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Private Krankheitskostenversicherung – ambulante Medikamentengabe durch Pflegedienst

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 16 U 43/11 – Urteil vom 24.11.2011

Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. März 2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das am 9. März 2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits in beiden Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wege von Berufung und Anschlussberufung um die Kostenerstattung aus einer privaten Krankheitskostenversicherung wegen der in den Jahren 2009 und 2010 monatlich angefallenen Kosten für die Arzneimittelgabe durch den Pflegedienst des Wohnstifts, in dem die Klägerin im sog. betreuten Wohnen lebt, sowie um die Kostenerstattung für ein spezielles Sitzkissen zu dem von der Klägerin benötigten Rollstuhl. Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet (A). Die zulässige Anschlussberufung ist begründet (B).

A. Berufung der Klägerin

1. Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Erstattung der in den Jahren 2009 und 2010 monatlich angefallenen Kosten für die Arzneimittelgabe durch den Pflegedienst des Wohnstifts, in dem die Klägerin lebt, abgewiesen. Der zwischen den Parteien geschlossene Krankheitskostenversicherungsvertrag sieht einen entsprechenden Anspruch nicht vor. Die ambulante Medikamentengabe ist keine versicherte Leistung. Sie ist im vorliegenden Fall auch keine ärztliche Leistung im Sinne der Versicherungsbedingungen.

private Krankheitskostenversicherung - ambulante Medikamentengabe durch Pflegedienst
Symbolfoto: Von Robert Kneschke/Shutterstock.com

Der Klägerin, die die Pflegestufe 1 hat, werden in dem Wohnstift, in dem sie in einem sog. betreuten Wohnen, d.h. in einer Privatwohnung und nicht in einem Pflegeheim, lebt, bis zu dreimal täglich Medikamente verabreicht und für jede Verabreichung 9,02 € berechnet, d.h. ausweislich der Rechnung für Dezember 2009 bis zu 829,84 € im Monat. Die Beklagte hat als freiwillige Leistung teilweise pro Verabreichung 1,72 € gezahlt, d.h. ausweislich der Abrechnung für Dezember 2009 bis zu 158,24 € im Monat.

Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen, den diese ergänzenden Tarifen mit Tarifbedingungen sowie aus gesetzlichen Vorschriften (BGH VersR 1999, 745, Rn 13, 21, 26 bei juris). Gemäß § 1 Teil I Abs. 1 MB/KK bietet der Versicherer Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Er erbringt, sofern vereinbart, damit unmittelbar zusammenhängende zusätzliche Dienstleistungen. Im Versicherungsfall erbringt der Versicherer in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen. Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (§ 192 VVG). Heilbehandlung ist jede ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes oder sonstigen Behandlers von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder Linderung einer Krankheit abzielt (Langheid/Wandt-Kalis, VVG, § 192 Rn 17 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

Der Versicherungsfall ist eingetreten. Die Klägerin leidet nach der Verordnung häuslicher Krankenpflege vom 6. April 2009 an den Krankheiten Hypertonus, reaktive Depression, Rechtsherzinsuffizienz, Autoimmunhyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) und Anämie. Medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne einer ärztlichen Tätigkeit im Sinne der oben angeführten Definition ist die Untersuchung der Klägerin zwecks Beobachtung des Krankheitsverlaufs und das Verschreiben von Medikamenten.

Gemäß § 4 Teil I Abs. 1 MB/KK ergeben sich Art und Höhe der Versicherungsleistungen aus dem Tarif mit Tarifbedingungen. Gemäß § 4 Teil I Abs. 3 MB/KK müssen Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel von den in Abs. 2 genannten Behandlern verordnet, Arzneimittel außerdem aus der Apotheke bezogen werden. Nach den in § 4 Teil I Abs. 1 MB/KK in Bezug genommenen Tarifbedingungen werden Aufwendungen für ambulante Heilbehandlung und für Arzneimittel mit den tariflichen Sätzen erstattet (Nr. 2.1 der Tarifbedingungen) und sind bei medizinisch notwendiger Heilbehandlung die Aufwendungen für Arzneimittel erstattungsfähig (Nr. 3 d der Tarifbedingungen).

Für die Auslegung von Versicherungsbedingungen ist maßgeblich die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Versicherungsnehmers in dem betreffenden Versicherungszweig ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig – unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs – würdigt (BGH VersR 2004, 1035; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorbem. III Rn. 2 m. w. N.). Wenn bei medizinisch notwendiger Heilbehandlung die Aufwendungen für Arzneimittel erstattungsfähig sind, dann sind das nach dem Wortlaut die Kosten des Arzneimittels als solchem und nicht Kosten, die mit der Einnahme des Arzneimittels verbunden sind. Dies entspricht auch der Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Es entspricht dem allgemeinen Sprachverständnis, dass Arzneimittel vom Arzt verschrieben, in der Apotheke gekauft und – nach Anweisung des Arztes oder nach den Vorgaben des Beipackzettels – vom Versicherungsnehmer selbständig eingenommen werden. Es handelt sich dabei um eine Tätigkeit, die vom Versicherungsnehmer grundsätzlich ganz selbstverständlich ohne fachliche Hilfe vorgenommen wird. Es ist ferner sozialüblich und entspricht deshalb ebenso dem normalen Sprachverständnis, dass, wenn der Versicherungsnehmer die Einnahme nicht mehr selbst vornehmen kann, Mitbewohner des Haushalts Hilfestellung leisten. Hieraus folgt zugleich, dass es sich bei der Medikamenteneinnahme – bzw. der Medikamentengabe – nicht um eine ambulante Heilbehandlung im Sinne von Nr. 2.1 der Tarifbedingungen handelt. Es fällt aber auch nicht unter die zusätzlichen Dienstleistungen im Sinne von § 1 Teil I Abs. 1 MB/KK, zu denen insbesondere Service- und Beratungsleistungen zählen (§ 192 Abs. 3 VVG), wäre insoweit aber ohnehin nicht vereinbart. Es könnte eine „sonst vereinbarte Leistung“ im Sinne von § 1 Teil I Abs. 1 a) MB/KK sein; insoweit fehlt aber ebenfalls eine Vereinbarung. Die Versicherungsbedingungen in Verbindung mit den Tarifbedingungen enthalten keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen einer geistigen oder körperlichen Erkrankung die Medikamenteneinnahme nicht selbst vornehmen kann und ihm in seinem Haushalt keine Personen zur Verfügung stehen, die ihm hierbei kostenfrei Hilfestellung geben.

Der vorstehenden Auslegung steht nicht entgegen, dass gesetzlich Krankenversicherte gemäß § 37 SGB V Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Grund- und Behandlungspflege sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung haben, wobei die Behandlungspflege die Medikamentengabe umfasst. Diese Regelung entspricht nämlich gerade nicht dem allgemeinen Verständnis von selbstverständlichen Krankenversicherungsleistungen. Die Regelungen zur Krankenhausersatzpflege gemäß § 37 Abs. 1 SGB V sind 1989, die zur Behandlungssicherungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V sind 1990 in Kraft getreten (vgl. BSGE 106, 173, Daten unter Rn 12 bei juris; Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, Krankenversicherungsrecht, § 22 Rn 309). Es handelt sich dabei, wie aus den Voraussetzungen folgt, um Regelungen zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen. Für Behandlungspflege ist nach § 37 Abs. 1 SGB V (= Krankenhausersatzpflege) Voraussetzung, dass Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird; für die Behandlungssicherungspflege ist nach § 37 Abs. 2 SGB V Voraussetzung, dass diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Beide Arten der häuslichen Krankenpflege dienen der Vermeidung der Krankenhauspflege (Schulin, a.a.O., § 22 Rn 310). Ferner besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 3 SGB V nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Es sind nichtärztliche Heilhilfsleistungen, z. B. Verabreichung von Medikamenten und die von Heilhilfspersonen zu erbringenden Injektionen oder auch Verbandswechsel (Schulin, a.a.O., § 22 Rn 321).

Hinzu kommt, dass, wer eine private Krankenversicherung abschließt, nicht erwarten kann, dass er damit so versichert ist, wie er es als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse wäre. Dem stehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1991, 911 Rn. 11 bei juris) grundlegende Strukturunterschiede zwischen dem System der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung von vornherein entgegen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Versicherungsnehmer in Anbetracht des mit dem Hauptleistungsversprechen in § 1 MB/KK weit gesteckten Leistungsrahmens davon ausgeht, dass dieses Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt (BGH VersR 2004, 1035 – Schlafapnoegerät als nicht versichertes Hilfsmittel; BGH VersR 1991, 911; BGH VersR 1999, 745, Rn. 26 bei juris). Die Klägerin kann deshalb keine Gleichstellung mit einem in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten beanspruchen.

Die Klägerin wird durch diese gegenüber § 37 SGB V einschränkende Regelung nicht im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH VersR 2004, 1035, Rn. 29 bei juris). Es wird nicht im Sinne der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Landgerichts Bonn (Urteil vom 26. November 2009 – 9 O 230/09 -, Rn 27 bei juris, 24-stündige Überwachung der Beatmung durch fachkompetente, intensivmedizinisch ausgebildete Personen) der Vertragszweck ausgehöhlt und der Vertrag in Bezug auf das versicherte Risiko zwecklos. Eine Tarifkalkulation mit vertretbarer Prämiengestaltung liegt auch im Interesse des Versicherungsnehmers (BGH VersR 2009, 930).

Es handelt sich um die Sondersituation eines Alleinstehenden, für dessen Situation es eine übliche Regelung gibt, nämlich den Umzug in ein Pflegeheim. Dies gilt angesichts der Möglichkeiten der sog. Kurzzeitpflege auch dann, wenn es sich, wie die Klägerin behauptet, wegen einer ausheilenden Hüftoperation möglicherweise nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Ist der geistige und körperliche Zustand eines allein lebenden Versicherungsnehmers derart, dass ihm die Medikamenteneinnahme nicht mehr möglich ist, so dürfte ein Wechsel in ein Pflegeheim oder ggf. ein stationärer Aufenthalt in einem Krankenhaus erforderlich sein, wobei es für eine durch Pflegebedürftigkeit bedingte Unterbringung keine Leistungspflicht in der Krankenversicherung gibt (§ 5 Teil I Abs. 1 g MB/KK). In beiden Fällen ist die Medikamentengabe Teil des Pflegesatzes (§§ 84 ff. SGB XI, § 17 KHG). Ist dies – sei es wegen der damit trotz der Pflegeversicherung verbundenen Kosten, sei es aus anderen Gründen – nicht gewünscht, so muss der Versicherungsnehmer sich selbst um eine für ihn finanzierbare Hilfestellung bemühen, die zum Beispiel darin liegen kann, dass er sich ein betreutes Wohnen in der Form sucht, dass die Medikamentengabe zu einem tragbaren Entgelt im Vertrag enthalten ist und nicht bis zu dreimal täglich (vgl. beispielhaft 92-mal die Position „Arzneien verabreichen und überwachen“ im Dezember 2009 = 829,84 €) zum Einzelpreis von 9,02 € berechnet wird.

b) Der geltend gemachte Anspruch stände der Klägerin aber auch dann nicht zu, wenn die Medikamentengabe eine versicherte Leistung wäre. Die Medikamentengabe durch den Pflegedienst des Wohnstifts ist keine ärztliche Leistung im Sinne der Versicherungsbedingungen.

Die Versicherungsbedingungen sehen Kostenerstattung nur für Heilbehandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Heilpraktiker vor (§ 4 Teil I Abs. 2 MB/KK). Dies wird man wohl, wie in den von der Klägerin angeführten Regelungen der §§ 15, 28 SGB V und § 4 Abs. 2 GOÄ, dahin auslegen müssen, dass auch Hilfeleistungen anderer Personen erfasst werden, soweit sie vom Arzt angeordnet und von ihm verantwortet werden. Das betrifft Tätigkeiten seiner Praxismitarbeiter, wie das Setzen von Spritzen und das Anlegen von Verbänden. Selbstständige Hausbesuche der Praxismitarbeiter wären danach schon keine ärztliche Heilbehandlung mehr, weil das Erfordernis der Verantwortung durch den Arzt eine unmittelbare Kontroll- und erforderlichenfalls Eingriffsmöglichkeit voraussetzt. Jedenfalls ist die selbstständige Tätigkeit eines Pflegedienstes im Wohnstift keine ärztliche Heilbehandlung. Der Arzt verantwortet diese Tätigkeit nicht, weil er sie nicht kontrolliert und aus der Ferne auch nicht kontrollieren kann. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das OLG Karlsruhe über Ansprüche aus der GOÄ hinausgehende Ansprüche aus der Krankenversicherung für den Fall verneint hat, dass der Arzt die Heimdialyse nicht selbst durchführt, sondern durch die Ehefrau, die ausgebildete Dialysefachkraft ist, durchführen lässt und sie dafür bezahlt (VersR 2007, 679).

Die Überlegung, dass die Medikamentengabe ebenso gut und zudem kostengünstiger durch den Pflegedienst als durch den Arzt im Rahmen von Hausbesuchen – wenn man den überhaupt einen Arzt findet, der dreimal täglich einen Hausbesuch macht – erfolgen kann, ist dem Krankenheitskostenversicherungs- recht fremd.

B. Anschlussberufung der Beklagten

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 334,86 € für ein Sitzkissen für einen Rollstuhl.

Die Beklagte hat der Klägerin die Mietkosten für einen Rollstuhl erstattet. Auf den Rechnungsbetrag von 534,86 € für ein von ihrem Arzt mit der Diagnose „Hautläsion präsacral“ verordnetes Dekubitus-Sitzkissen für den vorhandenen Rollstuhl hat die Beklagte aus Kulanzgründen mit Abrechnung vom 17. August 2009 200,00 € gezahlt.

Gemäß § 1 Teil I Abs. 1 a) MB/KK erbringt der Versicherer in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen. Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel müssen verordnet werden, § 4 Teil I Abs. 3 MB/KK.

Ein Sitzkissen ist keine Heilbehandlung, die nach der Definition eine ärztliche Tätigkeit voraussetzt, und deshalb nur erstattungsfähig, wenn es unter die Aufzählung Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel gemäß § 4 Teil I Abs. 3 MB/KK fällt. Diese werden in Ziff. 3 der Tarifbedingungen definiert und bei medizinisch notwendiger Heilbehandlung erstattet. Arznei- und Verbandmittel scheiden von vornherein aus. Nach dem Wortlaut könnte ein Dekubitus-Sitzkissen ein Heilmittel sein, weil durch die Entlastung durch das Sitzkissen auch vorhandene Rötungen zurückgehen werden. Heilmittel sind aber zu Ziff. 3 e) der Tarifbedingungen definiert als physikalisch-medizinische Leistungen, wenn sie von einem Arzt, Heilpraktiker oder von Angehörigen staatlich anerkannter medizinischer Assistenzberufe erbracht werden.

Es spricht einiges dafür, dass das Dekubitus-Sitzkissen ein Hilfsmittel ist. Hilfsmittel sind dadurch gekennzeichnet, dass sie körperliche Defekte über längere Zeit auszugleichen suchen und damit unmittelbar eine Ersatzfunktion für ein krankes Organ wahrnehmen sollen, ohne dessen Funktionsfähigkeit wiederherzustellen (BGH VersR 2009, 1106). Hilfsmittel werden in Ziff. 3 f) der Tarifbedingungen aber abschließend aufgezählt. Danach gelten als Hilfsmittel Hörgeräte, Sprechgeräte (elektronischer Kehlkopf), Geh- und Stützapparate, Kunstglieder, Stoma-Versorgungsartikel, Bruchbänder, Leibbinden, Gummi- und Kompressionsstrümpfe, orthopädische Einlagen. Bei Rollstühlen, Sauerstoffkonzentratoren und Herz- und Atemmonitoren übernimmt der Versicherer die Aufwendungen für Leihgeräte. Aus dieser abschließenden Aufzählung folgt, dass Dekubitus-Kissen als solche nicht zu den erstattungsfähigen Hilfsmittel zählen. D.h. wer ein Dekubitus-Kissen verordnet bekommt und nicht zugleich Rollstuhlfahrer ist, hat nach dem klaren Wortlaut keinen Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung. Einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für ein Dekubitus-Kissen könnte man deshalb nur dann bejahen, wenn es wesentlicher Bestandteil eines Rollstuhls wäre.

Zwar spricht einiges dafür, dass ein Dekubitus-Kissen Teil der Funktionseinheit Rollstuhl ist, weil niemand einen Rollstuhl nutzt, ohne zugleich ein auf seinen Bedarf zugeschnittenes Kissen zu erwerben. Andererseits werden bei Rollstühlen nur Aufwendungen für Leihgeräte ersetzt, während die Klägerin ein speziell für sie angepasstes Sitzkissen erworben hat. Hinzu kommt, wie dargelegt, dass Dekubitus-Sitzkissen für sich allein überhaupt nicht zu den Heilmitteln zählen. Daraus folgt in der Zusammenschau, dass Ziff. 3 f) der Tarifbedingungen nur so ausgelegt werden kann, dass allenfalls Anspruch auf ein „normales“ Kissen besteht, dass unabdingbar notwendig ist, um den Rollstuhl nutzen zu können, um ihn bestimmungsgemäß funktionsfähig zu machen. Ein solches Kissen kostet wesentlich weniger als das von der Klägerin erworbene spezielle Dekubitus-Sitzkissen.

Daraus folgt, dass die Beklagte mit der Zahlung von 200,- € ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag selbst dann nachgekommen ist, wenn man Rollstuhl und Kissen als Funktionseinheit auffasst. Es kann deshalb offen bleiben, ob sie zu Recht nur aus Kulanz gezahlt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung von Rechtsmitteln gem. § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Gem. § 543 Abs. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Diese Voraussetzungen sind nicht schon dann erfüllt, wenn Parteien um die Auslegung von Versicherungsbedingungen streiten. Erforderlich ist weiter, dass die Auslegung der Versicherungsbedingungen über den konkreten Rechtstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist und dass die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkreten Fall als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH VersR 2009, 1106). Daran fehlt es hier. Die Grundfragen sind höchstrichterlich geklärt. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche werden in Rechtsprechung und Literatur nicht streitig, sondern – soweit ersichtlich – gar nicht erörtert.

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