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Arbeitsunfähigkeitsversicherung zur Restschuldversicherung im Rahmen eines Finanzierungskaufs

LG Augsburg – Az.: 2 O 4040/09 – Urteil vom 26.01.2011

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Ansprüche aus einer Restschuld – Arbeitsunfähigkeitsversicherung geltend, die er im Zusammenhang mit einem finanzierten Autokauf abgeschlossen hat.

Der Kläger kaufte am 13.10.2006 beim Autohaus L. in D. einen Opel Zafira zum Preis von € 19.400,00. Zur Finanzierung unterzeichnete er am selben Tag einen „Darlehensvertrag“der S. Bank über einen Gesamtdarlehensbetrag von € 22.157,64, der in einer Monatsrate von € 245,00 und 83 Monatsraten á € 264,00 zurückgeführt werden sollte. Das Vertragsformular enthält in Ziffer IX einen an die Beklagte gerichteten Antrag auf Restschuldversicherung, wonach die Versicherung „bei Arbeitsunfähigkeit“ die vereinbarten Darlehensraten „gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen“ bezahlt. Nach dem vom Beklagten im Original unterzeichneten Vertragsformular (Kopie = Anlage K 1) bestätigte er, u.a. „das Merkblatt zur RSV mit vorangestellter Verbraucherinformation, allgemeine Versicherungsbedingungen …erhalten zu haben“. Die Zahlung der Versicherungsprämie erfolgte nach Maßgabe des Darlehensvertrages durch die S. Bank mit Auszahlung des Darlehens am 23.10.2006.

In den von der Beklagten vorgelegten „Allgemeinen Bedingungen für die Restschuld – Arbeitsunfähigkeitsversicherung“ (AVB) ist unter § 5 IV folgende Regelung enthalten:

„Der Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente erlischt, wenn … c) die versicherte Person unbefristet berufs- oder erwerbsunfähig wird“.

Der Kläger erlitt am 24.11.2007 einen Herzinfarkt. Er wurde ab diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank geschrieben (Anlage B 2). Die Beklagte zahlte die Darlehensraten bis einschließlich Oktober 2008. An November 2008 erbrachte die Beklagte gem. Schreiben vom 28.10.08 keine Versicherungsleistungen mehr, da nach einem von ihr eingeholten Gutachten eine dauerhafte Berufsunfähigkeit vorläge (Anlagen K 3, K 4).

Der Kläger behauptet , er habe die AVB der Beklagten bei Vertragsschluss nicht erhalten, sie seien ihm erst im Oktober 2008 zur Verfügung gestellt worden. Er vertritt die Auffassung, die AVB seien nicht in den Vertrag einbezogen worden. § 5 IV c AVB sei zudem als überraschende Klausel unwirksam. Der Kläger behauptet, seine Erkrankung habe zu vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch zu dauernder Berufsunfähigkeit geführt.

Der Kläger beantragt zuletzt,

(1) die Beklagte zu verurteilen, an die S. Bank AG, (…) 7.128 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, auf das Darlehenskonto des Klägers Finanzierungsnummer (..), zu bezahlen.

(2) Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger gegenüber der S. Bank, Finanzierungsnummer (..) ab 1. Februar 2011 von den monatlichen Darlehensraten in Höhe von 264 € freizustellen, solange Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Die Beklagte beantragt , die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf einen Leistungsausschluss nach § 5 IV c AVB.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle vom 10.02.2010 (Bl. 54 – 59 d.A.) und vom 12.01.2011 (Bl. 136 – 138 d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischen Fachgutachtens der Ärzte Dr. R. und Prof. Dr. L. vom 26.07.2010 (Bl. 104 – 126 d.A.) mit neuropsychologischem Zusatzgutachten des Sachverständigen Dr. U. vom 17.09.2010 (Bl. 88 – 103 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen, da er seit dem streitgegenständlichen Zeitraum berufsunfähig ist und für diesen Fall eine Leistungspflicht der Beklagten nach §5 IV c AVB wirksam ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die AVB in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen und wirksam.

1. Einbeziehung der AVB

a) Der Kläger hat durch Unterzeichnung des Vertrags formularmäßig bestätigt, auch die Versicherungsbedingungen erhalten zu haben. Dies begründet die Vermutung für den Erhalt der AVB, die der Kläger nicht zu widerlegen vermochte.

Das als Anlage K 1 vorgelegte Vertragsexemplar weist zwar keine Unterschriften auf. Der Kläger hat aber in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.10 auf Vorhalt des Formulars ausdrücklich eingeräumt, das Original wie vorgesehenen unterzeichnet zu haben.

b) Der Vertrag gilt im Übrigen nach § 5 a I, II VVG a.F. auf der Grundlage der Versicherungsbedingungen als abgeschlossen, da der Kläger dem innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie nicht widersprochen hat.

2. Auslegung der Klausel

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss; maßgeblich sind mithin die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse (BGHZ 159, 360).

Ein Versicherungsnehmer wird die Klausel nach allgemeinem Sprachgebrauch so verstehen, dass der Anspruch auf die Arbeitsunfähigkeitsrente erlischt, wenn er auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage ist, die bisherige Berufstätigkeit oder eine vergleichbare auszuüben. Ohne Probleme, weil ausdrücklich erwähnt, ist erkennbar, dass die Unfähigkeit zur Erwerbstätigkeit oder Berufsausübung unbefristet bestehen muss, damit der Anspruch erlischt. Der Versicherungsnehmer kann in Zusammenschau der Regelungen in § 1 II (Definition der Arbeitsunfähigkeit) und § 5 IV c erkennen, dass die nur vorübergehende Unfähigkeit zur Berufsausübung unter den Versicherungsschutz fällt, die dauerhafte Unfähigkeit dagegen nicht.

3. Wirksamkeit der Klausel

a) Die Klausel ist nicht als überraschend i.S.d. § 305 c I BGB zu werten. Hierfür ist entscheidend, ob zwischen den Erwartungen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und dem Inhalt einer Klausel eine deutliche Diskrepanz besteht, mit welcher der Versicherungsnehmer nicht zu rechnen braucht. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden von allgemeinen Umständen (wie z.B. dem Grad der Abweichung vom dispositiven Recht) und den besonderen Umständen, unter denen der Vertrag geschlossen wurde, bestimmt (BGH NJW 1992, 1234). Bei dem weitgesteckten Leistungsrahmen einer Restschuldversicherung muss der verständige Versicherungsnehmer grundsätzlich davon ausgehen, dass die versprochene Leistung der Versicherung näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen in bestimmten, definierten Fällen einschließt.

Die gegenständlichen Versicherungsbedingungen sind insofern nicht von guter Transparenz, als die Arbeitsunfähigkeit beim Gegenstand der Versicherung in § 1 AVB nicht als eine „vorübergehende“ Unfähigkeit zur Ausübung der Tätigkeit beschrieben wird. In der Gesamtschau mit dem in § 5 umschriebenen „Umfang des Versicherungsschutzes; Karenzzeit“ erschließt sich dem verständigen Versicherungsnehmer aber dennoch, dass die „unbefristete“ Unfähigkeit zur Ausübung der Tätigkeit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein soll (vgl. OLG Dresden, AZ: 4 U 1043/09).

b) Die Klausel beinhaltet auch keine unangemessene Benachteiligung i.S. von § 307 I, II BGB. Insbesondere bedeutet die vorgenommene Leistungsbegrenzung noch keine Gefährdung des Vertragszwecks. Denn der Versicherungsnehmer erhält bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, die in den weitaus meisten Fällen gegeben ist, den gewünschten Versicherungsschutz. In den Fällen dauerhafter Berufsunfähigkeit sind andere Sicherungssysteme einschlägig (vgl. OLG Dresden a.a.O).

4. Nach dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten kann der Kläger aufgrund der krankheitsbedingten kognitiven Einschränkungen seine letzte Berufstätigkeit oder eine vergleichbare nicht mehr ausüben. Der Kläger kann nur noch leichtere Tätigkeiten ohne besondere geistige Anforderungen höchstens vier Stunden am Tag durchführen (Seite 22 des neurologischen Fachgutachtens; Bl. 125 d.A.). Dieses Ergebnis wird in dem Gutachten überzeugend und nachvollziehbar begründet. Substantiierte Einwendungen wurden dagegen nicht erhoben. In dem Zusatzgutachten wird zudem dargelegt, dass von einem Dauerschaden auszugehen ist (Bl. 102 d.A.).

Im Ergebnis kann der Kläger jedenfalls seit November 2008 seine bisherige Berufstätigkeit oder eine solche, auf die er verwiesen werden könnte, auf Dauer nicht mehr ausüben. Der Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente ist daher erloschen.

Die Klageanträge sind insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO

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