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Kfz-Vollkaskoversicherung – Leistungskürzung auf null bei Alkoholfahrt mit mindestens 1,98 Promille

KG Berlin – Az.: 6 U 39/21 – Beschluss vom 03.05.2022

Der Senat hat nunmehr über die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 4. März 2021 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten, mit der er durch einen Versicherungsvertrag verbunden ist, der auch Vollkaskoschutz beinhaltet, die vereinbarte Versicherungsleistung in Höhe der Kosten für die Beseitigung eines Unfallschadens am versicherten Fahrzeug Porsche 911 Carrera 3.4 mit dem amtlichen Kennzeichen …, den er am 12. August 2018 in München an dem Fahrzeug verursachte, als er bei einer Fahrt unter Alkoholeinfluss von zumindest 1,98 Promille von der Fahrbahn abkam und mit dem Haus auf dem Grundstück E.straße … kollidierte. Die Beklagte hält sich für leistungsfrei.

Zu den weiteren Einzelheiten des unstreitigen und streitigen Sachverhalts sowie zu den vor dem Landgericht gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte leistungsfrei sei, weil der Kläger in alkoholbedingt absolut fahruntüchtigem Zustand mit dem versicherten Fahrzeug den Unfall verursacht habe. Den Beweis der Voraussetzungen des § 827 S. 1 BGB habe der Kläger nicht geführt. Ein weiteres Gutachten zur Schuldunfähigkeit sei nicht einzuholen, weil die notwendigen Anknüpfungstatsachen – Eintritt der Kopfverletzungen vor Fahrtantritt – nicht nachgewiesen seien. Zu den Einzelheiten der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Er meint, dass sich aus dem Gutachten des Dr. S. eindeutig ergebe, dass der Kläger bereits vor Fahrtantritt schuldunfähig gewesen sei, jedenfalls wäre der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit nicht berechtigt.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an die … Bank, vertreten durch den Vorstand …. 43.956,97 EUR zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

2. an den Kläger vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1663,90 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zu den Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage verwiesen.

Die Akten der Staatsanwaltschaft München … Js …./18 haben zur Information vorgelegen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus dem Versicherungsvertrag nicht zu, denn die Beklagte ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Kläger gemäß § 81 Abs. 2 VVG vollständig von der Leistung frei. Dies ergibt sich aus einer Bewertung der Schwere des Verschuldens des Klägers, das eine Leistungskürzung auf Null rechtfertigt und gebietet.

1) Der Kläger hat mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,98 Promille in absolut fahruntüchtigem Zustand sein bei der Beklagten versichertes Fahrzeug geführt und dabei die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. In einer Kurve geriet er mit dem Fahrzeug auf den Gehweg und kollidierte dort mit einem Verkehrsschild und einem Gebäude bzw. Gebäudeteil. Anschließend setzte er mit dem beschädigten Fahrzeug seine Fahrt fort und hielt letztlich im rechten Winkel zur Fahrbahn am rechten Fahrbahnrand an.

Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen. Wer sich in absolut fahruntüchtigem Zustand an das Steuer eines Kraftfahrzeuges setzt, handelt grundsätzlich grob fahrlässig (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 11; BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 – IVa ZR 274/87 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 23. Januar 1985 – IVa ZR 128/83 -, Rn. 9, juris).

2) Dem Kläger gelingt hier der Nachweis nicht, dass er sich bei Antritt der Fahrt in fahruntüchtigem Zustand in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Diesen Nachweis hat bei Anwendung des § 81 VVG der Versicherungsnehmer zu führen, wenn er sich auf die Vorschrift des § 827 BGB zu seiner Entlastung berufen will (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 12; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 – IV ZR 16/03 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 – IV ZR 298/89 -, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 23. Januar 1985 – IVa ZR 128/83 -, Rn. 8, juris).

a) Der Kläger beruft sich hier darauf, dass er auf dem Grundstück seiner Bekannten gestürzt sei und in Folge dieses Sturzes, bei dem er sich auch Kopfverletzungen zugezogen habe, in einen geordneten amnestischen Dämmerungszustand verfallen sei mit der Folge, dass ab einem Zeitpunkt vor Antritt der Fahrt kein Erinnerungsvermögen vorhanden sei und erst nach Beendigung der Fahrt wieder sein Bewusstsein einsetze.

aa) Der Kläger hat zum Beweis hierfür seine eigene Parteivernehmung angeboten, der die Beklagte widersprochen hat (Bl. 37 d.A.). Eine Vernehmung des Klägers als Partei von Amts wegen gemäß § 448 ZPO war nicht zulässig. Die nach pflichtgemäßem Ermessen vom Gericht anzuordnende Parteivernehmung von Amts wegen setzt grundsätzlich das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei aufgrund des bisherigen Verhandlungsergebnisses bei einer nonliquet-Situation im Übrigen voraus. Dieser „Anbeweis“ kann sich aus einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder aus dem sonstigen Verhandlungsinhalt, insbesondere aus einer Anhörung nach § 141 ZPO oder aus Ausführungen der Partei nach § 137 Abs. 4 ZPO ergeben (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – III ZR 198/18 -, Rn. 20, juris). Der im Termin vor dem Landgericht anwesende Kläger hat von der Möglichkeit des § 137 Abs. 4 ZPO keinen Gebrauch gemacht. Ein sonstiger „Anbeweis“ für die Richtigkeit seines Vortrages lag nicht vor.

Hierzu reicht es nicht aus, dass der Kläger sich an den Fahrtantritt in alkoholisiertem Zustand nach seinem Vortrag nicht mehr erinnern könne. Denn ein derartiger Erinnerungsverlust – sollte er tatsächlich vorliegen – kann auch erst nachträglich durch ein (Unfall-)Geschehen eingetreten sein (sog. retrograde Amnesie – vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2006 – IV ZR 252/05 -, Rn. 18, juris). Da der Kläger nach dem Ende seiner Trunkenheitsfahrt Verletzungen im Kopfbereich aufwies, die von den Polizeibeamten vermerkt worden sind und der Kläger diese Verletzungen mit dem Eintritt seines Gedächtnisverlustes in Zusammenhang bringt, müsste der Zeitpunkt des Entstehens dieser Verletzungen vor Fahrtantritt feststehen. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn trotz des Hinweises des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Kläger nicht den ihm möglichen Zeugenbeweis durch Vernehmung der Frau F. angetreten.

Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung geltend macht, bei einer gedeckten Commotio cerebri, also einer nicht sichtbaren Gehirnverletzung, als Ursache der Bewusstseinsstörung seien äußerliche Verletzungen nicht feststellbar, nimmt er sich selbst die Möglichkeit zum „Anbeweis“ für den Eintritt einer Bewusstseinsstörung gemäß § 827 S. 1 BGB. Denn kommt es auf sichtbare Verletzungen zum Beleg eines Kopftraumas nicht an, so kann die Ursache für einen Erinnerungsverlust auch in einem nach Antritt der Fahrt stattgefunden Anprall liegen. Es muss dann gerade kein Ursachenzusammenhang mit dem zum Eintritt der äußerlich sichtbaren Verletzungen führenden Geschehen bestehen. Ein möglicher – hier streitiger – Sturz des Klägers im Garten der Frau F. vor dessen Antritt der Unfallfahrt in absolut fahruntüchtigem Zustand ist deshalb nicht die einzige in Betracht kommende Ursache für den Eintritt des behaupteten Gedächtnisverlustes, der einen Zeitraum umfasst ab einem Gespräch vor Fahrtantritt bis nach Ende der Trunkenheitsfahrt.

bb) Der Verweis auf das vom Kläger selbst in Auftrag gegebene Gutachten des Dr. S. vom 24. März 2019 (im Folgenden: GA) kann den Nachweis für die Richtigkeit des Klagevortrages nicht erbringen. Das Gutachten erbringt auch nicht den für eine Parteivernehmung des Klägers notwendigen „Anbeweis“.

Der Gutachter hat den Kläger nicht unmittelbar nach dem Unfallgeschehen untersucht, sondern auf der Grundlage einer am 5. März 2019 durchgeführten Exploration ein forensisch-psychiatrisches Gutachten zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Klägers erstellt. Der Gutachter konnte dabei für die Ereignisse im Vorfeld der Untersuchung nur auf die Schilderung des Klägers abstellen sowie die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft München auswerten. Der Gutachter hat dem Kläger seine Schilderung über den Gedächtnisverlust geglaubt, den Eintritt dieses Gedächtnisverlustes aber nicht anhand objektiver Tests verifizieren können. Er hat die Schilderung des Klägers auf Plausibilität überprüft und dabei auch das nach dem Unfall festgestellte Verletzungsbild, die dokumentierte Spurenlage vom Fahrzeug und den persönlichen Eindruck, den er vom Kläger in der Begutachtungssituation gewonnen hat, berücksichtigt.

Dabei hat er allerdings nicht berücksichtigt, dass der Kläger gegenüber den Polizeibeamten jegliche Einlassung verweigert hat und einen Erinnerungsverlust gerade nicht erwähnt hat. Auch bei den von ihm ausgewerteten ärztlichen Berichten (GA, S. 18 f), findet sich kein Hinweis darauf, dass der Kläger auf einen Gedächtnisverlust hinwies.

Der Gutachter hat auf den Seiten 30, 32 und in der Zusammenfassung auf Seite 46 des Gutachtens ausgeführt, dass es dem Kläger bei der Schilderung des amnestischen Zustandsbildes nicht um die Wahrung des Sozialgesichts gegangen sein, sondern dies Ausdruck wirklichen Empfindens gewesen sei. Der Kläger „imponiere nicht so, als ob er da bewusst reduziere, aus forensischen Gründen oder zur Wahrung der Sozialfassade eine Reduktion dessen betreibt, was er preisgeben möchte … Tatsächlich müsse die von ihm geschilderte Amnesie über das Tatgeschehen i.e. die Trunkenheitsfahrt und die vollzogene Unfallflucht nicht unglaubhaft sein.“ Damit weisen die Aussagen des Gutachters keine Überzeugungskraft auf, denn die Motivation des Klägers, sich im Hinblick auf das anstehende Strafverfahren sowie im Hinblick auf die Durchsetzung versicherungsvertraglicher Ansprüche zu entlasten, lag auf der Hand. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gedächtnisverlust des Klägers nach anwaltlicher Beratung erstmals vorgetragen wurde, wäre es Aufgabe eines objektiv erstellten Gutachtens gewesen, zu überprüfen, ob den Angaben des Klägers tatsächlich zu glauben ist.

Der Gutachter legt sich auch entgegen der Ansicht des Klägers im Ergebnis nur insoweit fest, als er es für möglich und plausibel hält, dass der Kläger bei einem Sturz auf den Boden mit Eintritt der nach dem Unfall festgestellten Verletzungen am Kopf vor Fahrtantritt möglicherweise als Traumafolge anschließend in einen geordneten amnestischen Dämmerungszustand gefallen ist. In seinem Gutachten führt er aus, dass in der Akte neben Platzwunden über dem rechten Nasenrücken und der Augenbraue auch der Verdacht auf eine Nasenbeinfraktur dokumentiert ist (GA S. 6, 18). Es lag ein Galeahämatom vor. Eine intracranielle Traumafolge wurde allerdings ärztlicherseits ausgeschlossen. Der Gutachter nimmt an, dass die Verletzungen vor Fahrtantritt eingetreten sind, weil im Fahrzeug die Airbags nicht ausgelöst hatten, die Scheiben nicht beschädigt waren und keine Blutanhaftungen im Auto dokumentiert sind. Zudem sei der Kläger angeschnallt gewesen. Da der Gutachter jedoch kein Unfallrekonstruktionsgutachter ist, die Einzelheiten der Trunkenheitsfahrt nicht kennt und auch nicht behauptet, dass es ausgeschlossen ist, dass sich der Kläger die Verletzungen nach Fahrtantritt zugezogen hat, liefert das Gutachten als qualifizierter Parteivortrag keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht. Hinzu kommt, dass der Gutachter auf Seite 44 ausführt, dass eine Erinnerungslücke nach einem Kopftrauma auch bis zu einer Stunde rückwärts reichen könne, so dass nicht auszuschließen ist, dass ein Kopftrauma nach Fahrtantritt zu einer Erinnerungslücke auch für einen zurückliegenden Zeitraum geführt haben kann.

Spuren an der Brille, die für einen Anprall der Brille auf den Boden sprechen könnten, belegen ebenfalls keinen Anprall des Kopfes des Klägers auf dem Boden, denn eine Brille kann aus vielen Gründen zu Boden fallen. Hat der Kläger sie später nach Fahrtantritt noch getragen, als er möglicherweise mit dem Kopf in seinem Fahrzeug anschlug, so sind auch Blutspuren an der Brille zu erklären.

cc) Das Landgericht hat auch gemäß § 139 ZPO die erforderlichen Hinweise erteilt und den Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass der Kläger den Beweis dafür führen müsse, dass er vor Beginn der Fahrt mit dem Kopf auf einen Stein aufgeschlagen sei. Beweis dafür sei nicht angetreten (Bl. 41 d.A.). Damit hat das Landgericht den erforderlichen Hinweis auf den fehlenden Nachweis der erforderlichen Anknüpfungstatsachen als Voraussetzung für das Einholen eines Sachverständigengutachtens erteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2008 – IV ZR 272/06 -, Rn. 9, juris). Hierauf hat der Klägervertreter vorsorglich eine Erklärungsfrist beantragt, ohne dass er begründet hat, dass und warum ein Beweisantritt in der mündlichen Verhandlung – der Kläger war persönlich anwesend – nicht möglich sei.

dd) Die Bezugnahme auf das Protokoll der polizeilichen Vernehmung der F. im Strafverfahren gegen den Kläger erbringt als Urkunde lediglich den Nachweis, dass sich die Zeugin seinerzeit so geäußert hat, wie es protokolliert ist. Danach ist der Kläger beim Begehen des Gartenwegs seitlich in einen Busch auf ihrem Grundstück gefallen. Er sei zur Seite gekippt (Anlage B 2 = BA, Bl. 229). Dabei soll sich der Kläger aber keine äußeren Verletzungen zugezogen haben. Der Kläger sei auch auf keinen Stein gefallen. Wenn es um die Würdigung der Aussage geht, kann diese nicht isoliert und ohne Berücksichtigung der Aussage der Zeugin F. vor dem Amtsgericht München bewertet werden (B 3). Auf die Anlage B 3 hat sich der Kläger auch in seinem Schriftsatz vom 9. Februar 2021 (Bl. 29 d.A.) bezogen. Dort hat die Zeugin den Vorgang so geschildert, dass der Kläger an dem Busch hängen geblieben sei. Er sei aber nicht auf den Boden gestürzt (BA, Bl. 251). Auch mit den Angaben der Zeugin F. im Strafverfahren kann der Kläger den Nachweis eines Sturzes mit dem Kopf auf den Boden bzw. einen Stein nicht führen.

ee) Auch der sonstige Inhalt der Strafakte liefert keine Anknüpfungstatsachen für das Einholen eines Sachverständigengutachtens. Im Gegenteil zeigt sich ein wechselnder Vortrag des Klägers im Rechtsstreit. In der Klageschrift hat er vorgetragen, dass er am Abend alkoholisiert zu dem Haus der Freundin zurück gegangen sei und dort festgestellt habe, dass diese bereits mit ihrem neuen Freund auf der Terrasse saß. Als er zu den beiden gegangen sei, sei er in einen neben dem Gartenweg gelegenen Busch gefallen und habe sich dabei im Gesicht verletzt. Er sei auf die dort befindliche Einfassung des Weges gestürzt (Bl. 2 R d.A.). Im Gegensatz dazu hat der Kläger gegenüber dem Gutachter erklärt, dass er keine Erinnerung an einen Sturz habe. Er habe die Gartentür geöffnet und sei ins Haus eingetreten. Er habe dann den „D.“ gesehen. Der Kläger habe ihn zur Rede gestellt, ob er der neue Freund sei. Von diesem Zeitpunkt an habe er keine Erinnerung mehr (GA, S. 14, 15). Dies widerspricht sich, weil der Kläger nach der Darstellung in der Klageschrift vor dem Ansprechen des heutigen Ehemannes der Frau F. gestürzt sein will. Kann er sich trotzdem noch an das Gespräch mit dem neuen Freund erinnern, passt dies nicht zusammen, wenn die Erinnerung mit dem Sturzereignis ausgesetzt haben soll. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht München hat der Kläger erklärt, er sei nach dem Ansprechen des neuen Freundes wieder gegangen und irgendwie gestürzt. Dass er selbst von der Richtigkeit seiner Darstellung nicht überzeugt ist, zeigt die Email vom 21. Mai 2019 (BA, Bl. 231), in der der Kläger die Zeugin F. darauf hinweist, dass sie die Möglichkeit hätte, nach § 55 – gemeint ist die StPO – die Aussage zu verweigern. Danach besteht das Recht des Zeugen, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Ein solcher Hinweis des Klägers an seine Bekannte wäre sinnlos, wenn der Kläger davon ausgeht, lediglich in einen Busch gestürzt zu sein.

b) Eine Schuldunfähigkeit allein auf Grund seiner Alkoholisierung bei Fahrtantritt macht der Kläger nicht geltend. Diese lässt sich anhand des festgestellten Grades der Alkoholisierung mit 1,98 Promille – der Gutachter rechnet mit 2,48 Promille – nicht feststellen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 14). Auch die dokumentierten Verhaltensweisen des Klägers nach dem Unfall sprechen nicht für eine Schuldunfähigkeit des Klägers bei Antritt der Fahrt. Aus dem ärztlichen Bericht lässt sich entnehmen, dass der Kläger zwar deutlich unter dem äußeren Einfluss von Alkohol stand, sein Gang war schleppend, seine Sprache verwaschen bis lallend, gleichwohl war der Kläger im Bewusstsein klar und sein Denkablauf war geordnet (BA, Bl. 10). Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger zuletzt um 10.00 Uhr des Unfalltages einen Apfel gegessen haben will und auf Grund der Situation vor Fahrtantritt emotional aufgewühlt war, bestehen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Auch der von ihm beauftragte Gutachter Dr. S. kommt in seinem Gutachten auf Seite 54 zu dem Ergebnis, dass lediglich die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht sicher ausschließbar sind.

3) Auch die subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit liegen beim Kläger vor. Die Annahme grober Fahrlässigkeit setzt auf der subjektiven Seite voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Verhalten in hohem Maße außer Acht gelassen worden ist. Dabei ist auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Dafür ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles unerlässlich (BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 – IVa ZR 274/87 -, Rn. 13, juris; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 – IV ZR 16/03 -, Rn. 16, juris).

Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand wird objektiv durchweg als grober Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt anzusehen sein. Es gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt. Wer sich in absolut fahruntüchtigem Zustand an das Steuer eines Kraftfahrzeuges setzt, handelt grundsätzlich grob fahrlässig (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 11; BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 – IVa ZR 274/87 -, Rn. 15, juris, m.w. Nachw.). Daraus folgt in aller Regel auch ohne weiteres das für die Annahme grober Fahrlässigkeit erforderliche, gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigerte Verschulden. Dass sich ein unter starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr ans Steuer seines Kraftfahrzeuges setzen darf, und dass er durch ein Fahren in fahruntüchtigem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und sein Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, ist heute so sehr Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden kann, dass bei fast jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit stark heraufgesetzt ist (BGH, a.a.O.). Der Fahrer, bei dem dies aus mangelnder Einsicht nicht der Fall ist, muss sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden zurechnen lassen. Bei den meisten Kraftfahrern pflegt die Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, in Bezug auf die Trunkenheitsfahrt auch bei einem hohen Grad der Alkoholisierung noch vorhanden zu sein. Auch wenn der Kraftfahrer sich erst dann zum Führen seines Kraftfahrzeuges entschließt, wenn er bereits stark unter Alkoholeinfluss steht, wird deshalb in vielen Fällen ungeachtet der Alkoholbeeinflussung das für die Annahme grober Fahrlässigkeit erforderliche gesteigerte subjektive Verschulden festgestellt werden können (BGH, a.a.O.). Selbst wenn der Fahrer im Unfallzeitpunkt schuldunfähig gewesen sein sollte, kann er den Versicherungsfall durch ein zeitlich früheres Verhalten grob fahrlässig herbeigeführt haben, als er sich noch in schuldfähigem Zustand befand. Da die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG lediglich an einen Erfolg, nämlich die Herbeiführung des Versicherungsfalles, nicht dagegen an ein bestimmtes Verhalten, etwa das Führen des Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand, anknüpft, kann auf ein zeitlich vorangehendes Verhalten des Versicherungsnehmers abgestellt werden, durch das der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wird (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 17). Rechnet der Versicherungsnehmer schon vor Trinkbeginn oder jedenfalls in einem noch schuldfähigen Zustand damit, dass er später unter Alkoholeinfluss mit seinem Kraftfahrzeug fahren und dabei möglicherweise einen Unfall herbeiführen werde, oder musste er damit rechnen und verschließt er sich dem grob fahrlässig, so setzt der Vorwurf der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles bereits zu diesem früheren Zeitpunkt ein. Dazu bedarf es weder des Rückgriffs auf die Rechtsfigur der actio libera in causa (so noch BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 – IVa ZR 274/87 – Rn. 15, juris) noch des Rechtsgedankens des § 827 S. 2 BGB (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 17).

Hier liegen bei der gebotenen Gesamtwürdigung keine entlastenden Umstände zugunsten des Klägers vor. Gegenüber dem Gutachter hatte der Kläger geäußert, seine Bekannte hätte bei dem Gespräch vor dem Beginn des Trinkens beim Lokalbesuch geäußert, sie wünsche, dass er ins Hotel gehe (GA, S. 14). Gleichwohl hat der Kläger sich nicht um das Buchen eines Hotelzimmers vor dem Beginn des Trinkens gekümmert. Dies war besonders gravierend, denn nach dem Eröffnen durch die Frau F., dass eine vom Kläger angenommene Beziehung nicht mehr bestehen sollte, war Anlass des Trinkens eine emotionale Belastung, die mit Alkohol betäubt werden sollte. Hierbei bestand die naheliegende Möglichkeit, dass der Kläger eben nicht mehr erfolgreich eine Unterkunft in der Nähe finden würde, die er zu Fuß erreichen könnte. Dann bestand aber die auf der Hand liegende Gefahr, dass er sich doch noch ans Steuer des Porsche setzen würde. Dass er in alkoholisiertem Zustand später noch das Grundstück seiner Bekannten aufsuchte, anstatt sich zunächst um eine Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern, zeigt, dass er keine Vorkehrungen treffen wollte, um eine Fahrt in alkoholisiertem Zustand zu verhindern. Denn obwohl er anhand des vor dem Grundstück geparkten Fahrzeugs wahrgenommen hatte, dass vermutlich der neue Freund der Zeugin F. anwesend sein würde, betrat er ohne Aufforderung deren Grundstück, obwohl ihm auf Grund seiner Wahrnehmungen klar sein musste, dass er dort keine Übernachtungsmöglichkeit finden würde. Da sich eine emotional für ihn weiter aufwühlende Situation durch sein Verhalten anbahnte, vergrößerte sich noch die Gefahr, dass er doch mit dem Auto fahren würde, um eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Da der Sturz auf dem Grundstück mit dem Zuzug von Kopfverletzungen nicht bewiesen ist, bestehen auch – abgesehen von der Alkoholisierung – keine Umstände, die das Verhalten des Klägers in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten. Im Gegenteil machte gerade die für den Kläger frustrierende Situation es vor dem Beginn des Trinkens erforderlich, eine Nutzungsmöglichkeit für das Fahrzeug auszuschließen. Denn gerade eine emotional belastende, frustrierende und kränkende Situation als Anlass des Trinkens birgt die Gefahr einer Trunkenheitsfahrt in besonders gefährlicher Weise, weil dem Fahrer durch Gedanken der Sinnlosigkeit letzte Hemmungen vor einer riskanten Fahrweise abhanden kommen.

Die Leistungskürzung auf eine Quote von Null durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden.

4) Ob die Beklagte auch wegen einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei ist, bedarf keiner abschließenden Klärung.

5) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Der Senat weicht von diesen Grundsätzen nicht ab. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil unter Zulassung der Revision nicht erforderlich. Zur Rechtsfortbildung eignet sich die hier streitige Sache nicht. Sonstige Gründe, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten, liegen nicht vor.

III.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen gegeben. Aus Kostengründen sollte die Zurücknahme der Berufung erwogen werden.

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