitig; die Beklagte hat die Berufsunfähigkeit der Klägerin bestritten und deren Verweisbarkeit auf einen anderen Beruf behauptet .

Vergleichsmehrwert - Aufhebung einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Symbolfoto: Elnur/Bigstock

Auf übereinstimmenden Antrag der Parteien hat das Landgericht einen Vergleich festgestellt, in dem die Beklagte zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die Zahlung von EUR 92.000 zusagt . Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Gebührenstreitwert des Rechtsstreits auf EUR 38.689,56 festgesetzt, wobei es – neben dem bezifferten Zahlungsantrag – den 42-fachen Monatsbetrag der Rente und der Beitragsbefreiung angesetzt hat (§ 9 ZPO) .

Dagegen richtet sich die von den Klägervertretern aus eigenem Recht erhobene Beschwerde, mit der sie die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von EUR 53.310,44 begehren. Sie sind der Auffassung, dass bei der Festsetzung des Mehrwerts zu berücksichtigen sei, dass die Versicherungsnehmerin auf die Geltendmachung von Leistungen aus etwaigen künftigen Versicherungsfällen verzichtet habe und der Versicherer umgekehrt auf sein Nachprüfungsrecht.

Die Beklagte ist der Beschwerde entgegen getreten; das Landgericht hat ihr nicht abgeholfen .

II.

Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus eigenem Recht eingelegte Beschwerde ist nach § 32 Absatz 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 68 Absatz 1 Satz 1 GKG zulässig; sie hat in der Sache teilweise Erfolg und führt zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von EUR 3.868,96.

1. Die Vorstellung der Beschwerdeführer geht dahin , als Mehrwert des Vergleichs die Differenz zwischen dem Streitwert des Rechtsstreits und dem vergleichsweise zugesagten Betrag anzusetzen. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage; welchen Wert ein Vergleich hat, richtet sich nicht nach dem zugesagten Betrag, sondern nach der Bewertung der Gegenstände, über die die Parteien sich verglichen haben (vgl. etwa OLG Nürnberg r+s 2014, 207, juris-Rn. 4).

2. Das Rechtsmittel hat gleichwohl teilweisen Erfolg.

a) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden (VersR 2012, 78), dass eine eingeschränkte Wertaddition stattfinden, wenn eine Klage auf Leistung aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einem Feststellungsantrag auf Fortbestehen des Versicherungsvertrages kombiniert wird. In diesen Fällen hat er für den Feststellungsantrag 20% des 3-5-fachen Jahresbetrags von Rentenleistung und Versicherungsprämie zusätzlich berücksichtigt. Die dem zugrunde liegenden Erwägungen lassen sich auf den Fall des Vergleichsabschlusses übertragen (im Ergebnis ebenso Senat, Beschluss vom 6. Mai 2011 – 12 W 29/11, unveröffentl.; ausführlich OLG Nürnberg AGS 2015, 79; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 20 W 47/12, juris) . Selbst wenn – wie hier – die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages zum Zeitpunkt des Vergleichs zwischen den Parteien nicht streitig war, werden doch durch den Vergleich über die Beendigung des Vertrages ähnliche Unsicherheiten beseitigt wie diejenigen, auf deren Ausräumung die Feststellungsklage auf Bestehen eines Versicherungsvertrags abzielt; namentlich wird dem Versicherer das Risiko künftiger Versicherungsfälle während der Laufzeit des Vertrages abgenommen, dem Versicherungsnehmer das Risiko, dass der Versicherer von seinem Nachprüfungsrecht Gebrauch macht.

b) Der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 13. Januar 2012 – 20 W 75/11, juris; fortgeführt im Beschluss vom 9. April 2014 – 20 W 13/14, unveröffentl., zitiert nach OLG Nürnberg AGS 2015, 79, juris-Rn. 50), die vergleichsweise Aufhebung einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung habe keinen Mehrwert, wenn der Kläger von vornherein Leistungen für die gesamte Restlaufzeit des Versicherungsvertrages beansprucht habe, vermag nicht zu überzeugen. Sie lässt unberücksichtigt, dass eine stattgebende Entscheidung über die Klage weder für den Versicherer – dem ein Nachprüfungsrecht zustünde – noch für den Versicherungsnehmer – der auch künftige Versicherungsfälle geltend machen könnte – der vergleichsweise getroffenen Regelung gleichkäme.

c) Soweit Neuhaus (Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Auflage, Rn. R 189) abweichend vorschlägt, als Vergleichsmehrwert 50% der Abfindung anzusetzen und dies mit der nicht ratierlichen, sondern sofortigen Zahlung an den Versicherungsnehmer und dem Nachprüfungs- und Todesfallrisiko begründet, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Es besteht insoweit kein Anlass, von der Systematik des § 9 ZPO und dem Grundsatz abzuweichen, dass sich der Streitwert nicht nach den vereinbarten Zahlungen, sondern den verglichenen Ansprüchen richtet. § 9 ZPO schreibt im Interesse der Vereinheitlichung und Vereinfachung eine normative Streitwertbemessung vor, um eine am konkreten wirtschaftlichen Klägerinteresse ausgerichtete Bewertung zu vermeiden, die wegen der typischen Zukunftsgerichtsbarkeit der unter die Vorschrift fallenden Rechte mit erheblichen Unsicherheiten belastet wäre (Münchener Kommentar/Wöstmann, ZPO, 4. Auflage, § 9, Rn. 1).

d) Ausgehend von einer monatlichen Rente von EUR 400,55 und Beiträgen von EUR 60,04 ergibt sich für 3,5 Jahre ein Betrag von EUR 19.344,78; 20% hiervon entsprechen dem festgesetzten Mehrwert.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 68 Absatz 3 GKG.

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