LG Limburg – Az.: 2 O 502/10 – Urteil vom 11.08.2011
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 20.900,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Mit seiner am 17.12.210 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 14.01.2011 zugestellten Klage beansprucht der Kläger aus einer ab 02.11.2003 bei der Beklagten abgeschlossenen privaten Unfallversicherung „mit Progression“ Leistungen wegen eines am 30.04.2007 erlittenen Unfalls.
Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Beziehungen der Parteien wird auf den Nachtrag zur Versicherung vom 18.10.2004 (Anlage K1, Bl. 13 ff. d.A.), den Versicherungsschein vom 15.11.2004 (Anlage B1, Bl. 84 f. d.A.), die AUB 99 (Anlage B2, Bl. 86 ff. d.A.) sowie die BBU Compact 99 (Anlage B3, 91 ff. d.A.) verwiesen.
Unter dem 08.05.2007 erstattete der Kläger der Beklagte eine Unfall-Schadenanzeige (Anlage K4, Bl. 39 f. d.A.). Mit Schreiben vom 16.05.2007 (Anlage B4, Bl. 97 f. d.A.) rechnete die Beklagte Krankenhaustage- mit Genesungsgeld ab und wies auf Invaliditätsfristen hin. In einem HNO-fachärztlichen Gutachten vom 28.01.2008 (Anlage K2, Bl. 15 ff. d.A.) nahm Dr. … wegen Verschlechterung eines Hörschadens und eines Tinnitus eine unfallbedingte HNO-Gesamt-MDE von 20 % an. In einem unfallchirurgischen Gutachten vom 24.01.2008 (Anlage K3, Bl. 33 ff. d.A.) nahm Dr. … wegen einer Sternumfraktur sowie einer BWK-12-Fraktur eine unfallbedingte MDE von unter 20 % an. Am 06.07.2010 teilte die Ehefrau des Klägers fernmündlich mit, der Kläger habe wegen Streitigkeiten mit der Berufsgenossenschaft vergessen, sich bei der Beklagten zu melden. Am 18.08.2010 meldete der Kläger der Beklagte an, invalide zu sein. Mit Schreiben vom 20.08.2010 verneinte die Beklagte ihre Leistungspflicht (Anlage K5, 41 f. d.A.). Ein Forderungsschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 04.10.2010 (Anlage K6, 42 ff. d.A.) blieb fruchtlos.
Der Kläger behauptet, an dem Unfalltag sei er bei dem Bedienen einer Maschine ausgerutscht und 1,20 tief mit Rücken und Kopf auf einen Betonboden gestürzt (Beweis: Zeugnis seines Arbeitskollegen …). Er sei aufgrund des Tinnitus auf dem linken Ohr mit 55 % und auf dem rechten Ohr mit 20 % je Ohr, wegen der Frakturen im Wirbelsäulenbereich mit 19 % in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Der Kläger hat neben einer Invaliditätsleistung und vorgerichtlichen Anwaltskosten die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm im Falle des Obsiegens mit dem Zahlungsantrag vertragsgemäße Progression auf die Invaliditätsleistung zu berechnen und auszuzahlen. Durch Zwischen- und Teilurteil vom 14.04.2011, auf das Bezug genommen wird, hat das Gericht den Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen und im Übrigen die Zulässigkeit der Klage ausgesprochen.
Der Kläger beantragt nunmehr noch, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, ihn von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte … in Höhe von 899,40 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14.01.2011 freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie sieht die vertraglichen Anspruchsvoraussetzungen als nicht erfüllt an, da die von ihr bestrittene Invalidität des Klägers nach dem Unfall weder innerhalb eines Jahres eingetreten, noch innerhalb von 15 Monaten von einem Arzt festgestellt und auch nicht innerhalb von 18 Monaten angezeigt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Insbesondere wird auf den Inhalt der vorstehend zitierten Dokumente Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Dem Kläger steht wegen des streitgegenständlichen Unfalls aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherung jedenfalls deswegen kein Leistungsanspruch zu, weil er seine vorliegende Invalidität nicht rechtzeitig bei der Beklagten geltend gemacht hat.
Die Parteien haben unstreitig die AUB 99 vereinbart. Diese erfordern in Ziffer 2.1.1.1 als Voraussetzung für die Leistung, dass der Versicherungsnehmer die Invalidität innerhalb von 15 Monaten bei der Versicherung geltend macht. Das hat der Kläger unstreitig versäumt, da selbst die erste telefonische Meldung vom 06.07.2010 erst mehr als drei Jahre nach dem Unfallereignis erfolgte. Dass der Beklagte das Unfallereignis bekannt war, genügt nicht, da sie daraus nicht zwingend den Eintritt der Invalidität ableiten konnte.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten aufgestellte Frist wirksam. Das OLG Hamm (VersR 2008, 811) hat zwar in einem nichttragenden Teil der Begründung seines Urteils vom 19.10.2007 Bedenken angemeldet, ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB könnte darin liegen, dass das Inhaltsverzeichnis und die Überschriften der AUB 99 den Versicherungsnehmer zu der Annahme verleiten, er habe nach einem Unfall lediglich die Klausel „7 Was ist nach einem Unfall zu beachten (Obliegenheiten)?“ zu befolgen. Dieser Auffassung vermag sich das Gericht indessen nicht anzuschließen. Das OLG Celle (OLGR Celle 2009, 498) hat demgegenüber in seinem Urteil vom 05.03.2009 zu den inhaltsgleichen AUB 200 ausgeführt:
Hieran trifft zu, dass das Augenmerk des Versicherungsnehmers, der nach einem Unfall die Versicherungsbedingungen zur Hand nimmt, um festzustellen, was zu veranlassen ist, durch die nicht gelungene Überschrift zu Ziff. 7 „ Was ist nach einem Unfall zu beachten (Obliegenheit)? “ zunächst auf seine Obliegenheiten gelenkt wird, ohne dass sich dort ein Hinweis auf die nach dem Unfall als Anspruchsvoraussetzung einer Invaliditätsleistung zu wahrenden Fristen findet. Es würde dem Versicherungsnehmer den Zugang sicherlich erleichtern, wenn sich dort eine weitere Erläuterung finden würde, etwa wie in der Fassung der AUB, über die das Landgericht Dortmund zu entscheiden hatte (Urteil vom 29.05.2008, Az. 2 O 208/07, veröffentlicht bei Juris):
„Nach einem Unfall sind nicht nur die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen (z. B. die Fristen in Ziffer 2.1.1.1) nebst Einschränkungen, Versicherbarkeit und Ausschlüssen (Ziffern 2 ff.) zu prüfen, sondern auch Obliegenheiten zu beachten; denn ohne Mitwirkung und die der versicherten Person können wir unsere Leistung nicht erbringen.“
Gleichwohl genügen die vorliegenden AUB 2000 der Beklagten insoweit noch den Anforderungen des Transparenzgebotes (so auch OLG Karlsruhe VersR 2005, 1384 f.; OLG Düsseldorf VersR 2006, 1487 f.). Dass die für die Invaliditätsleistung geltende Fristenregelung nicht unter den Obliegenheiten aufgeführt ist, hat seinen Grund darin, dass es sich um eine echte Anspruchsvoraussetzung handelt und die Versicherungsbedingungen deutlich zwischen Anspruchsvoraussetzungen und Obliegenheiten unterscheiden. Diese Regelungstechnik ist nicht zu beanstanden (BGHZ 162, 210 ff.). Von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der nach einem Unfall meint, es könne eine Invaliditätsleistung in Betracht kommen, kann erwartet werden, dass er bei der gebotenen aufmerksamen Durchsicht der Bedingungen auch die in dem Abschnitt „Versicherungsumfang“ unter der Überschrift „2.1 Invaliditätsleistung“ aufgeführten Bestimmungen liest. Wie der BGH ausgeführt hat (a. a. O.) kann sich der Versicherungsnehmer die Lektüre dieser Bestimmungen nicht ersparen, wenn er über den Versicherungsschutz, der ihm zusteht, auch nur in groben Zügen informiert sein will. Unter Ziff. 2.1. stößt der Versicherungsnehmer gleich zu Beginn auf die „Voraussetzungen für Leistung“ und findet ohne Weiteres die drucktechnisch sehr übersichtlich aufgeführten Fristen. Von der gebotenen Lektüre wird der Versicherungsnehmer auch nicht dadurch abgehalten, dass die ihn treffenden Obliegenheiten unter der Überschrift „Was ist nach dem Unfall zu beachten?“ aufgeführt werden. Wenn der Versicherungsnehmer tatsächlich zuerst diesen Abschnitt liest, wird er sogleich feststellen, dass sich dort keine Regelungen, die sich speziell auf die Invaliditätsleistung beziehen, finden lassen und er den Abschnitt „2.1 Invaliditätsleistung“ lesen muss um sich näher über mögliche Ansprüche auf eine Invaliditätsleistung zu informieren. Hierdurch wird kein falscher Eindruck erweckt, dass es genügen könnte, nur den die Obliegenheiten betreffenden Abschnitt zu lesen, um hinreichend über eine mögliche Invaliditätsleistung informiert zu sein.
Diesen stimmigen und überzeugenden Ausführungen hat das Gericht vom Rechtlichen her nichts hinzusetzen und kann sich dem nur in vollem Umfang anschließen. vorliegenden Fall ist zudem hervorzuheben, dass es nicht etwa die unklare Fassung der AGB gewesen ist, die den Kläger von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Invalidität abgehalten hat, sondern entsprechend den Angaben seiner Ehefrau die Streitigkeiten mit der Berufsgenossenschaft.
Besteht danach kein Zahlungsanspruch in der Hauptsache, kann der Kläger auch keinen Verzugsschaden geltend machen.
Die Klage ist insgesamt mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.
Die Anordnung zur vorläufigen aus § 709 ZPO.