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Vollkaskoversicherung – Streit über Schadenshöhe  -Sachverständigenverfahren

AG Essen – Az.: 137 C 175/18 – Urteil vom 07.02.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger hat den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … bei der Beklagten kaskoversichert. Dieser Versicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015) zugrunde, wo es unter A.2.6 wie folgt heißt:

„Meinungsverschiedenheiten über die Schadenshöhe (Sachverständigenverfahren) A.2.6.1

Bei Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten muss vor Klageerhebung ein Sachverständigenausschuss entscheiden.

A.2.6.2

Für den Ausschuss benennen Sie und wir je einen Kraftfahrzeugsachverständigen. Wenn Sie oder wir innerhalb von 2 Wochen nach Aufforderung keinen Sachverständigen benennen, wird dieser von dem jeweils Anderen bestimmt.

A.2.6.3

Soweit sich der Ausschuss nicht einigt, entscheidet ein weiterer Kraftfahrzeugsachverständiger als Obmann. Er soll vor Beginn des Verfahrens von dem Ausschuss gewählt werden. Einigt sich der Ausschuss nicht über die Person des Obmanns, wird er über das zuständige Amtsgericht benannt. Die Entscheidung des Obmanns muss zwischen den jeweils von den beiden Sachverständigen geschätzten Beträgen liegen.

A.2.6.4

Die Kosten des Sachverständigenverfahrens sind im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen von uns bzw. von Ihnen zu tragen.“

Vollkaskoversicherung - Streit über Schadenshöhe  -Sachverständigenverfahren
(Symbolfoto: Von PaeGAG/Shutterstock.com)

Am 16.02.2017, bzw. in der darauffolgenden Nacht, wurde in das Fahrzeug des Klägers eingebrochen. Der Kläger meldete diesen Schaden bei der Beklagten an. Diese regulierte zunächst einen Betrag von 674,18 € und im Weiteren einen Betrag in Höhe von 1.899,42 €. Die Beklagte berücksichtigte hierbei einen vertraglichen Selbstbehalt von 150 €. Zur Ermittlung des Gesamtschadens hatte die Beklagte einen Prüfbericht eingeholt, der von einer Gesamtschadenssumme von 2.723,60 € ausging. Der Kläger seinerseits hatte zuvor ein Gutachten des Ingenieur- und Sachverständigenbüros … eingeholt, welches auf einen Reparaturkostennettobetrag in Höhe von 4.714,45 € kam.

Der Kläger ist der Meinung, er könne von der Beklagten noch 3.890,27 €, abzüglich weiterer gezahlter 1.899,42 € zur Schadensregulierung verlangen. Der Kläger behauptet, die in dem Gutachten … angesetzten Kosten seien bei der Regulierung zu berücksichtigen.

Der Kläger meint, ein Berufen auf das Sachverständigenverfahren, welches unter den Allgemeinen Geschäftsbedingungen A.2.6 geregelt ist, sei rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen verstoße diese Allgemeine Geschäftsbedingung gegen § 309 Nummer 14 BGB.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.890,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Leitsatz seit dem 27.06.2017, abzüglich geleisteter Zahlung in Höhe von 1.899,42 € zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 413,64 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Antrag zu 1. sei bereits deshalb abzuweisen, da die Parteien das unter A.2.6 der AKB 2015 vorgeschriebenen Sachverständigenverfahren nicht durchgeführt haben. Daher seien eventuelle Ansprüche aus dem Schadensfall zurzeit nicht fällig. Diese Regelung sei als Allgemeine Geschäftsbedingung auch wirksam. Das Sachverständigenverfahren sei vorrangig durchzuführen. Die Beklagte trägt weiterhin hilfsweise vor, dass mit der weiteren Zahlung in Höhe von 1.899,42 € der Schadensfall reguliert sei. Die im Sachverständigengutachten des Sachverständigenbüros … angesetzten Mehrkosten seien nicht anzusetzen. Das beziehe sich auf die dort angesetzten Stundenverrechnungssätze, auf die Instandsetzungsarbeiten an der Frontklappe, die nicht mit dem Schadensfall zusammenhängen, auf die Entsorgungskosten und die Kostenposition für die Xenonlampe, die Bl Xenonscheinwerfer, das Steuergerät Xenonlicht, sowie das Steuergerät für das Kurvenlicht, welche auf den tatsächlichen Wiederbeschaffungswert zu korrigieren seien.

Bezüglich des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2019 die Klage in Höhe von 1.899,42 € übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch überwiegend zu Zeit unbegründet.

I.

Der Anspruch in Höhe von 1.990,85 € (Differenz der geltend gemachten 3.890,27 €, abzüglich der bereits gezahlten 1.899,42 €) ist noch nicht fällig, da die Parteien das unter Punkt A.2.6 der in den Kaskovertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Sachverständigenverfahren unstreitig nicht durchgeführt haben. Die Klage war deshalb als zurzeit unbegründet abzuweisen. Ist nämlich ein Sachverständigenverfahren vereinbart, so wird vor dessen Abschluss der Entschädigungsanspruch nicht fällig (vergleiche Prölss/Martin, § 84 VVG, Randnummer 5, 32, 33, 350 AKB, A.2.6, Seite 2040, Randnummer 78, LG Duisburg, Beschluss vom 05.10.2016, Az. 11 S 57/16, Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 13.01.2009, Az. 14 U 176/08). Die Klägerin hat auch die Einrede des Sachverständigenverfahrens erhoben und diese Einrede ist beachtlich. Die Regelungen unter A.2.6 der AKB 2015, die unstreitig in das bestehende Vertragsverhältnis zwischen den Parteien einbezogen waren, verstoßen auch nicht gegen § 309 Nummer 14 BGB. Dieses Sachverständigenverfahren ist in § 84 VVG ausdrücklich vorgesehen, was dazu führt, dass die Regelung des § 309 Nummer 14 BGB nur dahingehend verstanden werden kann, dass das dort genannte Verfahren hiervon nicht umfasst ist, da das Sachverständigenverfahren nach § 84 VVG üblicherweise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt wird. § 309 Nummer 14 BGB bezieht sich auf Verfahren, die die gütliche Einigung in außergerichtlichen Streitbeilegungen zum Gegenstand haben. Hiermit sind Schlichtungs- und Mediationsverfahren gemeint und nicht das Sachverständigenverfahren nach § 84 VVG (vergleiche LG Düsseldorf, Urteil vom 24.07.2018, Az. 9 O 372/17, Prölss/Martin, § 84 VVG, Randnummer 5).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Berufen auf das nicht durchgeführte Sachverständigenverfahren seitens der Beklagten auch nicht rechtsmissbräuchlich. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer lediglich Bagatellbeträge von unter 100 € geltend macht (vergleiche bejahend LG Kempten, Urteil vom 25.03.2015, Az. 52 S 1550/14, andere Ansicht Prölss/Martin, § 84 VVG, Randnummer 34) da der Kläger auch nach der weiteren Zahlung der Beklagten noch fast 2000 € geltend macht.

Der Klageantrag zu 1. war daher mangels Fälligkeit als zurzeit unbegründet abzuweisen.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 €, da bereits der Hauptanspruch nicht fällig war. Insoweit wird auf die Ausführung zu I. Bezug genommen.

Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 1.899,42 € übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hatte das Gericht über die Kosten, die auf diesen Teil der Hauptforderung entfallen, gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diese Ermessensentscheidung ergab, dass die Kosten, die auf den für erledigt erklärten Teil der Klage entfallen, ebenfalls dem Kläger aufzuerlegen waren. Denn auch diesbezüglich war der Anspruch mangels Durchführung des unter A.2.6 festgelegten Sachverständigenverfahrens nicht fällig. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I. Bezug genommen werden.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 21.01.2019 des Klägervertreters bot keinen Anlass, die mündlich Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).

Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird bis zum 17.01.2019 auf 3.890,27 € festgelegt und danach auf 1.990,85 €.

 

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