Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Aktuelles Urteil: Klärung von Leistungsansprüchen in der Betriebsausfallversicherung
- Der Fall vor Gericht
- Brandschaden an Schotterplaniermaschine: Versicherer muss 610.600 Euro zahlen
- Zeitwert und Technologiefortschritt als zentrale Streitpunkte
- Unmöglichkeit einer gleichwertigen Ersatzbeschaffung
- Gericht bestätigt Anspruch auf Mehrkosten
- Reparatur wirtschaftlich nicht sinnvoll
- Einwand der groben Fahrlässigkeit erfolglos
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Rolle spielt der Zeitwert bei der Regulierung von Maschinenschäden durch die Versicherung?
- Wann muss die Versicherung die Mehrkosten für ein technisch verbessertes Ersatzmodell übernehmen?
- Ab wann gilt eine Reparatur als wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll?
- Welche Bedeutung hat das Sachverständigenverfahren bei der Schadensbewertung?
- Wie wirkt sich Grobe Fahrlässigkeit auf den Versicherungsanspruch aus?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Cottbus
- Datum: 12.09.2022
- Aktenzeichen: 6 O 144/19
- Verfahrensart: Zivilprozess
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Versicherungsnehmerin einer Sach- und Ertragsausfallversicherung. Sie behauptet, durch den Brand einer versicherten Maschine sei ihr ein erheblicher Schaden entstanden. Die Klägerin verlangt Zahlung der Versicherungssumme und zusätzliche Technologie-Fortschrittskosten.
- Beklagte: Versicherungsunternehmen. Sie bestreitet die Schadenshöhe und erhebt Einwand der grob fahrlässigen Verursachung des Versicherungsfalles.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Eine von der Klägerin versicherte Maschine wurde bei einem Brand beschädigt. Die Klägerin forderte eine Entschädigung für den entstandenen Schaden auf Basis des Zeitwerts und der Technologiefortschritt-Kosten, da die beschädigte Maschine nicht mehr hergestellt wird. Die Beklagte stellte den Schadenersatz und die Berechnung infrage und berief sich auf grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin, durch das der Schaden entstanden sei.
- Kern des Rechtsstreits: Die Auseinandersetzung dreht sich um die angemessene Schadensbewertung und Erstattungsfähigkeit von Technologiefortschrittskosten, sowie die Frage, ob grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls vorliegt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beklagte wird dazu verurteilt, 610.600 € an die Klägerin zu zahlen, einschließlich Zinsen. Ein Teil der Zinsforderung wurde abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht erkannte den Anspruch auf Zahlung des Zeitwerts an, da der Schaden durch ein im Versicherungsvertrag vereinbartes Sachverständigenverfahren bestätigt worden war. Auch die Technologiefortschrittskosten wurden anerkannt, da die Maschine nicht mehr verfügbar war. Der Einwand der grob fahrlässigen Schadensherbeiführung wurde nicht bestätigt, da es keine konkreten Hinweise auf Versäumnisse seitens der Klägerin gab.
- Folgen: Die Beklagte muss die festgelegte Summe und Zinsen zahlen, sowie die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung vertraglicher Festlegungen und der Notwendigkeit substantiierter Einwände.
Aktuelles Urteil: Klärung von Leistungsansprüchen in der Betriebsausfallversicherung
Die Sachversicherung sowie die Ertragsausfallversicherung spielen eine entscheidende Rolle im Risikomanagement von Unternehmen. Diese Versicherungen bieten Versicherungsschutz gegen unerwartete Verluste, die durch Schäden an Betriebsstätten oder durch einen Betriebsausfall entstehen können. Insbesondere die Betriebsausfallversicherung sichert den Finanzbedarf während der Ertragsausfälle ab und hilft, den Verlustausgleich zu minimieren. Im Falle eines Schadens setzen Versicherungsbedingungen klare Maßstäbe für die Entschädigung und die Schadensabwicklung.
Die korrekte Prämienberechnung und die Risikoeinschätzung sind für die Versicherungsgesellschaft von großer Bedeutung, um die Betriebssicherheit und den Kapitaleinsatz der Versicherungsnehmer angemessen zu bewerten. Ein aktuelles Urteil zu diesem Thema beleuchtet die Fragestellungen zum Leistungsanspruch und den Bedingungen für den Ersatz des Versicherungswerts.
Der Fall vor Gericht
Brandschaden an Schotterplaniermaschine: Versicherer muss 610.600 Euro zahlen
Ein Brand an einer Schotterplaniermaschine aus dem Jahr 1991 führte zu einem umfangreichen Rechtsstreit zwischen dem Betreiber und der Versicherung. Das Landgericht Cottbus verurteilte den Versicherer zur Zahlung von insgesamt 610.600 Euro nebst Zinsen.
Zeitwert und Technologiefortschritt als zentrale Streitpunkte
Die Schotterplaniermaschine geriet während einer Überführungsfahrt in Brand. Der Versicherer zahlte zunächst 215.711,18 Euro. Im Rahmen eines vereinbarten Sachverständigenverfahrens wurde der Zeitwert der Maschine auf 273.000 Euro festgelegt. Diese Bewertung berücksichtigte sowohl Abschläge für Alter und Zustand als auch eine Wertsteigerung von 80.000 Euro durch umfangreiche Instandhaltungsmaßnahmen.
Unmöglichkeit einer gleichwertigen Ersatzbeschaffung
Die betroffene Maschine wurde seit 2009 nicht mehr hergestellt. Als Ersatz stand nur noch ein technisch erheblich verbessertes Nachfolgemodell zum Preis von 2 Millionen Euro zur Verfügung. Die Differenz von 730.000 Euro wurde als Technologiefortschritt eingestuft. Der Betreiber schloss einen Kaufvertrag über die neue Maschine ab und verpflichtete sich zur Zahlung in monatlichen Raten.
Gericht bestätigt Anspruch auf Mehrkosten
Das Landgericht sprach dem Betreiber neben dem noch offenen Zeitwert von 80.000 Euro weitere 530.000 Euro für den Technologiefortschritt zu. Entscheidend war die vertragliche Regelung, nach der der Versicherer auch Mehrkosten durch Technologiefortschritt ersetzen muss, wenn die Wiederbeschaffung einer gleichwertigen Sache nicht möglich ist.
Reparatur wirtschaftlich nicht sinnvoll
Eine Reparatur der beschädigten Maschine wurde als wirtschaftlich nicht sinnvoll eingestuft. Die geschätzten Reparaturkosten von mindestens 688.748 Euro überstiegen sowohl den Zeitwert als auch die Technologiefortschrittskosten deutlich. Zudem bestanden Zweifel, ob alle notwendigen Originalteile noch beschafft werden könnten und eine Zulassung nach der Reparatur möglich wäre.
Einwand der groben Fahrlässigkeit erfolglos
Der Versicherer konnte sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass während der Überführungsfahrt kein Bediener auf der Maschine war. Eine Zurechnung des Verhaltens einfacher Mitarbeiter als grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls war nicht möglich, da keine entsprechenden Anweisungen der Geschäftsführung nachgewiesen wurden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Position von Versicherungsnehmern bei der Ersatzbeschaffung nicht mehr hergestellter Maschinen und Anlagen. Die Versicherung muss auch bei einer Zeitwertversicherung die Mehrkosten für technologischen Fortschritt tragen, wenn eine gleichwertige Ersatzbeschaffung nicht möglich ist. Die Entscheidung verdeutlicht zudem, dass Versicherer die Leistung nicht mit dem Argument verweigern können, eine Reparatur sei theoretisch möglich, wenn diese wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie technische Geräte oder Maschinen versichert haben, die nicht mehr hergestellt werden, haben Sie im Schadensfall Anspruch auf die Mehrkosten für ein modernes Nachfolgemodell – auch wenn Ihre Versicherung nur den Zeitwert ersetzt. Die Versicherung muss dabei die vollen Mehrkosten für den technologischen Fortschritt übernehmen, sofern kein gleichwertiger gebrauchter Ersatz verfügbar ist. Sie müssen sich auch nicht auf eine unwirtschaftliche Reparatur einlassen, selbst wenn diese technisch möglich wäre. Besonders relevant ist dies für Unternehmen mit älteren Maschinen und Anlagen, die im Schadensfall zwangsläufig durch neuere Modelle ersetzt werden müssen.
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Bei Streitigkeiten mit Ihrer Versicherung über die Ersatzbeschaffung von Maschinen und Anlagen kennen wir die aktuelle Rechtsprechung und deren praktische Bedeutung für Ihren Fall. Unsere langjährige Erfahrung in der Durchsetzung berechtigter Ansprüche bei der Regulierung von Versicherungsschäden hat bereits vielen Unternehmen geholfen, die volle Ersatzleistung für moderne Nachfolgemodelle zu erhalten. Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, welche konkreten Ansprüche sich aus Ihrer individuellen Situation ergeben. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Rolle spielt der Zeitwert bei der Regulierung von Maschinenschäden durch die Versicherung?
Der Zeitwert ist der entscheidende Faktor bei der Schadensregulierung von Maschinenschäden und bestimmt die Höhe der Versicherungsleistung. Er bezeichnet den aktuellen Wert einer Maschine zum Zeitpunkt des Schadensereignisses.
Berechnung des Zeitwerts
Der Zeitwert errechnet sich aus dem Neuwert abzüglich der Wertminderung durch Alter, Abnutzung und Zustand der Maschine. Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt:
- Gebrauchsdauer
- Erhaltungszustand
- Anschaffungswert
- Technischer Zustand
Bedeutung für die Schadensregulierung
Bei einem Totalschaden ersetzt die Versicherung in der Regel maximal den Zeitwert der Maschine. Dies gilt besonders bei Haftpflichtschäden, wo grundsätzlich nur der Zeitwert reguliert wird. Übersteigen die Reparaturkosten den Zeitwert, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor.
Besonderheiten bei Maschinenversicherungen
In der Maschinenversicherung gilt die „Goldene Regel“, nach der der Zeitwert nicht unter 40 Prozent des Neuwertes liegen sollte. Diese Regelung schützt vor zu geringen Entschädigungsleistungen und sichert eine angemessene Kompensation im Schadensfall.
Bei Sachversicherungen wie Maschinenbruch- oder Brandschäden wird häufig der Neuwert ersetzt, sofern keine besonderen Einschränkungen vorliegen. Wird jedoch ein Dritter für den Schaden verantwortlich gemacht, erfolgt die Regulierung zum Zeitwert über dessen Haftpflichtversicherung.
Wann muss die Versicherung die Mehrkosten für ein technisch verbessertes Ersatzmodell übernehmen?
Die Versicherung muss die Mehrkosten für ein technisch verbessertes Ersatzmodell übernehmen, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache in gleicher Art und Güte nicht mehr möglich oder wirtschaftlich sinnvoll ist.
Voraussetzungen für die Kostenübernahme
Ein Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten besteht, wenn das ursprüngliche Modell vom Hersteller nicht mehr produziert wird und nur noch technisch verbesserte Versionen verfügbar sind. Die Versicherung übernimmt dann die tatsächlich entstandenen Mehrkosten für ein Ersatzmodell, das dem versicherten Objekt in Art und Güte möglichst nahekommt.
Berechnung der Mehrkosten
Die Mehrkosten ergeben sich aus der Differenz zwischen dem ursprünglichen Wert und den Kosten für das neue, technisch verbesserte Modell. Wenn beispielsweise eine elektronische Steuereinheit mit einem ursprünglichen Wert von 6.000 Euro durch ein aktuelles Modell für 8.000 Euro ersetzt werden muss, übernimmt die Versicherung die Differenz von 2.000 Euro.
Besonderheiten bei der Erstattung
Die Kostenübernahme erfolgt auch dann, wenn nur eine Zeitwertversicherung besteht. Ein wichtiger Aspekt ist die wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit: Übersteigen die Reparaturkosten den Zeitwert erheblich, ist die Versicherung zur Übernahme der Mehrkosten für ein neues, technisch verbessertes Modell verpflichtet.
Ab wann gilt eine Reparatur als wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll?
Eine Reparatur gilt als wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, wenn die Reparaturkosten mehr als 130% des Wiederbeschaffungswertes (Zeitwert) des Fahrzeugs betragen. Diese sogenannte 130%-Regelung ist ein etablierter Richtwert in der deutschen Rechtsprechung.
Berechnung der Wirtschaftlichkeit
Der Zeitwert des Fahrzeugs ergibt sich aus dem aktuellen Marktwert, abzüglich des Wertverlusts durch Alter, Kilometerstand und Abnutzung. Wenn Sie beispielsweise ein Fahrzeug mit einem Zeitwert von 10.000 Euro besitzen, wäre eine Reparatur bis zu 13.000 Euro (130%) noch als wirtschaftlich vertretbar anzusehen.
Besondere Umstände
In bestimmten Fällen kann eine Reparatur trotz Überschreitung der 130%-Grenze durchgeführt werden:
Tatsächliche Reparaturkosten niedriger: Wenn die ursprünglich geschätzten Reparaturkosten die 130%-Grenze überschreiten, die tatsächlichen Kosten aber durch günstigere Durchführung (etwa durch Verwendung von Gebrauchtteilen) innerhalb des Wiederbeschaffungswertes liegen, ist die Reparatur zulässig.
Weitere Entscheidungsfaktoren
Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit spielen auch diese Faktoren eine Rolle:
Mehrfachschäden: Wenn gleichzeitig verschiedene Reparaturen anfallen, etwa an Motor und Getriebe, übersteigen die Gesamtkosten häufig den wirtschaftlich vertretbaren Rahmen.
Fahrzeugzustand: Der allgemeine Zustand des Fahrzeugs, wie etwa Rostschäden oder vorhandene Unfallschäden, beeinflusst die Entscheidung, selbst wenn die einzelne Reparatur noch im wirtschaftlichen Rahmen läge.
Geplante Nutzungsdauer: Die beabsichtigte weitere Nutzungsdauer des Fahrzeugs sollte in die Entscheidung einbezogen werden. Bei einer kurzen geplanten Restnutzung sind aufwendige Reparaturen meist nicht sinnvoll.
Welche Bedeutung hat das Sachverständigenverfahren bei der Schadensbewertung?
Das Sachverständigenverfahren ist ein zentrales Instrument zur neutralen Feststellung von Schadensfällen, besonders wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestehen.
Einsatzbereich und Zweck
Bei komplexen Schadensfällen oder Uneinigkeit über die Schadenshöhe können Sie als Versicherungsnehmer durch eine einseitige Erklärung gegenüber dem Versicherer ein Sachverständigenverfahren einleiten. Das Verfahren dient der Feststellung der konkreten Schadenshöhe und weiterer strittiger Sachverhalte wie beispielsweise der Schadenursache oder des Umfangs der Sanierungsarbeiten.
Ablauf und Durchführung
Der Prozess folgt einem klar strukturierten Ablauf: Beide Parteien benennen jeweils einen Sachverständigen. Diese Experten bestimmen gemeinsam einen Obmann, der bei unterschiedlichen Bewertungen eine verbindliche Entscheidung trifft. Die Sachverständigen müssen dabei unabhängig und frei von Interessenkonflikten sein.
Rechtliche Verbindlichkeit
Die Feststellungen der Sachverständigen oder des Obmanns sind für beide Parteien grundsätzlich bindend. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Feststellungen offensichtlich von der tatsächlichen Sachlage erheblich abweichen. In diesem Fall erfolgt die endgültige Feststellung durch eine gerichtliche Entscheidung.
Praktische Bedeutung
Besonders bei gewerblichen Schäden und komplexen Schadensfällen mit hohen Schadenssummen ist das Sachverständigenverfahren von großer Bedeutung. Es ermöglicht eine objektive Schadenbewertung und schafft Transparenz im Regulierungsprozess. Durch die neutrale Bewertung können Streitigkeiten häufig außergerichtlich beigelegt werden, was Zeit und Kosten spart.
Wie wirkt sich Grobe Fahrlässigkeit auf den Versicherungsanspruch aus?
Grobe Fahrlässigkeit führt dazu, dass die Versicherung ihre Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen oder in besonders schweren Fällen sogar vollständig verweigern kann. Dies gilt seit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), das das frühere „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ durch ein Quotelungssystem ersetzt hat.
Rechtliche Grundlagen und Bewertung
Bei grober Fahrlässigkeit liegt ein objektiv schwerer und subjektiv nicht entschuldbarer Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vor. Die Versicherung muss dabei nachweisen, dass Sie die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei den gesunden Menschenverstand außer Acht gelassen haben.
Auswirkungen auf verschiedene Versicherungsarten
In der Kfz-Haftpflichtversicherung kann die Versicherung bei grob fahrlässigem Verhalten bis zu 5.000 Euro der Schadenskosten von Ihnen zurückfordern. Bei einer Vollkaskoversicherung kann der Versicherer die Entschädigung je nach Schwere des Verschuldens anteilig kürzen.
In der Wohngebäudeversicherung kann ein Verstoß, wie das Verlassen des Hauses bei eingeschaltetem Herd, zu einer Leistungskürzung führen. So hat das OLG Bremen entschieden, dass eine 25-prozentige Kürzung der Versicherungsleistung angemessen ist, wenn Sie versehentlich eine Herdplatte eingeschaltet lassen und das Haus verlassen.
Schutz vor Leistungskürzungen
Viele Versicherungen bieten inzwischen spezielle Klauseln an, die den Versicherungsschutz auch bei grober Fahrlässigkeit gewährleisten. Diese Klauseln können unterschiedlich ausgestaltet sein:
- Vollständiger Verzicht auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit
- Leistung bis zu einer bestimmten Schadenshöhe trotz grober Fahrlässigkeit
- Verzicht auf Leistungskürzung bei bestimmten Schadensereignissen
Bei vorsätzlichem Handeln gilt weiterhin das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, was zum vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes führt.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Sachversicherung
Eine Versicherung, die finanzielle Verluste durch Schäden an versicherten Gegenständen wie Maschinen oder Gebäuden absichert. Sie ersetzt typischerweise den Zeitwert oder Neuwert bei Beschädigung oder Zerstörung der versicherten Sache. Gemäß §86 VVG tritt der Versicherer bei Zahlung in die Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers ein. Ein klassisches Beispiel ist die Beschädigung einer Maschine durch Brand, wobei die Sachversicherung die Reparatur- oder Ersatzkosten übernimmt.
Ertragsausfallversicherung
Diese Versicherung deckt finanzielle Verluste ab, die durch einen Betriebsausfall nach einem versicherten Sachschaden entstehen. Sie kompensiert entgangene Gewinne und weiterlaufende Kosten während der Unterbrechungszeit. Geregelt in den §§ 1-4 FBUB (Feuer-Betriebsunterbrechungs-Bedingungen). Beispiel: Nach einem Maschinenbrand kann ein Unternehmen mehrere Monate nicht produzieren – die Versicherung ersetzt den dadurch entstehenden finanziellen Ausfall.
Zeitwert
Der aktuelle Wert einer Sache unter Berücksichtigung von Alter, Abnutzung und Zustand zum Schadenszeitpunkt. Er berechnet sich aus dem Neuwert abzüglich der Wertminderung durch Alter und Verschleiß, kann aber durch Modernisierungen erhöht sein. Grundlage ist §22 AFB (Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen). Im konkreten Fall wurde der Zeitwert der alten Maschine auf 273.000 Euro festgesetzt, wobei Instandhaltungsmaßnahmen wertsteigernd berücksichtigt wurden.
Technologiefortschritt
Bezeichnet im Versicherungsrecht die Mehrkosten, die entstehen, wenn ein beschädigtes Objekt nicht mehr gleichwertig ersetzt werden kann und nur ein technisch fortschrittlicheres, teureres Modell verfügbar ist. Diese Mehrkosten können versichert sein, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Im vorliegenden Fall betrug die Differenz durch Technologiefortschritt 730.000 Euro, da das alte Modell nicht mehr hergestellt wurde und nur ein moderneres verfügbar war.
Grobe Fahrlässigkeit
Ein Verhalten, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird. Nach §81 VVG kann der Versicherer bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls seine Leistung kürzen. Die Beweislast liegt beim Versicherer. Ein typisches Beispiel wäre das Rauchen neben einem offenen Benzinkanister. Im Fall der Schotterplaniermaschine konnte der Versicherer die grobe Fahrlässigkeit nicht nachweisen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 19 AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen): Dieser Paragraph regelt die Erstattung von Mehrkosten, die zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung versicherter Sachen entstehen, wenn diese durch technologische Fortschritte verursacht sind. Wichtig ist hierbei, dass die Erstattung auf erstes Risiko bis zur vereinbarten Entschädigungsgrenze erfolgt. Im vorliegenden Fall könnte dieser Paragraph relevant sein, da die Klägerin möglicherweise Mehrkosten für die Wiederbeschaffung ihrer Schotterplaniermaschine geltend machen kann, wenn die Wiederherstellung nicht möglich oder sinnvoll war.
- § 21 AVB (Versicherungswert): Hier wird der Versicherungswert definiert, der abhängig vom Zustand der versicherten Sache ist, und zwar als Zeitwert, wenn dieser weniger als 40% des Neuwerts beträgt. Dieser Paragraph ist entscheidend, um zu klären, wie der Wert der Schotterplaniermaschine zum Zeitpunkt des Schadens zu bemessen ist, was Einfluss auf die Höhe der Entschädigung hat.
- § 23 AVB (Höhe der Entschädigung): Dieser Paragraph legt fest, welche Schäden wie ersetzt werden und in welchem Umfang bei beschädigten oder zerstörten Sachen. Er definiert ausdrücklich die maximal zu erstattenden Beträge, die bei beschädigten Sachen auch Wertminderungen berücksichtigen müssen. Für den vorliegenden Fall ist dieser Paragraph entscheidend, weil er den Rahmen für die Entschädigungsforderung der Klägerin absteckt und klarstellt, wie die Beklagte den zu zahlenden Betrag berechnet.
- § 25 AVB (Fälligkeit der Entschädigung): In diesem Paragraphen wird geregelt, wann die Entschädigung fällig wird und unter welchen Bedingungen Zinsen anfallen. Die Entschädigung wird fällig, wenn die Feststellungen des Versicherers zum Grund und zur Höhe des Anspruchs abgeschlossen sind. Dieser Abschnitt ist relevant, um zu verstehen, ob und wann die Beklagte zur Zahlung der restlichen Entschädigung und der Zinsen verpflichtet ist, was einen zentralen Punkt des Urteils darstellt.
- § 26 AVB (Sachverständigenverfahren): Der Paragraph befasst sich mit der Möglichkeit, nach Eintritt des Versicherungsfalls die Höhe des Schadens durch Sachverständige feststellen zu lassen. Die Feststellungen sind für beide Parteien bindend, solange nicht nachgewiesen wird, dass sie von der tatsächlichen Lage abweichen. Im Kontext des Falles ist dieser Paragraph wichtig, da die Klägerin die Durchführung eines solchen Verfahrens beantragt hat, was die Grundlage für die Entscheidung über die Entschädigungsforderungen darstellt.
Das vorliegende Urteil
LG Cottbus – Az.: 6 O 144/19 – Urteil vom 12.09.2022
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