OLG Celle – Az.: 8 U 192/10 – Urteil vom 26.01.2012
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. August 2010 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 254.616,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf
– 78.950,00 € seit dem 14. Mai 2008,
– 95.150,00 € seit dem 15. Mai 2008,
– 1.666,00 € seit dem 12. Februar 2010,
– 64.850,00 € seit dem 25. Februar 2010 und
– 14.000,00 € seit dem 20. Oktober 2010
zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine monatliche Rente in Höhe von 2.000,00 € zu zahlen, beginnend ab dem Monat November 2010.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin 48 % und die Beklagte 52 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 37 % und die Beklagte 63 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
– für den Rechtsstreit 1. Instanz auf bis zu 650.000,00 € und
– für das Berufungsverfahren auf bis zu 380.000,00 €.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt unter anderem Zahlung von Invaliditätsleistungen aufgrund eines Unfalls.
Die Parteien verbindet ein Unfallversicherungsvertrag. Der Vertrag sieht für Invalidität eine Versicherungssumme von 300.000,00 € und für Krankentagegeld ab dem 43. Tag eine Versicherungssumme von kalendertäglich 50,00 € vor. Dem Vertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen mit Stand 2000 (AUB 2000), die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung (Basis Plus) und die Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfall-Rente bei einem Invaliditätsgrad ab 50 % (BB Unfall-Rente) zugrunde.
Hinsichtlich des Inhalts der AUB 2000 wird auf die Anlage B 1 im Anlagenband Beklagte Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts der Besonderen Unfallversicherungsbedingungen wird auf den Anlagenband Klägerin Bezug genommen.
Am 10. Mai 2007 stellte sich die Klägerin wegen Schmerzen im rechten Vorfuß bei Herrn Dr. T. in R. vor. Dieser leitete zunächst allerdings keine Therapie ein. Stattdessen empfahl er ihr eine Hochlagerung des Fußes sowie eine relative Ruhigstellung.
Am 15. August 2007 meldete die Klägerin der Beklagten ein Unfallereignis. Sie teilte mit, am 29. April 2007 bei der Besichtigung des Dorfes C. auf einen spitzen Stein getreten zu sein und sich den Fuß gebrochen zu haben (Anlage B 2 im Anlagenband Beklagte).
Die Beklagte zahlte an die Klägerin insgesamt 5.150,00 € auf den Rentenanspruch (Bl. 290 d. A.). Nachdem sie die Klägerin durch Dr. B. hatte untersuchen lassen, lehnte die Beklagte weitergehende Leistungen mit Schreiben vom 14. März 2008 ab.
Die Klägerin behauptet, am 29. April 2007 einen Unfall erlitten zu haben. Sie habe an diesem Tag einen Spaziergang unternommen und dabei Mokassins mit einer dünnen Sohle getragen. Während des Spazierganges sei sie mit dem rechten Vorfuß auf einen sehr spitzen Stein getreten. Es seien sofort heftige Schmerzen und anschließend eine Schwellung aufgetreten (Bl. 3 d. A.). Dieses unfallbedingte Trauma habe zur Entwicklung eines Morbus Sudeck geführt.
Die Klägerin behauptet, dass eine Gesamtinvalidität von 100 % vorliege. Sie müsse aufgrund der Schmerzen die Medikamente Trevilor, Tramadol und Lyria einnehmen. Die Nebenwirkungen dieser Medikamente hätten zur Folge, dass die Klägerin ihrem Beruf als Steuerfachangestellte nicht nachgehen könne (Bl. 242 d. A.). Darüber hinaus müsse sie bei Buchhaltungs- und Steuerberatungsarbeiten diverse schwere Aktenordner bewegen. Das sei ihr aber nicht möglich (Bl. 277 d. A.). Aufgrund dessen bestehe eine Arbeitsunfähigkeit zu 100 %. Hinzu komme, dass die Schmerzen vom Fuß in den rechten Unterschenkel ausstrahlen würden. Die Invalidität setze sich wie folgt zusammen (Bl. 348 d. A.):
Invaliditätsgrad
Fuß 25 %
Unterschenkel bis Bein 40 %
Kognitive Beeinträchtigungen aufgrund der Medikamente 50 %
Gesamt: 115 %
Hieraus folge ein Invaliditätsanspruch in Höhe von 455.000,00 €.
Darüber hinaus stehe ihr eine monatliche Unfallrente in Höhe von 2.000,00 € zu. Vom Unfallzeitpunkt bis zum 12. Februar 2010 seien damit rückständige Rentenforderungen in Höhe von 70.000,00 € aufgelaufen. Abzüglich bereits gezahlter 5.150,00 € verbleibe ein Anspruch in Höhe von 64.850,00 €.
Weiter stehe ihr ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld für 322 Tage à 50,00 € in Höhe von 16.100,00 € zu.
Schließlich habe die Beklagte die der Klägerin entstandenen Gutachterkosten in Höhe von 3.523,40 € zu erstatten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 455.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2007 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 64.850,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine monatliche Rente in Höhe von 2.000,00 € zu zahlen, beginnend am März 2010,
4. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 3.523,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das behauptete Unfallereignis habe nicht stattgefunden (Bl. 273 d. A.). Selbst wenn es zu dem von der Klägerin behaupteten Geschehnis gekommen sein sollte, wären die nachfolgend eingetretenen Beeinträchtigungen nicht hierauf zurückzuführen (Bl. 86 d. A.). Vielmehr habe unfallunabhängig ein Morbus Köhler II bestanden, aus dem sich dann der Morbus Sudeck entwickelt habe. Ein Zusammenhang etwaiger kognitiver Störungen mit der Einnahme der von der Klägerin bezeichneten Medikamente werde bestritten (Bl. 364 d. A.).
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 29. August 2008 (Bl. 158 – 161 d. A.) in der Fassung des Beschlusses vom 22. Dezember 2008 (Bl. 190 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 11. Mai 2009 Bezug genommen. Weiter hat das Gericht Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 23. April 2009 (Bl. 205 d. A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. vom 7. September 2009 Bezug und seine ergänzende Stellungnahme vom 29. März 2010 Bezug genommen. Darüber hinaus haben die Sachverständigen Dr. B. und S. ihre Gutachten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2010 erläutert (Bl. 410 – 412 d. A.).
Mit Urteil vom 27. August 2010 (Bl. 445 – 453R d. A.) hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 80.616,00 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stehe fest, dass das von der Klägerin behauptete Unfallereignis stattgefunden und dass sich aus diesem Ereignis ein Morbus Sudeck entwickelt habe. Dies führe zu einer Gesamtbeeinträchtigung von 25 % und damit zu einem Invaliditätsanspruch in Höhe von 75.000,00 €. Hinzu kämen ein Anspruch auf Zahlung von Tagegeld für 182 Tage in Höhe von 9.100,00 € und Gutachterkosten in Höhe von 1.666,00 €. Ein weitergehender Anspruch auf Zahlung von Tagegeld komme nicht in Betracht. Die von der Klägerin behauptete Arbeitsunfähigkeit sei von den Sachverständigen nicht festgestellt worden. Eine vollständige Arbeitsunfähigkeit lasse sich aus dem Morbus Sudeck nicht herleiten. Kognitive Beeinträchtigungen aufgrund der Einnahme von Medikamenten seien nicht innerhalb der Jahresfrist eingetreten und auch nicht innerhalb von 15 Monaten von einem Arzt diagnostiziert worden.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Das Landgericht habe die kognitiven Beeinträchtigungen zu Unrecht nicht mit mindestens 50 % bewertet. Soweit das Landgericht dies mit der Überschreitung der in den AVB vorgesehenen Fristen begründet habe, habe sich das Gericht auf eine wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksame Klausel gestützt. Unabhängig hiervon handele es sich bei den Beeinträchtigungen auch nicht um Folgen des Unfalls, sondern um Folgen von Heilmaßnahmen. Hieraus folge eine Gesamtinvalidität von 75 % mit der Folge eines Anspruchs in Höhe von 300.000,00 €. Daneben schulde die Beklagte rückständige Rentenzahlungen in Höhe von 84.000,00 € sowie ab dem 1. November 2010 Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von 2.000,00 €.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte abändernd zu verurteilen, einen weiteren Betrag in Höhe von 221.050,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2007 zu zahlen,
2. die Beklagte abändernd zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 84.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen,
3. abändernd festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine monatliche Rente in Höhe von 2.000,00 € zu zahlen, beginnend ab dem 1. November 2010.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ziffer 2.1.1.1 AUB 2000 verstoße nicht gegen das Transparenzgebot. Darüber hinaus seien die kognitiven Beeinträchtigungen auch nicht Folgen von Heilmaßnahmen gemäß Ziffer 5.2.3 AUB 2000. Sie seien auch nicht unmittelbare Folge des Unfallgeschehens. Insoweit werde weiterhin ein kausaler Zusammenhang bestritten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20. April 2011 (Bl. 534 – 537 d. A.) in der Fassung der Beschlüsse vom 20. April 2011 (Bl. 576, 577 d. A.) und vom 25. Mai 2011 (Bl. 593, 594 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. vom 14. Oktober 2011 Bezug genommen. Ergänzend hat der Senat den Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2012 angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Der Inhalt des Schriftsatzes vom 16. Januar 2012 ist bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert worden.
II.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein weitergehender Anspruch gemäß §§ 1 Abs. 1 Satz 2 VVG a. F. in Verbindung mit Ziff. 2.1.2.1 und Ziff. 2.2.1 AUB 2000 zu mit der Folge eines Gesamtanspruchs in tenorierter Höhe.
1. Ein Versicherungsfall im Sinne von Ziff. 1.3 AUB 2000 liegt vor. Danach entsteht ein Anspruch auf Versicherungsleistung, wenn der Versicherte einen Unfall erleidet. Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Das Landgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme den von der Klägerin behaupteten Unfallhergang am 29. April 2007 als bewiesen erachtet. Die Klägerin habe das Unfallereignis im Rahmen ihrer Anhörung widerspruchsfrei dargestellt und sei im Anschluss vom Zeugen L. in ihrer Darstellung bestätigt worden. Dass die Klägerin erst knapp zwei Wochen nach dem Unfallereignis einen Arzt aufgesucht habe, stehe der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht entgegen. Insoweit habe die Klägerin nachvollziehbar ausgeführt, dass sie zunächst gehofft habe, die Beschwerden würden von alleine wieder abklingen.
An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich gebunden. Dieser Grundsatz erfährt lediglich dann eine Ausnahme, wenn konkrete Anhaltspunkte vernünftige Zweifel an der Richtigkeit oder der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen zu wecken geeignet sind. Es muss somit eine bestimmte, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Vermutung bestehen, dass im Falle einer neuen Beweisaufnahme die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden. Dem kann eine Verletzung von Denkgesetzen, von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen, das Verkennen der Beweislast oder das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags zugrunde liegen (vgl. BGH NJW 2005, 1583). Daran fehlt es hier. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Landgericht werden von der Beklagten nicht aufgezeigt und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
2. Eine auf dem Unfall beruhende Invalidität trat auch innerhalb der Frist der Ziff. 5 der Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung und damit innerhalb der Frist von 18 Monaten ein.
Eine Invalidität liegt vor, wenn es zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit kommt. Die Invalidität setzt keinen besonderen Umfang oder schon einen bestimmten Grad voraus. Es genügt, wenn es überhaupt zu einer Invalidität in irgendeinem Umfang gekommen ist (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1990, 773; Grimm, Unfallversicherung, 3. Aufl., § 7, Rn. 10). Den Nachweis einer gesundheitlichen Beeinträchtigung als solcher und der Dauerhaftigkeit des Gesundheitsschadens hat der Versicherungsnehmer zu führen. Dabei orientieren sich die Anforderungen an die Beweisführung an § 286 ZPO (vgl. BGH RuS 1998, 80; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AUB 94, Rn. 2).
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22. Juni 2010 den Eintritt eines Dauerschadens innerhalb der Jahresfrist behauptet (Bl. 401 d. A.). Dieser Vortrag ist erstinstanzlich unstreitig geblieben. Erst im Berufungsverfahren hat die Beklagte den Eintritt einer Invalidität innerhalb der Frist von 15 Monaten bestritten (Bl. 510 d. A.). Dieses Bestreiten ist verspätet und deshalb unbeachtlich. Zwar hat sich der Schriftsatz der Klägerin vom 22. Juni 2010 zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2010 nicht in der Akte befunden. Das liegt aber lediglich an einem Versäumnis der Geschäftsstelle des Landgerichts, ohne dass hieraus auf eine unterbliebene Übersendung an den Beklagtenvertreter geschlossen werden könnte. Dem Schriftsatz der Klägerin vom 1. Juli 2010 kann darüber hinaus entnommen werden, dass die Klägerin den Schriftsatz im Wege der Parteizustellung der Beklagten übersandt hat (Bl. 416 d. A.), sodass der Beklagten ein Bestreiten in der 1. Instanz auch möglich gewesen wäre.
3. Der innerhalb des Zeitraumes von 18 Monaten von den behandelnden Ärzten diagnostizierte Morbus Sudeck steht in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem von der Klägerin behaupteten Unfallereignis. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Tritt auf den spitzen Stein der alleinige Faktor gewesen sei, um den Morbus Sudeck auszulösen. Das ist nicht zu beanstanden. Dem Versicherungsnehmer in der Unfallversicherung kommt für die Frage der Kausalität zwischen einer (unstreitigen) unfallbedingten Gesundheitsbeschädigung und einer bewiesenen Invalidität die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute (vgl. BGH RuS 1998, 80; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AUB 94, Rn. 2). Unter Beachtung dieses Beweismaßstabs bestehen keine durchgreifenden Zweifel, den Zusammenhang zwischen Unfall und Morbus Sudeck zu bejahen. Die vom Gericht beauftragten Gutachter haben übereinstimmend darauf hingewiesen, dass das auslösende Trauma und der im Anschluss aufgetretene Morbus Sudeck miteinander vereinbar seien. Tatsächlich sei es geradezu typisch, dass der Auslöser einer solchen Erkrankung in einer Bagatellverletzung bestehe. Hinzu kommt, dass keine Anhaltspunkte für einen nicht auf den Unfall zurückzuführenden Auslöser bestehen. Zwar ist der von der Beklagten vorgerichtlich beauftragte Sachverständige B. in seinem Gutachten vom 12. Dezember 2007 (Anlage B 9 im Anlagenband Beklagte) zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin unabhängig vom Unfall eine Osteonekrose Typ Morbus Köhler II vorgelegen habe, aus der sich dann der Morbus Sudeck entwickelt habe. Dieser Auffassung ist der gerichtliche Sachverständige Dr. B. in seinem Gutachten vom 11. Mai 2009 aber entgegengetreten und hat nachvollziehbar dargelegt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Morbus Köhler gegeben seien.
4. Das Vorliegen einer durch den Unfall verursachten dauernden Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit reicht für sich allein noch nicht. Es bedarf für den Anspruch auf Invaliditätsleistung zusätzlich der Beachtung bestimmter Fristen. So muss die Invalidität gemäß Ziffer 2.1.1.1 AUB 2000 in Verbindung mit Ziffer 5 der Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung (Basis-Plus) innerhalb von 18 Monaten nach dem Unfall eingetreten und innerhalb dreier weiterer Monate ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden sein. Das dient dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft. Auch eine Leistungsablehnung des Versicherers ändert nichts daran, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht entsteht, wenn die Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden ist (vgl. BGH NJW-RR 2007, 977).
Im vorliegenden Fall wurde die Invalidität der Klägerin innerhalb der Frist von 21 Monaten ärztlich festgestellt. Insoweit wird auf das bereits zuvor erwähnte Gutachten des Dr. B. vom 8. Februar 2008 Bezug genommen. Dass es insoweit an einer näheren Begründung des prognostizierten Dauerschadens fehlt, ist unschädlich. An die Feststellung der Invalidität sind keine hohen Anforderungen zu stellen. So muss sich der Arzt nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens braucht noch nicht einmal richtig zu sein und dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zuzugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist (vgl. BGH VersR 2007, 1114). Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich lediglich die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben. Denn die Invaliditätsbescheinigung soll dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich soll sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar sind und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen will (vgl. BGH a. a. O.). Diesen Anforderungen wird das Gutachten des Dr. B. vom 8. Februar 2008 gerecht.
5. Die Invalidität lag auch bei Ablauf der Dreijahresfrist nach dem Unfall vor. Auf diesen Zeitpunkt ist zusätzlich deshalb abzustellen, weil den Parteien des Versicherungsvertrags gemäß Ziff. 9.4 AUB 2000 das Recht zusteht, innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall im Wege einer Nachprüfung eine Neubewertung des Invaliditätsgrades herbeizuführen (vgl. BGH VersR 2009, 1213).
Der Sachverständige Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 11. Mai 2009 auf der Grundlage einer am 28. Januar 2009 erfolgten Untersuchung der Klägerin festgestellt, dass ein Dauerschaden eingetreten sei. Die Dauerschädigung des Fußes sei mit 1/2 Fußwert einzustufen, wobei sowohl den orthopädischen als auch den neurologischen Beeinträchtigungen Rechnung getragen worden sei (Seite 18 GA). Auch Prof. Dr. S. weist in seinem Gutachten vom 7. September 2009 darauf hin, dass auch über zwei Jahre nach dem Unfallereignis dauerhafte Schmerzen bestünden, die nur partiell durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten und durch wöchentliche Sympathikusblockaden gelindert werden könnten. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin auf Dauer in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei. In seinem Ergänzungsgutachten vom 29. März 2010 hat er darüber hinaus darauf hingewiesen, dass aus neurologischer Sicht das Schmerzsyndrom auch in Zukunft mit Wahrscheinlichkeit weiter bestehen werde. Mit letzter Sicherheit könne das aber nicht beantwortet werden. Ggf. könne auch durch eine alternative medikamentöse Behandlung hinsichtlich der zu erzielenden Schmerzmodulation eine Änderung des klinischen Zustandes erreicht werden. Zwar scheint der Sachverständige die Annahme eines Dauerschadens in seinem Ergänzungsgutachten wieder zu relativieren. Anderseits scheint er eher die Möglichkeit einer Linderung und nicht die Möglichkeit einer endgültigen Beseitigung der Beschwerden vor Augen zu haben. Unabhängig hiervon stuft der Sachverständige die Möglichkeit einer Änderung des derzeitigen Zustandes aber nur als spekulativ ein. Unter Zugrundelegung der vom Oberlandesgericht Hamm (a. a. O.) dargelegten Maßstäbe dürfte dementsprechend auch noch zum Zeitpunkt der letzten Begutachtung ein Dauerschaden vorgelegen haben. Dass dieser Dauerschaden sich vor endgültigem Ablauf wieder zurückgebildet haben könnte, liegen nicht vor.
6. Maßgeblich für die Höhe des Anspruchs ist das Maß der Beeinträchtigung auf der Grundlage der in Ziff. 2.1.2.2.1 AUB 2000 in Verbindung mit Ziffer 7 der Besonderen Bedingungen aufgeführten Gliedertaxe. Diese bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder – dem Verlust gleichgestellt – Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes.
Im Hinblick auf die mit dem Morbus Sudeck unmittelbar verbundenen Beeinträchtigungen hat das Landgericht auf der Basis der beiden Sachverständigengutachten eine Beeinträchtigung von 1/2 Fußwert angenommen und ist zutreffend zu einer Gesamtinvalidität von 25 % gelangt (1/2 von 50 %). Zwar hat die Klägerin erstinstanzlich die Auffassung vertreten, bei der Invaliditätsbemessung müssten die Ausstrahlungen in den rechten Unterschenkel zusätzlich Berücksichtigung finden. Diesen Vortrag hat sie in der Berufungsinstanz aber nicht mehr aufrechterhalten und die Invaliditätsberechnung des Landgerichts akzeptiert.
Darüber hinaus kam es bei der Klägerin aber auch zu einer weitergehenden unfallbedingten Invalidität in Form kognitiver Beeinträchtigungen.
a) Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt am 29. April 2010 kognitive Beeinträchtigungen bestanden. Der Sachverständige hat bereits in seinem Gutachten vom 14. Oktober 2011 ausgeführt, dass sich bei der Klägerin im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung Hinweise auf eine Einschränkung der kognitiven Leistung ergeben hätten, und zwar insbesondere der Konzentration (Seite 60 GA). Das hat der Sachverständige im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt und darauf hingewiesen, dass diese Beeinträchtigungen zwar leichterer Natur gewesen seien. Gleichwohl hätten diese aber positiv festgestellt werden können.
Diese Feststellungen werden durch das Gutachten des Privatgutachters Prof. Dr. E. vom 4. Dezember 2009 (Anlage K 12) gestützt. Darin heißt es auf der Grundlage einer am 30. November 2009 erfolgten Untersuchung der Klägerin:
„Es ergibt sich kein Hinweis auf eine Demenz, jedoch glaubhaft erschwerte Konzentration mit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses. Sie wirkt in der Stimmung nivelliert und ist psychomotorisch verlangsamt.“ (Seite 16 GA)
„Der Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigungen ist mindestens mittelgradig.“ (Seite 25 GA)
Am 11. Dezember 2009 wurde die Klägerin von Prof. Dr. E. abermals ausführlich untersucht. In dem Ergänzungsgutachten vom 21. Dezember 2009 (Anlage K 13) heißt zum Untersuchungsergebnis:
„Bei Frau L. bestehen konsistent zur Eigenanamnese Minderungen im Reaktionsvermögen, der geteilten Aufmerksamkeit sowie der Behaltensrate im Verbalgedächtnis… Das Ausmaß der Funktionsminderung ist als leicht- bis mittelgradig einzustufen.“ (Seite 13 GA)
Im Ergänzungsgutachten vom 10. Februar 2010 (Anlage K 19) hat der Privatgutachter zur Höhe des Invaliditätsgrades ausgeführt:
„Die kognitive Beeinträchtigung von Frau L. durch die bei ihr notwendige Schmerzmedikation ist gemäß der neuropsychologischen Untersuchung vom 11. Dezember 2009 als mittelgradig zu klassifizieren. Hieraus ergibt sich, wiederum angelehnt an die besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung von Frau L. (Basis-Plus Vertrag) eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit von 50 %, die unabhängig von der Invalidität des rechten Beines gesehen werden muss.“ (Seite 3 GA)
Damit kommen sowohl der vom Senat beauftragte Sachverständige als auch die von der Klägerin beauftragten Privatgutachter zu demselben Ergebnis. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass die festgestellten Beeinträchtigungen auch bereits am 29. April 2010 dauerhafter Natur gewesen seien. Auch insoweit bestehen keine Bedenken, den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen. Hierbei hat der Senat ergänzend berücksichtigt, dass das Beschwerdebild der Klägerin seit erstmaliger Feststellung der Symptomatik konsistent geblieben ist, mithin keine relevanten Veränderungen erfahren hat. Auch dies stellt ein Indiz für die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigungen dar.
b) Diese Beeinträchtigungen stehen auch in einem direkten Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfallereignis. Der Sachverständige hat insoweit in seinem Gutachten vom 14. Oktober 2001 ausgeführt, dass als Ursache nicht nur die Medikamente in Betracht kämen. Vielmehr komme als Ursache die seit dem Jahr 2008 bestehende depressive Symptomatik in Betracht. Diese sei in besonderer Weise geeignet, kognitive Einschränkungen auch erheblichen Ausmaßes auszulösen (Seite 53 GA). Zumindest bei mehr als leichtgradigen Depressionen kämen kognitive Störungen wie Einschränkungen der Aufmerksamkeit, Konzentration und zum Teil auch Gedächtnis und Reaktionsfähigkeit durchaus häufig vor. Es erscheine auch hoch wahrscheinlich, dass die depressive Störung im Wesentlichen auf das chronifizierte regionale Schmerzsyndrom zurückzuführen sei (Seite 59 GA). Dies hat der Sachverständige im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt.
Kommen für die etwaigen kognitiven Beeinträchtigungen somit entweder die Medikamente oder die depressive Störung in Betracht und beruhen sowohl die Einnahme von Medikamenten als auch die depressive Störung zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Unfall, ist die Kausalität zu bejahen, ohne dass es an dieser Stelle einer näheren Eingrenzung der tatsächlichen Ursache der Störungen bedarf.
Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass die kognitiven Beeinträchtigungen erst nach Ablauf der Frist von 18 Monaten nach dem Unfall ärztlicherseits festgestellt wurden. Beansprucht die ärztliche Bescheinigung zur fristgemäßen Feststellung eines Dauerschadens keine inhaltliche Richtigkeit, muss sie sich auch nicht zu allen möglichen Folgen äußern, wenn diese jedenfalls die adäquat kausale Folge eines in der ärztlichen Bescheinigung benannten Dauerschadens sind. Insoweit ist der Schutzzweck der Regelung im Interesse des Versicherers auch nicht gefährdet, weil er aufgrund des erhobenen Befundes die Möglichkeit hatte, Art und Umfang des tatsächlichen Dauerschadens zu überprüfen. Dessen Auswirkungen auf den Grad der Invalidität können dann längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall festgestellt werden. Entscheidend ist damit, ob die weitergehende Invalidität in einem adäquat kausalen Zusammenhang zur zunächst eingetretenen Invalidität steht oder ob eine hiervon unabhängig weitere Unfallfolge vorliegt (vgl. Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Nr. 2 AUB 2008, Rn. 14). Im vorliegenden Fall ist auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen von einem solchen adäquat kausalen Zusammenhang auszugehen, sodass die Ausschlussfrist im Hinblick auf die Depression und die hierauf beruhende Symptomatik nicht greift.
Auch dass die Klägerin nach Eingang des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. das Vorliegen einer Depression bzw. die Verknüpfung dieser Depression mit den von ihr behaupteten kognitiven Beeinträchtigungen bestritten hat, steht einer Berücksichtigung zugunsten der Klägerin nicht entgegen. Insoweit ist anerkannt, dass sich eine Partei ein ihr positives Beweisergebnis zumindest hilfsweise stillschweigend zu eigen macht. Hinzu kommt, dass der Senat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2012 auf diesen Gesichtspunkt ausdrücklich aufmerksam gemacht hat, woraufhin die Klägerin gegen den vom Sachverständigen festgestellten kausalen Zusammenhang keine weitergehenden Einwände erhoben hat.
c) Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht auf die Ausschlussklausel in Ziffer 5.2.6 AUB 2000 (sog. Psychoklausel) berufen.
Die Ausschlussklausel beinhaltet eine umfassende Beschränkung des Versicherungsschutzes für alle krankhaften Störungen infolge psychischer Reaktionen, gleich durch welche Ursache sie hervorgerufen werden. Das gilt aber nicht für organische Schädigungen, die ihrerseits zu einem psychischen Leiden führen. Der Versicherer will nur für solche krankhaften Störungen nicht eintreten, die nicht auf körperlichen Traumata beruhen oder nur mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden. Führt die organische Schädigung oder Reaktion hingegen zu einem psychischen Leiden, vermag dies den Ausschlusstatbestand nicht auszulösen. Diese seelischen Beschwerden beruhen dann nicht, wie von der Klausel wörtlich verlangt, ihrerseits auf psychischen Reaktionen, sondern sind physisch hervorgerufen und mithin nicht vom Ausschluss erfasst (vgl. BGH VersR 2004, 1039). Die Ausschlussklausel bezieht sich somit nur auf Fälle, bei denen am Beginn der Kausalreihe ein Unfallereignis ohne Gesundheitsschädigung gestanden hat, dem jedoch aus psychisch-seelischen Gründen die Erkrankung nachgefolgt ist (vgl. Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., Ziffer 5 AUB 99, Rn. 100).
Anders verhält es sich im vorliegenden Fall. Hier erlitt die Klägerin zunächst eine organische bzw. neurologische Schädigung in Form eines Morbus Sudeck. Aufgrund der hiermit verbundenen chronischen Schmerzen kam es den Feststellungen des Sachverständigen zufolge zur Ausbildung einer Depression und in Folge der Depression auch zu kognitiven Störungen. Damit beruhen diese Störungen aber auf dem unfallbedingt eingetretenen Morbus Sudeck und damit auf einer organischen bzw. neurologischen Schädigung und sind damit gleichfalls vom Versicherungsschutz erfasst.
7. Bei der Höhe des Anspruchs kommen die folgenden Erwägungen zum Tragen:
a) Die Höhe des Invaliditätsanspruchs ist vom Grad der Invalidität abhängig. Auszugehen ist dabei von einer Versicherungssumme von 300.000,00 € bei vollständiger Invalidität unter Zugrundelegung der verbesserten Gliedertaxe in Ziffer 7 der Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung. Maßstab ist die Leistungsfähigkeit eines Unversehrten gleichen Alters und Geschlechts. Allerdings ist hierbei auch dem Maßstab der Gliedertaxe Rechnung zu tragen. Eine Invalidität von 100 % ist somit nicht erst dann gegeben, wenn der gesamte Körper funktionsunfähig ist. Eine solche Sichtweise stünde nicht in Einklang mit der Gliedertaxe, die beispielsweise eine Invalidität von 75 % bereits bei einem Verlust des Armes im Schultergelenk vorsieht (vgl. Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., Ziffer 2 AUB, Rn. 36).
Im Hinblick auf die im Bereich des Fußes eingetretene Invalidität ist das landgerichtliche Urteil nicht zu beanstanden. Hinzu kommen die kognitiven Beeinträchtigungen. Diese hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung mit 30 % bewertet. Zur Begründung hat der Sachverständige ausgeführt, dass die kognitiven Beeinträchtigungen sich konkret insbesondere auf die Aufmerksamkeit und die Arbeitsgeschwindigkeit auswirken würden. Insoweit komme es auch nicht zu Beeinträchtigungen ausschließlich im Beruf. Vielmehr komme es ebenfalls zu Beeinträchtigungen im normalen Alltag. So hat die Klägerin ihm – dem Sachverständigen – gegenüber unter anderem erklärt, dass sie nicht mehr mit dem Auto fahre. Auch dies könne ein Beispiel für deutliche Folgewirkungen sein. Der Senat hat auch insoweit keine Bedenken, den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, zumal sie erneut mit den Ausführungen des Privatgutachters Prof. Dr. E. korrespondieren. Auch ist kein Wertungswiderspruch des Sachverständigen mit der verbesserten Invaliditätstabelle nach den besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung (Basis-Plus) erkennbar.
Auf der Basis einer Gesamtinvalidität von 55 % und einer Versicherungssumme von 300.000,00 € im April 2007 ergibt sich hieraus ein Leistungsanspruch in Höhe von insgesamt 165.000,00 €.
Ein Anspruch auf Verzinsung dieses Anspruchs steht der Klägerin gemäß §§ 288, 286 Abs. 1 erst ab Rechtshängigkeit zu. Eine Verzinsung ab dem Tag des Unfalls scheidet demgegenüber entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung aus. Verzug setzt Fälligkeit des Anspruchs gemäß § 11 Abs. 1 VVG a. F. voraus. Daran fehlt es allerdings, solange dem Versicherer die zur Beurteilung seiner Leistungspflicht erforderlichen Tatsachen unverschuldet noch nicht vorliegen (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 11, Rn. 19). Dementsprechend konnte die Beklagte erst in Verzug geraten, nachdem die Klägerin ihren Anspruch angemeldet hatte, der Beklagten sämtliche für die Beurteilung erforderlichen Anhaltspunkte vorlagen und die Beklagte dann von der Klägerin in Verzug gesetzt wurde.
Bei der Verzinsung ab Rechtshängigkeit ist der Tag der Zustellung nicht mit einzuberechnen, § 187 Abs. 1 BGB. Die Klage ist am 14. Mai 2008 zugestellt worden. Dementsprechend besteht ein Anspruch erst ab dem 15. Mai 2008. Soweit das Landgericht einen Anspruch bereits ab dem 14. Mai 2008 zugesprochen hat, ist der Senat wegen des Verbots der reformatio in peius allerdings an einer Korrektur gehindert.
b) Darüber hinaus steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente gemäß Ziffer 1 der Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfallrente zu. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass gemäß Ziffer 1 BB Unfall-Rente bei der Bemessung des Invaliditätsgrades für den Rentenanspruch die vereinbarten besonderen Gliedertaxen unberücksichtigt bleiben und dementsprechend auf die Gliedertaxe im Sinne von 2.1.2.2.1 AUB 2000 abzustellen ist. Aber auch unter Berücksichtigung der dort aufgeführten Gliedertaxen ändert sich nichts an einer Invalidität von zumindest 50 %.
Der Anspruch besteht ab dem Monat des Unfalls und damit ab April 2007. Bis zum Zeitpunkt der erstmaligen gerichtlichen Geltendmachung mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 (Bl. 286 d. A.) ist bei einer monatlichen Rente in Höhe von 2.000,00 € somit ein Anspruch in Höhe von 70.000,00 € aufgelaufen (35 Monate x 2.000,00 €). Hiervon sind die bereits geleisteten Zahlungen der Beklagten in Höhe von 5.150,00 € in Abzug zu bringen, sodass ein Anspruch in Höhe von 64.850,00 € verbleibt. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage im Hinblick auf die zwischenzeitlich aufgelaufenen weitergehenden Rentenansprüche bis einschließlich Oktober 2010 auf insgesamt 84.000,00 € erweitert. Dabei ist der Klägerin ein Rechenfehler unterlaufen, indem sie von insgesamt 42 anstatt richtigerweise von 43 Monaten ausgegangen ist. Weil der Antrag somit hinter dem tatsächlich bestehenden Anspruch zurückbleibt, bestehen hinsichtlich der Zuerkennung allerdings keine Bedenken.
Für die Zeit ab November 2010 besteht ein lebenslanger Anspruch auf Rentenzahlung. Ein vorzeitiges Erlöschen des Anspruchs scheidet aus. Zwar sieht Ziffer 3.2 BB Unfall-Rente ein Erlöschen des Anspruchs auch dann vor, wenn die Gesamtinvalidität auf unter 50 % sinkt. Dies ist aber an die weitere Voraussetzung geknüpft, dass dies im Rahmen einer Neubemessung gemäß Ziffer 9.4 AUB 2000 festgestellt wurde. Eine solche Feststellung kann indes nur innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall erfolgen. Weil aber diese Frist mittlerweile abgelaufen ist, bleibt eine etwaige Reduzierung der Invalidität zukünftig ohne Auswirkungen. Dementsprechend hat es im Tenor keiner weitergehenden Einschränkung bedurft.
Der kapitalisierte Rentenanspruch ist ab Rechtshängigkeit und damit ab Zustellung gemäß § 288 Abs. 1, 286 BGB zu verzinsen. Das Landgericht hat von einer förmlichen Zustellung des klagerweiternden Schriftsatzes vom 12. Februar 2010 abgesehen, sodass der Zeitpunkt der Zustellung nicht positiv festgestellt werden kann. Aus dem Schriftsatz der Gegenseite vom 24. Februar 2010 ergibt sich allerdings, dass der Schriftsatz des Klägervertreters dort spätestens an diesem Tag eingegangen ist.
Ein Anspruch auf Verzinsung besteht damit ab dem 25. Februar 2010, § 187 Abs. 1 BGB. Die Berufungsbegründung und damit die – abermalige – Klageerweiterung ist der Beklagten am 19. Oktober 2010 zugestellt worden, sodass der weitergehende Anspruch ab dem 20. Oktober 2010 zu verzinsen ist.
c) Ihren Anspruch auf Zahlung von Tagegeld hat die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr verfolgt. Weitere Ausführungen erübrigen sich dementsprechend. Es bleibt vielmehr bei dem bereits vom Landgericht zuerkannten Betrag für 182 Tage in Höhe von 9.100,00 €.
d) Soweit das Landgericht der Klägerin weiter Gutachterkosten in Höhe von 1.666,00 € zugesprochen hat, ist das Urteil mittlerweile in Rechtskraft erwachsen. Weitergehende Ansprüche hat die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr verfolgt. Soweit das Landgericht der Klägerin insoweit einen Zinsanspruch ab dem 12. Februar 2010 (und damit sowohl vor Zustellung als auch vor Eingang des klagerweiternden Schriftsatzes bei Gericht) zugesprochen hat, ist der Senat an einer Korrektur des landgerichtlichen Urteils gehindert.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Verteilung der erstinstanzlich angefallenen Kosten hat der Senat die Anträge der Klägerin wie folgt bewertet:
Antrag zu 1) 455.000,00 €
Antrag zu 2)
– rückständige Rente (abzgl. vorgerichtliche Zahlung) 64.850,00 €
– Krankentagegeld 16.100,00 €
Antrag zu 3) (abzgl. 20% Feststellungsabschlag) 67.200,00 €
Antrag zu 4) 3.523,40 €
Gesamt: 606.673,40 €
Den Antrag zu 3) hat der Senat gemäß §§ 9, 3 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag bewertet und im Anschluss einen Feststellungsabschlag von 20 % vorgenommen. Die Verlustquote der Beklagten beträgt dementsprechend 52 % (316.673,40 € / 606.673,40 €).
Die im Berufungsverfahren geltend gemachten Anträge hat der Senat wie folgt bewertet:
Antrag zu 1) 221.050,00 €
Antrag zu 2) (abzgl. vorgerichtliche Zahlungen) 64.850,00 €
Antrag zu 3) (abzgl. 20% Feststellungsabschlag) 67.200,00 €
Gesamt: 353.100,00 €
Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz beim Antrag zu 2) die zwischenzeitlich weiter aufgelaufenen Rückstände hinzugerechnet hat, ist das im Hinblick auf § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG für den Streitwert bedeutungslos (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010, Az. VII ZR 162/08, recherchiert in juris). Vielmehr hat es beim erstinstanzlichen Streitwert zu bleiben. Die Verlustquote der Beklagten beträgt dementsprechend für die Berufungsinstanz 63 % (222.050,00 € / 353.100,00 €).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Von der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO hat der Senat abgesehen. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Bei der Festsetzung des Streitwerts hat der Senat von seiner Befugnis gemäß § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch gemacht und den Streitwert sowohl für die Berufungsinstanz als auch für die 1. Instanz festgesetzt.