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Private Krankenversicherung – Anspruch auf neue Hörgeräte

AG Rheine – Az.: 4 C 26/18 – Urteil vom 31.10.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist die private Krankenversicherung des Klägers. Der Kläger ist vermindert hörfähig und benötigt deshalb auf beiden Ohren Hörgeräte. Er arbeitet als leitende Kraft in einem Kreditinstitut und hat dadurch häufig Konferenzen mit einer größeren Anzahl von Personen.

Nach den Vertragsbedingungen der Beklagten erstattet diese dem Kläger alle vier Jahre Hörgeräte. Für das Vertragsverhältnis gelten die Bedingungen MB/KK 2009.

Der Kläger wollte nach fünf Jahren ein neues Hörgerät kaufen und begab sich deshalb zum Fachgeschäft S in D.

Der Kläger kaufte Hörgeräte nebst Zubehör zu einem Preis von 5.682,00 EUR. Die Beklagte zahlte hierauf 3.000,00 EUR.

Der Kläger behauptet, dass günstigere Modelle, als das von ihm erworbene Hörgerät, nicht seine Anforderungen erfüllen würden. Das von ihm gekaufte Hörgerät sei notwendig, um die Hörfähigkeit wieder herzustellen. Die günstigeren Geräte seien dazu nicht in gleicher Art und Weise geeignet. Das von ihm erworbene Gerät sei medizinisch notwendig.

Der Kläger beantragt,

1.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.682,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.11.2017 zu zahlen;

2.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtlich entstandene, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 179,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, das vom Kläger erworbene Hörgerät stelle eine Übermaßversorgung im Sinne von § 5 Abs. 2 MB/KK 2009 dar. Vorliegend sei mit diesem Hörgerät das medizinisch notwendige Maß überstiegen, so dass sie die Leistung auf einen angemessenen Betrag herabsetzen dürfe. Dieser angemessene Betrag liege hier bei 1.500,00 EUR pro Hörgerät. Das vom Kläger erworbene Hörgerät weise Zusatzfunktionen auf, die nicht medizinisch notwendig seien. Es gäbe genug Alternativgeräte, die auch ein verständliches Hören in Besprechungen und Konferenzen ermöglichen, die zu einem Preis von bis zu 1.500,00 EUR pro Hörgerät erworben werden könnten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten und Anhörungen der Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des U vom 20.11.2018 (Bl. 127 ff. d. A.) und auf das Gutachten des G vom 28.07.2019 (Bl. 211 ff. d. A.). Darüber hinaus wird wegen der Anhörung der Sachverständigen auf das Protokoll vom 31.10.2019 (B. 275 ff. d. A.) verwiesen.

Im Übrigen wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 2.682,00 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen privaten Krankenversicherungsvertrag. Ein Betrag in Höhe von insgesamt 5.682,00 EUR für das vom Kläger erworbene Hörgerät BEYOND 440 ist nicht medizinisch notwendig, um die Hörfähigkeit des Klägers wieder herzustellen.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht vielmehr davon überzeugt, dass auch günstigere Modelle in einem Preisrahmen von 1.500,00 EUR pro Hörgerät ausreichend sind. Das Gericht ist davon überzeugt, dass hier das streitgegenständlich vom Kläger erworbene Hörgerät eine Übermaßversorgung im Sinne von § 5 Abs. 2 MB/KK darstellt. Die Beklagte war daher berechtigt, ihre Leistung auf einen angemessenen Betrag, der nach Überzeugung des Gerichts insgesamt 3.000,00 EUR für zwei Hörgeräte ausmacht, zu kürzen.

Das medizinisch notwendige Maß ist dann überstiegen, wenn das Hilfsmittel einerseits zusätzlich, nicht benötigte Funktionen oder Ausstattungsmerkmale aufweist und andererseits zugleich preiswertere, den notwendigen medizinischen Anforderungen für den jeweiligen Versicherungsnehmer entsprechende Hilfsmittel ohne diese zusätzlichen Funktionen oder Ausstattungsmerkmale zur Verfügung stehen (BGH NJW-RR 2015, 984). Dies ist vorliegend gegeben. Das Gericht schließt sich insofern den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen G an, an dessen Sachkunde kein Anlass zu Zweifeln besteht. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausführlich dargelegt, welche Anforderungen ein Hörgerät des Klägers haben müssen. Er hat insofern insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger hier auch an Konferenzen teilnimmt. Hierzu hat er herausgearbeitet, dass der Kläger in vielen beruflichen und alltäglichen Hörsituationen Hörgeräte benötigt (Bl. 214 d. A.). Er hat sodann aufgrund dieser persönlichen Anforderungen des Klägers herausgearbeitet, welche Ausstattung notwendig und ausreichend ist:

1.  mindestens 4-kanalige Signalverarbeitung

2.  adaptive Störschallreduzierung/-unterdrückung

3.  adaptive Richtmikrofontechnik

4.  Mehrprogrammigkeit

5.  Adaptive Rückkopplungsunterdrückung

6.  beidohriges Telefonieren (Ear-to-Ear-Funktion).

Der Sachverständige hat den Kläger insofern testweise neben dem streitgegenständlichen Hörgerät fünf weitere Hörgeräte zur Probe angepasst. Hierbei ist er zu folgenden Ergebnissen gekommen:

Widex BEYOND 440 B4-F2P in Trageeinstellung – Eigengerät von Herrn W

Freifeldmessung, 65 dB, 1 m Abstand, HG bds.    90 % Hörgewinn mit Einsilbern

Freifeldmessung, 65 dB, 60 dB Störschall, 1 m Abstand, HG bds.  60 % Hörgewinn mit Einsilbern

Widex Unique 110 U1 FS-P

Freifeldmessung, 65 dB, 1 m Abstand, HG bds.    85 % Hörgewinn mit Einsilbern

Freifeldmessung, 65 dB, 60 dB Störschall, 1 m Abstand, HG bds.  50 % Hörgewinn mit Einsilbern

Unitron T Moxi Dura 600 (xP) baugleich mit dem Unitron Moxi fit 600

Freifeldmessung 65 dB, 1 m Abstand, HG bds.    90 % Hörgewinn mit Einsilbern

Freifeldmessung 65 dB, 60 dB Störschall, 1 m Abstand, HG bds.  45 % Hörgewinn mit Einsilbern

Phonak Audeo V30-312 (xP)

Freifeldmessung, 65 dB, 1 m Abstand, HG bds.    80 % Hörgewinn mit Einsilbern

Freifeldmessung, 65 dB, 60 dB Störschall, 1 m Abstand, HG bds.  45 % Hörgewinn mit Einsilbern

Resound ENYA EY462 DRW

Freifeldmessung, 65 dB, 1 m Abstand, HG bds.    80 % Hörgewinn mit Einsilbern

Freifeldmessung, 65 dB, 60 dB Störschall, 1 m Abstand, HG bds.  50 % Hörgewinn mit Einsilbern

KINDzeno K4 EX 100/baugleich mit Oticon Nero 2 Pro

Freifeldmessung, 65 dB, 1 m Abstand, HG bds.    90 % Hörgewinn mit Einsilbern

Freifeldmessung 65 dB, 60 dB Störschall, 1 m Abstand, HG bds.  50 % Hörgewinn mit Einsilbern.

Hörgeräte testen
(Symbolfoto: Von Dragana Gordic/Shutterstock.com)

Des Weiteren hat der Sachverständige hierzu erläutert, dass die Hörsysteme Widex Unique 110 U1 FS-P, Unitron T Moxi Dura 600 (xP) und  KINDzeno K4 EX 100/baugleich mit Oticon Nero 2 Pro als gleichwertig anzusehen seien. Die leichten Abweichungen würden sich dadurch erklären lassen, dass der Kläger das streitgegenständliche Hörsystem über einen längeren Zeitraum im Alltag getragen hat und dass dieses im Rahmen von Feinanpassungsterminen für sein Hörverlust optimiert wurde. Die drei gleichwertigen Hörgeräte hätten einen Preis von 1.3290, EUR, 1.290,00 EUR und 1.490,00 EUR.

Bei dem vom Kläger gewählten Hörgerät würde es insgesamt acht Funktionen geben, die nicht medizinisch notwendig seien. Zwei weitere Funktionen seien bereits in preisgünstigeren Hörsystemen bzw. in sogenannten Null-Tarifgeräten enthalten.

Diesem Ergebnis steht auch nicht das Gutachten des Sachverständigen U entgegen. Dieser Sachverständige hat sich insofern lediglich mit den Angaben des Klägers auseinander gesetzt und festgehalten, dass hier ein subjektiver Mehrwert des streitgegenständlichen Hörsystems gegenüber preiswerteren Alternativen zu sehen sei. Messtechnisch sei dieser Mehrwert jedoch nicht nachweisbar. Der Sachverständige hat sich daher darauf beschränkt zu würdigen, ob der von dem Kläger geschilderte subjektive Mehrwert ihm glaubwürdig geschildert worden sei. Mit den einzelnen Vergleichsgeräten aus dem Beweisbeschluss hat sich der Gutachter aber nicht auseinandergesetzt.

Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.682,00 EUR festgesetzt.

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