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Teilkaskoversicherung – Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Diebstahlsherbeiführung

Teilkaskoversicherung: Wenn grobe Fahrlässigkeit die Leistungen gefährdet

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass die Beklagte (Versicherung) im Fall einer Teilkaskoversicherung keine Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Diebstahlsherbeiführung durchführen darf. Das Gericht beurteilte das Verhalten des Klägers in Bezug auf die Sicherung des Wohnmobils nicht als grob fahrlässig, da kein hinreichender Nachweis für eine bewusste Missachtung der Sorgfaltspflichten vorlag. Die subjektive und objektive Seite der groben Fahrlässigkeit sowie die Kausalität für den Versicherungsfall wurden ausführlich geprüft.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-6 U 107/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Grobe Fahrlässigkeit wurde im Fall des Klägers verneint, da keine absichtliche Vernachlässigung der Sicherheitsmaßnahmen festgestellt wurde.
  2. Die Kausalität zwischen dem Verhalten des Klägers und dem Diebstahl des Wohnmobils konnte nicht nachgewiesen werden.
  3. Die Beklagte konnte keine ausreichenden Beweise für eine Leistungskürzung vorlegen.
  4. Subjektive Fahrlässigkeit des Klägers wurde durch Missverständnisse und Kommunikationsfehler relativiert.
  5. Das Zurücklassen des Fahrzeugschlüssels im Fahrzeug wurde nicht als grob fahrlässig gewertet.
  6. Die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit und deren Kausalität lag bei der Beklagten.
  7. Repräsentantenhaftung des Klägers für das Verhalten Dritter, insbesondere seiner Ehefrau, wurde ausgeschlossen.
  8. Das Gericht lehnte eine Leistungskürzung aufgrund der gegebenen Umstände ab.

Teilkaskoversicherung und grobe Fahrlässigkeit

Im Zentrum der aktuellen juristischen Diskussion steht das Thema Teilkaskoversicherung und die Frage, unter welchen Umständen eine Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Diebstahlsherbeiführung gerechtfertigt ist. Diese Thematik berührt grundlegende Aspekte des Versicherungsrechts und wirft Fragen nach der Verantwortung und den Rechten des Versicherungsnehmers auf.

Der Umgang mit dem Versicherungsschutz bei grober Fahrlässigkeit ist ein kritischer Punkt, der die Balance zwischen den Pflichten der Versicherungsnehmer und den Leistungen der Versicherer betrifft. Besonders relevant wird dies bei Fällen, in denen der Kläger und der Versicherer unterschiedliche Auffassungen über das Maß der Fahrlässigkeit und deren Konsequenzen haben. Das Urteil des OLG Hamm in diesem Kontext bietet wichtige Einblicke und setzt möglicherweise neue Maßstäbe in der Handhabung solcher Fälle.

Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie das Gericht in einem konkreten Fall entschieden hat und welche Implikationen dies für die Praxis der Teilkaskoversicherung haben könnte.

Teilkaskoversicherung und die Frage der groben Fahrlässigkeit

In einem bemerkenswerten Fall vor dem OLG Hamm stand die Teilkaskoversicherung im Zentrum einer rechtlichen Auseinandersetzung. Konkret ging es um die Frage, ob und inwieweit eine Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Diebstahlsherbeiführung eines versicherten Wohnmobils gerechtfertigt ist. Der Fall, der unter dem Aktenzeichen I-6 U 107/21 verhandelt wurde, bezog sich auf ein Ereignis aus dem Jahr 2019, bei dem ein Wohnmobil entwendet wurde. Der Kläger forderte daraufhin von seiner Teilkaskoversicherung eine entsprechende Entschädigung.

Die Rolle des Klägers und die Sicht des Versicherers

Der Kläger, der Eigentümer des Wohnmobils, hatte behauptet, alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben. Er gab an, den regelmäßig genutzten Fahrzeugschlüssel seiner Ehefrau übergeben zu haben, damit dieser nicht im Wohnmobil verbleibt. Jedoch kam es zu einem Missverständnis, wodurch der Schlüssel letztlich im Fahrzeug blieb. Die Versicherung sah darin eine grobe Fahrlässigkeit, da der Diebstahl möglicherweise durch das Zurücklassen des Schlüssels im Fahrzeug erleichtert worden sein könnte.

Juristische Beurteilung der groben Fahrlässigkeit

Das Landgericht und später das OLG Hamm bewerteten den Fall anders. Sie stellten fest, dass ein Missverständnis, wie es hier vorlag, jedem passieren kann und nicht zwangsläufig als grob fahrlässig einzustufen ist. Die Gerichte legten dar, dass grobe Fahrlässigkeit ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit voraussetzt, welches in diesem Fall nicht gegeben war. Darüber hinaus betonte das Gericht, dass für eine Leistungskürzung die Kausalität zwischen dem grob fahrlässigen Verhalten und dem Versicherungsfall nachgewiesen sein muss.

Entscheidung des OLG Hamm und ihre Bedeutung

In seiner endgültigen Entscheidung hielt das OLG Hamm die Berufung der Beklagten, also der Versicherungsgesellschaft, für unbegründet. Es wurde festgestellt, dass der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt hatte und daher die Versicherung nicht berechtigt war, die Leistung zu kürzen. Diese Entscheidung stellt einen wichtigen Bezugspunkt im Versicherungsrecht dar, da sie die Anforderungen an die Feststellung grober Fahrlässigkeit und die damit verbundenen Rechte der Versicherungsnehmer klärt.

Der Fall zeigt, wie entscheidend die genaue Betrachtung der Umstände eines jeden einzelnen Falles ist, und dass nicht jedes Versehen oder Missverständnis automatisch als grobe Fahrlässigkeit eingestuft werden kann. Für Versicherungsnehmer bietet dieses Urteil eine gewisse Sicherheit, dass nicht jede unglückliche Handlung unmittelbar zu einer Leistungskürzung führen muss. Dennoch bleibt die genaue Definition und Abgrenzung von grober Fahrlässigkeit weiterhin ein zentraler Diskussionspunkt im Versicherungsrecht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird grobe Fahrlässigkeit im Versicherungsrecht definiert?

Grobe Fahrlässigkeit im Versicherungsrecht bezieht sich auf Situationen, in denen der Versicherungsnehmer die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei den gesunden Menschenverstand außer Acht lässt. Beispiele für grobe Fahrlässigkeit sind das Überfahren einer roten Ampel, das Tippen einer WhatsApp-Nachricht während der Fahrt oder das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit.

Die Konsequenzen von grober Fahrlässigkeit im Versicherungsrecht können Einschränkungen in der Entschädigungsleistung des Versicherers sein, wie beispielsweise eine Quotenregelung. Seit der Versicherungsrechtsreform im Jahr 2008 müssen Versicherte bei grober Fahrlässigkeit nur noch den Anteil am Schaden tragen, den sie selbst verschuldet haben. Die Höhe dieses Anteils muss individuell berechnet werden.

In der Haftpflichtversicherung ist grobe Fahrlässigkeit abgedeckt. Bei anderen Versicherungsarten, wie der Kfz-Vollkaskoversicherung oder der Hausratversicherung, kann grobe Fahrlässigkeit jedoch zu Leistungskürzungen führen. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, durch die Wahl eines entsprechenden Tarifs Schäden aus grober Fahrlässigkeit in vollem Umfang mitzuversichern.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-6 U 107/21 – Beschluss vom 23.01.2023

Nach durchgeführter Beratung hält der Senat die Berufung der Beklagten übereinstimmend für unbegründet.

Die Berufung der Beklagten bietet danach keine Aussicht auf Erfolg.

Die Beklagte wird deshalb gebeten, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob das Rechtsmittel der Berufung zurückgenommen wird, oder ob es eines förmlichen Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO bedarf.

Es wird abschließend darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 1222 KV GKG von vier auf zwei Gebühren reduziert.

Gründe

1.

Nach durchgeführter Beratung hält der Senat die Berufung der Beklagten übereinstimmend für unbegründet.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger von der Beklagten aus der zwischen den Parteien geschlossenen Teilkaskoversicherung gemäß Ziff. A.2.6.1 der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) – Stand: 01.11.2018 (im Folgenden: AKB 2018) unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR und der bereits erfolgten Zahlung in Höhe von 15.916,67 EUR die Zahlung von weiteren 32.133,33 EUR verlangen kann.

Der Versicherungsfall gemäß § 1 S. 1 VVG, Ziff. A.2.2.2 AKB 2018 ist eingetreten, nachdem das versicherte Wohnmobil unstreitig am 00.00.2019 entwendet wurde.

Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, dass die Beklagte nicht nach § 81 Abs. 2 VVG, Ziff. 2.16.1 AKB 2018 zur teilweisen Leistungskürzung berechtigt ist.

Nach den vorgenannten Regelungen ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Objektiv grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei einfachste und nahe liegende Maßnahmen nicht ergreift, die im konkreten Fall jedem hätten einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.1953 – IV ZR 170/52 -, juris Rn. 9; Urteil vom 29.01.2003 – IV ZR 173/01 -, juris Rn. 10; Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 81 Rn. 30). Grobe Fahrlässigkeit setzt überdies subjektiv ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit voraus. Es muss sich um eine auch subjektiv unentschuldbare Pflichtwidrigkeit handeln, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2016 – VI ZR 322/15 -, juris Rn. 19; Langheid/Wandt/Looschelders, 3. Aufl. 2022, VVG § 81 Rn. 68; BeckOK VVG/Klimke, 17. Ed. 1.11.2022, VVG § 81 Rn. 38). Deshalb sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen; die Annahme grober Fahrlässigkeit bedarf konkreter Feststellungen nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven Seite (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 409/19 -, juris Rn. 15). Sowohl für die objektive als auch für die subjektive Seite der groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1989 – IVa ZR 57/88 -, juris Rn. 21).

Ferner setzt eine Leistungskürzung voraus, dass der Versicherungsfall durch das grob fahrlässige Verhalten verursacht worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2014 – 12 U 44/14 -, juris Rn. 29).

Zutreffend hat das Landgericht nach diesen Maßstäben eine Berechtigung der Beklagten zur Leistungskürzung im Ergebnis verneint. Auch das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Würdigung der Sach- und Rechtslage.

1.1.

Das Zurücklassen des regelmäßig genutzten Fahrzeugschlüssels in der Ablage durch den Kläger ist jedenfalls subjektiv nicht grob fahrlässig erfolgt. Denn der Kläger hat unstreitig dafür Sorge getragen, dass der Fahrzeugschlüssel in der Mittagspause nicht im Wohnmobil verbleibt und hierzu seiner Ehefrau zugerufen, diesen Schlüssel mit ins Haus zu bringen. Lediglich aufgrund eines Missverständnisses ist jene dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Hierzu hat das Landgericht überzeugend ausgeführt, dass ein solches Missverständnis letztlich jedem passieren kann. Eine subjektiv unentschuldbare Pflichtwidrigkeit vermag auch der Senat darin nicht zu erblicken. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger Anzeichen für das Missverständnis bei Verlassen der Einfahrt hätte bemerken müssen.

1.2.

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf einen möglicherweise erfolgten Diktionsfehler des Klägers dahingehend, dass er seine Ehefrau lediglich zum Mitbringen des Schlüssels und nicht ausdrücklich zum Abschließen des Wohnmobils aufgefordert hat. Dies stellt jedenfalls in subjektiver Hinsicht kein unentschuldbares Fehlverhalten dar, zumal in der Aufforderung der Schlüsselmitnahme gemeinhin auch die Aufforderung zum Abschließen liegt. Andernfalls hätte es eines Zurücklassens des Fahrzeugschlüssels für die Ehefrau nicht bedurft. Schließlich hätte sich ein etwaiger Diktionsfehler nicht kausal ausgewirkt, weil die Ehefrau des Klägers dessen Zuruf ohnehin nicht richtig verstanden hatte; ohne dass dies dem Kläger subjektiv als schlechthin unentschuldbar vorgeworfen werden könnte.

1.3.

Auch die Umstände, dass der Kläger weder das Abschließen des Wohnmobils noch das Mitbringen des Fahrzeugschlüssels durch seine Ehefrau kontrolliert hat, sind nicht als grob fahrlässig zu bewerten. Die Ansicht der Beklagten, dass das Landgericht hier ohne entsprechenden klägerischen Vortrag und Beweisaufnahme gemutmaßt bzw. „frei erfunden“ habe, dass der Kläger seiner Ehefrau ohne Kontrolle habe vertrauen dürfen, verkennt ihre Darlegungs- und Beweislast für die Herbeiführung des Versicherungsfalls und insbesondere auch für das Verschulden des Versicherungsnehmers einschließlich der subjektiven Seite der groben Fahrlässigkeit (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 81 Rn. 67a). Insoweit oblag es der Beklagten, Anhaltspunkte dafür vorzutragen, weshalb das gerade unter Ehegatten übliche Vertrauen vorliegend nicht angezeigt war. Solche Anhaltspunkte sind indes weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dabei versteht der Senat die Berufungsbegründung der Beklagten dahingehend, dass die Beklagte insoweit ausschließlich rügt, dass das Landgericht von einem berechtigten Vertrauen des Klägers in seine Ehefrau mangels konkreten klägerischen Vortrags und Beweisantritts nicht habe ausgehen dürfen, und nicht etwa dahingehend, dass die Beklagte nunmehr selbst (erstmals) Beweis durch Vernehmung der Zeugin A, mithin der Ehefrau des Klägers, zu diesem Umstand anbietet. Ein solcher erstmals in der Berufungsinstanz erfolgter Beweisantritt wäre ohnehin nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

1.4.

Was das dauerhafte, unstreitig versteckte Aufbewahren des Zweitschlüssel sowie des Fahrzeugscheins im Fahrzeug angeht, kann dahinstehen, ob darin überhaupt ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers gesehen werden kann, denn jedenfalls hat die Beklagte – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – den ihr obliegenden Kausalitätsnachweis (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2014 – 12 U 44/14 -, juris Rn. 29 und 32) nicht erbracht. Dabei mag es zwar sein, dass das Liegenlassen des Fahrzeugscheins es dem Dieb erleichtert, das Fahrzeug bei geringerem Entdeckungsrisiko zu behalten, über die Grenze zu verbringen und / oder gegebenenfalls zu veräußern. Nach § 81 Abs. 2 VVG (und auch Ziff. 2.16.1 AKB 2018) ist aber entscheidend, ob der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, also erst ermöglicht oder veranlasst hat. Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Täter vor seinem Diebstahlsentschluss nicht gesehen hat, dass sich die Fahrzeugpapiere bzw. der Zweitschlüssel im Fahrzeug befinden. Dann fehlt es an der für eine Leistungskürzung erforderlichen Kausalität (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.1996 – IV ZR 383/94 -, juris Rn. 15; Urteil vom 17.05.1995 – IV ZR 279/94 -, juris Rn. 13). Vorliegend spricht nichts dafür, dass die im Fahrzeug versteckten Fahrzeugpapiere und / oder der Zweitschlüssel für den Tatentschluss oder auch nur die Begehung der Tat eine Rolle gespielt hätten. Weder hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hierfür Tatsachen vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass insbesondere angesichts der im Fahrzeug enthaltenen Wegfahrsperre und der „Kürze der hier zu betrachtenden Zeit“ eine weitüberwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass zumindest einer der beiden Schlüssel durch den Dieb / die Diebe benutzt worden sei, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Um zu einer Leistungskürzung berechtigt zu sein, müsste die hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 VVG, Ziff. 2.16.1 AKB 2018 beweisbelastete Beklagte einen solchen Geschehensablauf zur Überzeugung des Gerichts nach § 286 ZPO darlegen und beweisen. Wenn sich – wie hier – weitere Feststellungen zum Entwendungshergang nicht treffen lassen, der Vorgang vielmehr im Vagen bleibt, geht dies zu Lasten der Beklagten, die hinsichtlich des Kausalzusammenhangs den Vollbeweis zu erbringen hat. Ihre diesbezügliche Beweislast kann weder umgekehrt noch eingeschränkt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2005 – IV ZR 62/04 -, juris Rn. 3; OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2014 – 12 U 44/14 -, juris Rn. 33; OLG Koblenz, Urteil vom 13.03.2009 – 10 U 1038/08 -, juris Rn. 28). Dabei kommt vorliegend hinzu, dass es weitaus näher liegt, dass – wenn ein Fahrzeugschlüssel beim Entwenden des Wohnmobils zum Einsatz gekommen sein sollte – dies der in der Ablage befindliche und lediglich mit einem Handtuch abgedeckte Fahrzeugschlüssel und gerade nicht der in einer Schüssel mit Waschmittel im Toilettenfach, mithin weitaus besser versteckte Zweitschlüssel gewesen wäre. Das Zurücklassen des Fahrzeugschlüssels in der Ablage ist dem Kläger aber – wie oben ausgeführt – nicht als grob fahrlässig anzulasten.

1.5.

Dahinstehen kann, ob der Ehefrau des Klägers ein grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann, etwa weil sie das Wohnmobil bewusst unverschlossen zurückgelassen hat. Denn ein solches wäre dem Kläger jedenfalls nicht nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zuzurechnen. Weder im Rahmen des § 28 VVG noch im Rahmen des § 81 VVG (und vergleichbarer vertraglicher Regelungen, hier Ziff. 2.16.1 AKB 2018) hat der Versicherungsnehmer für das Verschulden Dritter nach § 278 BGB einzustehen (vgl. BGH, Urteil vom 20.05.2009 – XII ZR 94/07 -, juris Rn. 14; Urteil vom 14.05.2003 – IV ZR 166/02 -, juris Rn. 13; Urteil vom 25.11.1953 – II ZR 7/53 -, juris Rn. 4; Looschelders in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, 1. Teil. Das Privatversicherungsrecht 4. Abschnitt. Rechtsstellung des Versicherungsnehmers § 17. Haftung des Versicherungsnehmers für Dritte Rn. 23 – 25). Aus Billigkeitsgründen steht es dem Versicherungsnehmer aber nicht frei, die Lage des Versicherers dadurch wesentlich zu verschlechtern, dass er die versicherten Sachen aus der Hand gibt und sich der Obhut über sie mit der Folge entäußert, dass der Versicherer für den Schaden eintreten muss, der durch das Verhalten des Sachwalters des Versicherten – seines Repräsentanten – entsteht. Das Verhalten des Repräsentanten muss sich der Versicherungsnehmer deshalb zurechnen lassen. Dabei wird zwischen zwei Fallgruppen unterschieden: der Übertragung der Risikoverwaltung und der Übertragung der Vertragsverwaltung. Die Risikoverwaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Versicherungsnehmer einen Dritten in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder vertretungsähnlichen Verhältnisses an seine Stelle treten lässt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2003 – IV ZR 166/02 -, juris Rn. 14; HK-VVG/Felsch, 4. Aufl. 2020, VVG § 28 Rn. 114 sowie HK-VVG/Karczewski, 4. Aufl. 2020, VVG § 81 Rn. 67). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen. Ebenso wenig begründet allein die Ehe oder eine Lebensgemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer die Repräsentantenstellung (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.1990 – IV ZR 158/89 -, juris Rn. 16; vgl. ausdrücklich für den Bereich der Kaskoversicherung: HK-VVG/Karczewski, 4. Aufl. 2020, VVG § 81 Rn. 70). Eine solche „Ersetzung“ des Versicherungsnehmers kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Dritte für eine gewisse Dauer die alleinige Obhut über die versicherte Sache ausübt. Hinzu treten muss die Befugnis des Dritten zu selbständigem – nicht unbedingt rechtsgeschäftlichem – Handeln (vgl. Langheid/Wandt/Looschelders, 3. Aufl. 2022, VVG § 81 Rn. 121 – 123). Welche konkreten Befugnisse das sein müssen, ist im Einzelfall zu entscheiden und von der Art des versicherten Risikos einerseits und der versicherten Sache andererseits abhängig (vgl. Lehmann, Zurechnung im Versicherungsrecht – Die Rechtsfigur des Repräsentanten, r+s 2019, 361 B. III. 1.). Im Bereich der Kaskoversicherung kommt es für die Bestimmung der Repräsentanteneigenschaft durch Übernahme der Risikoverwaltung nicht darauf an, wer die finanziellen Lasten des Fahrzeugs, wie Steuer, Versicherung, Betriebskosten, Reparaturen und Anschaffungskosten trägt. Die finanzielle Betreuung des Fahrzeugs hat mit der Risikoverwaltung nichts zu tun. Vielmehr kommt es darauf an, wer für die tatsächliche Betreuung des Fahrzeugs eigenverantwortlich zu sorgen hat (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11.08.2004 – 7 U 156/03 -, juris Rn. 3; OLG Hamm, Urteil vom 21.09.1994 – 20 U 124/94 -, juris Rn. 8, wonach eine gleichberechtigte gemeinsame Risikoverwaltung nicht zur Begründung einer Repräsentantenstellung ausreicht). Entscheidend ist also, dass der Dritte bei Würdigung der Gesamtumstände selbstständig und in nicht ganz unbedeutendem Umfang befugt ist, für den Versicherungsnehmer zu handeln, also nicht nur für längere Zeit die Obhut über die versicherte Sache ausübt, sondern daneben nach der mit dem Versicherungsnehmer getroffenen Abrede in Bezug auf die versicherte Sache auch wesentliche Aufgaben und Befugnisse aus dessen Pflichtenkreis wahrnehmen und selbstständig ausüben soll (vgl. vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2003 – IV ZR 166/02 -, juris Rn. 15, 19; Urteil vom 10.07.1996 – IV ZR 287/95 -, juris Rn. 12). Es braucht allerdings nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (Vertragsverwaltung; BGH, Urteil vom 21.04.1993 – IV ZR 34/92 -, juris Rn. 26; HK-VVG/Felsch, 4. Aufl. 2020, VVG § 28 Rn. 119, 120; Langheid/Wandt/Looschelders, 3. Aufl. 2022, VVG § 81 Rn. 124).

1.5.1.

Vorliegend bestehen indes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehefrau des Klägers die Risikoverwaltung für das Wohnmobil übertragen war. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12.10.2020 umfassend zu den tatsächlichen Umständen in Bezug auf die Nutzung, Verantwortlichkeit und Verfügungsbefugnis für das Wohnmobil vorgetragen. Insbesondere sei das Wohnmobil danach zu 90% von dem Kläger gefahren worden. Auch sei der Kläger derjenige gewesen, der das Fahrzeug in den erforderlichen Intervallen in die Werkstatt gebracht habe. Die Verfügungsbefugnis und Verantwortlichkeit für das Wohnmobil habe ausschließlich dem Kläger oblegen. Die Beklagte hat dem keinen eigenen Vortrag entgegengesetzt und keinen Beweis angetreten.

1.5.2.

Danach spricht auch nichts dafür, dass der Ehefrau des Klägers die eigenverantwortliche Verwaltung des Versicherungsvertrags übertragen war. Überdies lässt sich eine Haftung im Rahmen des § 81 VVG ohnehin nur damit rechtfertigen, dass der Dritte bei der Verwaltung des versicherten Risikos an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Soweit es um die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch einen Dritten geht, fehlt es nämlich an dem erforderlichen Zusammenhang mit der Vertragsverwaltung (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2007 – IV ZR 102/03 -, juris Rn. 9; Langheid/Wandt/Looschelders, 3. Aufl. 2022, VVG § 81 Rn. 124; BeckOK VVG/Klimke, 17. Ed. 1.11.2022, VVG § 81 Rn. 60).

1.5.3.

Der Kläger muss sich ein etwaiges Fehlverhalten seiner Ehefrau auch nicht etwa deshalb entgegenhalten lassen, weil diese als (Mit-)Versicherungsnehmerin anzusehen wäre.

Unstreitig haben die Parteien ausdrückliche Willenserklärungen mit dem Inhalt, dass die Ehefrau des Klägers (Mit-)Versicherungsnehmerin werden sollte, nicht abgegeben (vgl. den als Anlage K1 vorgelegten Versicherungsschein vom 18.12.2018, Bl. 61 / 101 d.LG.-A., der allein den Kläger als Versicherungsnehmer ausweist).

Eine Gesamtwirkung des Versicherungsvertrags für und gegen die Ehefrau des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 1357 Abs. 1 BGB. Ungeachtet dessen, ob § 1357 Abs.1 BGB überhaupt auf den Abschluss von Versicherungsverträgen Anwendung finden kann (für eine Vollkaskoversicherung: BGH, Urteil vom 28.02.2018 – XII ZR 94/17 -, juris Rn. 16 ff.; siehe dazu aber etwa auch Rixecker zu BGH, Urteil vom 28.02.2018 – XII ZR 94/17, ZfSch 2018, 512; Gundlach, Versicherungsverträge zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs i.S.d. § 1357 BGB?, VersR 2018, 1109: Lehmann, Zurechnung im Versicherungsrecht – Die Rechtsfigur des Repräsentanten, r+s 2019, 361 B. IV. 4.), handelt es sich vorliegend bei dem Abschluss des Kfz-Versicherungsvertrages für das Wohnmobil jedenfalls nicht um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs der Ehegatten. Denn die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.02.2018 (Az.: XII ZR 94/17 -, juris) ist bereits von den zugrundeliegenden Tatsachen her auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. So hat der Bundesgerichtshof seine Ansicht, dass der Abschluss wie auch die Kündigung eines Vollkaskoversicherungsvertrags ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von § 1357 Abs. 1 BGB sein könne, maßgeblich damit begründet, dass es sich in dem der dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Fall bei dem versicherten Pkw um das einzige Fahrzeug einer fünfköpfigen Familie gehandelt habe, der Abschluss der Vollkaskoversicherung mithin den Erhalt eines Fahrzeugs für die Familie habe sichern sollen, weshalb damit auch der Bedarf der Familie, immer ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben, im Sinne von § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB gedeckt werde. Der Senat kann nicht feststellen, dass es sich vorliegend um eine vergleichbare Konstellation handelt. Vielmehr hat er davon auszugehen, dass die Beteiligung der Ehefrau des Klägers lediglich darin bestand, das Wohnmobil zu Urlaubs- und Freizeitzwecken – wie es sich etwa aus der schriftlichen Stellungnahme des Klägers und seiner Ehefrau vom 04.09.2019 (Anlage K6, Bl. 148 / 232 d.LG.-A.) ergibt – mit zu nutzen. Etwas anderes ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

1.6.

Schließlich kann auch nicht bei einer Gesamtwürdigung der Umstände – unbeaufsichtigtes Stehenlassen des unverschlossenen Wohnmobils bei von außen nicht sichtbarem Zurücklassen beider Fahrzeugschlüssel und des Fahrzeugscheins im Fahrzeuginneren – eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers angenommen werden, weil schon mangels Ursächlichkeit das Verstecken des Zweitschlüssels (wie auch des Fahrzeugscheins) bzw. mangels Zurechenbarkeit das Nichtverschließen des Wohnmobils unberücksichtigt bleiben müssen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 13.03.2009 – 10 U 1038/08 -, juris Rn. 30).

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BGB, nachdem die Beklagte ihre weitere Einstandspflicht mit Schreiben vom 10.02.2020 endgültig abgelehnt hat.

3.

Die Berufung der Beklagten bietet danach keine Aussicht auf Erfolg.

Die Beklagte wird deshalb gebeten, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob das Rechtsmittel der Berufung zurückgenommen wird, oder ob es eines förmlichen Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO bedarf.

Es wird abschließend darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 1222 KV GKG von vier auf zwei Gebühren reduziert.

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