LG Frankfurt (Oder) – Az.: 15 O 305/22 – Urteil vom 27.12.2022
1. Es wird festgestellt, dass folgende Beitragsanpassung des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam war:
a) im Tarif V333S3 die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 in Höhe von 16,89 € und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 185,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 31.05.2022 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unwirksame Beitragserhöhung im Tarif V333S3 (Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 16,89 €/monatlich) vom 01.01.2019 bis zum 30.11.2019 gezahlt hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 99,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.05.2022 freizustellen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
8. Der Streitwert wird auf bis 9.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 01.11.2009 bei der Beklagten, ursprünglich firmierend unter C. Krankenversicherung AG, privat krankenversichert.
Der Kläger macht aus folgenden Beitragsanpassungen Ansprüche gegen die Beklagte geltend:
- im Tarif V333S2P zum 01.01.2013 in Höhe von 165,11 €, –
- der gesetzliche Zuschlag (V333S2P) zum 01.01.2013 in Höhe von 4,30 €,
- im Tarif ETS28 37,00 zum 01.01.2014 in Höhe von 4,50 €,
- im Tarif V333S2P zum 01.01.2015 in Höhe von 5,74 €,
- im Tarif V333S3 zum 01.01.2018 in Höhe von 16,89 €,
- im Tarif V333S3 zum 01.01.2020 in Höhe von 28,29 €,
- im Tarif V333S3 zum 01.01.2021 in Höhe von 51,33 €.
Hierzu übersandte die Beklagte dem Kläger jeweils im vorletzten Monat vor Wirksamwerden der Anpassungen Schreiben, wegen deren Inhalt verwiesen wird auf das Anlagenkonvolut der Beklagten Info_2013-SB bis Info_2021 Bezug genommen word. Der Kläger bezahlte die jeweils von der Beklagten festgesetzten Erhöhungsbeträge.
Der Kläger meint, die Beitragsanpassungen seien formell unwirksam, da sie nicht hinreichend begründet worden seien. Überdies seien die Beitragsanpassungen materiell unwirksam, da – so behauptet er – dem Treuhänder nicht alle für die Prüfung der Beitragsanpassungen notwendigen Unterlagen und Informationen vorgelegt worden seien.
Der Kläger beantragt unter teilweiser Rücknahme der Klage zuletzt:
1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam sind:
a) im Tarif V333S3 die Beitragsanpassung zum 01.01.2020 in Höhe von 28,29 €
b) im Tarif V333S3 die Beitragsanpassung zum 01.01.2021 in Höhe von 51,33 €
und der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 79,62 € zu reduzieren ist.
2) Es wird festgestellt, dass folgende Beitragsanpassungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam waren:
a) im Tarif V333S2P die Beitragsanpassung zum 01.01.2013 in Höhe von 165,11 €
b) im Tarif Gesetzlicher Zuschlag (V333S2P) die Beitragsanpassung zum 01.01.2013 in Höhe von 4,30 €
c) im Tarif ETS28 37,00 die Beitragsanpassung zum 01.01.2014 in Höhe von 4,50 €
d) im Tarif V333S2P die Beitragsanpassung zum 01.01.2015 in Höhe von 5,74 €
e) im Tarif V333S3 die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 in Höhe von 16,89 €
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.
3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 4.836,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4) Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
5) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 619,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Mitteilungen zu den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen seien formell und materiell wirksam. Im Übrigen wendet sie Verjährung ein.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB einen Anspruch auf Zahlung von 185,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2022 sowie auf Feststellung, dass die Beitragsanpassung des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung im Tarif V333S3 um 16,89 €/monatlich zum 01.01.2018 unwirksam war und der Kläger nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet war. Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen hieraus verpflichtet ist. Schließlich hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung ihm entstandener außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 99,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2022. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Etwaige (Rückzahlungs-)Ansprüche des Klägers aufgrund in den Jahren bis einschließlich zum 31.12.2018 gezahlter Beiträge sind verjährt.
a) Ein Anspruch auf Rückzahlung ist mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, da sich erst infolge der Zahlung einer zu Unrecht erhöhten Prämie ein Bereicherungsanspruch ergeben und fällig werden kann.
b) Der Kläger hatte indes mit Erhalt der Anpassungsschreiben zu den Erhöhungen auch die insofern erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (so auch BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20 -, Rn. 42 ff., zitiert nach juris).
Das betrifft die Erhöhungen zum 01.01.2013, 01.01.2014, 01.01.2015 und 01.01.2018.
c) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ausnahmsweise eine Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben kann, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Es hat daher nicht an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn gefehlt (vgl. dazu nur BGH, Urteile vom 21.02.2018 – IV ZR 385/16 -, VersR 2018, 404, Rn. 15, und vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20 -, Rn. 42 ff., zitiert nach juris).
Eine Rechtslage nicht schon dann unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Daher kann eine solche Unzumutbarkeit der Erhebung einer Klage nicht damit begründet werden, dass die Frage, welche Anforderungen an eine Erhöhungsmitteilung zu stellen sind, erst durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den letzten Jahren einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt worden sind. Allein der Umstand, dass die Voraussetzungen nach § 203 Abs. 5 VVG in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur unterschiedlich beurteilt worden sind, genügt nicht, eine unsichere und zweifelhafte Rechtsprechung annehmen zu können. Maßgeblich wäre allenfalls eine einem Anspruch entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 21.02.2018 – IV ZR 385/16 -, VersR 2018, 404, Rn. 15 Rn. 15); eine solche war indes zu den Anforderungen an eine Begründung nach § 203 Abs. 5 VVG gerade (noch) nicht ergangen.
Die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung kann auch nicht damit begründet werden, dass ein Gläubiger so lange schutzwürdig sei, bis sich eine Rechtsprechung bzw. Meinung herausgebildet habe, die es zumutbar mache, den Klageweg zu bestreiten. Denn dies würde die von der Rechtsprechung angenommene Ausnahme vom Beginn des Laufs der Verjährungsfrist in ihr Gegenteil verkehren. Der mit den Regelungen zur Verjährung verfolgte Ausgleich würde konterkariert. Damit würde die Verjährungsfrist erst dann anlaufen, wenn der Gläubiger sich auf eine gesicherte Rechtsprechung berufen könnte, die es ihm – abgesehen von den tatrichterlich zu beurteilenden Umständen des Einzelfalls – letztlich dem Grunde nach risikolos erlauben könnte, eine Klage zu erheben.
Vor diesem Hintergrund kann sich der Kläger überdies nicht darauf berufen, dass ihm die Möglichkeit gefehlt habe, zu den rechtlichen Fragen hinreichend Aufschluss zu erhalten. Der Umstand, dass veröffentlichte Rechtsprechung zu den Anforderungen nach § 203 Abs. 5 VVG nach Schaffung dieser Regelung zunächst nicht existierte und auch die Literatur diese Frage vornehmlich in den letzten Jahren aufgegriffen hat, mag die rechtliche Einordnung und die rechtliche Beratung nicht erleichtert haben, indes vermochte dies noch nicht einmal im Ansatz eine Klageerhebung unzumutbar erscheinen lassen. Vielmehr musste eine rechtliche Würdigung gerade ergeben, dass die Erfolgschancen eines Rückzahlungsanspruchs als völlig offen einzuschätzen sind. Die Rechtslage war mithin nicht unsicher und zweifelhaft, sondern lediglich offen und nicht gewiss einzuschätzen (vgl. z.B. die Darstellung bei Klimke, VersR 2016, 22 ff., zu den Anforderungen an eine Begründung nach § 203 Abs. 5 VVG), zumal der Kläger bereits vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19 -, VersR 2021, 240) seine Ansprüche geltend gemacht hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20 -, Rn, 42 ff., zitiert nach juris).
d) Dies zugrunde gelegt, konnte die im Jahr 2020 eingereichte Klage die Verjährung nicht mehr für solche Ansprüche nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hemmen, die bis zum Ende des Jahres 2016 entstanden sind.
Daher kann der Kläger nicht mit Erfolg die Rückzahlung von Prämienzahlungen unter Zugrundelegung der Aufstellung auf Seite 4 des Schriftsatz vom 08.11.2022 (Bl. 80, d.A.) verlangen:
- im Tarif V333S2P: 38 monatliche Zahlungen á 165,11 € also insgesamt 6.274,18 € (vom 01.01.2013 bis zum 01.02.2016)
- im Gesetzlicher Zuschlag (V333S2P): 24 monatliche Zahlungen á 4,30 € also insgesamt 103,20 € (vom 01.01.2013 bis zum 01.12.2014)
- im Tarif ETS28 37,00: 12 monatliche Zahlungen á 4,50 € also insgesamt 54,00 € (vom 01.01.2014 bis zum 01.12.2014)
- im Tarif V333S2P: 14 monatliche Zahlungen á 5,74 € also insgesamt 80,36 € (vom 01.01.2015 bis zum 01.02.2016)
- im Tarif V333S3: 12 monatliche Zahlungen ä 16,89 € also insgesamt 202,68 € (vom 01.01.2018 bis zum 01.12.2018).
2. Die Beitragserhöhung zum 01.01.2018 im Tarif V333S3 erweist sich hingegen mangels ausreichender Begründung als unwirksam. In unverjährter Zeit erbrachte Zahlungen vom 01.01.2019 bis 01.11.2019 in Höhe von 11 x 16,89 € = 185,79 € sind daher von der Beklagten zurückzuerstatten.
Im Informationsblatt zu dieser Beitragsanpassung weist die Beklagte zunächst darauf hin, dass jedes Jahr geprüft werde, ob die tatsächlichen Ausgaben denen entsprechen, die der Beitragskalkulation zugrunde liegen. Dabei werde auch abgeglichen, ob sich die durchschnittlichen Lebenserwartungen geändert haben.
Weiter heißt es dort:
„Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen, müssen wir die Beiträge anpassen. Gleiches gilt bei höheren Lebenserwartungen. Das ist gesetzlich so geregelt. Ein unabhängiger Treuhänder prüft die Anpassung und genehmigt sie. Zusätzlich legen wir die Änderung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor.“
Diesen Informationen, die die auslösenden Faktoren „Leistungsausgaben“ und „steigende Lebenserwartung“ nennen, lässt sich nicht mit der gebotenen Klarheit das Ergebnis der konkreten Prüfung der Beklagten entnehmen, insbesondere nicht, dass – wie die Beklagte in der Klageerwiderung ausführt – die gestiegenen Versicherungsleistungen der maßgebliche auslösende Faktor war. Dieser lässt sich auch nicht aus den „Gründe für steigende Kosten“ überschriebenen Absatz entnehmen, in dem ebenfalls lediglich allgemein die Rechnungsgrundlagen dargelegt werden.
3. Die Beitragsanpassungen zum 01.01.2020 und 01.01.2021 sind hingegen formell wirksam gewesen.
a) Im Schreiben vom November 2019 wird bezüglich der Hintergründe der Beitragsanpassung auf das beigefügte Informationsblatt verwiesen.
Darin führt die Beklagte u.a. aus:
„Jedes Jahr prüfen wir neu, ob die tatsächlichen Ausgaben denen entsprechen, die der Beitragskalkulation zugrunde liegen. Wir gleichen dabei auch ab, ob sich die durchschnittlichen Lebenserwartungen geändert haben.
Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. Auch die Prüfung der Lebenserwartung kann zu einer Beitragsänderung führen. Das ist gesetzlich so geregelt. In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben. Ein unabhängiger Treuhänder prüft die Anpassung und genehmigt sie. Zusätzlich legen wir die Änderung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor.“
Daraus ergibt sich mit der gebotenen Klarheit, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen (Leistungsausgaben) die konkrete Prämienerhöhung ausgelöst hat.
Es wird – in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch in ausreichendem Maße – auch das Ergebnis der aktuellen Überprüfung der Prämienhöhe durch die Beklagte mitgeteilt. Daher konnte der Kläger aus den Informationen auch hinsichtlich der Prämienerhöhung im Jahr 2020 ohne weiteres den Schluss ziehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Prämienerhöhung eingetreten sind.
b) Auch die Beitragsanpassung zum 01.01.2021 enthält die nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Angaben. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.
4. Soweit der Kläger behauptet, die für die Zustimmung des Treuhänders erforderlichen Unterlagen hätten dem jeweiligen Treuhänder nicht vorgelegen, ist dieser Einwand in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Insoweit gilt nichts anderes als für die Frage der Unabhängigkeit des Treuhänders, die von den Zivilgerichten ebenfalls nicht gesondert zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –).
Überzeugend führt das LG Köln (Urt. v. 01.06.2022 – 20 O 475/21 – Rn. 46) insoweit aus:
„Die Kammer ist der Auffassung, dass für den vorliegenden Sachverhalt nichts anders gelten kann, als für den vom Bundesgerichtshof entschiedenen. Eine Überprüfung des Treuhändervorgangs – in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall betreffend dessen Unabhängigkeit – birgt nach dem Bundesgerichtshof (a. a. O.) die Gefahr, dass die Überprüfung der Richtigkeit der Anpassung im Übrigen unterbliebe und eine diesbezüglich nicht zu beanstandende Anpassung für unwirksam erklärt würde, obwohl auch ein anderer Treuhänder – im vorliegenden Fall sodann (unterstellt) vollständig informiert – die Zustimmung hätte erteilen müssen. Die Kammer hat daher allein die Prämienanpassung inhaltlich zu überprüfen, nicht aber den Treuhändervorgang an sich. Der Kläger hat im Laufe des Rechtsstreits deutlich gemacht, dass er lediglich die Überprüfung begehrt, ob überhaupt anhand der dem Treuhänder vorliegenden Unterlagen eine Zustimmung erfolgen durfte. Er verdeutlicht damit, dass er unabhängig davon, ob der Treuhänder auch vollständig informiert die Zustimmung hätte erteilen müssen – einmal unterstellt, er sei nicht vollständig seitens der Beklagten informiert worden – nur wegen der Unvollständigkeit der dem Treuhänder vorliegenden Unterlagen die Beiträge zurückfordern will. Die Vollständigkeit der Unterlagen ist indes nicht Voraussetzung für die die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (BGH, Urt. v. 17.11.2021 – IV ZR 113/20, juris Rn. 27). Der Angriff des Klägers verkennt, dass sodann erst im Rahmen einer Überprüfung der Beitragserhöhungen, ob diese nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen sind, die sich vorzunehmende Kontrolle der Prämienerhöhung auf Grundlage der dem Treuhänder vom Versicherer (seinerzeit) vorgelegten Unterlagen zu vollziehen hat (so schon BGH, Urt. v. 16.06.2004 – IV ZR 117/02, juris Rn. 15; so im Übrigen auch der vom Kläger zitierten Beschl. des OLG Stuttgart, v. 06.06.2019 – 7 U 237/18, juris Rn. 31 m. w. N. aus der höchstrichterlichen Rspr.; s. a. Franz, VersR 2020, 449). Genau eine solche sachverständige Überprüfung wünscht der Kläger aber ausdrücklich nicht, wie sich aus seinem Klagevortrag ansonsten ergibt, da der Kläger gerade die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhungen aus anderen Gründen als § 8b AVB nicht in Abrede stellt.“
Das Gericht folgt dieser überzeugenden Argumentation, da auch in diesem Verfahren der Kläger die versicherungsmathematische Richtigkeit der Prämienerhöhung ausdrücklich nicht infrage gestellt hat.
3. Der Antrag zu Ziffer 4. ist teilweise begründet.
a) Ein Anspruch auf Zinsen und Nutzungen aus den zu viel gezahlten Prämien für die Zeit bis 31.12.2018 steht dem Kläger nicht zu, denn auch diese sind verjährt, § 217 BGB. Der Anspruch auf Nebenleistungen wie Zinsen verjährt unabhängig vom Hauptanspruch, nach § 217 BGB allerdings spätestens mit dem Hauptanspruch (vgl. BGH Urt. v. 16.06.2015 – II ZR 384/13 -).
b) Im übrigen ist der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 – Rn. 58 m.w.N.). Daher ist lediglich festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie im Tarif V333S3 (Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 16,89 € vom 01.01.2019 bis zum 30.11.2019 gezogen hat.
c) Ein Zinsanspruch bezüglich der gezogenen Nutzungen besteht auch nicht soweit dafür eine Herausgabepflicht der Beklagten festgestellt worden ist. Bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, greift § 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen nicht ein (BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 – Rn. 59). Auch ein Verzugszinsanspruch aufgrund einer Mahnung des Klägers oder einer Erfüllungsverweigerung der Beklagten kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil weder festgestellt noch behauptet ist, dass der Kläger vorgerichtlich die Herausgabe der Nutzungen verlangt hätte.
5. Der Kläger hat darüber hinaus gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung ihr entstandener außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus § 280 BGB in Höhe von 99,60 €.
a) Mit den – nicht wirksamen – Beitragserhöhung zum 01.01.2018 sowie der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge hat die Beklagte eine Vertragsverletzung begangen. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB. Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.2022 – IV ZR 291/20 – Rn. 25ff.). Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet.
b) Der Anspruch ist aber nur in Höhe von 99,60 € begründet. Bei Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr errechnet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung ein Betrag von 280,60 € (1,3 Gebühr = 63,70 € + 20 € Pauschale + 15,90 € Umsatzsteuer).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 709, 711, 713 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 3, 9 ZPO.