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Private Krankenversicherung – Informationspflicht zu einer Prämienerhöhung

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 8 O 7533/18 – Urteil vom 26.04.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 7.367,34 EUR festgesetzt

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit von Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung (Versicherungsschein vom 26.11.1990: Anlage K 1). In der Vergangenheit erfolgten mehrfache Prämienerhöhungen, jeweils zum 01.04. des Kalenderjahres. Namentlich wurden die Beiträge in den Jahren 2015 bis 2018 erhöht (Anlagen K 3 – K 6), aber auch schon zuvor seit 2009.

Der Kläger trägt vor: Im Zusammenhang mit den Prämienerhöhungen habe sich die Beklagte zu keinem Zeitpunkt eines unabhängigen Treuhänders i. S. d. § 203 Absatz 2 VVG bedient. Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, dass die „Unabhängigkeit“ des Treuhänders eine tatbestandliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Prämienanpassung und im Zivilrechtsstreit in vollem Umfang zu überprüfen sei. Sämtliche vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien auch noch nicht verjährt, da dem Kläger die Klageerhebung bislang nicht zuzumuten gewesen sei. Dies sei der bislang äußerst strittigen, uneinheitlichen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtslage geschuldet. Außerdem seien die Prämienerhöhungen seit 2009 auch deswegen nicht rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger die maßgeblichen Gründe für die Prämienerhöhungen entgegen § 203 Abs. 5 VVG nicht mitgeteilt worden seien. Zur Erfüllung dieser Informationspflicht sei es notwendig, dass mitgeteilt werde, welche der in § 203 Abs. 2 S. 3 VVG bezeichneten Rechnungsgrundlagen sich in welcher Höhe (bezogen auf den jeweiligen Tarif und die für den Versicherungsnehmer maßgebenden Beobachtungseinheit) geändert habe.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 31.12.2018 3.587,34 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 248 BGB seit Rechtshängigkeit des Anspruchs zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, sämtliche von ihr vorgenommenen Prämienerhöhungen zur Versicherung Nr. … in dem Zeitraum vom 01.04.2009 bis 30.03.2015 abzurechnen und an den Kläger zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt vor: Die Einwendungen des Klägers gegen die Beitragserhöhungen seien unbehelflich, da zum einen die „Unabhängigkeit“ des Treuhänders kein Wirksamkeitselement einer ordnungsgemäßen Prämienerhöhung sei, zum anderen die Beklagte der ihr obliegenden Informationspflicht aus § 203 Abs. 5 VVG stets nachgekommen sei. Der Klageantrag zu 2) sei schon unzulässig, da völlig unsubstantiiert und unbestimmt. Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung, sofern Beitragsanpassungen zwischen dem 01.04.2009 und dem 31.12.2014 in Frage stehen.

Das Gericht hat am 28.03.2019 mündlich zur Sache verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 28.03.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A. Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig.

Die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Nürnberg-Fürth resultiert aus §§ 71, 23 GVG i. V. m. § 215 VVG.

Klageantrag Ziffer 1 (betrifft den Zeitraum 01.04.2015 – 31.12.2018) ist als konkret bezifferter Zahlungsantrag hinreichend bestimmt ist (§ 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO).

Klageantrag Ziffer 2 (betrifft den Zeitraum 01.04.2009 – 30.03.2015) ist nach Auslegung ebenfalls hinreichend bestimmt. Ein Antrag ist dann hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte erschöpfend verteidigen kann und nicht dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung überlassen bleibt, was dem Beklagten aufgegeben oder verboten ist (BGH, Urteil vom 04.12.2013, Az.: IV ZR 215/12). Sofern der Kläger die „Abrechnung“ der Beitragserhöhungen in den Zeiträumen 04/2009 – 03/2015 geltend macht, ist seinem Antrag ein Auskunftsbegehren gegenüber der Beklagten über die Prämienerhöhungen in dem besagten Zeitraum und die Rückerstattung der entsprechenden Beträge (zu beziffern nach Auskunft) zu entnehmen. Die Umdeutung eines ansonsten unzulässigen Antrages ist zulässig, wenn er mit dem abgewandten Inhalt zulässig ist, die Umdeutung dem erkennbaren Parteiwillen entspricht und schutzwürdige Interessen des Gegners nicht entgegenstehen (BGH, Beschl. v. 28.09.2016, Az.: XII ZB 487/15). So liegen die Dinge hier.

B. Begründetheit

Die Klage ist aber nicht begründet.

I. Klageantrag Ziff. 1

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückerstattung seiner im Zeitraum 01.04.2015 – 31.12.2018 geleisteten Prämien aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die Beklagte die entsprechenden Zahlungen „ohne Rechtsgrund“ erhalten hat. Rechtsgrund für das Behaltendürfen sind vielmehr der Grundvertrag zusammen mit den Erhöhungsmitteilungen (Anlagen K3 – K6).

Sofern der Kläger in Abrede gestellt hat, dass ein „unabhängiger“ Treuhänder i. S. d. § 203 Absatz 2 VVG den jeweiligen Prämienerhöhungen zugestimmt habe, ist dieser Einwand für den vorliegenden Rechtsstreit bereits unbeachtlich. Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat (§ 203 Abs. 2 S. 1 VVG). Im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung ist die Frage der „Unabhängigkeit“ des zustimmenden Treuhänders von den Zivilgerichten allerdings nicht gesondert zu überprüfen; es handelt sich hierbei nicht um eine konstitutive Voraussetzung für die materiell-rechtliche Wirksamkeit seiner Zustimmung (BGH, Urteil vom 19.12.2018, Az.: IV ZR 255/17). Dass überhaupt jeweils die Zustimmung eines Treuhänders erfolgt ist, hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt.

Auch sofern der Kläger geltend macht, einer wirksamen Prämienerhöhung zu den von der Beklagten beabsichtigten Zeitpunkten stehe die Nichterfüllung der Informationspflichten des § 203 Abs. 5 VVG jeweils entgegen, geht dies fehlt. Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 des § 203 VVG werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt (§ 203 Abs. 5 VVG). Die Beklagte hat dem Kläger die maßgeblichen Gründe mitgeteilt. Unter den maßgeblichen Gründen sind nicht unterschiedslos alle – einschließlich der materiell untergeordneten – Gründe, sondern nur die wesentlichen, also wichtigsten Gründe zu verstehen. Das sind diejenigen Gründe, die die Rechtsposition des Versicherungsnehmer am stärksten verändern. Dazu zählen z.B. die Veränderung derjenigen Rechnungsgrundlagen, die die Prämienanpassung überhaupt erst ausgelöst haben, aber auch eine Absenkung des Rechnungszinses sowie deren Verteilung auf mehrere Jahre (Langheid/Wandt-Boetius, VVG, 2. Auflage 2017, § 203, Rn. 1155b). Die genaue Zusammensetzung der Prämienänderung ist dem Versicherungsnehmer nicht mitzuteilen. Das Versicherungsunternehmen muss daher nicht aufschlüsseln, inwieweit die einzelnen Rechnungsgrundlagen zur Prämienänderung beigetragen haben. Denn hierbei handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse, die das Versicherungsunternehmen nur in einem Rechtsstreit vorzulegen hat, wenn das Gericht entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der Geheimhaltung anordnet. Müsste das Versicherungsunternehmen diese Unterlagen bereits im Rahmen der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG vorlegen, würde es nicht den Schutz der in einem Prämienprozess angeordneten gerichtlichen Maßnahmen genießen. Damit würde das staatliche Sanktionsmonopol unterlaufen (Langheid/Wandt-Boetius a. a. O.). Die Beklagte hat dem Kläger jeweils (vgl. hierzu Anlagenkonvolut B5) ausführliche Informationen zum Anlass der jeweiligen Prämienerhöhungen zukommen lassen und namentlich stets darauf hingewiesen, dass sich die Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ (vgl. § 203 Abs. 2 S. 3 VVG) im jeweiligen Bezugszeitraum geändert hat. Hierbei wurden sogar konkrete und nachvollziehbare Beispiele genannt. Mehr ist beklagtenseits nicht zu fordern. Klageantrag Ziff. 1 geht somit ins Leere.

II. Klageantrag Ziff. 2

Sofern der Zeitraum 01.04.2009 – 31.12.2014 betroffen ist, hat der Kläger gegen die Beklagte schon deshalb keinen Anspruch auf Auskunft über Prämienerhöhungen und Auskehr der entsprechenden Erhöhungsbeträge, weil insofern der Verjährungseinwand der Beklagten greift. Nachdem Klage im Jahr 2018 erhoben wurde, kommen allenfalls entsprechende Ansprüche ab Beginn 2015 in Betracht (vgl. hierzu BGH a. a. O. unter Verweis auf § 195 BGB).

Sofern der Zeitraum 01.01.2015 – 30.03.2015 betroffen ist, ist auf Ziff. B. I. der Entscheidungsgründe zu verweisen.

Die Klage war darum insgesamt abzuweisen.

C. Prozessuale Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung basiert auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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