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Unfallversicherung: Gutachten als Vertrag mit Schutzwirkung für Versicherungsnehmer?

Unfallversicherung: Kein Schutz des Versicherungsnehmers durch Gutachtervertrag

Das OLG Dresden hat in seinem Beschluss vom 23.10.2023, Az.: 4 U 1372/23, entschieden, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Der Kläger hatte gegen die Erstellung eines orthopädischen Gutachtens im Auftrag seiner Unfallversicherung Schadensersatz gefordert, weil er eine fehlerhafte Begutachtung annahm, die eine höhere Invaliditätsfeststellung verhinderte. Das Gericht folgte der Argumentation des Landgerichts, dass keine Haftung unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter besteht, da der Kläger bzw. die Versicherungsnehmerin keinen direkten Vertrag mit dem Gutachter eingegangen ist und die Einholung des Gutachtens nicht die notwendigen Voraussetzungen für eine solche Schutzwirkung erfüllt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 1372/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Berufung des Klägers wird ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen.
  • Keine vertraglichen Ansprüche zwischen Kläger bzw. Versicherungsnehmerin und Beklagtem, da der Vertrag zwischen Unfallversicherer und Beklagtem bestand.
  • Keine Haftung unter dem Gesichtspunkt des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
  • Schutzbereich des Gutachtervertrags umfasst nicht den Versicherungsnehmer oder die versicherte Person.
  • Versicherte Person kann eigene Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend machen.
  • Keine generelle Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Versicherten bei der Einholung von Gutachten.
  • Leistungsrisiko liegt nicht beim Gutachter, sondern beim Auftraggeber.
  • Empfehlung zur Rücknahme der Berufung durch den Senat, um Kosten zu sparen.

Gutachterliche Stellungnahmen in der Unfallversicherung: Rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen

Die Beurteilung von Ansprüchen aus Unfallversicherungen erfordert häufig die Einholung von Gutachten, um die gesundheitlichen Folgen eines Unfalls und den Grad der Invalidität zu ermitteln. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit Versicherungsnehmer von einem Gutachten profitieren und welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind.

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Im Zentrum eines juristischen Streits stand die Frage, ob ein im Auftrag einer Unfallversicherung erstelltes Gutachten als Vertrag mit Schutzwirkung für den Versicherungsnehmer angesehen werden kann. Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht Dresden unter dem Aktenzeichen 4 U 1372/23 verhandelt wurde, drehte sich um einen Kläger, der auf Schadensersatz wegen einer angeblich fehlerhaften Begutachtung klagte. Der Kläger argumentierte, dass eine korrekte Begutachtung zur Anerkennung eines Versicherungsfalls geführt und somit zu einer Leistung seiner Unfallversicherung aufgrund höherer Invaliditätsfeststellung verpflichtet hätte.

Rechtlicher Hintergrund und Klagegrund

Das Landgericht wies die Klage zunächst ab, da es die Voraussetzungen einer Haftung unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht als gegeben sah. Der Kläger, eine versicherte Person, nahm dies zum Anlass, in Berufung zu gehen. Er vertrat die Auffassung, dass die spezifischen Bedingungen für einen Anspruch aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – wie Leistungsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises und Schutzbedürftigkeit – erfüllt seien. Sein Hauptargument war, dass der Gutachtervertrag auch seinen Schutz als Versicherungsnehmer implizieren sollte, da die Beklagte wusste, dass ihre Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Nachbegutachtung gegenüber ihm im Rahmen der Regulierungsentscheidung verwendet werden würden.

Der Standpunkt des Gerichts

Das OLG Dresden folgte in seinem Beschluss der Argumentation des Landgerichts und beabsichtigte, die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Aus Sicht des Gerichts bestanden keine vertraglichen Ansprüche zwischen dem Kläger bzw. der Mutter als Versicherungsnehmerin und der Beklagten, da der Vertrag ausschließlich zwischen dem Unfallversicherer und der Beklagten geschlossen wurde. Die Untersuchung, die durch das Gutachten abgedeckt wurde, fiel unter die Obliegenheiten, die der Versicherer üblicherweise auf eigene Kosten durchführt.

Schlüsselaspekte der gerichtlichen Entscheidung

Das Gericht stellte klar, dass der Versicherungsnehmer nicht in den Schutzbereich des Vertragsverhältnisses zwischen Versicherer und Gutachter fällt. Es wurde betont, dass eine generelle Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Versicherten bei der Einholung von Gutachten zur Vorbereitung der eigenen Regulierungsentscheidung nicht besteht. Diese Einschätzung basiert auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine solche Pflicht nur in spezifischen Konstellationen annimmt, beispielsweise wenn dem Auftraggeber des Gutachtens gegenüber dem Dritten eine Personensorge- oder Fürsorgepflicht obliegt. Für Unfallversicherungen, die lediglich eine Geldleistung vorsehen, lassen sich diese Überlegungen jedoch nicht anwenden.

Konsequenzen für Versicherungsnehmer und Gutachter

Die Entscheidung des OLG Dresden verdeutlicht, dass die Einbeziehung eines Versicherungsnehmers oder einer versicherten Person in den Schutzbereich eines Gutachter-Vertragsverhältnisses zwischen Versicherer und Gutachter nicht ohne Weiteres angenommen werden kann. Dies gilt insbesondere, da der Versicherungsnehmer eigenständige Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend machen kann und nicht auf die Begutachtung durch den Versicherer angewiesen ist. Darüber hinaus würde die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte zu einem unüberschaubaren Haftungsrisiko für den Gutachter führen, was das Gericht explizit ablehnte.

Fazit

Das Urteil des OLG Dresden unterstreicht die Komplexität der rechtlichen Beziehungen im Bereich der Unfallversicherungen und die Grenzen der Schutzwirkung von Gutachterverträgen. Versicherungsnehmer können nicht automatisch davon ausgehen, dass sie in den Schutzbereich eines solchen Vertrags einbezogen sind, insbesondere wenn es um die Begutachtung durch von Versicherern beauftragte Sachverständige geht.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Kontext einer Unfallversicherung?

Unter einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter versteht man eine rechtliche Konstruktion, bei der durch einen Vertrag zwischen zwei Parteien (z.B. einem Versicherungsnehmer und einem Versicherer) Rechte oder Schutzmechanismen für eine dritte Partei entstehen, die nicht direkt am Vertrag beteiligt ist. Im Kontext einer Unfallversicherung bedeutet dies, dass Personen, die nicht die Vertragsparteien sind, unter bestimmten Umständen Leistungen aus dem Vertrag beanspruchen können oder in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden.

Rechtliche Grundlagen

Nach § 328 BGB kann durch Vertrag eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern. Dies ermöglicht es, dass im Rahmen einer Unfallversicherung auch Personen, die nicht direkt Vertragspartei sind, unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen aus dem Vertrag erhalten können. Die genauen Bedingungen und der Umfang des Schutzes für Dritte hängen von den spezifischen Vereinbarungen im Versicherungsvertrag und den gesetzlichen Bestimmungen ab.

Anwendungsbereiche und Voraussetzungen

Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien entspricht und der Dritte schutzbedürftig ist. Die Schutzbedürftigkeit des Dritten ist gegeben, wenn dieser keine eigenen gleichwertigen Ansprüche hat und somit auf den Schutz durch den Vertrag angewiesen ist.

Im Bereich der Unfallversicherung kann dies bedeuten, dass beispielsweise Familienangehörige des Versicherungsnehmers oder Personen, die durch die versicherte Tätigkeit eines Dritten gefährdet sind, unter bestimmten Umständen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen können. Dies kann etwa bei Arbeitsunfällen relevant sein, bei denen Arbeitnehmer durch die Unfallversicherung ihres Arbeitgebers geschützt sind.

Praktische Bedeutung

Die Anerkennung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ermöglicht es, den Kreis der durch einen Vertrag Geschützten über die unmittelbaren Vertragsparteien hinaus zu erweitern. Dies trägt dazu bei, die Rechtsposition von Personen zu stärken, die von den Leistungen eines Vertrages profitieren sollen oder durch die Vertragsbeziehung besonderen Risiken ausgesetzt sind, ohne selbst Vertragspartei zu sein. Im Kontext der Unfallversicherung kann dies dazu beitragen, dass Geschädigte oder deren Angehörige leichter Zugang zu Versicherungsleistungen erhalten und somit besser vor den finanziellen Folgen eines Unfalls geschützt sind.

Wie beeinflusst die Möglichkeit der Nachbegutachtung innerhalb einer Unfallversicherung die Position des Versicherten?

Die Möglichkeit der Nachbegutachtung in einer Unfallversicherung bietet dem Versicherten die Chance, seine Ansprüche auf Versicherungsleistungen zu einem späteren Zeitpunkt erneut überprüfen zu lassen. Dies ist besonders relevant, da sich die Folgen eines Unfalls und das Ausmaß der Invalidität oft erst im Laufe der Zeit vollständig zeigen. Eine Nachbegutachtung kann somit sicherstellen, dass die Versicherungsleistung der tatsächlichen Beeinträchtigung des Versicherten entspricht.

Versicherer können im Rahmen einer Nachbegutachtung feststellen, ob die anfänglich festgestellten Unfallfolgen korrekt bewertet wurden. Für den Versicherten bedeutet dies, dass er bei einer Verschlechterung seines Zustandes die Möglichkeit hat, eine höhere Leistung zu erhalten, falls die ursprüngliche Begutachtung nicht die volle Invalidität erfasst hat.

Allerdings sollten Versicherte Vorsicht walten lassen, wenn ihnen von der Versicherung ein Abfindungsangebot unterbreitet wird. Solche Angebote können unter Umständen weit hinter dem tatsächlichen Anspruch zurückbleiben, da sie oft darauf abzielen, die Kosten für den Versicherer zu minimieren, die durch eine umfassende Begutachtung entstehen würden.

Die Nachbegutachtung ist ein Instrument, das dem Versicherten mehr Sicherheit geben kann, indem es ihm ermöglicht, seine Ansprüche an die tatsächliche Entwicklung seines Gesundheitszustandes anzupassen. Gleichzeitig liegt es in der Verantwortung des Versicherten, die Angemessenheit von Abfindungsangeboten kritisch zu prüfen und gegebenenfalls fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen, um seine Rechte vollständig zu wahren.

Warum ist die direkte Vertragsbeziehung zwischen Gutachter und Versicherungsnehmer für die Haftungsfrage entscheidend?

Die direkte Vertragsbeziehung zwischen einem Gutachter und einem Versicherungsnehmer ist für die Haftungsfrage entscheidend, weil sie bestimmt, wer im Falle von Fehlern oder Unstimmigkeiten in der Begutachtung haftbar gemacht werden kann. In der Regel sind Gutachter von Versicherern beauftragt, um Schäden zu bewerten oder den Umfang eines Schadensfalls zu ermitteln. Wenn kein direkter Vertrag zwischen dem Gutachter und dem Versicherungsnehmer besteht, sind Haftungsansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Gutachter in der Regel nicht in Betracht zu ziehen. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer bei Unstimmigkeiten oder Fehlern in der Begutachtung möglicherweise keine direkten rechtlichen Ansprüche gegen den Gutachter geltend machen kann.

Die Haftung und Verantwortung für die Korrektheit und Angemessenheit der Begutachtung liegen somit primär beim Versicherer, der den Gutachter beauftragt hat. Der Versicherer ist es, der im Rahmen des Versicherungsvertrages mit dem Versicherungsnehmer steht und für die Erfüllung der vertraglichen Leistungen, einschließlich der korrekten und fairen Begutachtung von Schäden, verantwortlich ist. Die direkte Vertragsbeziehung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bildet daher die Grundlage für eventuelle Haftungs- und Schadensersatzansprüche, die sich aus der Begutachtung ergeben könnten.

In Fällen, in denen ein Gutachter direkt vom Versicherungsnehmer beauftragt wird, könnte eine direkte vertragliche Beziehung entstehen, die andere Haftungsfragen aufwerfen würde. Jedoch ist dies in der Praxis weniger üblich, insbesondere im Kontext von Versicherungsfällen, wo in der Regel der Versicherer die Begutachtung initiiert und steuert.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 1372/23 – Beschluss vom 23.10.2023

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der auf Dienstag, den 07.11.2023 bestimmte Verhandlungstermin wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren auf 51.875,00 EUR festzusetzen.

Gründe

I.

Der Kläger als versicherte Person nimmt die Beklagte, die im Auftrag der von seiner Mutter gehaltenen Unfallversicherung ein orthopädisches Gutachten erstellt hat, auf Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Begutachtung in Anspruch.

Er behauptet, bei richtiger Gutachtenerstellung wäre seine Unfallversicherung zur Leistung verpflichtet gewesen, da innerhalb unverjährter Frist eine Nachbegutachtung erfolgt und diese zu einer höheren Invaliditätsfeststellung geführt hätte.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen einer Haftung unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten lägen nicht vor. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, zu deren Begründung er die Ansicht vertritt, die Voraussetzungen eines Anspruchs aufgrund eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, im Einzelnen seien das Leistungsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises und Schutzbedürftigkeit des Dritten, seien gegeben. Er als versicherte Person komme typischerweise mit der geschuldeten Leistung in Berührung. Ein rechtsgeschäftlicher Wille der Parteien des Gutachtervertrages, ihn, den Kläger, in den Schutzbereich des Vertrages einzubeziehen, folge daraus, dass für die Beklagte erkennbar gewesen sei, dass der Versicherer seine Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Nachbegutachtung gegenüber dem Kläger im Rahmen der Regulierungsentscheidung verwenden werde. Ein Interesse des Gläubigers an dem Schutz des Dritten bestehe unter Beachtung der Besonderheiten des Versicherungsverhältnisses im vorliegenden Fall, insbesondere unter Beachtung des Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Begutachtung, auch weil die Unfallversicherung die Möglichkeit der Nachbegutachtung innerhalb bestimmter Fristen in ihre Versicherungsbedingungen aufgenommen habe. Da die Beklagte gewusst habe, dass ihr Gutachten auch für den Kläger und für die Feststellung seines Invaliditätsgrades bestimmt gewesen sei, sei Erkennbarkeit gegeben. Schließlich könne der Kläger als lediglich mitversicherte Person keine eigenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen, was das Landgericht verkannt habe. Es komme daher auf die Richtigkeit der Begutachtung zum Gesundheitszustand und zur Invalidität des Klägers an, so dass darüber durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben sei.

Er beantragt, unter Abänderung des am 13.07.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Chemnitz, Geschäftszeichen: 5 O 1619/21, die Beklagte zu verurteilen,

a) an den Kläger EUR 51.875,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 08.07.2021 zu zahlen.

b) den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,8 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von EUR 51.875 zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, mithin in Höhe eines Betrages in Höhe von EUR 2.964,77 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Zinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und -streitstandes wird auf den Akteninhalt und die angefochtene Entscheidung ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint.

1. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht, weil weder die Mutter des Klägers als Versicherungsnehmerin noch der Kläger als versicherte Person einen Vertrag mit der Beklagten über die Durchführung der Untersuchung zum Nachweis des Vorliegens der den Versicherungsfall aus der Unfallversicherung auslösenden Verletzung geschlossen hat. Vielmehr hat der Unfallversicherer unstreitig von seinem, üblicherweise mit Vereinbarung der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen bestehenden Recht Gebrauch gemacht, Ärzte auf eigene Kosten mit der Untersuchung des Versicherungsnehmers zu beauftragen, wobei hier konkret den Kläger als versicherte Person die Obliegenheit trifft, an der Untersuchung mitzuwirken. Das Vertragsverhältnis bestand mithin nicht zwischen dem Kläger bzw. seiner Mutter und der Beklagten, sondern zwischen dem Unfallversicherer und der Beklagten.

2. Ohne Erfolg macht die Berufung weiterhin geltend, dass eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht käme. Denn der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung fällt nicht in den Schutzbereich des Vertragsverhältnisses zwischen dem Versicherer und dem von diesem beauftragten Gutachter. Zwar kommt nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eine Haftung von Berufsgruppen in Betracht, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen, wenn deren Vertragsleistungen von vornherein erkennbar zum Gebrauch gegenüber Dritten bestimmt sind und nach dem Willen des Auftraggebers mit einer entsprechenden Beweiskraft ausgestattet sein sollen, die nicht nur für das Innenverhältnis bestimmt sind. Diese Voraussetzungen können grundsätzlich auch bei einem von einem Arzt für eine Versicherung erstatteten Gutachten oder einer der Versicherung erteilten Auskunft vorliegen. Da jedoch keine generelle Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Versicherten bei der Einholung von Gutachten zur Vorbereitung der eigenen Regulierungsentscheidung besteht, scheidet die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte bei Einholung eines Versicherungsgutachtens insbesondere dann aus, wenn sie wie hier bei einer Unfallversicherung erfolgt, bei der es sich um eine allein auf eine Geldleistung gerichteten Versicherung handelt (so BGH, Urteil vom 17.09.2002, Az.: X ZR 237/01, Rn. 13-15, – juris; zur Gutachtenerstellung für einen Unfallversicherer auch: OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.08.2010, Az.: 4 U 105/09 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Mai 2019 – 7 U 74/18 –, Rn. 27 – 28, juris). Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine solche Pflicht allenfalls dann bestehen, wenn dem Auftraggeber des Gutachtens gegenüber dem davon betroffenen Dritten eine Personensorge- oder Fürsorgepflicht obliegt, wie sie etwa dann denkbar ist, wenn diese – wie möglicherweise bei einer Krankenversicherung – wesentliche Lebensgrundlagen des Versicherten berühren, dessen Leben und Gesundheit von der Eintrittsbereitschaft des Versicherers für eine Behandlung abhängen können (BGH, a.a.O.; vgl. auch Staudinger/Klumpp (2020) BGB § 328, Rn. 273 m.w.N.). Auf Versicherungen, die wie im Falle des Klägers lediglich eine Geldzahlung betreffen, lassen sich diese Erwägungen allerdings nicht übertragen.

Im Rahmen einer Unfallversicherung bestehen auch keine über das übliche Maß hinausgehenden besonderen Treuepflichten, die eine Einbeziehung des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person in den Schutzbereich des Vertragsverhältnisses geböten, das zwischen der Versicherung und dem von ihr zur Feststellung ihrer Leistungspflicht beauftragten Gutachter besteht. Der Einbeziehung der versicherten Person in den Schutzbereich des fremden Gutachten-Vertragsverhältnisses steht vielmehr grundsätzlich entgegen, dass der Dritte, hier der Kläger als versicherte Person oder auch die Versicherungsnehmerin, die zugleich gesetzliche Vertreterin des Klägers war, selbst eigene Rechte aus dem Versicherungsvertragsverhältnis geltend machen und insbesondere – unabhängig von der Begutachtung des Versicherers – eine erneute bzw. eigene Gutachtenerstellung auch innerhalb der Nachbegutachtungsfrist verlangen oder in Auftrag geben kann, wenn er mit dem Ergebnis der von der Versicherung veranlassten Begutachtung nicht einverstanden ist oder auch von ihm wahrgenommene neue/andere Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgetreten sind. Sie ist hier nicht auf eine Beauftragung durch den Versicherer angewiesen. Dies steht der Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte entgegen, da dieses von der Rechtsprechung entwickelte Institut allein dazu dient, einen anderweitig nicht oder jedenfalls nicht angemessen gewährleisteten Schutz des Dritten zu eröffnen (vgl. BGH, a.a.O.). Entgegen der von der Berufung vertretenen Ansicht sind nach den vorliegenden Versicherungsbedingungen (9.4 Debeka-AUB 2022) sowohl der Versicherer als auch die Mutter des Klägers als Versicherungsnehmerin, damals auch gesetzliche Vertreterin des Klägers, berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren, bzw. bei Kindern bis zur Vollendung des 14. Lj., bis zu fünf Jahren nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen. Auch die versicherte Person kann selbst einen Arzt beauftragen, den Grad der Invalidität erneut ärztlich bemessen zu lassen. Sie ist hier nicht auf eine Beauftragung durch den Versicherer angewiesen. Aus diesem Grund bleibt auch der Hinweis der Berufung auf eine Entscheidung des BGH ohne Erfolg (Urteil vom 11.9.2019 – IV ZR 20/18, Rn. 23, juris), der sich lediglich entnehmen lässt, dass sich der Versicherungsnehmer aufgrund der überlegenen Sach- und Rechtskunde des Unfallversicherers auf dessen – die Invaliditätsleistung betreffende – Erklärungen verlassen kann. Hieraus lässt sich nicht schließen, die im Unfallversicherungsvertragsverhältnis bestehenden Treuepflichten der Vertragsparteien würden verlangen, dass sich der Versicherungsnehmer in besonderer Weise auf die Ausführungen des vom Unfallversicherer beauftragten Gutachters verlassen könne und müsse.

Eine Einbeziehung des Klägers ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gläubigernähe geboten, auch nicht unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Klägers. Die Versicherungsnehmerin als gesetzliche Vertreterin des Klägers hätte bei neu auftretenden oder geänderten Gesundheitsbeeinträchtigungen eine fristgemäße Nachbegutachtung veranlassen können. Diese Pflicht oblag nicht der Unfallversicherung; hieraus folgt auch keine besondere, die Schutzbedürftigkeit des Klägers begründende Fürsorgepflicht, die die Ausweitung des Schutzbereichs des Vertrages mit der Beklagten begründen kann.

Gegen die Einbeziehung des Versicherungsnehmers in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages spricht nach Ansicht des Senats auch, der sich insoweit dem nachfolgend zitierten Beschluss des OLG Schleswig (Beschluss vom 9. August 2010 – 4 U 105/09 –, Rn. 10 – 11, juris) anschließt, dass dies zu einem für den Gutachter nicht kalkulierbaren Haftungsrisiko führen würde. Zwar hat er in der Regel Kenntnis vom Zweck des Gutachtens und von der faktischen Bedeutung des Gutachtens für den Versicherungsnehmer. Daraus folgt aber nicht bereits, dass der Gutachter bereit gewesen wäre, das eigentlich bei seinem Auftraggeber liegende Leistungsrisiko zu übernehmen. Dies würde eine andere Vertragsgestaltung und Honorierung voraussetzen. Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte sind Fallgestaltungen, in denen einem Vertragspartner gegenüber Dritten eine gesteigerte Fürsorgepflicht obliegt, ihm gleichsam deren „Wohl und Wehe” anvertraut ist (BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 – X ZR 250/02, NJW 2004, 3035). Die ergänzende Vertragsauslegung müsste zu dem Ergebnis führen, dass die Parteien des Gutachtervertrages den Willen hatten, zu Gunsten des Versicherungsnehmers eine Schutzpflicht zu begründen. Dies kann im Rahmen der Unfallversicherung nicht angenommen werden, zumal die wirtschaftlichen Interessen des Versicherers und des Versicherungsnehmers gegenläufig sind. Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung. Die Fälle der Gutachterhaftung aufgrund eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte betreffen Gutachten, bei denen der Sachverständige nach dem Inhalt des Auftrags damit rechnen musste, sein Gutachten werde gegenüber Dritten verwendet und von diesen zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht (BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 – X ZR 250/02, NJW 2004, 3035). Dies gilt insbesondere für Wertgutachten und Ankaufgutachten. Sie sind maßgeblich für Vermögensdispositionen sowohl des Auftraggebers als auch des potentiellen Vertragspartners des Dritten. Ein Gutachten, das Dritten als Grundlage für Vermögensdispositionen insbesondere im Verhältnis zu dem Auftraggeber des Gutachtens vorgelegt wird und dienen soll, erfasst grundsätzlich auch den Schutz dieser Dritten (BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 – X ZR 250/02, NJW 2004, 3035). Geschützt wird das Vertrauen des Dritten in die Richtigkeit des Gutachtens. Ein solches Vertrauen ist beim Kläger jedoch nicht vorhanden gewesen.

Der Senat rät daher zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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