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Unfallversicherung: Mitwirkungspflichtverletzung bei Verweigerung der Untersuchung durch einen vom Versicherer benannten Arzt

LG Lübeck, Az.: 4 O 96/12

Urteil vom 14.11.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 7.000,00.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer zwischen den Parteien bestehenden privaten Kinderunfallversicherung wegen Invalidität seiner mitversicherten Tochter K Q geltend.

Unfallversicherung: Mitwirkungspflichtverletzung bei Verweigerung der Untersuchung durch einen vom Versicherer benannten Arzt
Symbolfoto: Chinnapong/bigstock

Die am 30.03.1991 geborene Tochter des Klägers, K Q, verunfallte bei einer Sportveranstaltung am 14.12.2008. Der genaue Unfallhergang ist zwischen den Parteien umstritten. Unfallfolge war eine vordere Kreuzbandruptur mit zusätzlicher Knochenknorpelstauchung im linken Kniegelenk. Am 15. und 17.12.2008 wurde K Q von Dr. M im Zentrum für Gelenkchirurgie und Sporttraumatologie der OPKlinik in untersucht, wobei die o. g. Diagnose erstellt wurde. Am 04.03.2009 wurde sie operiert.

Unter dem 07.01.2010 erstattete der Kläger eine Unfallschadenanzeige gegenüber der Beklagten (Anlage B1, Blatt 37 ff. d. A.). Unter dem 19.04.2010 gab die versicherte Person K Q eine Schweigepflichtentbindungserklärung gegenüber der Beklagten ab (vgl. B4, Blatt 44 d. A.). Handschriftlich ist auf dieser Erklärung ergänzt: „Ich würde mich über eine schnelle Bearbeitung freuen, da ich ab Juli 2010 für ein 3/4 Jahr im Ausland sein werde.“

Randnummer 4

Am 26.04.2010 beauftrage die Beklagte Dr. G.-H. L. von der OPKlinik in B S mit der Erstellung eines ärztlichen Berichts über die Verletzungsfolgen der versicherten Person (K5, Blatt 20 f. d. A.). In dem Schreiben heißt es wörtlich: „Untersuchen Sie bitte die verletzte Person und fertigen Sie ein Messblatt an. Kostenübernahme wird zugesichert.“ Am 18.05.2010 erstellte Dr. M von der genannten OPKlinik das eingeforderte Gutachten. Zu der von der Beklagten gestellten Frage 4 e „Haben Sie den Verletzen wegen der Erstellung dieses Zeugnisses untersucht? Wenn nein, wann fand die letzte Untersuchung statt?“ heißt es im Gutachten: „4 e: Letzte Untersuchung, 17.08.2009 mit Kniegel.-Funktion 0-0-125 Grad und vollständig festem VKB-Ersatz“. Unter Punkt 11 fragt die Beklagte in ihrem Fragebogen „Sind Sie mit der Aushändigung dieses Berichtes an den Verletzten einverstanden?“ Hierzu antwortet der Sachverständige Dr. M „11.: Herausgabe nicht möglich“.

Daraufhin beauftragte die Beklagte unter dem Datum 08.06.2010 die A-Klinik in B O mit der Anfertigung eines ärztlichen Berichtes. Die A-Klinik gab den Gutachtenauftrag mit Schreiben vom 29.06.2010 unerledigt zurück mit der Begründung, dass die Patientin trotz zweimaliger Einbestellung zur Untersuchung, letztmalig am 28.06.2010, nicht zur Untersuchung erschienen sei, ohne dieses gegenüber der Klinik begründet zu haben.

Mit Schreiben vom 17.08.2010 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass das Gutachten der Sportorthopädie in der OPKlinik nicht nach den anerkannten gutachterlichen Richtlinien der Unfallbegutachtung erstellt wurde. Sie begründete dies ausführlich u. a. damit, dass eine erforderliche Nachuntersuchung hierbei nicht stattgefunden habe. Weiter führt die Beklagte aus, dass eine erneute Begutachtung daher erforderlich sei. Sie bietet an, dass die Tochter des Klägers auch erst nach Beendigung ihres Auslandaufenthaltes eine solche Begutachtung durchführen lassen könne. Weiter wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Sachverständige ausdrücklich der Weitergabe seines Gutachtens widersprochen habe und aus diesem Grund das Gutachten nicht ausgehändigt werden könne. Am 20.08.2010 widerrief die versicherte Person, K Q, ihre Schweigepflichtentbindungserklärungen vom 16.03. und 19.04.2010 gegenüber der Beklagten.

Mit weiterem Schreiben vom 20.09.2011 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass nunmehr im Dezember 2011 die Dreijahresfrist gem. Ziff. 8 AUB 2008 abliefe, weshalb ein Schlussgutachten zur Bemessung des Dauerschadens in Auftrag gegeben werden solle. Sie forderte den Kläger dazu auf, erneut eine Schweigepflichtentbindungserklärung einzureichen. Schließlich wies die Beklagte den Kläger auch auf die Folgen einer Obliegenheitsverletzung gem. Ziff. 6 AUB 2008 hin, insbesondere auf die Leistungsfreiheit, die seitens des Versicherungsunternehmens eintreten könne.

Unter dem 07.12.2011 erklärte sich die Beklagte bereit, einen Pauschalbetrag von EUR 7.000,00 zur Erledigung der Streitigkeiten zu zahlen, den sie sodann unter Rückforderungsvorbehalt an den Kläger überwies.

Ziff. 6 der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen lautet: „(…) 6.3: Werden Ärzte von uns beauftragt, muss sich die versicherte Person auch von diesen untersuchen lassen. Die notwendigen Kosten einschließlich eins dadurch entstandenen Verdienstausfalls tragen wir“.

„6.4 Die Ärzte die die versicherte Person – auch aus anderen Anlässen – behandelt oder untersucht haben, andere Versicherer, Versicherungsträger und Behörden sind zu ermächtigen, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen.“

Ziffer 7 lautet: „Wird eine Obliegenheit nach Ziff. 6 vorsätzlich verletzt, verlieren Sie ihren Versicherungsschutz. Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit sind wir berechtigt, unsere Leistungen in einem der Schwere ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Beides gilt nur wenn wir Sie durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolgen hingewiesen haben. Weisen Sie nach, dass Sie die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen. Der Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn Sie nachweisen, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung ursächlich war.“

Schließlich heißt es in Ziff. 8.4: „Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen.(…)“

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde aufgrund einer Invalidität seiner Tochter in Höhe von 2/10 Beinwert eine weitere Summe von EUR 7.000,00 zu. Eine Obliegenheitsverletzung könne ihm nicht vorgeworfen werden, da er sich pflichtgemäß verhalten habe. Das von der Beklagten beauftragte Gutachten des Dr. M habe er nie erhalten, weshalb auch nicht einsichtig sei, weshalb seine Tochter sich einer weiteren Untersuchung unterziehen müsse.

Er beantragt deshalb, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere EUR 7.000,00 nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 14.000,00 vom 08.06.2010 bis zum 08.12.2011 und auf EUR 7.000,00 seit dem 09.11.2011 zu zahlen, sowie ihm den nicht anrechenbaren Anteil der anwaltlichen Geschäftsgebühr in Höhe von EUR 699,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, eine Invalidität der Tochter des Klägers habe nicht festgestellt werden können. Sie sei daher von der Leistungspflicht frei, insbesondere da der Kläger seine Obliegenheitspflichten aus Nr. 6 der Versicherungsbedingungen verletzt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Invaliditätsleistung gegen die Beklagte, da er durch eine vorsätzliche Obliegenheitspflichtverletzung die Feststellung der Invalidität seiner Tochter und damit auch die Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls verhindert hat.

1. In der beharrlichen Verweigerung einer körperlichen Untersuchung seiner Tochter ist eine Obliegenheitsverletzung des Klägers im Sinne von Ziff. 6.3 der Versicherungsbedingungen zu sehen. Das Verhalten seiner Tochter ist dem Kläger auch gem. § 179 Abs. 3 VVG zuzurechnen. Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit bis zuletzt nicht substantiiert vorgetragen, dass es wegen der bleibenden Folgen des Unfalls vom 14.12.2008 mehr als eine Untersuchung seiner Tochter gegeben hat. Diese Untersuchung fand am 17.08.2009 statt und damit vor der Anzeige des Unfallschadens gegenüber der Beklagten. Es drängt sich auf und muss dem Kläger bewusst sein, dass diese einmalige Untersuchung vor Einbeziehung der Beklagten in den Schadensfall nicht ausreichen kann, um seinen Obliegenheiten aus Ziff. 6 der Versicherungsbedingungen zu genügen. Daran ändert auch die Behauptung des Klägers nichts, er habe das von der Beklagten nicht anerkannte Gutachten des Dr. M nicht vorgelegt bekommen. Zum einen hat er selbst dieses Gutachten als Anlage K6 zur Akte gereicht. Zum anderen hat der Sachverständige selbst einer Weitergabe des Gutachtens an den Kläger widersprochen, was der Beklagten nicht zugerechnet werden kann. Schließlich hat die Beklagte dem Kläger im Schreiben vom 17.08.2010 (B6, Blatt 80 d. A.) ausführlich dargelegt, warum sie das Gutachten der OPKlinik nicht akzeptieren könne. Diese Argumentation ist nachvollziehbar und verständlich, insbesondere in Bezug auf die Erforderlichkeit einer Nachuntersuchung, die offensichtlich nicht stattgefunden hat. Daher ändert der Einwand des Klägers, das Gutachten selbst nicht gekannt zu haben, nichts an seiner Verpflichtung, eine Nachuntersuchung seiner Tochter zu ermöglichen. Diese Pflicht hat die Tochter des Klägers verletzt, indem sie ihre Schweigepflichtentbindungserklärung widerrief und indem sie die von der A-Klinik bestimmten Termine nicht wahrnahm. Dies obwohl die beiden Untersuchungstermine kulanterweise noch vor dem avisierten Auslandsaufenthalt der Tochter anberaumt worden waren. Es besteht auch kein Zweifel an der Vorsätzlichkeit dieser Obliegenheitspflichtverletzung, da die Beklagte den Kläger mehrfach eindringlich auf seine Obliegenheiten aus dem Vertragsverhältnis hingewiesen hat und ihn zudem über die Folgen einer Obliegenheitspflichtverletzung aufgeklärt hat.

2. Der Kläger konnte auch nicht im Sinne von Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen nachweisen, dass seine Obliegenheitspflichtverletzung weder kausal für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung war. Im Gegenteil war gerade die nachhaltige Verweigerung einer Untersuchung seiner Tochter Ursache für die mangelnde Leistungspflicht der Beklagten. Denn eine Invalidität der versicherten Tochter konnte mangels körperlicher Untersuchung derselben durch einen von der Beklagten beauftragten Arzt nicht festgestellt werden. Nach Ziff. 8.4 der Versicherungsbedingungen kann die Invalidität jährlich längstens bis zu drei Jahre nach dem Unfall ärztlich bemessen werden. Da diese drei Jahre nunmehr abgelaufen sind, ist eine Invaliditätsfeststellung im Hinblick auf das Unfallereignis vom 14.12.2008 nicht mehr möglich. Bis zum Ablauf dieser Frist hat der Kläger die Untersuchung verweigert. Er hat somit gem. Ziff. 7 der Versicherungsbedingungen seinen Versicherungsschutz verloren. Auf diese Folge seiner Obliegenheitspflichtverletzung wurde er auch durch die Beklagte mehrfach hingewiesen, zuletzt im Schreiben vom 20.09.2011.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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