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Bemessung des Streitwerts einer Deckungsschutzklage

OLG Dresden – Az.: 4 W 896/19 – Beschluss vom 18.12.2019

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 2.7.2019 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses 28.10.2019 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Höhe des Streitwerts einer Deckungsschutzklage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die … im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Skandal. Die Beklagte hat nach Rechtshängigkeit die begehrte Deckungszusage abgegeben. Das Landgericht hat zunächst Sachverständigenkosten in Höhe von 6000,- € und eine Einigungsgebühr bei der Bemessung des Streitwerts einbezogen; auf die Beschwerde der Beklagten hat es den Streitwert ohne diese Positionen, allerdings unter Ansatz einer vollen 1,3-Verfahrensgebühr auf 5.561,70 € festgesetzt. Die Beschwerde wendet sich nunmehr nur noch gegen den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.

II.

Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend auch beim Kläger eine 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 1125,60 € zzgl. Umsatzsteuer angesetzt. Die Auffassung der Beklagten, weil sie Deckungsschutz für eine außergerichtliche 1,3 Geschäftsgebühr bewilligt und einen Betrag in Höhe von 1.474,89 € geleistet habe, sei die Verfahrensgebühr auch bei der Berechnung des Streitwerts der Deckungsklage nur mit 0,65 zu berücksichtigen, trifft nicht zu. Zwar sind im Verfahren die Gebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV teilweise auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Diese Anrechnungsbestimmung hat – wie sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergibt (vgl. dazu BeckOK-RVG/v. Seltmann, 45. Ed., § 15a Rn. 5; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 15a Rn. 9) – indes auf die Entstehung beider Gebühren dem Grunde nach, die allein für die Berechnung des Streitwerts einer Deckungsschutzklage maßgeblich ist, keinen Einfluss. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte ausweislich des von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreibens vom 19.11.2018 die von ihr ermittelte Geschäftsgebühr bereits vorprozessual ausgeglichen hat. Zwar könnte sie sich deswegen nach § 15a Abs. 2 RVG in der Kostenfestsetzung auf die im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten notwendige Anrechnung berufen, wenn ihr gegenüber beide Gebühren geltend gemacht würden. Dies würde jedoch lediglich dazu führen, dass die an sich entstandene Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung der Geschäftsgebühr erlischt.

Für eine Berücksichtigung der vom Kläger mit 6000,- € angesetzten Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen, die im Beschwerdeverfahren als reformatio in peius auch von Amts wegen möglich ist (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2009 – I-24 W 13/09 –, juris), sieht der Senat keine Veranlassung. Im Ausgangspunkt gehen beide Parteien zutreffend davon aus, dass sich der Streitwert einer Deckungsschutzklage gegen die Rechtsschutzversicherung gem. § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG regelmäßig nach den voraussichtlichen Kosten richtet, die durch die gerichtliche oder außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehen und deren Übernahme er verlangt, abzüglich eines zwanzigprozentigen Feststellungsabschlags (so BGH, Beschl. v. 08.03.2006 – IV ZB 19/05, Rn. 5, juris ebenso Beschl. v. 26.10.2011 – IV ZR 141/10, Rn. 4, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2019 – 11 W 24/19 –, juris; vgl. ferner Bauer, NJW 2015, 1329, 1332; Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort Rechtsschutzversicherung). Ob und gegebenenfalls inwieweit dabei, wenn es um die Deckungszusage für eine gerichtliche Auseinandersetzung geht, neben den Gebühren für die Rechtsanwälte beider Parteien (zuzüglich Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleitungen sowie für die Mehrwertsteuer) und den Gerichtsgebühren gerichtliche Auslagen für Zeugen und Sachverständige gemäß dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu berücksichtigen sind, ist umstritten. Laut einer Auffassung sollen diese generell unberücksichtigt bleiben (Harbauer/Schneider, RSV, 9. Aufl., ARB 2010 § 20 Rn. 13, vgl. ferner die Nachweise bei OLG Brandenburg aaO). Die Gegenmeinung stellt darauf ab, ob die Auslagen, speziell Sachverständigenkosten, im Ergebnis einer vom Gericht der Deckungsklage vorzunehmenden Einzelfallprognose in dem Prozess, für den der Versicherungsnehmer den Rechtsschutz verlangt (Folgeprozess), mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (so insb. OLG München, Beschl. v. 08.02.2018 – 14 U 2688/17, Rn. 10 – juris; OLG Brandenburg aaO). Andere Gerichts stellen bei der Prognose nicht auf den konkreten Folgeprozess, sondern auf die Abwicklung vergleichbarer Prozesse in der Vergangenheit ab (so die von der Beklagten übersandten nicht veröffentlichten Entscheidungen OLG Jena 8.8.2014 – 4 W 297/19; LG Bonn vom 25.7.2019 – 10 O 128/19; LG Ellwangen vom 9.5.2019 – 3 O 89/19; LG Stuttgart vom 3.4.2019 – 18 O 85/19). Der Senat ist mit den OLGen München und Brandenburg der Auffassung, dass Sachverständigenkosten nach Maßgabe einer Einzelfallprognose bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen sind. Die pauschale Außerachtlassung ohne Berücksichtigung des im Einzelfall anstehenden Rechtsstreits, für den Deckungsschutz verlangt wird, ist mit wesentlichen Prinzipien des Gebührenrechts, namentlich dem Angreiferinteresseprinzip (vgl. dazu insb. MüKoZPO-Wöstmann, 5. Aufl. 2016, ZPO § 3 Rn. 5 und 10; Zöller-Herget, aaO, § 3 Rn. 2; OLG Brandenburg aaO) nicht zu vereinbaren. Sachverständigenkosten, die eine nicht unerhebliche Höhe erreichen können, müssen vielmehr einbezogen werden, sofern sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Ob dies in den sog. …-Verfahren der Fall ist, kann aber wegen der Fülle der auch hier möglichen Sachverhaltskonstellationen nicht pauschal bejaht oder verneint werden. Dem Gericht, bei dem der Deckungsprozess anhängig ist, kommt insoweit ein Prognosespielraum zu, der vom Beschwerdegericht nur auf Plausibilität zu überprüfen ist. Vorliegend hat das Landgericht beanstandungsfrei auf seine Erfahrungen mit den dort eingegangenen Verfahren Bezug genommen und hat auf dieser Grundlage die Prognose abgegeben, dass auch im konkreten Fall die Beauftragung eines Sachverständigen nicht erforderlich sein werde. Der Kläger ist dem nicht entgegen getreten, sondern hat mit Schriftsatz vom 22.11.2019 die Einschätzung vertreten, weil der …-Konzern „seine Vergleichspraxis geändert“ habe, sei auch im konkreten Verfahren eine Einigung ohne vorweggenommene Beweisaufnahme zu erwarten.

Eine Einigungsgebühr war gleichwohl nicht zugrunde zu legen. Auch nach Kenntnis des Senats ist in den …-Verfahren eine Einigungsbereitschaft in erster Instanz nicht zu erwarten, Vergleiche werden vielmehr – wenn überhaupt – erst in der Berufungsinstanz geschlossen. Eine „Änderung der Vergleichspraxis“ von …, die im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen wäre, kann auch dem vom Kläger vorgelegten Artikel aus dem „Tagesspiegel vom 19.11.2019“ nicht entnommen werden. Da der Streitwert für die Deckungsschutzzusage grundsätzlich nur instanzweise erteilt wird (arg. § 3a Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 ARB 2010; vgl. BGH, Beschl. v. 02.05.1990 – IV ZR 294/89, Rn. 2, juris) kann aber eine erst im Berufungsverfahren zu erwartende Einigungsbereitschaft nicht in die Wahrscheinlichkeitsprognose für die Streitwertbemessung erster Instanz einbezogen werden. Dies hat auch das Landgericht seiner für das Folgeverfahren maßgeblichen Prognose zugrunde gelegt.

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten der Parteien werden nicht erstattet (68 Abs. 3 GKG).

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