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Kfz-Kaskoversicherung – Vorliegen eines fingierten Verkehrsunfalls

LG Itzehoe – Az.: 3 O 64/11 – Urteil vom 09.08.2012

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.569,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. April 2011 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 9.569,47 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem beklagten Versicherungsverein a.G. Leistungen aus einer Kfz-Vollkaskoversicherung.

Der Kläger unterhält bei dem Beklagten für das Fahrzeug Mercedes Benz XXX eine Kfz- Vollkaskoversicherung. Am 21. September 2010 gegen 20.30 Uhr befuhr er nach seinem Vortrag mit dem vorgenannten Fahrzeug in P., aus der Innenstadt kommend, den Z. und wollte die S., die von rechts in den Z. einmündet, überqueren. Dabei übersah er nach seiner Behauptung den von dem Zeugen M. Ö. gefahrenen PKW BMW XXX, der von rechts, aus der S. kommend, in den Z. entgegen der Fahrtrichtung des Klägers abbiegen wollte. Eine Vorfahrtsregelung durch Verkehrszeichen besteht nicht. Es entstand am Fahrzeug des Klägers – unstreitig – ein Schaden in Höhe von 9.569,47 € ohne MwSt.

Kfz-Kaskoversicherung - Vorliegen eines fingierten Verkehrsunfalls
Symbolfoto: Von Indypendenz /Shutterstock.com

Der Beklagte beruft sich auf seine fehlende Einstandspflicht, da es sich nach seiner Auffassung bei dem behaupteten Unfall um einen „fingierten“ Verkehrsunfall handeln soll.

Der Kläger macht geltend, er habe am Unfalltag zur Unfallzeit mit seinem Mercedes in P., aus der Innenstadt kommend, den Z. befahren und habe die vorfahrtsberechtigte S. überqueren wollen. Dabei habe er trotz angemessener Geschwindigkeit den BMW des Zeugen Ö., welcher von rechts kommend in den Z. habe einbiegen wollen, übersehen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 9.569,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. April 2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, es handele sich bei dem behaupteten Schadensereignis um ein fingiertes und damit nicht versicherungspflichtiges Unfallereignis. Dies ergebe sich aus nachstehenden Indizien:

– Der Unfall habe sich in den späten Abendstunden in einem kaum frequentierten Gebiet ohne neutrale Zeugen ereignet.

– Es sei ein erheblicher Sachschaden an Fahrzeugen der Oberklasse entstanden.

– Die Unfallschilderung der Unfallbeteiligten lasse sich anhand der festgestellten örtlichen Begebenheiten nicht nachvollziehen, da es sich bei dem Einmündungsbereich um einen weit einsehbaren Kreuzungsbereich handele.

– Die Beschädigungen am Fahrzeug des Zeugen Ö. ohne Streifspuren würden nur den Schluss zulassen, dass das Fahrzeug des Klägers im 90°-Winkel auf das im Einmündungsreich befindliche Fahrzeug des Zeugen Ö. aufgefahren sei.

– Die Unfallbeteiligten hätten die Polizei nicht hinzugezogen.

– Die Unfallbeteiligten hätten sich gekannt.

– Der Kläger habe noch an der Unfallstelle seine Alleinschuld eingestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in den Akten befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

In einem vor dem Landgericht Itzehoe zum Az.: 10 O 153/10 anhängig gewesenen Rechtsstreit hat der Zeuge M. Ö. den Kläger und den Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits auf Schadensersatz und Zahlung eines angemessenen Schadensgeldes in Anspruch genommen. In jenem Rechtsstreit hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2011 die dortigen Parteien persönlich angehört und den Zeugen T. zum Hergang des Verkehrsunfalls vernommen. Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses der Parteianhörung  und  der  Beweisaufnahme  wird  auf  die  Sitzungsniederschrift  vom 20.April 2011 (Bl. 90 bis 100 d.A.) Bezug genommen. Zu dem im Beweisbeschluss vom 18.Mai 2011 (Bl. 124 f. d.A.) genannten Beweisthema hat das Gericht ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. W. eingeholt. Dieser hat zusammen mit dem Sachverständigen Dipl.-Ing. R. F. unter dem 21. Oktober 2011 ein schriftliches Gutachten erstattet. Es befindet sich nebst Nachtrag als Bl. 177 d.A. im Aktendeckel. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2012 hat der Sachverständige W. sein schriftliches Gutachten mündlich erläutert. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Februar 2012 (Bl. 159 bis 164 d.A.) Bezug genommen. Mit am 21. März 2012 verkündetem Urteil hat das Gericht in dem vor dem Landgericht Itzehoe zum Az.: 10 O 153/10 anhängigen Rechtsstreit der Klage überwiegend stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 165 bis 175 d.A. Bezug genommen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2012 im vorliegenden Rechtsstreit beschlossen, dass das in dem vor dem Landgericht Itzehoe zum Az.: 10 O 153/10 geführten Rechtsstreit eingeholte schriftliche Gutachten der Sachverständigen W. und F. vom 21. Oktober 2011 gemäß § 411 a ZPO verwertet werden soll. Weiterhin hat das Gericht hat den Kläger persönlich angehört und zu dem in der Verfügung vom 30. März 2012 (Bl. 152 d.A.) genannten Beweisthema den Zeugen M. Ö. vernommen. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung des Klägers und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. Juli 2012 (Bl. 178 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus der zwischen den Parteien bestehenden Kfz- Vollkaskoversicherung ein Anspruch auf Zahlung von 9.569,47 € zu.

Der Beklagte hat den ihm obliegenden Beweis, dass es sich bei dem von dem Kläger behaupteten Schadensereignis um einen fingierten Verkehrsunfall gehandelt habe, nicht erbracht. Indizien, die bei isolierter Betrachtung für einen manipulierten Unfall sprechen können, sind durch entgegenstehende andere Umstände im Rahmen einer Gesamtwürdigung derart entkräftet, dass ein fingierter Unfall nicht erheblich wahrscheinlich erscheint.

Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es zu einem Zusammenstoß der Fahrzeuge des Klägers und des Zeugen Ö. gekommen ist. Der Kläger und der Zeuge Ö. haben den Zusammenprall beider Fahrzeuge übereinstimmend nachvollziehbar geschildert. Der Zusammenstoß ergibt sich auch aus den Angaben des Sachverständigen W.. Dessen Gutachten hat das Gericht gem. § 411 a ZPO verwertet. Dieser kommt durch eine Bildüberlagerung zu dem Ergebnis, dass die an dem BMW erkennbaren direkten Anstoßspuren zu dem Aufbau des Mercedes passen. Die Prallspuren an der Stoßfängerfront des Mercedes passen weiterhin zu dem vorhandenen Abdruck am Rad des BMW.

Steht ein Zusammenprall der beteiligten Fahrzeuge fest, trifft den in Anspruch genommenen Versicherer die Beweislast dafür, dass der Geschädigte in die Beschädigung des Fahrzeugs eingewilligt hat, also ein fingierter Unfall vorliegt. Für einen solchen Nachweis reicht es in der Regel aus, dass der Versicherer derart gewichtige Indizien vorbringt und ggfs. beweist, die bei einer Gesamtschau den Schluss auf eine Unfallmanipulation zulassen. Hierfür ist der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit notwendig und keine wissenschaftlich lückenlose Gewissheit. Die Rechtsprechung hat dazu typische, für eine Unfallmanipulation sprechende Anzeichen entwickelt, die es allerdings im konkreten Einzelheit in einer Gesamtschau zu gewichten und würdigen gilt. Von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit eines fingierten Unfalls kann im vorliegenden Fall nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht ausgegangen werden. Es liegen zwar einige Umstände vor, die bei isolierter Betrachtung durchaus auf einen fingierten Unfall hindeuten. So fand etwa der Unfall in der Dämmerung an einer eher abgelegenen Stelle und ohne neutrale Zeugen statt. Bei den unfallbeteiligten Fahrzeugen handelt es sich weiter um PKWs der Oberklasse. Die Polizei ist zu dem Unfallgeschehen nicht hinzugezogen worden. Es liegt ein grober Fahrverstoß des Klägers vor. Die Unfallstelle war gut einsehbar. Bremsspuren oder Ausweichbewegungen beider Fahrzeuge lassen sich nicht feststellen.

Weitere Umstände, die auf einen fingierten Unfall hindeuten würden, stehen freilich nicht fest. Es kann nicht von einer fehlenden Plausibilität des geschilderten Unfallhergangs ausgegangen werden. Der Zeuge Ö. hat bei seiner Vernehmung bekundet, er sei nicht in den Einmündungsbereich hereingefahren, er sei herangerollt. Auch der Sachverständige W. hat in seinem Gutachten nicht mit Sicherheit feststellen können, ob das Fahrzeug des Zeugen Ö. zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes gestanden hat. Es könne – so der Sachverständige – sein, dass der BMW sich zum Zeitpunkt des Zusammenpralls mit einer Geschwindigkeit von bis zu 5 km/h und damit mit Kriechgeschwindigkeit, fortbewegt habe. Die  Bekundungen  des  Zeugen  Ö.  lassen  sich  damit  in  Einklang  bringen.  Der Sachverständige W. hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2012 in dem vor dem Landgericht Itzehoe zum Az.: 10 O 153/10 anhängig gewesen Rechtsstreit klargestellt, dass die von ihm gefundenen „Ratterspuren“ sowohl bei einem stehenden als auch bei einem sich mit Kriechgeschwindigkeit bewegenden Fahrzeug entstehen können. Eine andere Entscheidung rechtfertigt sich auch nicht daraus, dass dem Sachverständigen der Stoßfänger nicht zur Begutachtung zur Verfügung gestanden hat. Denn der Sachverständige hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2012 nachvollziehbar erläutert, dass allein die Kontaktspuren ausreichend gewesen seien, um die Geschwindigkeit des BMW beurteilen zu können. Eine fehlende Plausibilität des behaupteten Zusammenpralls ergibt sich auch nicht daraus, dass der Sachverständige in seinem Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass eine ungewöhnliche Kontaktposition des BMW im Einmündungsbereich festgestellt worden ist. Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass der Anstoßwinkel mit etwa 75° relativ groß gewesen sei und anhand dessen geschlossen werden könne, dass sich der BMW in einem wesentlich steileren Winkel als üblicherweise bei einem Einbiegevorgang zu erwarten wäre, in der Einmündung befunden habe. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2012 hat der Sachverständige dazu aber klargestellt, dass diese Angabe zu relativieren sei, da keinerlei Spuren vorhanden seien, wo die Fahrzeuge tatsächlich nach dem Unfall gestanden hätten bzw. wo sie tatsächlich gegeneinander gestoßen seien. Ohne derartige Spuren könne – so der Sachverständige weiter – aber nicht gesagt werden, wo genau der Unfall stattgefunden habe,  so  dass  die  von  ihm  gefertigten  Skizzen  nicht  abschließend  seien.  Der Sachverständige fährt fort, dass es auch möglich gewesen sei, dass die Fahrzeuge tatsächlich etwa anders gestanden hätten. Den Rückschluss, der BMW sei so weit in die Einmündung eingefahren, dass er die Kurvenbewegung nach links gar nicht hätte ausführen können, hat der Sachverständige nicht ziehen können. Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass die Unfallbeteiligten sich vor dem Unfall gekannt hatten. Zu berücksichtigen ist überdies, dass es zu einem seitlichen Anstoß an der Fahrerseite des Fahrzeugs des Zeugen Ö. kam. Ein derartiger Zusammenstoß ist mit nicht unerheblichen Gefahren für die Insassen verbunden und für ein inszeniertes Unfallgeschehen eher ungewöhnlich. Dies bedeutet für die Beteiligten regelmäßig auch ein gegenüber anderen Unfallkonstellationen deutlich erhöhtes Verletzungsrisiko. Keines der unfallbeteiligten Fahrzeuge wies schließlich einen erheblich nicht fachgerecht instandgesetzten Vorschaden auf. Es handelt sich auch nicht um wertlose Kraftfahrzeuge. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung verbleiben daher Zweifel, die keinen zuverlässigen Schluss auf eine behauptete Unfallmanipulation zulassen. Nach alledem ist dem Beklagten der ihm obliegende Beweis einer Unfallabsprache nicht gelungen. Der Klage ist daher stattzugeben.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

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