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Kfz-Kaskoversicherung – Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Fahrzeugteilediebstahls

KG Berlin, Az.: 6 U 107/09, Beschluss vom 10.04.2014

In dem Rechtsstreit … wird der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, seine Berufung gegen das Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin vom 28. April 2009 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

Denn der Senat ist aufgrund Vorberatung einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern; auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Gewährung von Versicherungsschutz zu.

Zwar hat zum Zeitpunkt des Eintritts des – angeblichen – Versicherungsfalles zwischen den Parteien unstreitig ein Versicherungsvertrag im Sinne von § 1 VVG bestanden, dessen Einzelheiten sich aus dem Versicherungsschein vom 16. Mai 2007 (Bl. 5 d. A.) in Verbindung mit den Allgemeinen Bedingungen für die KFZ-Versicherung (AKB) der Beklagten, Stand 1. Mai 2007 (Bl. 54 – 60 d. A.) ergeben.

Der Kläger ist aber beweisfällig dafür geblieben, dass der von der Beklagten bestrittene Versicherungsfall – der Diebstahl von Teilen des versicherten Fahrzeugs und dessen Beschädigung – tatsächlich eingetreten ist.

In der Kraftfahrversicherung hat der Versicherungsnehmer die Beweislast dafür, dass die versicherte Sache ihm tatsächlich (ganz oder teilweise) entwendet worden ist (BGH VersR 1984, 29), wobei ihm allerdings bestimmte Beweiserleichterungen zugute kommen (vgl. Kohlhosser, Beweiserleichterungen bei Entwendungsversicherungen, NJW 1997, 969, 970; Römer, Der Kraftfahrzeugdiebstahl als Versicherungsfall, NJW 1996, 2329, 2331, jew. m. w. N.). Es wird als ausreichend – aber auch notwendig – angesehen, wenn der Versicherungsnehmer den Beweis für das sog. „äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung“ erbringt. Dem genügt er dadurch, dass er ein Mindestmaß an Tatsachen darlegt und beweist, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Wegnahme gegen den Willen des Berechtigten zulassen (BGH VersR 1996, 319 und 575; NJW 1995, 2169). Zu diesem Mindestmaß an Tatsachen gehören – bezogen auf den vorliegenden Fall – das Abstellen des versicherten Fahrzeugs in unbeschädigtem Zustand einschließlich der als später entwendet behaupteten Teile an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt und das spätere Wiederauffinden in beschädigtem Zustand ohne die – angeblich – gestohlenen Fahrzeugteile; hinsichtlich dieser Tatsachen muss der Versicherungsnehmer allerdings den Vollbeweis führen (vgl. BGH VersR 1997, 733, 734; VersR 1993, 571).

Dies ist dem Kläger nicht gelungen; tauglichen Beweis für das Abstellen und das Wiederauffinden des Fahrzeugs in dem jeweils behaupteten Zustand hat der Kläger trotz entsprechenden Bestreitens der Beklagten (vgl. Seite 2 der Klageerwiderung) nicht angetreten.

Soweit sich der Kläger „zum Beweis für einen Einbruchdiebstahl“ auf „die Beiziehung der amtlichen Ermittlungsakte“ beruft, stellt dies letztlich keinen tauglichen Beweisantritt dar.

Zum einen reicht auch eine umgehende Anzeige bei der Polizei nicht zum Beweis (dieses Teils) der äußeren Umstände eines Diebstahls aus (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2002 – 6 U 3935/00 – ; OLG Frankfurt r+s 1989, 42), weil der Inhalt der Strafanzeige letztlich nur das dokumentiert, was dem aufnehmenden Polizeibeamten von dem einen Diebstahl behauptenden Versicherungsnehmer mitgeteilt worden ist.

Zum anderen spricht der Inhalt der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Berlin 5 UJs 12895/07 und 95 Js 854/08 im vorliegenden Fall eher für das Gegenteil der Behauptung des Klägers. Denn diesen Akten lässt sich entnehmen, dass die von dem Kläger „angezeigte Straftat… als keine Straftat abgeschlossen“ und statt dessen ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschung einer Straftat und Betrugs (zum Nachteil der Beklagten) gegen den Kläger eingeleitet, später allerdings nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist. Damit ist auch die von dem Kläger auf Seite 6 der Berufungsbegründung gezogene Schlussfolgerung, aus der Nichteinleitung eines Strafverfahrens gegen ihn sei zu folgern, dass die Ermittlungsbehörden nicht davon ausgegangen seien, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht sei, widerlegt.

Damit ist allerdings die Möglichkeit des Klägers, den Beweis für das behauptete äußere Bild der Entwendung und Beschädigung zu führen, noch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Stehen dem Versicherungsnehmer nämlich keine Beweismittel zur Verfügung, etwa weil er – wie vorliegend für das Abstellen des unbeschädigten Fahrzeugs und das Wiederauffinden des beschädigten PKW am 2./3. Oktober 2007 – keinen Zeugen benennen kann und liegen auch die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Klägers nach den §§ 447, 448 ZPO nicht vor (vgl. BGH NJW-RR 1992, 920, 921), so billigt die Rechtsprechung dem Versicherungsnehmer weitere Beweiserleichterungen in der Form zu, dass das Gericht im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses nach § 286 Abs. 1 ZPO seine Überzeugungsbildung auch auf eine glaubhafte Aussage des Versicherungsnehmers stützen darf, die dieser im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO gemacht hat (BGH NJW-RR 1997, 598, 599; VersR 1991, 919, 918). Abgeleitet aus der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK ist davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich redlich und damit glaubwürdig ist (BGH NJW 1996, 1348). Etwas anderes gilt allerdings, wenn sich aus dem sonstigen Sachverhalt konkrete Tatsachen ergeben, die geeignet sind, den Versicherungsnehmer als nicht glaubwürdig erscheinen zu lassen oder jedenfalls schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung der Entwendung begründen (BGH NJW-RR 1997, 598, 599; VersR 1996, 575).

Abgesehen davon, dass der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht nur äußerst spärliche Angaben zum äußeren Bild gemacht hat, durch die dessen Beweis nicht als erbracht angesehen werden kann, sind solche konkreten Tatsachen – worauf das Landgericht auf Seite 6 des angefochtenen Urteils zutreffend hinweist – in dem Umstand zu sehen, dass der Kläger nach der angeblichen Beschädigung und dem behaupteten Teilediebstahl die Sicherstellung des Fahrzeugs verhindert hat.

Soweit der Kläger hierzu mit der Berufung vorträgt, er sei bereit gewesen, das Fahrzeug untersuchen zu lassen, wenn er eine schriftliche Bestätigung über die Dauer der Untersuchung erhalten hätte, vermag dies den von dem Landgericht gezogenen Schluss auf die Unredlichkeit des Klägers nicht zu entkräften. Denn den Bekundungen der Zeugin I…, die das Landgericht offensichtlich auch aufgrund des von ihr gewonnenen persönlichen Eindrucks als „absolut glaubwürdig“ angesehen hat, lässt sich eindeutig entnehmen, dass zwar auch von einer schriftlichen Bestätigung der Dauer der Sicherstellung die Rede war, dass die Weigerung des Klägers aber erfolgte, nachdem er sich mit einer weiteren am Ort des Geschehens anwesenden männlichen Person auf türkisch unterhalten hatte.

Außerdem stehen die Angaben des Klägers anlässlich seiner persönlichen Anhörung in Widerspruch zu den glaubhaften Bekundungen der Zeugin I… (voraussichtliche Dauer der Sicherstellung, Möglichkeit einen Mietwagen von der Versicherung zu erhalten), was ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf Seite 6 des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden.

Desweiteren sprechen Art und Umfang der an dem Fahrzeug vorgefundenen Beschädigungen gegen den Eintritt des Versicherungsfalls und damit für eine Vortäuschung. Dies nimmt den Angaben des Klägers nicht nur die Überzeugungskraft, sondern erschüttert auch dessen Glaubwürdigkeit. So wurden durch Hebeln mit einem entsprechenden Gegenstand/Werkzeug an drei verschiedenen Stellen diverse Beschädigungen an dem Fahrzeug verursacht. Dies führte zwar nicht zu einer Öffnung des Fahrzeugs, aber zu Beschädigungen einer Vielzahl einzelner Blechteile. Ein derartiges Vorgehen ist untypisch für einen tatsächlich erfolgten Einbruch in ein Kraftfahrzeug, denn es ist nicht zum Öffnen des Fahrzeugs geeignet. Dies ergibt sich nicht nur aus den Feststellungen und Bekundungen der Zeugin I…, die als Kriminaloberkommissarin innerhalb eines Tatortteams sowohl über die erforderliche Ausbildung als auch entsprechende Kenntnisse, vor allem aber über jahrelange Erfahrung verfügt, sondern auch aus dem Schlussbericht des Landeskriminalamts vom 4. Juni 2009 (Ablichtung Bl. 210 ff Bd. I d. A.). Auch dem Senat ist in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Spezialsenat für Versicherungssachen kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein Täter dadurch in das Fahrzeuginnere gelangt ist (bzw. dies versucht hat), dass er eine Autotür im oberen Bereich (zwischen Seitenscheibe und Dach) aufgehebelt hat. So verhält sich kein Dieb, jedenfalls keiner, der gleichzeitig in der Lage ist, den Fahrerairbag „fachmännisch“ auszubauen.

Andererseits – und dies ist eine nachvollziehbare Erklärung für die vielfachen Beschädigungen an dem Fahrzeug des Klägers – können bei Abrechnung der Kosten einer fachgerechten Reparatur durch Erneuerung sämtlicher beschädigter Teile erhebliche Entschädigungsforderungen gegenüber dem Versicherer geltend gemacht werden, während dieselben Beschädigungen auch mit geringem (Kosten-)Aufwand (Ausbeulen, Spachteln) instandgesetzt werden können. Die daraus resultierende Differenz von mehreren tausend Euro kann für manchen Versicherungsnehmer einen hinreichenden Anreiz darstellen, den Eintritt eines Versicherungsfalles vorzutäuschen. Entsprechendes gilt für die – aus Sicht eines Diebes völlig sinnlose – Beschädigung des Navigationsgeräts durch Zerkratzen des Bildschirms.

Vor allem kann dem Kläger die gegebene Sachdarstellung aber auch deshalb nicht geglaubt werden, weil trotz der umfangreichen – angeblichen – Einbruchspuren nicht erkennbar ist, wie der (oder die) – angebliche (n) – Täter in das Fahrzeuginnere gelangt sein und den Fahrerairbag entwendet haben sollen. Denn aufgrund der Bekundungen und Feststellungen der Zeugin I… sowie der Lichtbilderanlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich die massiven Hebelspuren nicht im Bereich der Türschlösser befanden und trotz der aufgehebelten und geweiteten Türfalze die Türverriegelungen weder sichtbar noch zugänglich waren. Andererseits war der Schließmechanismus vollständig funktionsfähig, die Zentralverriegelung ließ sich mittels Schlüssel aktivieren, Spuren von Gewaltanwendung an den Schließbahnen waren nicht feststellbar. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob sich – wie der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung behauptet – „durch den Ansatz eines Hebels zwischen Karosserie und Tür ein Spalt herstellen lässt, über den der Zugang mittels eines weiteren starren und entsprechend geformten Gegenstandes bis zum Türgriff und dessen Öffnung möglich“ ist. Denn diese Möglichkeit scheidet jedenfalls dann aus, wenn sich – wie vorliegend – die Hebelspuren an für ein derartiges Vorgehen ungeeigneten Stellen (etwa zwischen der Seitenscheibe im oberen Türbereich und dem Dach) und nicht im Bereich der Türschlösser befinden. Der von dem Kläger in der Berufungsbegründung angebotenen Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es daher nicht. Eine unmittelbar nach Feststellung der Beschädigungen noch mögliche Untersuchung durch das Landeskriminalamt, Abt. Kriminaltechnik, hat der Kläger – wie ausgeführt – durch die Verweigerung einer Sicherstellung des Fahrzeugs zwecks Spurensuche vereitelt.

Bereits diese Umstände reichen jedenfalls in einer Gesamtschau aus, um so erhebliche Zweifel an der Redlichkeit des Klägers zu wecken, dass ihm die Beweiserleichterung zu versagen ist, ohne dass es auf die weiteren von der Beklagten und dem Landgericht aufgezeigten Ungereimtheiten ankommt. Ob dem Kläger abgesehen von den vorstehenden Darlegungen darüber hinaus auch deshalb die (betrügerische) Vortäuschung des Versicherungsfalls vorzuwerfen ist, bedarf bei dieser Sach- und Beweislage keiner Entscheidung des Zivilgerichts.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, zu dem vorstehenden Hinweis sowie zu den zweitinstanzlichen Schriftsätzen der Beklagten innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen, wobei im Kosteninteresse die Rücknahme der Berufung erwogen werden mag.

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