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Rechtsschutzversicherung – Risikoausschluss nichteheliche Lebensgemeinschaft

LG Frankenthal – Az.: 3 O 252/19 – Urteil vom 15.04.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Ausweislich des Versicherungsscheines vom 18.10.2018 besteht zwischen den Parteien auf der Grundlage der …-ARB 2014, Stand 01.01.2016, eine Privat- Berufs- und Verkehrsrechtsschutzversicherung für nicht Selbstständige unter der Versicherungsscheinnummer …-8.

In den trotz mehrfacher Anforderungen von der Klägerin nicht vorgelegten Versicherungsbedingungen heißt es nach dem Beklagtenvortrag in Ziff. 3.2.21 unstreitig: „In folgenden Fällen haben sie keinen Versicherungsschutz: 3.2.21. Streitigkeiten in ursächlichem Zusammenhang mit nicht ehelichen oder nicht eingetragenen Lebenspartnerschaften. Dies gilt auch, wenn die Partnerschaft beendet ist.“

Der Klägervertreter wendete sich mit Anwaltsschreiben vom 16.07.2019 (Bl. 33 ff. d. A.) an die Beklagte und teilte u.a. mit: „Meine Mandantin lebte mit Herr A in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft. Es handelte sich um eine derart verfestigte Beziehung, dass meine Auftraggeberin eine Ehe mit diesem Herrn anstrebte… Nachdem sich die Beziehung verfestigt hatte, zog Herr A zu meiner Mandantin. Er erklärte ihr, dass er sein Anwesen veräußern und ein neues Anwesen für die gemeinsame Zukunft erwerben werde.“

Mit Schreiben vom 26.09.2019 (Bl. 43 ff. d. A.) erklärt der Prozessbevollmächtigte gegenüber der Beklagten dass es sich doch nicht um eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft handeln würde: „Eine Rücksprache mit meiner Mandantin hat ergeben, dass meine Mandantin Herrn A im November 2018 kennengelernt hatte und mit diesem sieben Monate liiert war. Er zog zu meiner Auftraggeberin, weil er sein Haus verkauft hätte und sein neues Haus noch nicht bezugsfertig sei, so seine Begründung. Aus diesem Grunde sei er zu Frau Klägerin und deren Eltern bis zu seiner Verhaftung gezogen. Die Parteien hatten getrennte Kassen. Entgegen meinem Vortrag war kein Verlöbnis angedacht. Meine Wertung, es habe eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft vorgelegen ist daher falsch“.

Die Klägerin trägt vor, dass sie mit Herr A in einer Beziehung zusammen gewesen wäre. Sie seien seit 7 Monaten liiert gewesen. Herr A sei zur Klägerin mit der Begründung gezogen, dass sein altes Haus verkauft und sein neues Haus noch nicht bezugsfertig gewesen wäre. Beim Einzug hätte er ihr erklärt, ein neues Anwesen für die gemeinsame Zukunft erwerben zu wollen. Herr A habe über die B GmbH in Berlin im Namen der Klägerin einen Darlehensvertrag über 15.000,00 € zzgl. Kosten über 2.947,20 € mithin insgesamt 20.721,20 € abgeschlossen und dabei die Unterschrift der Klägerin gefälscht. In diesem Zusammenhang habe er der Klägerin erklärt, er hätte einen Betrag von 15.000,00 € auf ihr Konto überwiesen. Die Klägerin hob darauf folgend 15.000,00 € von ihrem Konto ab und übergab diesen Betrag an Herr A. Sie fuhren gemeinsam in die Str. in Neustadt in die Nähe eines Notariats und Herr A bat die Klägerin, im Auto zu warten, da er selbst das Geld dem Notar geben wollte.

Darüber hinaus habe es eine weitere Kreditzusage derselben Gesellschaft über 5.000,00 € zzgl. Kosten in Höhe von 1.158,87 € gegeben. Auch hinsichtlich der weiteren 5.000,00 € habe Herr A der Klägerin erklärt, dass das Geld auf ihr Konto überwiesen werde. Die weiteren auf das Konto der Klägerin überwiesenen Beträge in Höhe von 10.000,00 € habe diese dafür genutzt, Verbindlichkeiten des Herr A zu decken.

Herr A sei zwischenzeitlich wegen mehrfachen Betruges verurteilt und inhaftiert worden.

Die Klägerin beantragt: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die klageweise Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Herr A, geb. am …, zur Zeit wohnhaft in der JVA Frankenthal, L. Str. …, … F. bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag Vers.Nr, … bezüglich folgenden Lebenssachverhaltes zu gewähren: Abschluss zweier Kreditverträge mit der B GmbH Berlin (Nr.: … durch Herr A im Namen der Klägerin ohne deren Kenntnis durch Fälschung der Unterschrift der Klägerin über einen Darlehensvertrag über 15.000,00 € zzgl. sonstiger Kosten über 2.947,20 €, mithin gesamt 20.721,20 € sowie einen weiteren Darlehensbetrag über 5.000,00 € nebst Kosten über 1.158,87 € gesamt 6.158,87 € (Auftragsnr.: …), sowie Auszahlung der Darlehensbeträge auf das Konto der Klägerin, Auszahlung dieser an Herrn A durch die Klägerin.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, dass der Rechtsschutzfall durch die Klägerin bereits nicht hinreichend beschrieben worden wäre.

Die in der Klageschrift erfolgte Bezifferung, dass sich aus der Darlehensvaluta in Höhe von 15.000,00 € zzgl. Kosten in Höhe von 2.147,20 € ein Betrag in Höhe von 20.721,20 € ergebe, sei nicht zutreffend.

Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die Klägerin mit Herr A in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt hätte. Dies ergebe sich insbesondere aus dem ersten Schreiben des Prozessbevollmächtigten. Den Sachverhalt aus dem ersten Schreiben werde sich der Klägervertreter nicht ausgedacht haben.

Die Beantragung der beiden behaupteten Darlehen durch Herr A werde mit Nichtwissen bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die Gerichtsakte Bezug genommen. Am 26.03.20 ist ein weiterer Schriftsatz der Klägerin ohne Bewilligung eines Schriftsatznachlasses zur Gerichtsakte gelangt, der eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht rechtfertigt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Entsprechend dem Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung besteht ein Anspruch der Klägerin nicht. Versicherungsschutz ist gemäß Ziffer 3.2.21 ARB 2014 ausgeschlossen, da die Streitigkeit für welche Rechtsschutz begehrt wird, im Zusammenhang mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steht.

1. Bedenken gegen die Wirksamkeit der vertraglichen Regelung bestehen nicht. Soweit der Klägervertreter auf die Entscheidung des OLG Köln hinweist und daraus eine Unwirksamkeit der Vertragsregelung herleiten will, überzeugt dieser Einwand nicht. Die dortige Entscheidung bezog sich auf gänzlich andere Versicherungsbedingungen und anlässlich dieser Entscheidung wurden vor Abschluss des hiesigen Vertrages die Bedingungen auch für den vorliegenden Vertrag dergestalt formuliert, dass sowohl die nicht eheliche, als auch die nicht eingetragene Lebenspartnerschaft ausdrücklich aufgeführt wurde (Harbauer/Maier, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 3 Rn. 183).

2. Die Streitigkeit für welche Rechtsschutz begehrt wird, beruht vorliegend auf einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne der genannten Regelung.

Unter dem Begriff der (nichtehelichen) Lebensgemeinschaft wird eine Verantwortungsgemeinschaft zwischen zwei Partnern verstanden, die über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. In diesem Sinn wird dieser Begriff auch vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer aufgefasst (Harbauer/Maier, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 3 Rn. 184). Wie der Klägervertreter zu der abweichenden Auffassung gelangt, dass das gemeinsame Wirtschaften im Vordergrund stehen müsse, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, nachdem dies nicht der anerkannten Begriffsbestimmung entspricht.

Selbst nach dem Klagevortrag ist vorliegend von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auszugehen. Die Klägerin selbst trägt vor, sie habe mit Herrn A in einer Beziehung zusammen gelebt. Die Klägerin war hiernach mit ihm seit 7 Monaten liiert. Er zog zur Klägerin mit der Begründung, dass er sein altes Haus verkauft und sein neues Haus noch nicht bezugsfertig wäre. Beim Einzug hatte er ihr erklärt, ein neues Anwesen für die gemeinsame Zukunft erwerben zu wollen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie auch beabsichtigte mit in das neue Haus einzuziehen. Sie wäre sogar im Notartermin zugegen gewesen.

Darüber hinaus hat Herr A der Klägerin während der Beziehung zweimal erklärt, dass er einen größeren Geldbetrag auf ihr Konto habe überweisen lassen und lies sich den ersten Betrag vollständig und den zweiten zu großen Teilen von ihr auszahlen.

Darüber hinaus hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ergänzt, dass sie gemeinsam Möbel für das neue Haus in einem Möbelhaus ausgesucht hätte, die Herr A bezahlen wollte. Sie habe ihm auch einmal ihre Kontokarte samt Pinnummer ausgehändigt.

Insbesondere die Tatsache, dass Herr A das neue Haus für eine gemeinsame Zukunft erwerben wollte und die Klägerin hiermit einverstanden war, zeigt, dass die Beziehung über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausging. Darüber hinaus haben sich die beiden Partner nach dem Ergebnis der informatorischen Anhörung vor dem Zusammenziehen im Anwesen der Eltern der Klägerin alle zwei Tage und auch Nachts gesehen und sind dabei teilweise auch intim geworden. Darüber hinaus sprechen die beiden Einzahlungen auf das Konto der Klägerin und deren Bereitschaft das Geld an Herrn A auszuzahlen dafür, dass es sich bei der Beziehung um mehr als eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft handelte. Insofern kann die Kammer nichts erkennen, was die Beziehung der beiden Partner, die letztlich auch noch bei den Eltern der Klägerin im Haus in einem Zimmer lebten, dem typischen Zusammenleben in einer Ehe noch mehr annähern könnte, als der von der Klägerin geschilderte Beziehungsalltag.

Die Tatsache, dass nach dem Klagevortrag Herr A das Verhältnis möglicherweise nicht derart gewollt hat, wie es sein Verhalten glauben ließ, steht dem nicht entgegen. Vergleichbar einem Heiratsschwindler bei der zu einem Verlöbnis führenden Erklärung ist analog § 116 BGB von einer Verantwortungsgemeinschaft auszugehen, auch wenn Herr A naheliegenderweise eine Verantwortung nicht übernehmen wollte. Der geheime, dem anderen unbekannte Vorbehalt (etwa des Heiratsschwindlers) lässt entsprechend § 116 BGB die Wirksamkeit der Erklärung unberührt (BeckOK BGB/Hahn, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 1297 Rn. 11).

Nach all dem kann dahinstehen, dass die Klägerin außergerichtlich zunächst selbst durch ihren Prozessbevollmächtigten angegeben hat, dass es sich um eine eheähnliche Gemeinschaft gehandelt hätte.

Ohne dass es darauf ankommt, weist die Kammer darauf hin, dass der Vortrag des Klägervertreters im nicht nachgelassenen Schriftsatz, dass im Zeitpunkt der „relevanten Tathandlungen“ (Bl. 91 d.A.) die Klägerin und Herr A noch nicht bei den Eltern zusammengelebt hätte, im besten Fall erneut auf einem Informationsversehen beruht.

Ein Schriftsatznachlass ist lediglich für eine Konkretisierung der Berechnung des Schadens beantragt worden, wobei eine Plausibilisierung der von der Beklagten monierten Berechnung trotz gerichtlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt ist. Entsprechend war noch nicht einmal über einen Schriftsatznachlass zu den „relevanten Tathandlungen“ zu entscheiden, nachdem ein solcher nicht beantragt worden ist.

Darüber hinaus ist dieser neue Vortrag denklogisch unrichtig. Die Klägerin selbst hat angegeben, dass Herr A Mitte März ins Hotel gezogen wäre und dort vier bis fünf Wochen gewohnt hätte, bevor er zu ihr in das Haus ihrer Eltern gezogen sei, so dass davon ausgegangen werden muss, dass er jedenfalls Ende April im Anwesen der Eltern mit der Klägerin zusammen lebte. Ausweislich der Klageschrift hat Herr A die Gutschrift des ersten Betrages am 10.05.2019, mithin nach seinem Einzug zur Kenntnis genommen, so dass jedenfalls die Auszahlung des Betrages nach dem Einzug bei der Klägerin gelegen haben muss.

3. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang mit der Lebensgemeinschaft ist auch gegeben. Dies ist dann zu bejahen, wenn ein qualifizierter, am Zweck des Ausschlusses ausgerichteter Zusammenhang besteht. Dieser fehlt insbesondere, wenn Gegenstand des Streites eine infolge der Lebensgemeinschaft zustande gekommene Rechtsbeziehung ist, wie sie auch zwischen einander fremden Personen besteht (z. B. ein Gesamtschuldnerausgleich aus einem Darlehen, das zur Gründung eines Betriebs aufgenommen wurde oder ein Arbeitsverhältnis) (Harbauer/Maier, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 3 Rn. 184).

Dies ist vorliegend anzunehmen. Allein die Tatsache, dass Herr A Geld auf das Konto der Klägerin hat transferieren lassen, setzt ein enges Verhältnis der beteiligen Personen voraus. Dies gilt unabhängig davon, ob man den nach dem Klägervortrag tatsächlichen oder den von Herrn A der Klägerin geschilderten Sachverhalt annimmt. In beiden Varianten war aus Sicht des Herrn A ein Vertrauensverhältnis zur Klägerin erforderlich um an die dem Konto zugebuchten Beträge zu gelangen.

Ein Zusammenhang ergibt sich auch daraus, dass der erste Zahlungseingang von der Klägerin an Herrn A nach ihrer Einlassung im Termin ausgezahlt wurde, um die Notarkosten zu begleichen und der zweite Betrag teilweise dafür verwendet wurde, um Lastschriften auf dem Konto der Klägerin auszugleichen.

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird innerhalb der Gebührenstufe bis 22.000 € festgesetzt. Der Streitwert der Klage auf Feststellung der Deckung bemisst sich nach dem voraussichtlichen, durch die gerichtliche und außergerichtliche Wahrnehmung der Interessen des VersNehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20% (BGH, Beschluß vom 8. 3. 2006 – IV ZB 19/05, r + s 2006, 328, beck-online).

 

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