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Teilkaskoversicherung –  Hineinfahren in Überschwemmung im Bereich einer Unterführung

Interpretation des Teilkaskofalles: Überschwemmung als unerwartetes Unglück

Im vorliegenden Fall (KG Berlin – Az.: 6 U 58/19 – Beschluss vom 28.08.2020) konfrontiert uns das Versicherungsrecht mit einer Situation, in der ein Fahrzeug in einer überschwemmten Unterführung stecken bleibt. Der entscheidende rechtliche Konfliktpunkt liegt in der Frage, ob die Teilkaskoversicherung des Fahrzeugs die Kosten für den entstandenen Schaden übernehmen muss, da der Fahrer nicht absichtlich in eine bekannte Gefahrenstelle gefahren ist.

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Ein Fall von Fahrlässigkeit?

Im Kern der Auseinandersetzung steht das Argument der Versicherungsgesellschaft, die sich auf grobe Fahrlässigkeit des Fahrers beruft. Sie argumentiert, der Kläger sei wissentlich in die überschwemmte Unterführung gefahren, was das Gericht jedoch anders sah. Es ging davon aus, dass der Wasserspiegel im Bereich der Unterführung nach dem verkehrsbedingten Anhalten des Klägers weiter angestiegen ist und in das Fahrzeug eingedrungen ist. Dies lässt darauf schließen, dass der Kläger nicht bewusst eine Gefahrenstelle aufsuchte.

Überschwemmung als mechanisches Unglück

Im weiteren Verlauf der Urteilsfindung wird festgestellt, dass das Eindringen von Wasser in das Fahrzeug, insbesondere durch das Ansaugen des Motors – ein sogenannter „Motorschlag“ -, als Unfall zu betrachten ist. Der „Anprall“ des Fahrzeugs auf eine Wasserfläche wird als unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis interpretiert und daher mit dem Aufprall gegen einen festen Gegenstand gleichgesetzt.

Kontextualisierung des Falles

In der abschließenden Analyse des Falles wird betont, dass das Urteil des Obersten Gerichtshofes in Wien, welches einen ähnlichen, aber nicht identischen Sachverhalt betrifft, hier nicht anwendbar ist. In dem Wiener Fall führte das Durchfahren eines überschwemmten Fahrbahnbereichs dazu, dass das Wasser durch die Reifen hochgespritzt und vom Motor angesogen wurde. Die unterschiedlichen Bedingungen machen eine direkte Übertragung der Urteilsfindung auf den vorliegenden Fall unzulässig.

Schlussfolgerung des Gerichts

Zusammenfassend bestätigt das Gericht das ursprüngliche Urteil, wonach der Fahrer nicht fahrlässig gehandelt hat und die Versicherungsgesellschaft verpflichtet ist, den durch die Überschwemmung entstandenen Schaden zu decken. Darüber hinaus wird die Berufung der Versicherung als unbegründet verworfen, da die vorgebrachten Argumente keine Zweifel an der Richtigkeit der ursprünglichen Tatsachenfeststellung aufwerfen.


Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 6 U 58/19 – Beschluss vom 28.08.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin vom 30. April 2019 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen gegeben. Aus Kostengründen sollte eine Berufungsrücknahme in Erwägung gezogen werden.

Gründe

Teilkaskoversicherung -  Hineinfahren in Überschwemmung im Bereich einer Unterführung
Unvorhergesehene Überschwemmung trifft Autofahrer: Gericht bestätigt, Teilkaskoversicherung muss zahlen. Fahrlässigkeit verneint. (Symbolfoto: mykhailo pavlenko /Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Berufung kann gemäß § 513 ZPO nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellung durch das Landgericht wecken. Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen der Klage stattgegeben. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine der Beklagten günstige Entscheidung nicht.

1) Die Parteien werden auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 28. Oktober 2019 ( 9 U 4/18 – VersR 2020, 616 ff – zitiert nach juris) hingewiesen. Der Senat vertritt keine abweichende Auffassung. Der Sachverhalt ist nach Auffassung des Senats vergleichbar. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. April 2006 (IV ZR 154/05 – VersR 2006, 966 – zitiert nach juris, Rn. 13) die Auffassung vertreten, dass zwischen die durch das Naturereignis bedingte Einwirkung und deren Erfolg, also die Beschädigung oder Zerstörung des Fahrzeuges, keine weitere Ursache treten darf. Diese Voraussetzung ist auch gegeben, wenn der Kläger in den Bereich einer Überschwemmung hinein gefahren sein sollte. Denn auch in diesem Fall ist die letzte und einzige Schadensursache die Einwirkung des nicht ablaufenden Wassers in der Unterführung auf das Fahrzeug des Klägers.

Auch das Verneinen grober Fahrlässigkeit durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte trägt selbst vor, dass andere Fahrzeuge die S-Bahnbrücke trotz der Überschwemmung durchquerten (Bl. 12 d. A.). Auch der Kläger ist nicht nachweisbar sehenden Auges in eine Gefahrenstelle hineingefahren. Der Senat geht dabei von dem Sachverhalt aus, den die Beklagte unstreitig gestellt hat, ohne dass die Feststellung des Landgerichts damit in Zweifel gestellt wäre, wonach das Wasser gemäß den Angaben des Klägers noch nach dem verkehrsbedingten Anhalten im Bereich der Unterführung weiter angestiegen und in sein Fahrzeug eingedrungen ist.

Im Übrigen kann sich die Beklagte gemäß A.2.9.1 AKB auf grobe Fahrlässigkeit nur in den dort ausdrücklich geregelten Fällen berufen.

2) Der Senat würde auch bei einem Hineinfahren in eine Wasseransammlung, was in der Folge zu einem sogenannten „Motorschlag“ führt, weil der Motor Wasser ansaugt, einen Unfall bejahen; denn der Anprall auf eine Wasserfläche mit einem Fahrzeug ist nicht anders zu würdigen als der Anprall gegen einen festen Gegenstand. In beiden Fällen liegt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis vor.

3) Zeitlich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind auch keine von der hiesigen Rechtsauffassung abweichende Entscheidungen ergangen. Das Urteil des Obersten Gerichtshof Wien (VersR 2016, 279) betraf einen anderen Sachverhalt. Dort ist es beim Durchfahren eines überschwemmten Fahrbahnbereichs durch die Reifen zum Hochspritzen von Wasser gekommen, das vom Motor angesaugt wurde. Die Sache hat deswegen weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil unter Zulassung der Revision. Zur Rechtsfortbildung eignet sich der Streitstoff nicht.

 

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