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Private Krankenversicherung –  notwendige Heilbehandlung – Arzneimittelzulassung

AG Backnang – Az.: 4 C 1017/10 – Urteil vom 18.12.2013

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25,32 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 12,66 € seit 10.01.2011 und aus weiteren 12,66 € seit 23.02.2011 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger weitere 90,36 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 23.07.2013 zu bezahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Summe abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Berufung wird zugelassen.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: Bei Klageinreichung: 42,20 € nach Klagerweiterung mit Schriftsatz vom 18.02.2011, eingegangen am 21.02.2011: 84,40 € nach teilweiser Klagrücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2011: 25,32 € nach Klagerweiterung mit Schriftsatz vom 18.07.2013: 115,68 €

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten aus einer Krankheitskostenversicherung die Erstattung seiner Aufwendungen für das ihm verschriebene Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg. Der Kläger ist bei der Beklagten Versicherungsnehmer der Krankenversicherung Nr. … Ausweislich § 1 Abs. 2 Satz 1 der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, Teil I – Musterbedingungen (MB/KK 94) ist der Versicherungsfall

„die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.”

Der Umfang der Leistungspflicht ist in § 4 Abs. 6 MB/KK 94 wie folgt umschrieben:

„Der Versicherer leistet im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben […].“

Der Kläger leidet an einer gutartigen Prostatavergrößerung mit Miktionsbeschwerden. Der ihn behandelnde Arzt Dr. med. …, Facharzt für Allgemeinmedizin, verschreibt ihm deshalb seit langem Prostagutt®forte 160/120 mg.

Private Krankenversicherung -  notwendige Heilbehandlung - Arzneimittelzulassung
Symbolfoto: Von megaflopp /Shutterstock.com

Der Kläger reichte in der Vergangenheit zur Erstattung seiner Aufwendungen für Prostagutt®forte 160/120 mg seine Rechnungen regelmäßig bei der Beklagten ein. Erst mit Schreiben vom 28.06.2010 änderte die Beklagte ihre Erstattungspraxis. Sie erklärte, die Kosten für Prostagutt®forte 160/120 mg zukünftig nicht mehr erstatten zu wollen. Die Beklagte begründete dies mit dem Hinweis, es handle sich bei Prostagutt®forte 160/120 mg um ein Präparat mit einem fraglichen Wirkstoff, das traditionell bei der gutartigen Vergrößerung der Prostata angewandt werde. Es besitze nur eine Zulassung als traditionell angewandtes Arzneimittel. Für diese Zulassung müsse die Wirksamkeit des Arzneimittels nicht eigens in wissenschaftlichen Studien erbracht werden.

Mit Schreiben vom 27.08.2010 hat die Beklagten eingestanden, dass Prostagutt®forte 160/120 mg eine arzneimittelrechtliche Vollzulassung besitzt. Mit Schreiben vom 21.10.2010 hat die Beklagte gegenüber dem Kläger jedoch ihre Ablehnung, die Kosten für Prostagutt®forte 160/120 mg zu ersetzen, damit begründet, dass die Studien zu dem Arzneimittel nicht in die einschlägigen Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften eingeflossen seien. Die Verordnung von Prostagutt®forte 160/120 mg sei nicht medizinisch notwendig. Das Arzneimittel sei von der Schulmedizin nicht überwiegend anerkannt.

Am 04.11.2010 wurde dem Kläger abermals durch den behandelnden Arzt Dr. med. … Prostagutt®forte 160/120 mg, Kapseln 120 Stück, N2 verschrieben. Der Kläger hat dieses Rezept am 09.11.2010 in der … Apotheke, … gegen Zahlung von 42,20 € eingelöst.

Eine Kostenerstattung hat die Beklagte mit Schreiben vom 17.11.2010 unter Hinweis auf ihre bereits erwähnte Rechtsauffassung abgelehnt.

Am 07.02.2011 wurde dem Kläger durch den behandelnden Arzt Dr. med. … erneut das streitgegenständliche Arzneimittel verschrieben.

Der Kläger hat der Beklagten die ärztliche Verschreibung zur Kostenerstattung vorgelegt. Die Beklagte hat die Kosten für das streitgegenständliche Arzneimittel nicht erstattet und eine Erstattung abgelehnt.

Die Kosten für das Arzneimittel hätten auch in diesem Fall 42,20 € betragen.

Der Kläger ist bei der Beklagten für ambulante Behandlungen im Beihilfetarif 8130 versichert. Dieser Tarif sieht die Kostenerstattung in Höhe von 30 % vor. Der Kläger kann von beiden Rechnungen deswegen nur 30 % der Summe als Erstattung von der Beklagten verlangen. Dies sind pro Rezept 12,66 €.

Der Kläger war auch im Anschluss an die ärztliche Verschreibung vom 07.02.2011 wegen seiner benignen Prostatahyperplasie fortlaufend in ärztlicher Behandlung.

Im Einzelnen hat die Beklagte hinsichtlich der nachfolgend aufgelisteten ärztlichen Verschreibungen eine Übernahme der Kosten für das streitgegenständliche Arzneimittel abgelehnt:

a)

Ärztliche Verschreibung vom 16.06.2011

Ablehnung vom 20.07.2011

30 % Kostenanteil von 42,20 € aus dem Tarif der Versicherung

bei der Beklagten: 12,66 €

b)

Ärztliche Verschreibung vom 07.11.2011

Ablehnung vom 24.11.2011

30 % Kostenanteil von 43,15 € aus dem Tarif der Versicherung

bei der Beklagten: 12,95 €

c)

Ärztliche Verschreibung vom 16.01.2012

Ablehnung vom 23.02.2012

30 % Kostenanteil von 43,15 € aus dem Tarif der Versicherung

bei der Beklagten: 12,95 €

d)

Ärztliche Verschreibung vom 30.03.2012

Ablehnung vom 17.04.2012

30 % Kostenanteil von 43,15 € aus dem Tarif der Versicherung

bei der Beklagten: 12,95 €

e)

Ärztliche Verschreibung vom 08.06.2012

Ablehnung vom 09.07.2012

30 % Kostenanteil von 43,15 € aus dem Tarif der Versicherung

bei der Beklagten: 12,95 €

f)

Ärztliche Verschreibung vom 16.10.2012

Ablehnung vom 14.11.2012

30 % Kostenanteil von 43,15 € aus dem Tarif der Versicherung

bei der Beklagten: 12,95€

g)

Ärztliche Verschreibung vom 12.02.2013

Ablehnung vom 25.02.2013

30 % Kostenanteil von 43,15 € aus dem Tarif der Versicherung

bei der Beklagten: 12,95 €

Die Addition der Positionen a) bis g) ergibt eine Gesamtsumme von 90,36 €.

Das Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg hat das schulmedizinische Zulassungsverfahren nach §§ 21, 25 AMG durchlaufen und vom BfArM als zuständiger Bundesoberbehörde eine sogenannte „Vollzulassung“ erhalten. Ausweislich § 22 Abs. 2, Satz 1 Nr. 3 AMG bedarf es hierzu der Vorlage der Ergebnisse klinischer Prüfungen zum wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit des Arzneimittels in dem beantragten Anwendungsgebiet oder der Vorlage anderen wissenschaftlichen Erkenntnismaterials gemäß § 22 Abs. 3 AMG. Der Zulassungsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte stammt vom 17.05.1995 bzw. 04.10.1995 (siehe Anlagen K 6 und 7). Ausweislich dieser Zulassungsbescheide ist das Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg für das folgende Anwendungsgebiet zugelassen:

„Beschwerden beim Wasserlassen bei einer gutartigen Vergrößerung der Prostata (Miktionsbeschwerden bei benigner Prostatahyperplasie, Stadium I bis II nach Alken.)“

Der Kläger trägt vor, die Dr. … KG habe als Zulassungsinhaberin das angesprochene Verfahren der sogenannten Vollzulassung gemäß §§ 21, 25 AMG durchlaufen. Sie habe gegenüber der nach § 77 AMG zuständigen Bundesoberbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, nachgewiesen, dass Prostagutt®forte 160/120 mg tatsächlich in den zugelassenen Anwendungsgebieten wirksam sei. Die Zulassungsinhaberin habe hierzu eigene klinische Studien dem BfArM zur Entscheidung vorgelegt. Einem Arzneimittel, dem die angegebene therapeutische Wirksamkeit fehle oder dessen therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet sei, werde die Zulassung versagt.

Der behandelnde Hausarzt habe mit der Verschreibung von Prostagutt®forte 160/120 mg gute Erfolge erzielt. Die dauerhafte Behandlung des Klägers mit Prostagutt®forte 160/120 mg sei deswegen medizinisch indiziert. Aufgrund des erfolgreichen Einsatzes von Prostagutt®forte 160/120 mg beim Kläger und einem günstigen Nebenwirkungsverhältnis im Vergleich zu optionalen Arzneimitteln (sogenannte Alpha-Blocker) sei eine Änderung der Therapie des Klägers nicht angezeigt. Die Heilbehandlung des Klägers mit Prostagutt®forte 160/120 mg sei medizinisch notwendig.

Die Wirksamkeit des Arzneimittels sei auch nach Erhalt des Zulassungsbescheids mehrfach klinisch bestätigt worden. Der Kläger verweist insofern auf Studien von Koch und Biber (Anlagen K 16 und K 17), eine randomisierte, multizentrische, placebokontrollierte, doppelblinde Langzeitstudie von Lopatkin el al. (Anlage K 18), eine Studie von M. Oelke und S. Schläfke (Anlage K 20 der Akten) eine prospektive, randomisierte und multizentrische doppelblinde Langzeitstudie von Engelmann et. al. (Anlage K 21 der Akten), eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie von Sökeland und Albrecht (Anlage K 22) sowie eine weitere Studie von J. Sökeland (Anlage K 23 der Akten), und einer Studie mit einer Nachuntersuchung von Sökeland et. al. (Anlagenkonvolut K 25 der Akten). Zum Beleg für die Wirksamkeit von Sabal-Urtica-Kombinationspräparaten verweist der Kläger weiter auf Langzeitstudien von Metzker, Kieser und Hölscher (Anlage K 26 der Akten), G. Popa et. al. (Anlage K 27 der Akten), Bondarenko et. al. (Anlage K 28 der Akten) sowie auf eine von der amerikanischen Militär-Gesundheitsbehörde beauftragte Review-Arbeit (Anlage K 29 der Akten). Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22.12.2010 sowie die genannten Anlagen verwiesen.

Zusammenfassend sei demnach festzustellen, dass die in Prostagutt®forte 160/120 mg enthaltene Extrakt-Kombination mit den Spezialextrakten aus Früchten der Sägepalme und Wurzeln der Brennnessel sich anhand der Ergebnisse aus klinischen Studien als wirksames Arzneimittel zur Behandlung von obstruktiven und irritativen Symptomen leichter bis mittelschwerer Stadien der benignen Prostatahyperplasie zeige. Ein großer Vorteil dieser Therapie sei das Fehlen von Interaktionen mit anderen Arzneimitteln und die außerordentlich gute Verträglichkeit.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden klinischen Nachweise der Wirksamkeit von Prostagutt®forte 160/120 mg sowie der für dieses Arzneimittel erteilten Vollzulassung gemäß §§ 21, 25 AMG überzeuge der Hinweis der Beklagten auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie und des Berufsverbands der Deutschen Urologen zur Therapie des benignen Prostatasyndroms mit Stand vom Februar 2009 nicht. Die Leitlinien bewerteten unter Ziffer 1.2 die medikamentöse Therapie des benignen Prostatasyndroms und nähmen unter Ziffer 1.2.1 Bezug auf pflanzliche Arzneimittel. In den Leitlinien heiße es an einer Stelle, dass die „Evidenz“ für eine langfristige klinisch relevante Wirksamkeit für die Phytotherapie noch nicht erbracht sei. Weiter heiße es jedoch „eine einheitliche Empfehlung könne zu dieser heterogenen Gruppe von Präparaten nicht gegeben werden“.

Diese Feststellung in den Leitlinien sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass Phytopharmaka aufgrund unterschiedlicher Extraktionsverfahren der Hersteller nicht einheitlich bewertet werden könnten. Die von der Beklagten herangezogene Feststellung zur mangelnden Evidenz möge daher für einzelne Phytopharmaka gelten, sie treffe aber nicht auf alle Präparate – und schon gar nicht auf Prostagutt®forte 160/120 mg – zu. So heiße es im 3. Absatz unter Ziffer 1.2.1 der Leitlinien beispielsweise auch, dass es für vier Phytotherapeutika Hinweise auf eine Wirksamkeit aus randomisierten, kontrollierten Studien gebe. Die in diesem Kontext genannte Fußnote 205 verweise auf die bereits als Anlage K 22 vorgelegte Studie von Sökeland und Albrecht aus dem Jahre 1997, die sich mit dem streitgegenständlichen Präparat befasse. Mit anderen Worten räumten auch die Leitlinien der DGU und des BDU die Wirksamkeit von Prostagutt®forte 160/120 mg ein.

In den Guidelines on Conservative Treatment of Non-neurogenic Male LUTS der Europäischen Urologenorganisation werde den in der Leitlinie genannten Studien von Lopatkin et al. (Anlage K 18) und Sökeland und Albrecht (Anlage K 22) der zweithöchste Evidenzgrad (LE 1b, Table 8) zugewiesen. Die Leitlinien der DGU und des BDU zur Therapie des benignen Prostatasyndroms sprächen insoweit von einer „Evidenz aus mindestens einer randomisierten Studie mit guter Qualität“. Zudem würde die Wirksamkeit von Prostagutt®forte 160/120 mg bestätigt (Ziffer 3.4.3 „Combination preparations“) und würden Phytopharmaka allgemein als Behandlungsoption bei LUTS eingestuft. Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften würden auch nicht zwingend den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse abschließend wiedergeben.

In rechtlicher Hinsicht sei festzuhalten, dass es sich bei Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg um ein „voll zugelassenes“ Arzneimittel nach den §§ 21, 25 AMG handle, welches deshalb der Schulmedizin zuzurechnen sei. Darüber hinaus belegten sowohl der für eine Zulassung notwendige Wirksamkeitsnachweis als auch die dargestellten wissenschaftlichen Daten, dass Prostagutt®forte 160/120 mg nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen wirksam sei und dementsprechend von der Schulmedizin anerkannt sei.

Aus der Praxis sei festzuhalten, dass Prostagutt®forte 160/120 mg nach einer Hochrechnung der Medimed GmbH im Jahr 2010 von 1.647 Urologen verordnet worden sei. Im Jahre 2003 hatten nach dieser Hochrechnung 2.511 Urologen das Arzneimittel verordnet. Es sei damit festzuhalten, dass Prostagutt®forte 160/120 mg – bei einer Anzahl von ca. 2.800 Urologen bundesweit – nach wie vor von weit mehr als der Hälfte der schulmedizinisch praktizierenden Urologen verordnet werde.

Die Medimed GmbH sei ein Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, welches auf der Grundlage von Datenerhebungen Aussagen zum Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte treffen könne.

Die Behandlung des Klägers mit dem Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg sei medizinisch notwendig, weil sie nach den medizinischen Erkenntnissen ex ante betrachtet erforderlich und als wahrscheinlich geeignet zur Herbeiführung einer Heilung gewesen sei. Heilbehandlung sei jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden sei, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege falle und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abziele. Auch die ärztliche Tätigkeit, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet sei, sei eine Heilbehandlung.

Ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig sei, hänge davon ab, ob es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar gewesen sei, sie als notwendig anzusehen.

Stehe die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folge daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers. Medizinisch notwendig könne eine Behandlung auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar sei. Es genüge insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen ließen, die Behandlung als notwendig anzusehen. Wenngleich für die medizinische Notwendigkeit das Vorliegen eines Therapieerfolges nicht notwendig sei, so sei gleichwohl darauf hingewiesen, dass sich im vorliegenden Fall aus dem Rückgang der Beschwerden des Klägers ein Therapieerfolg ergebe. Der Rückgang der Beschwerden könne nur vom Arzt durch befragen seines Patienten ermittelt werden. Dem gegenüber sei eine Veränderung des PSA-Wertes kein relevanter Parameter zur Messung des Therapieerfolges.

Aus der geschilderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes folge, dass ein Korridor objektiv medizinisch vertretbarer und damit notwendiger Behandlungsmethoden eröffnet sei, und dass bei verschiedenen zur Verfügung stehenden Methoden nicht angenommen werden könne, alleine diejenige mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit – also Evidenzstufe – sei medizinisch notwendig.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sei festzustellen, dass die Verschreibung des Arzneimittels Prostagutt®forte 160/120 mg im vorliegenden Fall Teil einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung sei. Prostagutt®forte 160/120 mg sei für den Anwendungsbereich als Arzneimittel zugelassen, dessen Indikation auch beim Kläger gegeben sei. Dies indiziere eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Eignung der konkreten Behandlung zur Erreichung des Behandlungsziels und begründe die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung.

Der Umfang der Leistungspflicht der Beklagten wegen des Eintritts eines Versicherungsfalls werde auch nicht durch § 4 Abs. 6, Satz 1 der AVB eingeschränkt. § 4 Abs. 6 der AVB der Beklagten verstoße gegen das in § 307 Abs. 1, Satz 3 BGB statuierte Transparenzgebot, wonach eine Klausel klar und verständlich sein müsse, die Klausel sei deswegen unwirksam. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen sei verpflichtet, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners klar, einfach und präzise darzustellen. Hiergegen habe die Beklagte verstoßen. Für den Kläger als Versicherungsnehmer sei nicht erkennbar, welche Leistungen bei einem Versicherungsfall noch ersetzt würden, da der Begriff „Schulmedizin“ von der Arzneimittel „überwiegend anerkannt“ sein müssten, nicht geeignet sei, eine eindeutige Grenze der Leistungspflicht zu ziehen.

Der in § 4 Abs. 6, Satz 1 MB/KK 94 verwendete Begriff der „Schulmedizin“ sei nicht gesetzlich definiert. Zwar werde hier die allgemeine, die an den medizinischen Hochschulen gelehrte, allgemein anerkannte und angewandte Medizin verstanden, in diesem Sinne werde die Schulmedizin oftmals auch umschrieben als „herrschende Lehre“, diese Beschreibung veranschauliche indes bereits, dass der Begriff Schulmedizin einen beständigen inhaltlichen Wandel unterworfen sei und es an den Grenzbereichen notwendigerweise zu Meinungsverschiedenheiten darüber komme, welche Behandlungsmethoden und Arzneimittel noch der „Schulmedizin“ zuzurechnen seien. Dieser Verstoß gegen das Transparenzgebot werde vorliegend noch dadurch verstärkt, dass § 4 Abs. 6, Satz 1 MB/KK 94 nicht auf die Schulmedizin als solche verweise, sondern darauf, ob ein entsprechendes Arzneimittel von dieser überwiegend anerkannt sei.

Ganz erhebliche Zweifel an der Transparenz von § 4 Abs. 6, Satz 1 MB/KK 94 täten sich zudem auf, wenn nun sogar zugelassene Arzneimittel im Sinne der §§ 21, 25 AMG nicht zur Schulmedizin zählen sollten. Wollte man § 4 Abs. 6, Satz 1 MB/KK 94 trotz der dieser Klausel innewohnenden Unklarheit für wirksam erachten, begründe dies aber zumindest keine Darlegungs- und Beweislast des Klägers. § 4 Abs. 6, Satz 1 MB/KK 94 benenne keine Anspruchsvoraussetzung, die der Kläger als Versicherungsnehmer darzulegen oder zu beweisen hätte. Ungeachtet dieser Ausführungen sei das Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg schon deswegen von der Schulmedizin überwiegend anerkannt, weil es über eine Vollzulassung im Sinne der §§ 21, 25 AMG verfüge.

Die Zulassung für Prostagutt®forte 160/120 mg, die ein begünstigender Verwaltungsakt sei, entfalte im Hinblick auf den Nachweis der Wirksamkeit des Arzneimittels Tatbestands- bzw. Bindungswirkung auch gegenüber der Beklagten. Der Kläger verweist insofern auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Oberlandesgerichts Stuttgarts zum Wettbewerbsrecht (siehe Blatt 30 der Akten).

Die objektive Eignung des streitgegenständlichen Arzneimittels folge auch aus seiner Vollzulassung. Im Recht der sozialen Krankenversicherung sei anerkannt, dass die arzneimittelrechtliche Zulassung dergestalt vorgreiflich sei, dass in Bezug auf ein zugelassenes Arzneimittel dessen therapeutische Wirksamkeit im zugelassenen Anwendungsgebiet nicht in Abrede gestellt werden könne, und dass bei zulassungspflichtigen Fertigarzneimitteln schon das Arzneimittelrecht die wesentlichen Voraussetzungen auch für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht regle, weil der Gemeinsame-Bundesausschuss (G-BA) insoweit zu einer Zweitprüfung nicht befugt sei. Für das Recht der privaten Krankenversicherung könne nichts anderes gelten, denn die Vorgreiflichkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung – also der Umstand, dass die therapeutische Wirksamkeit im zugelassenen Anwendungsgebiet nicht in Abrede gestellt werden könne – beruhe nicht auf spezifisch sozialversicherungsrechtlichen Gründen, sondern auf der Existenz der Zulassung und der im Rahmen des Zulassungsverfahrens erfolgten Bewertung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels durch die zuständige Bundesoberbehörde. Für den Nachweis der Wirksamkeit von Prostagutt®forte 160/120 mg in dem zugelassenen Anwendungsgebiet habe der Zulassungsbescheid eine Tatbestand- bzw. Bindungswirkung auch gegenüber der Beklagten. Folglich bedürfe es allenfalls zur Frage der Erkrankung des Klägers einer Beweiserhebung.

Beim Kläger läge objektiv nachgewiesen das Krankheitsbild vor, für dessen Behandlung das streitgegenständliche Arzneimittel über eine sogenannte Vollzulassung nach §§ 21, 25 AMG verfüge. Beim Kläger läge eine Erkrankung entweder im Stadium I oder Stadium II nach Alken vor.

Der Kläger habe eine Heilbehandlung durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. … und durch den Urologen Dr. med. … erhalten. Der Urologe Dr. … habe am 15.11.2007 ein Prostata-Adenom diagnostiziert, das durch Feststellung eines erhöhten Wertes für PSA (Prostataspezifisches Antigen), einer mittelgroßen, derben Prostata durch rektale Palpation und durch Ausschluss eines Prostatakarzinoms durch Biopsie gestellt worden sei. Der Patient sei von dem behandelnden Urologen zur Behandlung explizit an den Hausarzt zurückverwiesen worden. Auch Dr. … habe in seiner Krankenakte explizit die Diagnose Prostataadenom festgestellt. Das Stadium II nach Alken sei bei dem Patienten ausgeschlossen worden. Der Facharzt für Innere Medizin, Dr. …, habe am 18.11.2008 durch eine Oberbauchsonografie eine Harnstauung ausschließen können.

Im Zuge der Übernahme des Behandlungsverhältnis habe Herr Dr. … den Kläger am 17.05.2011 ärztlich untersucht und eine Sonografie der Prostata durchgeführt. Hierbei habe Herr Dr. … festgestellt, dass die Prostata des Klägers bei einem Volumen von ca. 34 ml vergrößert, dezent inhomogen, mit kleiner Verkalkung gewesen sei. Der Urologe Dr. … habe ausweislich des Befundberichts vom 15.11.2007 durch Entnahme histologischer Proben das Vorliegen eines Karzinoms ausschließen können, sodass eine gutartige Prostatavergrößerung bestehe.

 

Der Kläger hat in der Klagschrift zunächst beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 42,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Dieser Schriftsatz wurde der Beklagten am 10.01.2011 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 18.02.2011 hat der Kläger die Klage erweitert und beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 84,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 42,20 € seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Dieser Schriftsatz wurde der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2011 übergeben.

Auf rechtlichen Hinweis des Gerichts hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2011 die Klage teilweise zurückgenommen und beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 12,66 € seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Mit Schriftsatz vom 18.07.2013 hat der Kläger die Klage erweitert und zu dem zuletzt gestellten Antrag außerdem beantragt:

Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger weitere 90,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Dieser Schriftsatz mit dem 2. Antrag (Klagerweiterung) wurde der Beklagten zugestellt am 23.07.2013.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Kosten für das Medikament Prostagutt®forte 160/120 mg seien im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht erstattungsfähig. Die Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 6 MB/KK lägen nicht vor. Zunächst sei auffällig, dass in der Behandlung des Klägers wohl kein Urologe beteiligt gewesen sei. Die Diagnose bei dem Kläger sei unklar, sodass diese bestritten werden müsse. Der attestierende Allgemeinmediziner … schreibe:

„von mir das Medikament Prostagutt®forte 160/120 mg wegen einer gutartigen Prostatavergrößerung mit Miktionsbeschwerden verordnet bekommen.“

Daraus gehe gerade nicht hervor, um welches Stadium nach Alken es sich bei der Diagnose handeln sollte, wobei die Beklagte darauf hinweise, dass Prostagutt®forte 160/120 mg nur eine Zulassung für das Stadium I und II nach Alken besitze. Wenn bei dem Kläger also das Stadium III vorläge, so läge die Anwendung nicht mehr innerhalb des Zulassungsbereichs. Unabhängig davon sei die Behandlung des Klägers mit Prostagutt®forte 160/120 mg nicht medizinisch notwendig und werde auch nicht den Anforderungen gemäß § 4 Abs. 6 MB/KK gerecht.

Werde wie hier die medizinische Notwendigkeit der Behandlung vom Versicherer bestritten, so habe im Prozess der Versicherungsnehmer die Notwendigkeit der Heilbehandlung als zentrale Leistungsvoraussetzung zu beweisen. Zweifel gingen zu seinen Lasten.

 

Es sei eine objektive Beurteilung aufgrund der vorliegenden Befunde und der objektiven medizinischen Erkenntnisse gefordert. Auf die subjektive Sicht des behandelnden Arztes komme es nicht an. Der BGH habe wiederholt entschieden, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer notwendigen Heilbehandlung auf einen objektiven, vom Vertrag zwischen Arzt und Partei unabhängigen Maßstab ankomme. Diese objektive Anknüpfung bedeute zugleich, dass für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht die Auffassung des Versicherungsnehmers und nicht alleine die des behandelnden Arztes entscheidend sei. Gegenstände der Beurteilung könnten vielmehr nur die objektiven medizinisches Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Das Urteil des behandelnden Arztes sei deshalb einer Überprüfung durch einen neutralen Sachverständigen zu unterziehen. Der Versicherungsnehmer könne daher regelmäßig den Beweis nur durch gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Zugrundelegung der Krankenunterlagen, in denen die seinerzeitigen objektiven Befunden enthalten seien, führen. Insbesondere müsse der Versicherungsnehmer den Nachweis führen, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar gewesen sei, sie als medizinisch notwendig anzusehen.

Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme setze deren (aus der ex ante-Sicht) Geeignetheit und Erforderlichkeit voraus. Eine Maßnahme müsse demnach aus der ex- ante -Sicht geeignet sein, einen qualifizierten Behandlungserfolg zu erzielen, also je nach Art des Leidens dieses zu beseitigen, zu bessern oder zu lindern. Erforderlich sei eine Behandlungsmethode nur dann, wenn nicht andere Erfolg versprechendere und/oder gefahrlosere geeignete Methoden zur Wahl stünden. Bei der Beurteilung, ob eine Behandlung medizinisch notwendig sei, müsse der Behandlungserfolg nach einhelliger Meinung außer Betracht bleiben. Die Frage nach der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlungsmaßnahme sei deswegen nicht vom Behandlungserfolg her und auch nicht unter Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse zu Diagnostik und Therapie zu beantworten. Erstattungsfähig solle sein, was im Zeitpunkt der Behandlung medizinisch notwendig gewesen sei.

Nach den einschlägigen Leitlinien sei eine Behandlung des Klägers mit Prostagutt®forte 160/120 mg nicht angezeigt. Die Behandlung sei nicht medizinisch notwendig. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie habe in ihren Leitlinien, die den gegenwärtigen fachlichen Stand spiegelten, ausgeführt:

„Somit wurde letztlich die Evidenz (Gewissheit) für eine langfristige klinisch relevante Wirksamkeit noch nicht erbracht.“

Der Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe diesen Satz aus dem Zusammenhang gerissen gehe fehl. Entgegen der Auffassung des Klägers treffe die oben zitierte Passage aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie auch auf das Präparat Prostagutt®forte 160/120 mg zu.

Zwar sei in der Leitlinie tatsächlich ausgeführt, dass es „Hinweise“ bei 4 Phytotherapeutika auf eine Wirksamkeit gebe. Jedoch heiße es sodann weiter in der Leitlinie:

„Allerdings werde erneut darauf hingewiesen, dass die langfristige Wirksamkeit und die präventive Wirkung hinsichtlich BPF bedingter Komplikationen unbekannt seien und in weiteren Studien mit standartisierten Präparaten und entsprechenden Zielparametern abgeklärt werden müssten. Somit sei letztendlich die „Evidenz“ für eine langfristige klinisch relevante Wirksamkeit noch nicht erbracht.“

Die Ausführungen des Bundessozialgerichtes spielten an dieser Stelle keine Rolle. Das Sozialgesetzbuch V finde in einem Rechtsstreit im Rahmen des privaten Krankenversicherungrechts keine Anwendung.

Daran änderten auch die Ausführungen des Klägers nichts. Zunächst geht der Kläger fälschlicherweise davon aus, dass die abstrakte arzneimittelrechtliche Zulassung eines Präparates im Sinne der §§ 21, 25 AMG dazu führe, dass jede Verordnung mit einem solchen Präparat medizinisch notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen sei. Diese Rechtsauffassung sei offenkundig falsch. Darüber hinaus sei die Zulassung von Prostagutt®forte 160/120 mg mit dem Erfahrungs- und Wissensstand von 1995 erfolgt. Zwischenzeitlich hätten sich jedoch nicht nur die Medizin und die Pharmakologie weiterentwickelt, auch die Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis seien mit denen von 1995 nicht mehr vergleichbar.

Die internationale BPH (Benigne-Prostata-Hyperplasie) Konsensuskonferenz (Paris 2005) habe die Kriterien festgelegt für Studien, die eine Wirksamkeit eines Medikaments bei BPH zeigen sollen:

Es müsse sich um randomisierte, doppelblinde Studien im Vergleich zu Placebo- oder Standardtherapie (Alpha 1-Blocker oder 5 Alpha-Reduktasehemmer) handeln. Es sollten mehrere Studien mit Langzeituntersuchungen mit einer Nachsorge von mindestens einem Jahr für jedes einzelne Präparat vorliegen.

Dies sei Konsens aller Fachleute für die Behandlung des BPH, bisher unumstritten und daher auch in allen publizierten Leitlinien der Fachgesellschaften integriert.“

Die vom Kläger vorgelegten Studien entsprächen nicht diesen Kriterien.

Die einzige Studie, die diesen Kriterien entspräche, sei die Studie von S. Bent et al (Anlage B 3). Diese habe keinen Unterschied bei den prospektiv definierten Outcome-Kriterien gezeigt.

Im Folgenden kritisiert die Beklagte die von dem Kläger genannten Studien in einer tabellarischen Übersicht. Insofern wird auf die Seiten 317 bis 326 der Akten verwiesen.

Auch im übrigen seien die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 MB/KK nicht gegeben.

Die Regelungen in § 4 Abs. 6 MB/KK über die Leistungspflicht für Methoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt seien oder die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt hätten, entsprächen dem billigenswerten Interesse des Versicherers wie den berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers, dass nur Kosten für diejenigen Behandlungsmethoden erstattet würden, die sich in der Praxis als erfolgversprechend bewährt hätten, wenn solche Methoden für die zu behandelnde Krankheit zur Verfügung stünden. Dies seien einerseits Methoden, die in der Schulmedizin zumindest überwiegende Anerkennung gefunden hätten, andererseits Methoden der alternativen Medizin, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt hätten.

Eine unangemessene Behandlung des Versicherungsnehmers liege auch nicht darin, dass er darlegen und beweisen müsse, dass die angewandten Methoden und Arzneimittel der alternativen Medizin sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt hätten wie in der Schulmedizin, denn beweisen müsse der Versicherungsnehmer im Streitfall nur das, was er auch ohne die beanstandete Klausel zu beweisen hätte, dass nämlich die Heilbehandlung medizinisch notwendig gewesen sei.

Entgegen der Auffassung der Gegenseite verstoße § 4 Abs. 6 MB/KK auch weder gegen das Transparenzgebot noch gegen sonstige AGB-rechtlichen Bestimmungen. Der BGH habe diese Frage bereits geprüft und verneint.

Prostagutt®forte 160/120 mg sei kein von der Schulmedizin überwiegend anerkanntes Arzneimittel bzw. stelle die Behandlung des Klägers mit Prostagutt®forte 160/120 mg keine von der Schulmedizin überwiegend anerkannte Behandlungsmethode dar.

Die Behandlung mit Prostagutt®forte 160/120 mg habe sich auch nicht in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt.

Darüber hinaus stünden andere schulmedizinische Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung, mit denen sich der Kläger behandeln lassen könne. Es gebe eine Vielzahl medikamentöser Alternativen, die von den Fachgesellschaften empfohlen würden.

Abstrus sei die Rechtsauffassung der Gegenseite, dass der Zulassungsverwaltungsakt aus dem Jahr 1995 eine Tatbestands- bzw. Bindungswirkung gegenüber der Beklagten entfalten würde im Hinblick auf die Frage, ob die Behandlung mit Prostagutt®forte 160/120 mg medizinisch notwendig, oder ob diese von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sei. Mit diesen Fragen habe sich die Zulassungsbehörde noch nicht einmal beschäftigt. Dafür wäre sie auch weder ermächtigt noch zuständig. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung bedeute nicht, dass ein Arzneimittel bzw. die konkrete Behandlung damit in einem Einzelfall in der Schulmedizin überwiegend anerkannt sei.

Wenn der Kläger dies weiter behaupten wolle, so werde er dieses mittels eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens beweisen müssen.

Der Kläger hätte keinen Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen. Diese teilten das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.

Mit Nichtwissen bestreite die Beklagte, dass Prostagutt®forte 160/120 mg im Jahr 2010 von 1.647 Urologen verordnet worden sei. Der diesbezügliche Vortrag der Gegenseite werde vollumfänglich bestritten. Allerdings zeige sich anhand der von der Gegenseite vorgetragenen Zahlen, wollte man sie als richtig unterstellen, dass sich die Anzahl der Urologen, die Prostagutt®forte 160/120 mg verordnet hätten, deutlich reduziert habe. Es werde bestritten, dass dieser Rückgang auf die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung zurückzuführen sei.

Auch nach Vorlage der Anlagen K 36 und K 37 sei die Diagnose beim Kläger unklar. Diese bleibe daher bestritten. Insbesondere lasse sich die Behauptung des Klägers, dass ein Stadium III nach Alken habe ausgeschlossen werden können, nicht nachvollziehen.

Dies ergebe sich auch nicht aus dem Arztbrief vom 29.11.2008. Bei der Untersuchung aus dem Jahr 2008 handle es sich keineswegs um einen aktuellen Befund bzw. um einen Befund aus dem Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung/Verordnung. Im übrigen sei diese Untersuchung im Jahr 2008 wiederum nicht von einem Urologen vorgenommen worden, sondern von einem Arzt mit Schwerpunkt Kardiologie. Aus dem Arztbrief vom 29.11.2008 ergebe sich noch nicht einmal, dass die Prostata des Klägers untersucht worden sei. Daher bleibe die behauptete Diagnose, insbesondere dass eine Prostatavergrößerung im Sinne des Stadiums I oder II nach Alken vorläge, bestritten. Insbesondere würden die Schlussfolgerungen bestritten, die der Kläger aus den Befunden aus dem Arztbrief aus dem Jahr 2008 ziehen wolle.

Den vom Kläger vorgelegten Studien komme keine wissenschaftliche Aussagekraft zu bzw. diese würden den dargelegten methodischen Anforderungen nicht gerecht. Auf die Ausführungen von Prof. Dr. Jörg Hasford (vgl. Anlage B 2) werde Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 12.07.2011 führt die Beklagte weiter aus, es werde bestritten, dass bei dem Kläger die Prostata am 17.05.2011 in einem Volumen von ca. 14 mm vergrößert gewesen sei. Ebenso werde die hypothetische Annahme des Klägers bestritten, dass beim Kläger schon seit 15 bis 23 Jahren eine Prostatavergrößerung vorgelegen habe. Weiter werde bestritten, dass bei dem Kläger ein Krankheitsstadium III nach Alken ausgeschlossen werde. Hinsichtlich der Befunde falle erneut auf, dass sich der Kläger offensichtlich nicht in fachärztliche urologische Behandlung gegeben habe. Zudem spielten die angeblichen Befunde aus dem Monat Mai 2011 keine Rolle, da ärztliche Verordnungen von Prostagutt®forte 160/120 mg aus dem Jahr 2010 bzw. Februar 2011 eingeklagt würden. Denn nach ständiger Rechtsprechung sei die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlungsmaßnahme nicht vom Behandlungserfolg her und auch nicht unter Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse zu beantworten. Erstattungsfähig sei, was zum Zeitpunkt der Behandlung medizinisch notwendig gewesen sei vom Standpunkt einer ex ante-Betrachtung aus.

Es wurde Beweis erhoben durch Einholung zweier Sachverständigengutachten (Prof. Dr. Dr. … und Prof. Dr. ….

Außerdem wurden als Zeugen vernommen die behandelnden Hausärzte Dr. … und Dr. ….

Für die Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.10.2013 verwiesen.

Für die Stellungnahmen der Parteien zur Beweisaufnahme wird auf die Schriftsätze vom 13.11.2013 (Kläger) und 20.11.2013 (Beklagte) verwiesen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zahlreichen Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I..

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten die Kosten, die er für den Erwerb des Medikaments Prostagutt®forte 160/120 mg aufgewendet hat, verlangen.

II.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten ein Krankenversicherungsvertrag besteht. Auf Grund dieses Vertrages ist die Beklagte verpflichtet, für alle vom Versicherungsschutz umfassten Heilbehandlungen 30 % der Kosten an den Kläger zu erstatten.

1.

Die Anspruchsgrundlage des Kläger gegen die Beklagte ergibt sich im vorliegenden Fall aus § 1 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 4 MB/KK i.V.m. dem Krankenversicherungsvertrag.

Gemäß § 1 Abs. 1 MB/KK bietet der Versicherer Versicherungsschutz für Krankheiten. Gemäß § 1 Abs. 2 MB/KK ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, wobei für die Erstattung von Arzneimitteln außerdem noch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 MB/KK gegeben sein müssen. Hiernach leistet der Versicherer im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind.

2.

Diese im Versicherungsvertragsrecht der Krankenkassen allgemein verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind auch nicht, wie vom Kläger behauptet, wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Insbesondere liegt auch bezüglich § 4 Abs. 6 MB/KK kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor (siehe BGH, Urteil vom 30.10.2002, Aktenzeichen IV ZR 60/01).

Auch das in § 4 Abs. 6 MB/KK verwendete Wort „Schulmedizin“ stellt keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar. Für die Auslegung der AGB kommt es auf Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Dieser wird im Allgemeinen unter Schulmedizin das verstehen, was wissenschaftlich allgemein anerkannt ist, was an Universitäten gelehrt wird, und was von Medizinern, die an diesen wissenschaftlich geführten Universitäten ausgebildet wurden, in der Praxis angewandt und für richtig erachtet wird. Schulmedizin steht insofern im Gegensatz zur sogenannten alternativen Medizin, bei der es sich um Behandlungsansätze handelt, für die ein wissenschaftlicher Nachweis ihrer Wirksamkeit nicht vollständig erbracht ist bzw. deren Wirksamkeit mit wissenschaftlichen Methoden nicht erklärt werden kann (siehe dazu auch BGH, Urteil vom 23.06.1993, Aktenzeichen IV ZR 135/92). Eine derartige Bedeutung des Wortes „Schulmedizin“ erschließt sich nicht nur dem Juristen, sondern auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, für den deswegen der Umfang seines Versicherungsschutzes nicht im Zweifel bleiben wird. Auch was die weiteren Abstufungen des Versicherungsschutzes zwischen § 4 Abs. 6, Satz 1 und § 4 Abs. 6, Satz 2 anbetrifft, ist die Klausel verständlich und auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nachvollziehbar. Da dies im vorliegenden Fall keine entscheidende Rolle spielt, wird insofern auf die Ausführungen im Urteil BGH 30.10.2002, Aktenzeichen IV ZR 60/01 verwiesen.

III.

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Verordnungen unter einer benignen Prostatahyperplasie im Stadium Alken I gelitten hat. Des Weiteren hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Behandlung dieser Erkrankung mit dem Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 MB/KK dargestellt hat. Außerdem ist das Gericht nach der vorliegenden Beweisaufnahme davon überzeugt, dass es sich bei dieser Behandlungsmethode um eine von der Schulmedizin anerkannte Behandlungsmethode handelt.

1.

Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. … hat sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch in der mündlichen Erläuterung in der Sitzung vom 16.10.2013 angegeben, dass sich aus den vorliegenden Krankenunterlagen ergebe, dass beim Kläger eine benigne Prostatahyperplasie vorliege. Diese befinde sich im Stadium Alken I. Sowohl schriftlich als auch mündlich hat er überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass im Jahre 2007 ein erhöhter PSA-Wert hätte festgestellt werden können. Dies deute darauf hin, dass eine Prostatavergrößerung bestehe, die aber nicht notwendig ein Karzinom sein müsse. Ein bösartiger Tumor habe stanzbioptisch ausgeschlossen werden können. Bei der Untersuchung im Jahr 2007 sei durch die Urologische Gemeinschaftspraxis Dr. …/Dr. … eine Pollakisurie mit einmaliger Nykturie festgestellt worden. Außerdem sei ein Ultraschall gemacht worden, mit dem eine restharnfreie Miktion festgestellt worden sei. Das, was hier vorliege, sei genau Alken I. Das einzige was fehle, sei die Erhebung eines IPSS-Scores. Die Erhebung eines solchen IPSS-Scores sei im Jahr 2007 jedoch nicht üblich gewesen. Dieser sei erst im Jahr 2009/2010 als Standard eingeführt worden. Für ihn liege eindeutig kein Alken II und kein Alken III vor.

Prof. Dr. …, der in seinem schriftlichen Gutachten noch ausgeführt hatte, dass er eine Diagnose nicht erstellen könne, hat in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2013 angegeben, dass er insofern mit Prof. Dr. Dr. … übereinstimme, als sicher kein Alken III vorliege. Auch er könne zu Alken I ja sagen, allerdings mit dem Unterschied, dass möglicherweise auch ein Alken II vorliege (siehe dazu Protokoll vom 16.10.2013, Seite 14, Blatt 801 d. A.). Weiter vorne in seinem mündlichen Gutachten hat Prof. Dr. … jedoch – insofern widersprüchlich – angegeben, dass dafür, dass Alken II vorliege, keine Hinweise bestünden.

Auf Grund dieser Erläuterungen und Erklärungen der beiden Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass beim Kläger eine Erkrankung im Stadium Alken I im Jahr 2007 festgestellt wurde. Nach den mündlichen Ausführungen von Prof. Dr. Dr. …, die sehr überzeugend und nachvollziehbar waren, geht das Gericht auch davon aus, dass entgegen des schriftlichen Gutachtens von Prof. Dr. … sehr wohl eine ordnungsgemäße Diagnose beim Kläger durchgeführt wurde. Da positiv keinerlei Symptome festgestellt werden konnten, die auf ein Stadium Alken II hinweisen, kann das Gericht auch nicht nachvollziehen, wie der Gutachter Prof. Dr. … zu einer möglicherweisen Annahme von Alken II kommt. Die schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. … erscheinen insofern überzeugender.

2.

Im Falle einer Erkrankung von Alken I stellt die Gabe von Prostagutt®forte 160/120 mg auch eine medizinisch notwendige Heilbehandlung dar.

Eine Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (BGHZ 133, 208, 213, OLG Köln, Urteil vom 23.06.1999, Aktenzeichen 5 U 232/98). Gibt es für eine Erkrankung eine allgemein anerkannte und geeignete Behandlungsmethode, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder einer Verschlimmerung entgegen zu wirken, ist der Versicherer hierfür eintrittspflichtig. Beurteilungsgrundlage bildet insoweit die Schulmedizin (OLG Köln aaO). Von der medizinischen Notwendigkeit und der Behandlung im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird im Allgemeinen dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegen zu wirken (siehe BGHZ 133, 208 ff).

a)

Im vorliegenden Fall folgt die medizinisch notwendige Heilbehandlung allerdings nicht, wie der Kläger annimmt, bereits aus der Vollzulassung von Prostagutt®forte 160/120 mg als Arzneimittel gemäß §§ 21, 25 Arzneimittelgesetz.

aa)

Zuzustimmen ist dem Kläger jedoch insoweit, als er ausführt, dass eine Zulassung nach §§ 21, 25 AMG gemäß § 25 Abs. 2, Satz 1 Nr. 4 den Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit erfordert. Dabei ist die Behauptung, dass das Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit habe, nur dann ausreichend dargelegt, wenn sich aus dem vorgelegten Material nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ergibt, dass die Anwendung des Arzneimittels zu einer größeren Zahl an therapeutischen Erfolgen führt, als eine Nichtanwendung. Dies lässt sich nur dartun, wenn ausgeschlossen wird, dass die den Unterlagen zu entnehmenden therapeutischen Ergebnissen auf Spontanheilungen oder wirkstoffunabhängigen Effekten zurückzuführen sind. Könnte nämlich die Anwendung des Arzneimittels hinweggedacht oder durch die Anwendung eines Scheinmedikaments – eines Placebos – ersetzt werden, ohne dass der Heilungserfolg entfällt, dann darf die therapeutische Wirksamkeit dem zur Zulassung gestellten Arzneimittel nicht zugesprochen werden (siehe Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. Senat, Beschluss vom 01.07.2010, Aktenzeichen 13 A 1042/09). Da das Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg eine Zulassung gemäß §§ 21, 25 AMG erhalten hat, ist davon auszugehen, dass für dieses Arzneimittel eine entsprechende Wirksamkeit, auch im Vergleich zu einem Placebo gegenüber der erteilenden Behörde nachgewiesen wurde.

bb)

Diese Entscheidung der Bundesoberbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, d. h. der Verwaltungsakt, mit dem Prostagutt®forte 160/120 mg, die Vollzulassung gewährt wurde, entfaltet jedoch keine bindende Wirkung gegenüber der Beklagten als privatem Krankenversicherer. Das Bundessozialgericht hat zwar eine sogenannte Drittbindungswirkung des Zulassungsbescheides als konstitutiv – feststellende Verwaltungsentscheidung in Bezug auf die gesetzlichen Krankenversicherungen angenommen (siehe BSG, 6. Senat, Urteil vom 31.05.2006, Aktenzeichen B 6 KA 13/05 R), es ist jedoch nicht gerechtfertigt, eine entsprechende Drittbindungswirkung auch gegenüber den privaten Krankenversicherungen zu bejahen.

Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts betrifft Entscheidungsbefugnisse des gemeinsamen Bundesausschusses bei der Aufstellung ihrer Empfehlungen nach § 92 SGB V. Diese von dem gemeinsamen Bundesausschuss aufgestellten Richtlinien regeln aber zunächst nur die Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherungen. Dabei ist in § 92 Abs. 2 letzter Satz ausdrücklich geregelt, dass der Bundesausschuss bei der Aufstellung seiner Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 Verordnungseinschränkungen oder Ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nicht vorgeben darf, wenn diese den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels widersprechen. Der gemeinsame Bundesausschuss ist bei Festlegung seiner Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V also an die Vorgaben der Zulassungsbehörde gebunden, wodurch er indirekt über § 31Abs. 1, § 138 SGB V die gesetzlichen Krankenkassen bezüglich ihrer Leistungspflicht bindet. Eine entsprechende Regelung findet sich bezüglich der privaten Krankenversicherungen nicht. Dass der gemeinsame Bundesausschuss bei der Aufstellung der Richtlinien nach § 92 SGB V an die Vollzulassung gemäß § 25 AMG bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit eines Arzneimittels gebunden ist, rechtfertigt sich nach Ansicht des Gerichts auch aus den Verfahrensvorschriften des § 92 SGB V. So ist der gemeinsame Bundesausschuss zwar zunächst an die Vollzulassung gebunden, er kann aber gemäß § 92 Abs. 2 a im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft von pharmazeutischen Unternehmen im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende, versorgungsrelevante Studien zu Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Wird dann die Studie nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine derartige Möglichkeit, versorgungsrelevante, ergänzende Studien zu fordern, haben die privaten Krankenversicherungen nicht. Auch hat der gemeinsame Bundesausschuss vor der Entscheidung über die Richtlinien gemäß § 92 Abs. 2 SGB V den Sachverständigen der medizinischen pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis, sowie den für die Wahrnehmung der wissenschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmen, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Sachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapieeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Bei einer Aufstellung der Richtlinien gemäß § 92 Abs. 6 hat der Bundesausschuss dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Stellungnahmen sind in die Entscheidung ebenfalls einzubeziehen. Derartige Verfahrensvorschriften, die zu einer Anhörung und Berücksichtigung der Interessen der wirtschaftlich Beteiligten führen würden, finden sich in Bezug auf die privaten Versicherungen nicht.

cc)

Eine bindende Drittwirkung des Verwaltungsaktes für private Krankenversicherungen ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 03.07.1998, Aktenzeichen 2 U 44/98 zum Wettbewerbsrecht. Die dort angesprochene Tatbestandswirkung des Zulassungsbescheides ist nach der Begründung des OLG Stuttgart nämlich gerade deswegen beim Vertrieb eines zugelassenen Arzneimittels zu beachten, weil die Zulassung des § 25 AMG eben gerade diesen Betrieb regelt und genehmigt. Die Tatbestandswirkung des Zulassungsbescheides muss deswegen nicht nur für den eigentlichen Vertrieb, sondern entsprechend auch für die diesen Vertrieb fordernde und vorbereitende Werbung gelten, jedenfalls soweit diese Werbung die vom Zulassungsbescheid umfassten Anwendungsgebiete betrifft (siehe OLG Stuttgart, Urteil vom 03.07.1998). Inwieweit die Tatbestandswirkung des Zulassungsbescheides gegenüber Dritten auch im Hinblick auf die Wirksamkeit des Medikaments gilt, ist in diesen Urteilen deswegen nicht entschieden.

b)

Auf der anderen Seite kann die Tatsache, dass das streitgegenständliche Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg eine sogenannte Vollzugfassung gemäß der §§ 21, 22,25 AMG erhalten hat, im Rahmen der Beweiswürdigung und Beweislast nicht außer Betracht bleiben. Wie oben ausgeführt, erhält ein Arzneimittel gemäß §§ 21, 22,25 AMG nur eine Zulassung, wenn durch wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit seiner Stoffe nachgewiesen ist. Jedenfalls dann, wenn das Arzneimittel für die Erkrankungen, für die es im Zulassungsbescheid zugelassen ist, eingesetzt wird, ergibt eine Vollzulassung eines Arzneimittels gemäß §§ 21, 25 AMG eine Vermutung dafür, dass die Behandlung mit diesem Arzneimittel auch eine medizinische notwendige Heilbehandlung darstellt. Da, wie oben gezeigt, zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist, dass der Kläger an einer benignen Prostatahyperplasie im Stadium Alken I leidet und das Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg eine Vollzulassung für die Behandlung dieser Erkrankung im Zulassungsbescheid hat, besteht also eine Vermutung dahingehend, dass die Behandlung des Klägers mit dem Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg eine medizinische notwendige Heilbehandlung darstellt. Diese durch den Zulassungsbescheid begründete Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Im Gegenteil ist das Gericht davon überzeugt, dass die Beweisaufnahme ergeben hat, dass gerade im Falle des Klägers die Behandlung mit Prostagutt®forte 160/120 mg eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellt.

c)

Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. … hat sowohl in seinem schriftlichen als auch in seinem mündlichen Gutachten ausgeführt, dass er die Behandlung mit Prostagutt®forte 160/120 mg zumindest beim Kläger für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung hält. Er hat ausgeführt, dass für Prostagutt®forte 160/120 mg Studien vorlägen, die zwar nicht den Evidenz-Level 1a erreichten, der der höchste sei, aber immerhin den Evidenz-Grad 1b. Das sei gut. Damit sei die Wirksamkeit des Medikaments nachgewiesen. Zwei dieser Studien würden auch von den Kommissionen, die die Leitlinien erstellten, anerkannt. Diese Leitlinien zitierten die Studien von Lopatkin und Sölken/Albrecht. Diese würden damit als zitierfähig herangezogen.

Hinzu komme, dass man im vorliegenden Fall bei der Verschreibung der beiden anderen zur Verfügung stehenden Medikamente, Finasteride und Alpha-Blocker, ein schlechtes Gefühl hätte. In einer normalen Situation wäre auch für ihn ein Alpha-Blocker das Medikament der 1. Wahl. Im vorliegenden Fall sei das aber nicht so, weil beim Kläger ein kardiologisches Problem bestehe und er Marcumar nehme. Das Problem mit den Alpha-Blockern sei, dass diese gleichzeitig den Blutdruck senken würden, das könne so weit gehen, dass die Patienten Schwindel empfänden. Die Blutdrucksenkung sei auch im vorliegenden Fall das Problem beim Patienten …. Deshalb würde er dort den Alpha-Blocker eher nicht verschreiben. Neben des bestehenden Nachweises der Wirksamkeit von Prostagutt®forte 160/120 mg und der Gegenindikation gegen die anderen Medikamente läge aber noch etwas drittes, etwas viel wichtigeres als diese beiden anderen Kriterien vor. Es bestünde eine allgemeine Expertise, die positive Erfahrung der behandelnden Ärzte, die bisher mit dem Patienten zu tun gehabt hätten. Der Sachverständige hat weiter angegeben, wenn er der behandelnde Arzt gewesen wäre, hätte er es in der vorliegenden Situation zu nächst auch einmal mit Prostagutt®forte 160/120 mg versucht. Er hätte vermutlich auch, trotz der nicht als gravierend beschriebenen Symptome, sofort etwas verschrieben und nicht einfach zugewartet. Im vorliegenden Fall müsse beim Patienten ja ein gewisser Leidensdruck bestanden haben, sonst wäre der Patient nicht zum Arzt gegangen. Auf Grund des Alters des Patienten und auf Grund der Tatsache, dass der Patient schon ein Adenom hatte, hätte man auch nicht auf eine Besserung von alleine hoffen können. Man hätte ja auch einen erhöhten PSA-Wert gehabt. Das hier sei kein atypischer Fall gewesen. Man müsse diese Fragen ja immer auf den Patienten spezifisch beantworten und er müsse hier sagen, dass er in diesem Fall vermutlich auch etwas verschrieben hätte.

Zur Frage, ob es sinnvoll sei, Prostagutt®forte 160/120 mg auch über einen so langen Zeitraum, wie beim Kläger, zu verschreiben, eingeklagt sind ja nicht Verschreibungen aus dem Jahr 2007 sondern aus den Jahren 2010, 2011 und 2012, hat der Sachverständige ausgeführt, dass es keine Langzeitergebnisse zur Wirksamkeit von Prostagutt®forte 160/120 mg gebe. Diese gebe es aber für Alpha-Blocker auch nicht. Im vorliegenden Fall müsse man eben auch sagen, dass keine Gegenindikation vorhanden gewesen sei, das Medikament abzusetzen. Es habe keine Nebenwirkungen gegeben, die Vergrößerung der Prostata habe aber weiter bestanden. In diesem Fall hätte auch er vermutlich das Medikament weiter verschrieben.

Der Sachverständige Prof. Dr. … hat insofern entsprechend ausgeführt, dass auch er es im vorliegenden Fall so sehe, dass sowohl die Gabe von Finasteriden als auch die Gabe von Alpha-Blockern problematisch gewesen wäre. Eine Gabe von Finasteriden wäre hier problematisch und schlecht geeignet, wegen der schwankenden Höhe der PSA-Werte. Finasteride könnten den PSA-Wert halbieren. Wenn das geschehe, werde es schwierig im weiteren Verlauf zu beurteilen, ob man dem Patienten nochmals eine invasive Behandlung, das heiße insbesondere eine Biopsie, zumuten solle. Die Alpha-Blocker seien im vorliegenden Fall vielleicht auch nicht geeignet, weil der Patient eine kardiale Vorgeschichte habe. Die Alpha-Blocker könnten auch Einfluss auf den Blutdruck nehmen. Im vorliegenden Fall lägen deswegen gewisse Ausschlussgründe für die aus seiner Sicht erstbeste und zweitbeste Therapie vor. Eine alternative Behandlung sei bei einem IPSS-Score bei 7 oder darunter vertretbar. Auch die Phytotherapie wäre deswegen vertretbar gewesen. Ob man dann fünf Jahre so hätte weiter therapieren müssen, sei verdammt schwierig zu sagen. Es sei nicht der Versuch unternommen worden, das kontrolliert abzusetzen. Er denke, bei diesem speziellen Fall sei es vertretbar gewesen, Prostagutt®forte 160/120 mg zu verschreiben. Er würde das nach der Definition des BGH als eine vertretbare Behandlung bezeichnen.

Nach diesen weitergehend übereinstimmenden Äußerungen der beiden Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2013 geht das Gericht davon aus, dass die medizinische Notwendigkeit der vorgenommenen Heilbehandlung nachgewiesen ist. Insofern hält es das Gericht auch nicht für erforderlich, den weiteren Beweisangeboten des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 20.11.2013 nachzugehen. In diesem Schriftsatz führt die Beklagte aus, dass die Ausführungen der Sachverständigen dahingehend, dass bei einem erhöhten Blutdruck die Gabe von Alpha-Blockern generell kontraindiziert sei nicht zutreffe, weiter führt sie aus, dass bei einem hohen PSA-Wert keine Kontraindikation gegen die Gabe von Finasteriden vorliege.

Das Gericht hat zwei Sachverständige mit hoher fachlicher Qualifikation und Erfahrung in der Behandlung der vorliegenden Erkrankung angehört. Beide haben übereinstimmend ausgeführt, dass beim Kläger bei der Behandlung mit Alpha-Blockern und Finasteriden Risiken vorgelegen hätten, welche durch die Gabe von Prostagutt®forte 160/120 mg vermieden werden konnten. Das Gericht hat keinen Anlass, diese übereinstimmende Einschätzung der beiden Sachverständigen anzuzweifeln. Die beiden Sachverständigen haben auch nicht angegeben, dass eine Behandlung mit Alpha-Blockern oder Finasteriden beim Kläger völlig ausgeschlossen sei. Sie haben lediglich ausgeführt, dass im vorliegenden Fall der Versuch, den Kläger zunächst mit Prostagutt®forte 160/120 mg zu behandeln vertretbar gewesen wäre, und vermutlich auch von ihnen gewählt worden wäre. Da nach Angaben des Klägers diese Behandlung gut bei ihm angeschlagen hat, bestand kein Anlass, auf eines der beiden anderen Medikamente überzugehen.

Zum Beweis einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung muss der Kläger auch nicht beweisen, dass die Gabe von Prostagutt®forte 160/120 mg die einzig mögliche Behandlung war. Er muss lediglich im Sinne des BGH beweisen, dass sie nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war. Dies haben beide Sachverständige eindeutig bejaht. Ob daneben auch andere Behandlungsmethoden vertretbar gewesen wären, muss das Gericht nicht feststellen.

3.

Nach den Ausführungen der Sachverständigen geht das Gericht auch davon aus, dass die Behandlung einer benignen Prostatahyperplasie im Stadium Alken I mit dem Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg eine von der Schulmedizin anerkannte Methode darstellt.

a)

Hier ist zunächst einmal festzustellen, dass auch in diesem Fall die Tatsache, dass das Arzneimittel Prostagutt®forte 160/120 mg eine Vollzulassung nach § 25 AMG hat, eine Vermutung dafür ergibt, dass es sich bei der Behandlung mit diesem Arzneimittel, im Rahmen der Krankheiten, für die es zugelassen ist, um eine von der Schulmedizin anerkannte Behandlungsmethode handelt. Erforderlich für die Vollzulassung ist nämlich, dass ein wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit des Medikaments erbracht wird. Dieser wissenschaftliche Nachweis muss gerade mit den Methoden der Schulmedizin die Wirksamkeit des Medikaments beweisen, weshalb davon auszugehen ist, dass ein Medikament, das einen solchen schulmedizinischen Nachweis erbracht hat, auch zum Bereich der Schulmedizin zu rechnen ist.

Diese Vermutung hat die Beklagte jedenfalls nicht widerlegt. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Nachweis erbracht hat, dass das Medikament von der Schulmedizin allgemein anerkannt ist.

Hierfür hat der Kläger neben der Tatsache, dass Prostagutt®forte 160/120 mg eine Vollzulassung besitzt, weitere Beweise und Indizien erbracht.

b)

Insofern hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. … ausgeführt hat, dass das Medikament häufig von Urologen und Allgemeinärzten angewandt werde. Das wisse er auch aus der Erfahrung mit den Kollegen. Man hätte es hier auch mit einem häufigen Krankheitsbild zu tun.

Wenn bei einem häufigen Krankheitsbild ein Medikament häufig angewandt werde, dann liege es nahe zu sagen, dass es von der Schulmedizin anerkannt sei. Zudem würden sich Schulmediziner mit diesem Medikament beschäftigen. Es lägen jetzt auch randomisierte Studien vor, die eine Wirksamkeit mit einem Grad von 1b ergeben hätten.

Die Leitlinien seien keine Therapieempfehlung. Sie seien nicht in jedem Fall deckungsgleich mit der Schulmedizin. Die Leitlinien würden die Phytopharmaka nicht als einheitliche Gruppe empfehlen, dort werde in der Empfehlung eben nicht differenziert. Dass die Leitlinien Prostagutt®forte 160/120 mg nicht ausdrücklich empfehlen würden, obwohl dafür randomisierte Studien vorlägen, verstehe er auch nicht, insbesondere weil sich Herr Prof. Oelke, der Vorsitzender der Leitlinienkommission war, 2009 in einem Artikel entsprechend geäußert hätte.

Ähnlich hat sich auch Prof. Dr. … geäußert. Er hat angegeben, dass Prostagutt®forte 160/120 mg gegen eine Prostatavergrößerung nicht helfe, insofern sei es also von Schulmedizinern sicher nicht überwiegend anerkannt. Bei Symptomen sei das anders. Da würde es gerne als Brückenmedikament verwendet, entweder bis die Symptome weg seien oder bis man festgestellt habe, dass es nicht helfe und man zu einem anderen Medikament greifen müsse. Als Symptomheilbehandlung für eine längere Zeit könne man nicht sagen, dass es überwiegend anerkannt sei. Man müsse sagen, dass man Prostagutt®forte 160/120 mg anwende, aber dann müssten die Symptome besser werden, wenn dies nicht der Fall sei, dann steige man auf ein anderes Medikament um und müsse dann eben die Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Hier müsse man feststellen, dass die Verschreibung von Prostagutt®forte 160/120 mg zu einem gewissen Selbstläufer geworden sei. Man müsse aber auch zugeben, dass bei der gesundheitlichen Konstellation, wie sie beim Kläger vorliege, in vielen Praxen zunächst Prostagutt®forte 160/120 mg verschrieben worden wäre. Da hätte man gesagt, man wolle diesen Patienten mit den anderen Vorerkrankungen durch andere Medikamente nicht noch mehr schaden.

Beide Sachverständige haben übereinstimmend angegeben, dass diese Ausführungen allerdings nur dann gelten würden, wenn das Symptom Restharn nicht vorliege. Wenn dieses gegeben sei, würde es nur wenig Mediziner geben, die Phytopharmaka für eine Behandlung als ausreichend ansehen würden.

Nach diesen Ausführungen der Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass es zumindest dann, wenn – wie beim Kläger – eine Erkrankung im Stadium Alken I vorliegt, die Behandlung mit Prostagutt®forte 160/120 mg bei den vorliegenden gesundheitlichen Konstellationen des Klägers von vielen, um nicht zu sagen von den allermeisten Medizinern gewählt worden wäre.

Fraglich könnte nach den Ausführungen der Sachverständigen lediglich sein, ob eine derart lange Behandlung, wie beim Kläger, mit dem Medikament Prostagutt®forte 160/120 mg von der Schulmedizin allgemein anerkannt ist. Hier stellt sich allerdings die oben bereits erörterte Problematik, ob überhaupt eine medizinische Notwendigkeit dieser Behandlung als Langzeitbehandlung nachgewiesen werden kann. Prof. Dr. Dr. … hat in diesem Zusammenhang nochmals ausgeführt, dass es nicht so sei, dass es keine Langzeitstudien zu Prostagutt®forte 160/120 mg gebe. Es gebe Studien, die beobachten würden, was mit Patienten passiere, die fünf Jahre Prostagutt®forte 160/120 mg einnehmen würden. Da gebe es dann eben Statistiken, wie das 30 % nach fünf Jahren operiert würden und 70 % eben nicht. Prof. Dr. … hat hierzu weiter ausgeführt, dass für Alpha-Blocker Langzeitstudien vorlägen, die zeigen würden, dass Alpha-Blocker im Durchschnitt nur 2,5 bis 3 Jahre wirken würden. Danach könne man feststellen, dass das Medikament entweder nicht wirke oder die Krankheit fortschreite. Bezugnehmend auf diese Ausführungen hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. … ausgeführt, dass es in der Praxis eben so sei, dass, wenn ein Medikament sehr lange sehr gut wirke, man es eben weiter verschreibe. Prostagutt®forte 160/120 mg sei ja kein Wohlfühlmedikament, es sei ja wirklich so, dass der Patient ein Prostataadenom habe. In dieser Situation, dass das Medikament dem Patienten weiter helfe, würde er es auch nicht absetzen, auch wenn ein Patient einen Alpha-Blocker nehme, würde er ihn eben so lange weiter geben, bis er nicht mehr wirke oder bis er operieren müsse.

Nach diesen vernünftigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. … ist festzustellen, dass es zumindest von der Schulmedizin allgemein anerkannt ist, dass bei der Erkrankung benigne Prostatahyperplasie, Stadium Alken I, ein Medikament, das bei seiner ersten Verschreibung indiziert war, das beim Patienten keine Nebenwirkungen auslöst und das einen guten Behandlungserfolg zeigt, zumindest so lange weiter verschrieben wird, bis sich die Krankheit entweder verschlechtert, ausheilt oder das Medikament keine Wirkung mehr zeigt. In diesem Sinne muss auch die langfristige Gabe von Prostagutt®forte 160/120 mg als von der Schulmedizin anerkannt angesehen werden.

 

IV.

Aus dem oben gesagten folgt, dass der Kläger von der Beklagten jeweils die Erstattung von 30 % seiner Kosten aus den Rezepten vom 04.11.2010, 07.02.2011, 16.06.2011, 07.11.2011, 16.01.2012, 30.03.2012, 08.06.2012, 16.10.2012, 12.12.2012, 25.02.2013 verlangen kann. Dies ergibt bezüglich Klagantrag Ziffer 1 die zugesprochene Summe von 25,32 €, bezüglich Klagantrag Ziffer 2 die zugesprochene Summe von 90,36 €.

Die jeweils zugesprochenen Zinsen folgen aus § 291 BGB.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2,269 Abs. 3 ZPO.

Der Kläger hat zwar zunächst einen Teil seiner Klage zurückgenommen, diese allerdings später wieder auf ein Summe von 115,68 € erweitert so dass es das Gericht insgesamt als angemessen ansieht, die gesamten Kosten bei der Beklagten zu belassen, zumal die verschiedenen Anträge sich immer im Rahmen eines Streitwertes bis 300,00 € bewegten und insofern die Klagrücknahme oder Erweiterung keine direkte Kostenfolge hatten.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 11, 708 ZPO.

VI.

Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen. Die Rechtssache hat sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob dem Zulassungsbescheid nach §§ 21, 25 AMG eine Drittbindungswirkung als konstitutiv feststellender Verwaltungsakt gegenüber den privaten Krankenversicherungen zukommt, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Sie kann sich aber in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen. Sollte man diese Drittbindungswirkung verneinen, stellt sich die Frage, inwiefern die Feststellungen und Prüfungen im Zulassungsbescheid eine Auswirkung auf die Beweislastverteilung haben kann. Im vorliegenden Fall ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Zulassungsbescheid dazu führt, dass der Kläger nicht wie sonst, die volle Beweislast für das Vorliegen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung trägt, sondern dass ihm insofern eine Vermutung zugute kommt, die von der Beklagten widerlegt werden muss.

Dem Rechtsstreit kommt aber auch grundsätzliche Bedeutung zu, da sich die Auswirkungen der Entscheidung in quantitativer Hinsicht nicht in eine Regelung der Beziehungen der Parteien oder in einer vorn herein überschaubaren Anzahl gleichgelagerter Angelegenheiten erschöpfen wird, sondern eine unbestimmte Vielzahl von Fällen treffen wird. Dem in den Akten befindlichen Schreiben eines weiteren Versicherten der … (Blatt 647 ff d. A.) ist zu entnehmen, dass der vorliegende Prozess als Präzedenzfall durch die Herstellerin des Medikaments Prostagutt®forte 160/120 mg, der ………….geführt wird.

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