Oberlandesgericht Naumburg – Az.: 41 U 7/16 – Urteil vom 07.07.2016
Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels – das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle, Az.: 5 O 57/15, teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auf Grundlage des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer … Rechtsschutz für eine beabsichtigte Schadensersatzklage gegen den Notar Dr. J. B. aus B. zu gewähren.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 22 % und die Beklagte 78 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird für beide Instanzen – unter Abänderung der Festsetzung des Landgerichts in dem Beschluss vom 11. Februar 2016 – auf 18.257,98 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt festzustellen, dass ihr die Beklagte als Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz für eine beabsichtigte Klage zu gewähren habe. Zudem verlangt sie Zahlung für die Erstellung eines anwaltlichen Stichentscheids sowie Befreiung von einer Vorschussforderung für ein vorprozessuales Tätigwerden ihres Anwalts.
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten bis Ende 2012 eine Rechtsschutzversicherung unter Geltung der ARB 2008 (im Folgenden: ARB).
In versicherter Zeit, am 10. Oktober 2008, beurkundete der in B. ansässige Notar Dr. J. B. einen Wohnungskaufvertrag, wonach sich die Klägerin verpflichtete, für eine in der P. Straße gelegene Wohnung als Kaufpreis 99.067,77 € an die P. GmbH zu zahlen. In der notariellen Urkunde findet sich auf Bl. 2 folgende Passage:
Der amtierende Notar belehrte die Erschienenen darüber, dass er gemäß § 17 Abs. (2a) Ziffer 2 BeurkG erst dann eine Beurkundung unter Beteiligung eines Verbrauchers vornehmen solle, wenn der Verbraucher zuvor mindestens zwei Wochen Gelegenheit gehabt habe, sich mit dem rechtlichen und wirtschaftlichen Inhalt der Urkunde auseinander zu setzen.
Die Erschienene zu 2. erklärte, dass die Frist von zwei Wochen nicht eingehalten sei. In Kenntnis der gesetzlichen Verbrauchervorschrift bestand sie dennoch auf sofortiger Beurkundung des folgenden Wohnungskaufvertrages, weil sie sich bereits endgültig zum Kauf der Wohnung … entschlossen habe, und für den Fall einer Verschiebung des Beurkundungstermins eine anderweitige Veräußerung dieser Wohnung befürchte.
Den Kaufpreis sowie weitere durch den Wohnungserwerb entstandene Kosten in Höhe von rund 106.000,00 € finanzierte die Klägerin über zwei Bankdarlehen.
Vor dem Landgericht Berlin führte die Klägerin unter dem Az. 32 O 402/10 einen Rechtsstreit gegen die Verkäuferin und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages, da es sich bei der Wohnung um eine Schrottimmobilie gehandelt habe. Daraufhin wurde die Verkäuferin am 2. September 2011 antragsgemäß verurteilt (Anlagenband, Anlage 4), der Klägerin – Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an der Wohnung – 106.600,00 € sowie weitere 9.022,05 € zu zahlen.
Bereits während des Rechtsstreits vor dem Landgericht Berlin ließ die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 29. Juli 2011 (Bl. 27, 28 d. A.) gegenüber der Beklagten, welche für den Prozess als Rechtsschutzversicherer einstandspflichtig war, verlautbaren, dass man einen Vergleich ins Auge fasse, da der gegnerische Prozessbevollmächtigte mitgeteilt habe, die P. GmbH verfüge über kein Geld mehr.
Nachdem die Klägerin Anfang 2012 erfahren hatte, dass die P. GmbH ihren gesamten Wohnungsbestand bereits im Jahre 2010 verkauft und auf die E. GmbH & Co.KG übertragen hatte, wandte sie sich mit Schreiben vom 17. Februar 2012 an die Beklagte und bat um Deckungszusage für eine Anfechtungsklage gegen die E. GmbH & Co.KG. Trotz eines von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gefertigten Stichentscheides lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20. April 2012 die Erteilung einer Deckungszusage ab. Daraufhin reichte die Klägerin am 26. November 2012 eine Deckungsschutzklage beim Landgericht Halle gegen die Beklagte ein. Das Verfahren endete in zweiter Instanz mit einem vor dem Senat am 15. Januar 2015 geschlossenen Vergleich.
Die beim Landgericht Berlin auf eigene Kosten am 5. August 2014 gegen die E. GmbH & Co.KG erhobene Anfechtungsklage nahm die Klägerin zurück, nachdem der BGH mit Beschluss vom 25. September 2014, Az.: IX ZR 120/13, die in einem Parallelverfahren von einem anderen Wohnungskäufer gegen die E. GmbH & Co.KG erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigen vom 9. Februar 2015 (Anlage K 1) wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und bat diesmal um die Erteilung einer Deckungszusage für ein Vorgehen gegen den Notar Dr. B. , da dieser die zweiwöchige Frist nach § 17 (2a) Nr. 2 BeurkG nicht eingehalten habe und nach Maßgabe eines Urteils des BGH vom 7. Februar 2013, Az.:III ZR 121/12, deshalb ihr gegenüber schadensersatzpflichtig sei.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2015 (Anlage K 2) lehnte die Beklagte eine Deckungszusage ab, da die Ansprüche gegenüber dem Notar bereits Ende 2011 verjährt seien und folglich für eine Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten mehr beständen. Darüber hinaus belehrte sie die Klägerin über die Möglichkeit, einen anwaltlichen Stichentscheid einzuholen, und setzte hierfür eine Frist bis zum 7. April 2015.
Mit Schreiben vom 5. März 2015 (Anlage K 3) wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen die Annahme einer Verjährung, führte hierzu weiter aus und kündigte an, seiner Mandantin zur Deckungsklage zu raten, falls die Beklagte bei ihrer ablehnenden Haltung verbleiben sollte.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten und vertritt dies weiterhin, dass in dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 4. März 2015 ein anwaltlicher Stichentscheid zu sehen sei, dem für die Beklagte entsprechend § 18 Abs. 2 Satz 2 der zugrundeliegenden ARB Bindungswirkung zukomme.
Doch selbst, wenn man von keinem Stichentscheid ausginge, sei die beabsichtigte Klage hinreichend aussichtsreich und die Beklagte mithin auch vor diesem Hintergrund einstandspflichtig.
Schadensersatzansprüche gegen den Notar seien keineswegs verjährt, da für einen Verjährungsbeginn richtigerweise auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis vom Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit abzustellen sei. Diese Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis könne frühestens mit einer Mitteilung des Gerichtsvollziehers vom 15. April 2013 zusammenfallen, wonach die Verkäuferin unbekannt verzogen sei. Ferner müsse Berücksichtigung finden, dass ebenfalls ein Vorgehen gegen die E. GmbH & Co.KG als weitere Ersatzmöglichkeit in Betracht gekommen sei. Daneben sei aber auch die Rechtslage vor der Entscheidung des BGH vom 7. Februar 2013 zu einer Haftung des beurkundenden Notars als unsicher und nicht geklärt anzusehen gewesen, was eine entsprechende Klage gegen den Notar als nicht zumutbar habe erscheinen lassen und gleichfalls für einen Beginn der Verjährungsfrist erst Ende 2013 spreche.
Die Klägerin verlangt neben der Feststellung von Deckungsschutz für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Notar Dr. B. von der Beklagten die Zahlung in Höhe von 3.971,51 € als Vorschuss für ein beabsichtigtes außergerichtliches Tätigwerden ihres Prozessbevollmächtigten gegen den Notar sowie die Begleichung von Kosten für den ihrer Auffassung nach erstellten Stichbescheid in Höhe von 1.266,16 €.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr aus dem mit der Beklagten – ehemals – bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag, Versicherungsnummer … , Versicherungsschutz bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Notar Dr. J. B. in B. zu gewähren, und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.971,51 € und weitere 1.266,16 € zuzüglich Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Schreiben vom 4. März 2015 bedeute keinen Stichentscheid. Zumindest aber sei selbst bei Annahme eines Stichentscheids ein solcher nicht bindend, da dieser offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweiche (§ 18 ARB Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz). Denn Schadensersatzansprüche gegen den Notar seien erkennbar verjährt. So könnten Ansprüche gegen die E. GmbH & Co.KG mangels gemeinsamen Tatsachenkerns im Rahmen einer Amtshaftung keine Beachtung als anderweitige Ersatzmöglichkeit finden. Ohnehin habe die erhobene Anfechtungsklage von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Was hingegen die P. GmbH anbelange, habe die Klägerin bereits im September 2011 erfahren, dass ihr Anspruch aufgrund fehlender Solvenz der Gesellschaft nicht durchsetzbar sei. Entgegenhalten lassen müsse sich die Klägerin, dass sie von der aussichtsreichen Ersatzmöglichkeit, die den Wohnungskauf finanzierenden Banken in Anspruch zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht habe.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 8. Dezember 2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das anwaltliche Schreiben vom 4. März 2015 stelle keinen Stichentscheid dar, da es weder als Stichentscheid bezeichnet sei, noch eine zu fordernde Abwägung in der Beurteilung des Sach- und Streitstandes, losgelöst von den Interessen der Klägerin, erkennen lasse.
In Konsequenz dessen sei die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 ARB zu prüfen. Mit Blick auf eine bereits Ende 2013 eingetretene Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Notar müssten hinreichende Erfolgsaussichten indes verneint werden. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für einen Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 BGB sei der Eintritt eines Schadens, welcher bereits in der notariellen Verpflichtung, den sittenwidrig überhöhten Kaufpreis zu entrichten, liege. Hiervon habe die Klägerin spätestens im Verlaufe des Jahres 2010, als sie vor dem Landgericht Berlin Klage gegen die Verkäuferin erhoben hatte, Kenntnis erlangt.
Gründe für ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns lägen nicht vor, da entgegen der Auffassung der Klägerin keine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vor der Entscheidung des BGH vom 7. Februar 2013 bestanden habe.
Es sei zwar zutreffend, dass bei einer fahrlässigen Verletzung von Amtspflichten der Beginn einer Verjährung die Kenntnis vom Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit voraussetze. Spätestens aber in Ansehung des Schreibens ihres Prozessbevollmächtigten vom 26. Juli 2011 sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Verkäuferin kein Geld mehr habe und deshalb eine Vollstreckung des zuvor erlangten Titels aussichtslos gewesen sei. Auf das spätere Schreiben des Gerichtsvollziehers aus dem Jahr 2013 komme es folglich nicht mehr an.
Ansprüche gegen die E. GmbH & Co.KG stellten hingegen keine anderweitige Ersatzmöglichkeit dar, da die unzureichend begründete Anfechtungsklage von Anfang an ohne jede Erfolgsaussicht gewesen sei.
Ebenso wenig seien Ansprüche gegen die finanzierenden Banken als anderweitige Ersatzmöglichkeit anzusehen, weil es insoweit an Vortrag zu einer Verflechtung der Banken mit der Wohnungsverkäuferin fehle.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren im Wesentlichen unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiter fort.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, wie in erster Instanz begehrt, zu entscheiden, wobei sie ihren Antrag auf Zahlung von 3.971,51 € im mündlichen Termin vom 23. Juni 2016 umgestellt hat und nunmehr ihre Befreiung von einer entsprechenden Vorschussforderung der Rechtsanwälte K. für die außergerichtliche Rechtsverfolgung ihres Schadensersatzanspruches gegen den Notar Dr. B. aus B. geltend macht.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird – unter ergänzender Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien, vor allem, was das Vorbringen der Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 30. Juni 2016 anbelangt, – gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verb. mit § 313a Abs. 1 Satz 2 ZPO und § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.
II.
Die gemäß § 511 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist, was den begehrten Rechtsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen den Notar Dr. B. anbelangt, auch in der Sache begründet (1), bleibt aber wegen der geltend gemachten Zahlung ohne Erfolg (2).
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rechtsschutz für die beabsichtigte Schadensersatzklage gegen den Notar Dr. B. aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtschutzversicherungsvertrag. Auf eine fehlende Erfolgsaussicht dieses Klagebegehrens kann sich die Beklagte nicht erfolgreich berufen. Dies folgt daraus, dass das anwaltliche Schreiben vom 4. März 2015 entgegen der Auffassung des Landgerichts als Stichentscheid aufzufassen ist und ihm für die Beklagte deshalb Bindungswirkung zukommt.
a) Dem Rechtsschutzversicherer ist es nach § 18 Abs. 1 ARB eröffnet, den Rechtsschutz abzulehnen, wenn entweder nach a) sich die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen als mutwillig erweist oder nach b) die rechtliche Wahrnehmung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Prüfungsmaßstab entspricht insofern den für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Voraussetzungen.
Lehnt der Rechtsschutzversicherer aus diesen Gründen Rechtsschutz ab, hat er dies unverzüglich unter Angabe von Gründen dem Versicherungsnehmer mitzuteilen, was hier seitens der Beklagten mit Schreiben vom 26. Februar 2015 geschehen ist.
Für diesen Fall ist es dem Versicherungsnehmer nach § 18 Abs. 2 Satz 1 ARB 2008 eröffnet, eine begründete Stellungnahme eines Rechtsanwaltes darüber beizubringen, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.
Ein solcher anwaltlicher Stichentscheid soll zu einer schnellen, möglichst unkomplizierten, aber auch objektiven Klärung über den streitigen Deckungsschutz führen. Hierbei obliegt es dem befassten Rechtsanwalt, eine hinreichende Aussicht auf Erfolg sowie die Frage einer möglichen Mutwilligkeit der Interessenwahrung von objektiver, möglichst neutraler Warte aus, ähnlich einem Schiedsgutachter (BGH VersR 1990, 414) zu beurteilen. Folglich hat er sich von seiner Rolle als einseitiger Interessenvertreter seines Mandanten zu lösen, mit den Argumenten des Rechtsschutzversicherers aus dem Ablehnungsschreiben auseinanderzusetzen und ein Für und Wider gegeneinander abzuwägen. Hierbei kommt der Länge seiner Stellungnahme eher untergeordnete Bedeutung zu. Das notwendige Maß einer rechtlichen Auseinandersetzung in dem Stichbescheid wird durch die Komplexität des jeweiligen Streitstoffes, aber vor allem auch durch die Einwände des Rechtschutzversicherers in seinem Ablehnungsschreiben bestimmt. Die Stellungnahme muss, entgegen der Auffassung des Landgerichts, nicht als Stichentscheid benannt werden, da die ARB hierzu keine Vorgaben enthält (OLG Hamm VersR 2005, 1280). Ausreichend ist vielmehr, wenn aus der Stellungnahme hervorgeht, dass sie sich als abschließende Reaktion auf die Verneinung der Leistungspflicht und nicht nur als Gegenvorstellung im Rahmen der laufenden Korrespondenz versteht (Armbrüster, in: Prölls/Martin, VVG, 29. Aufl., § 3 a ARB 2010, Rn. 36; OLG Celle, Urteil v. 8. Dezember 2011, Az.: 8 O 148/11, zitiert nach juris, Rn. 40).
Ob nach diesen Grundsätzen das anwaltliche Schreiben vom 4. März 2015 als Stichentscheid aufzufassen ist oder nicht, hat sich nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont der Beklagten als Rechtsschutzversicherer zu entscheiden. Bei isolierter Betrachtung könnte zwar die Diktion des betreffenden Schreibens, vor allem der etwas apodiktisch anmutende Stil gegen die Annahme eines Stichentscheides sprechen, womöglich deshalb, weil das Schreiben eine notwendige Objektivität und ein Abwägen der Argumente des Versicherers vermissen lasse. Ein derartiger Schluss ist hingegen nicht gerechtfertigt. Denn berücksichtigt man, dass das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 26. Februar 2015 die hinreichenden Erfolgsaussichten allein deshalb verneint hatte, weil die Klägerin um die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 2 a), Nr. 2 BeurkG wusste und deshalb die Ansprüche zum 31. Dezember 2011 verjährt seien, bedurfte es in dem Schreiben vom 4. März 2015 keiner besonderen Abwägung mit dieser stark vergröbernden Argumentation des Versicherers. Es lag vielmehr auf der Hand, dass die Beklagte, zumindest bei einem hier naheliegenden fahrlässigen Amtspflichtverstoß, die notwendige Kenntnis vom Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit als Voraussetzung eines Verjährungsbeginns nicht bedacht hatte, womit sich das Schreiben vom 4. März 2015 ausreichend auseinander gesetzt hat. Auch aus Sicht der Beklagten konnte das anwaltliche Schreiben nur als Stichentscheid gemeint sein, wenn man weiter bedenkt, dass darin ausdrücklich auf das vorangegangene Ablehnungsschreiben Bezug genommen wird. Ein nachvollziehbarer Grund, weshalb sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch einmal auf andere Weise als in Gestalt eines Stichentscheides an die Beklagte wenden sollte, bestand nicht. Vor diesem Hintergrund musste auch die Beklagte erkennen, dass sich der Prozessbevollmächtigte als versierter Anwalt mit der Ankündigung am Ende des Schreibens, er werde, falls die Beklagte ihre Auffassung nicht ändere, seiner Mandantin zur Deckungsklage raten, nicht der Möglichkeit der Bindungswirkung eines Stichentscheides begeben und der Klägerin gleich zur Klage raten wollte. Vielmehr zielte die Passage offensichtlich darauf ab, die Beklagte anzuhalten, die Bindungswirkung des in dem Schreiben liegenden Stichentscheids zu beachten.
b) Der anwaltliche Stichentscheid erweist sich für die Beklagte als bindend.
Ein Versicherer kann sich gegenüber einem anwaltlichen Stichentscheid nicht mehr darauf berufen, der beabsichtigten Klage komme keine hinreichende Erfolgsaussicht zu oder sie sei mutwillig. Ihm bleibt nach § 18 Abs. 2 S. 2 ARB lediglich noch der Einwand, der Stichentscheid weiche offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich ab.
Damit ist gemeint, dass die gutachterliche Stellungnahme die Sach- und Rechtslage gröblich oder erheblich verkennt. Offenbar ist eine solche Abweichung aber erst dann, wenn sie sich einem Sachkundigen, sei es auch nach gründlicher Prüfung, mit aller Deutlichkeit aufdrängt. Dies ist indes noch nicht der Fall, wenn der Rechtsanwalt in seiner Stellungnahme von mehreren Rechtsmeinungen eine bloße Mindermeinung vertritt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, oder es sich sonst um eine schwierige Rechtsfrage handelt, die voraussichtlich den Ausgang des beabsichtigten Rechtsstreits entscheidet. Innerhalb dieser Vorgaben muss sich die Stellungnahme allerdings als schlüssig und widerspruchsfrei verhalten.
Beachtung hat ferner zu finden, dass es sich bei dem anwaltlichen Stichentscheid um kein umfassendes Rechtsgutachten handelt. Der Stichentscheid hat lediglich die Aufgabe, sich mit den Ablehnungsgründen des Versicherers auseinander zu setzen und diese gegebenenfalls zu entkräften. Mit weiteren, nicht in dem Ablehnungsschreiben genannten denkbaren Ablehnungsgründen muss sich der Stichbescheid hingegen nicht auseinandersetzen. Vor allem ist es dem Rechtsschutzversicherer verwehrt, nachträglich, etwa im Rahmen einer Deckungsschutzklage, weitere Ablehnungsgründe ins Feld zu führen, um so dem Stichentscheid seine vorgesehene Bindungswirkung zu nehmen. Vielmehr ist er gehalten, alle Ablehnungsgründe bereits in seiner Ablehnungsentscheidung anzuführen (OLG Hamm, Urteil v. 14. Oktober 2011, Az.: 20 U 92/10, zitiert nach juris, Rn. 20 m.w.N.). Ansonsten stände es dem Versicherer unzulässiger Weise offen, eine Klärung seiner Einstandspflicht auf eine spätere Deckungsklage zu verlagern, wodurch der Stichentscheid seiner, in den ARB vorgesehenen Bedeutung beraubt würde, eine schnelle und eindeutige Klärung des umstrittenen Deckungsschutzes herbeizuführen.
Unter Berücksichtigung dessen weicht die Stellungnahme vom 4. März 2015 keineswegs offenbar und erheblich von der wirklichen Sach- und Rechtslage i. S. d. § 18 Abs. 2 S. 2 ARB ab.
Richtigerweise hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem Schreiben darauf abgestellt, dass es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht allein auf die Kenntnis über die nicht eingehaltene Frist des § 17 Abs. 2 a) Nr. 2 BeurkG, sondern für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) mit Blick auf § 839 Abs. 1 S. 2 BGB (hier § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO) auch auf eine andere in Betracht kommende Ersatzmöglichkeit ankomme. So ist anerkannt, dass die Verjährung erst mit der Kenntnis des Klägers beginnt, dass er auf andere Weise keinen Ersatz verlangen kann oder in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger im Prozesswege oder auf andere Weise sich hinreichende Klarheit verschaffen konnte, ob und in welcher Höhe ein anderweitiger Ersatzanspruch gegen einen Dritten zusteht (vgl. BGHZ 121, 65, 71). Weiter wird in dem Stichentscheid ausgeführt, dass als weitere Ersatzmöglichkeit zunächst Schadensersatzansprüche gegen die Verkäuferin in Betracht gekommen seien, die sich erst im Jahre 2013 im Rahmen einer Vollstreckung aufgrund eines Gerichtsvollzieherschreibens als aussichtslos erwiesen hätten. Ferner sei auch in der betriebenen Anfechtungsklage gegen die E. GmbH & KG eine weitere aussichtsreiche Ersatzmöglichkeit zu sehen gewesen. Diese Ausführungen sind rechtlich stringent und bedurften angesichts der kurzen, offenkundig nicht haltbaren Ausführungen der Beklagten in ihrem Ablehnungsschreiben auch keiner weiteren Ergänzungen mehr.
2.
Die geltend gemachten Zahlungs- bzw. Befreiungsansprüche der Klägerin sind hingegen unbegründet.
Nach § 5 Abs. 2 a) ARB kann der Versicherer die Übernahme der vom Versicherer zu tragenden Kosten verlangen, sobald er nachweist, dass er zu deren Zahlung verpflichtet ist. Dieser Anspruch auf Kostenübernahme bedeutet im Ergebnis regelmäßig nur einen Befreiungsanspruch gegen den Versicherer. Allein für den Fall, dass der Versicherungsnehmer bereits selbst den Kostengläubiger befriedigt hat, ist anerkannt, dass sich sein ursprünglicher Befreiungsanspruch in einen direkten Zahlungsanspruch gegen den Versicherer umwandelt (vgl. Armbrüster, in: Prölls/Martin, VVG, ARB 2008, § 5 Rn. 2 m.w.N.). Leistungen an ihren Prozessbevollmächtigten für den erstellten Stichentscheid hat die Klägerin hingegen nicht erbracht, weshalb insoweit ein Zahlungsanspruch bereits ausscheiden muss. Die Frage, ob man einen denkbaren Befreiungsanspruch als ein prozessuales Weniger bezogen auf eine geltend gemachte Zahlung betrachten kann, stellt sich hingegen deshalb nicht, weil Ansprüche der Klägerin auf Befreiung von Verbindlichkeiten ihrer Prozessbevollmächtigten aus folgenden weiteren Gründen ausscheiden:
a) Soweit die Klägerin – vom Senat im mündlichen Termin nachgelassen – in ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2016 vorträgt, einen Auftrag für ein vorprozessuales Vorgehen gegen den Notar bereits Anfang 2015 erteilt zu haben, ohne dass ihr Prozessbevollmächtigter in dieser Hinsicht allerdings schon Tätigkeiten entfaltet hätte, mag dahinstehen, ob angesichts des Zeitablaufes und der hier im Raum stehenden Verjährungsproblematik auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch auf eine derart lang zurückliegende Auftragserteilung abgestellt werden kann oder nicht zumindest eine Bestätigung des ursprünglichen Auftrages durch die Mandantin hätte gefordert werden müssen. Jedenfalls kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein derartiges vorprozessuales Tätigwerden keineswegs noch als erforderlich angesehen werden, weshalb die Beklagte hierfür auch nicht einstandspflichtig ist.
In der Rechtsschutzversicherung hat der Versicherer lediglich die für eine Rechtsverfolgung erforderlichen Leistungen zu erbringen (§ 125 VVG). Hieran fehlt es jedoch für das beabsichtigte vorprozessuale Tätigwerden gegenüber dem Notar Dr. B. . Der Senat bleibt, wie bereits mit den Parteien im mündlichen Termin erörtert, bei seiner Auffassung, dass hier die Erhebung einer Klage gegen den betroffenen Notar als allein sachgerechte Interessenwahrnehmung erachtet werden kann. Anders als die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2016 hierzu ausführt, kommt es bei dieser Beurteilung weniger darauf an, ob sich Notare grundsätzlich einigungsbereit zeigen oder ob der Notar Dr. B. in einem anderen Verfahren – allerdings dort wohl erst in zweiter Instanz – einem Vergleich näher getreten ist. Denn zumindest im vorliegenden Fall erscheint eine einvernehmliche vorprozessuale Einigung über Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht aussichtsreich. Dagegen spricht nicht nur die in Kürze, auch nach Auffassung der Klägerin Ende 2016 eintretende Verjährung von Schadensersatzansprüchen, sondern vor allem der ungewisse Beginn einer Verjährungsfrist nach Maßgabe des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Alle hierfür relevanten Umstände, die eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis vom Fehlen einer anderen Ersatzmöglichkeit begründen könnten, entspringen allein der Sphäre der Klägerin und sind für den in Anspruch genommenen Notar und seinen Haftpflichtversicherer alles andere als transparent und nur äußerst schwierig, was eine Vollständigkeit der Angaben der Klägerin hierzu anbelangt, einschätzbar. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass sich der Notar bzw. sein Haftpflichtversicherer angesichts der lange zurückliegenden Beurkundung aus dem Jahre 2008 vorprozessual auf eine einvernehmliche Einigung einlassen wird.
b) Ein Anspruch wegen der Erstellung des anwaltlichen Stichentscheides scheidet deshalb aus, weil nicht die Klägerin, sondern vielmehr ihr Prozessbevollmächtigter Inhaber einer entsprechenden Forderung gegen die Beklagte ist. In Ansehung der Regelung in § 18 Abs. 2 S. 1 ARB, wonach der Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen kann, einen Stichentscheid abzugeben, sowie unter Berücksichtigung der entsprechenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Ablehnungsschreiben entsprach es aus Sicht aller Beteiligten dem einvernehmlichen Willen, dass nicht die Klägerin die Schuldnerin der Kosten eines Stichentscheids sein, sondern vielmehr dem Anwalt ein direkter Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zukommen sollte. Dabei spielt es keine Rolle, ob man dieses Ergebnis rechtlich auf eine entsprechende Ermächtigung des Versicherungsnehmers, eine Vollmachterteilung seitens des Rechtsschutzversicherers und ein Auftreten des Versicherungsnehmers nach den zugrundeliegenden Umständen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB) in dessen Namen stützt oder aber zur Begründung auf die Grundsätze einer befreienden Schuldübernahme durch den Versicherer abstellt.
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2016 weiter ausführt, der Zahlungsanspruch in Höhe von 1.266,16 Euro werde nicht nur auf den erstellten Stichbescheid, sondern daneben noch auf einen Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB gestützt, weil es angesichts der ablehnenden Haltung der Beklagten notwendig geworden sei, sich vorprozessual um die Erteilung einer Deckungszusage zu bemühen, kann sie damit nicht gehört werden. Derartiges Vorbringen, das in prozessualer Hinsicht auf die Einführung eines neuen Streitgegenstandes und damit auf eine alternative, hier allerdings mangels Angabe einer Prüfungsreihenfolge ohnehin unzulässige (vgl. BGHZ 189, 56 ff.) Klagehäufung hinausliefe, ist der Klägerin vom Senat nicht nachgelassen worden und kann deshalb für eine Entscheidung keine Berücksichtigung mehr finden. Anders, als die Klägerin nunmehr meint, verhält es sich keineswegs so, dass sie bereits in erster Instanz ihr Zahlungsbegehren gleichzeitig auf beide Anspruchsgrundlagen gestützt habe und deshalb ihr Vorbringen nicht als neu anzusehen sei. Das Gegenteil ist der Fall. Nachdem die Klägerin zunächst in der Klageschrift den Anspruch als Schadensersatzbegehren bezeichnet und die Beklagte hierauf mit Schriftsatz vom 8. Juni 2015 (Bl. 25, 26 d. A.) erwidert hatte, ein derartiges Schadensersatzbegehren sei unbegründet, veranlasste dies die Klägerin im Schriftsatz vom 30. Juli 2015 (Bl. 47, 48 d. A.) nunmehr klarzustellen, dass sich der geltend gemachte Anspruch auf den gefertigten Stichentscheid beziehe und auf § 18 Abs. 2 S. 1 ARB gestützt werde. Dafür, dass die Klägerin zudem noch weiter an einem Schadensersatzanspruch festhalten wollte, ist danach nichts ersichtlich. Anlass zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung nach den §§ 525 Satz 1, 296a Satz 2, 156 ZPO bietet das prozessual neue und damit nach § 296a Satz 1 ZPO unberücksichtigt zu lassende Vorbringen nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils entspricht den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert war entsprechend den §§ 63 Abs. 2 S. 1, 45 Abs. 2, 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. den §§ 3, 6 S. 1 ZPO auf insgesamt 18.257,98 Euro festzusetzen, wobei hiervon 14.286,47 Euro auf den Feststellungs- und 3.971,51 Euro auf den Zahlungsantrag entfallen.
Wie der Senat auf die Streitwertbeschwerde des Klägervertreters bereits mit Beschluss vom 1. April 2016 ausgeführt hat, kommt dem Zahlungsbegehren in Höhe von 1.266,16 Euro keine werterhöhende Bedeutung zu, da es sich bei den Kosten des Stichentscheids um Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung handelte (§ 43 Abs. 1 GKG). Ausgehend von den voraussichtlichen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Notar Dr. B. (17.848,09 Euro) war für den Feststellungsantrag ein üblicher Abschlag von 20 v. H. vorzunehmen (vgl. BGH, MDR 2008, 829).
Da das Landgericht bei seiner Kostenfestsetzung diesen Abschlag für den Feststellungsantrag unberücksichtigt gelassen hat, ist der Wert für die erste Instanz vom Senat entsprechend § 63 Abs. 3 S. 1 GKG korrigiert worden.