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Private Krankenversicherung – Voraussetzungen und Berechnung eines Risikozuschlags

LG Frankfurt – Az.: 7 U 181/12 – Urteil vom 30.12.2013

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21.6.2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I)

Der Kläger unterhält seit Jahren eine private Krankenversicherung bei der Beklagten. Es galt der Tarif 1 für die Krankheitskostenversicherung; auf die Bedingungen für den Tarif 1 (KB / Bl. 61 ff d.A.) wird Bezug genommen. Der monatliche Beitrag für diesen Tarif betrug zuletzt 421,34 Euro.

Bei dem Kläger entwickelten sich im Laufe der Vertragsdauer eine Reihe erheblicher Erkrankungen. Er leidet unstreitig unter u.a. an Leberkrankheiten und Bluthochdruck; wegen der weiteren Erkrankungen wird auf die Aufstellung im Schriftsatz der Beklagten vom 26.3.2012 (Bl. 55 d.A.) Bezug genommen.

Auf Antrag des Klägers wurde ein Tarifwechsel zum 1.1.2009 vorgenommen. Anstelle des Tarifs 1 gilt nunmehr der Tarif 2 nebst Zusatztarif 3 auf die Versicherungsbedingungen (Bl. 69 ff / 76 ff d.A.) wird Bezug genommen. Der Beitrag belief sich auf 353,56 Euro monatlich, wobei dieser einen Risikozuschlag in Höhe von 69,40 Euro enthält. Im Rahmen von späteren Beitragserhöhungen wurde auch der Risikozuschlag erhöht; seit 1.1.2012 beläuft er sich auf 82,05 Euro.

Der Kläger hat vorprozessual der Erhebung des Risikozuschlags widersprochen. Die Beklagte hat unter anderem mit Schreiben vom 2.8.2011dargelegt, nach welchen Grundsätzen sie den Risikozuschlag berechnet bzw. erhoben hat.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag über eine private Krankenversicherung – Tarif 2 – ohne Erhebung eines Risikozuschlags fortzuführen sei. Des weiteren hat er anteilige Rückzahlung der Beiträge – nämlich in Höhe der jeweiligen Risikozuschläge (insgesamt 2.352,12 Euro) – begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gemäß § 204 VVG zur Erhebung des anteiligen Risikozuschlags berechtigt gewesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Private Krankenversicherung - Voraussetzungen und Berechnung eines Risikozuschlags
Symbolfoto: Von alexkich /Shutterstock.com

Er wiederholt im Wesentlichen seine Auffassung, dass nicht isoliert auf einzelne Leistungsmerkmale des neuen Tarifs und die darin enthaltenen Mehrleistungen abgestellt werden könne, vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Mehr- und Minderleistungen des neuen Tarifs im Verhältnis zum bisherigen Tarifs anzustellen sei. Die Mehrleistungen würden durch erhebliche Minderleistungen aufgehoben.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21.6.2013 (3 O 9/12) abzuändern und

1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag über eine private Krankenversicherung, Tarif 2, Versicherungsnummer …, seit dem 1.1.2009 ohne Erhebung eines Risikozuschlags fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.352,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II)

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte ist zur Erhebung des streitgegenständlichen Risikozuschlags gemäß § 204 I 1 Nr. 1 Hs 2 VVG berechtigt, so dass sich sowohl der Feststellungs- als auch der Zahlungsantrag als unbegründet erweisen. Der Tarif 2 nebst Zusatztarif 3 weist im Vergleich zum Tarif 1 Mehrleistungen auf; insoweit ist die Beklagte zur Erhebung eines angemessenen Risikozuschlags berechtigt.

Der Kläger hat von dem ihm gemäß § 204 I 1 Nr.1 Hs. 1 VVG zustehenden Recht, in einen anderen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Altersrückstellung zu wechseln, Gebrauch gemacht. Besteht ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf einen solchen Tarifwechsel, dann kann der Versicherer, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will (Zieltarif), höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif (Herkunftstarif), für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen (§ 204 I 1 Nr.1 Hs. 2 VVG).

Unstreitig weist der Zieltarif im Vergleich zum Herkunftstarif für Behandlungen im ambulanten und zahnärztlichen Bereich sowie hinsichtlich des örtlichen Geltungsbereichs der Versicherung Mehrleistungen auf. Es werden Leistungen für Psychotherapie, Hör- und Lesegeräte, Massage- und Wärmebehandlungen und Sehhilfen sowie höhere Leistungen im Rahmen der zahnärztlichen Heilbehandlung zugesagt. Des weiteren werden tarifliche Leistungen auch außerhalb des Wohnsitzlandes erbracht. Für diese Mehrleistungen kann die Beklagte einen angemessenen Risikozuschlag verlangen. Dies ergibt sich eindeutig sowohl aus dem Wortlaut („soweit“) als auch nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung in § 204 I 1 Nr. 1 Hs. 2 VVG. Dass der seitens der Beklagten erhobene Risikozuschlag zutreffend berechnet und angemessen bemessen ist, hat der Kläger auf Nachfrage ausdrücklich eingeräumt.

Zwar trifft es zu, dass – wie vom Kläger im Einzelnen dargelegt – den Mehrleistungen im Zieltarif auch Minderleistungen im Vergleich zum Herkunftstarif gegenüber stehen. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Mehr- und Minderleistungen jedoch nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu saldieren, vielmehr müssen die einzelnen Leistungsbereiche hinsichtlich der für Mehr- und Minderleistungen unterschiedlichen Rechtsfolgen getrennt betrachtet werden (vgl. hierzu BGH NJW 2012, 1341; Boetius in Münchener Komm., VVG, Bd. 3, § 204 VVG Rz. 332, 333; Boetius, Private Krankenversicherung, § 204 VVG Rz. 106). Während für Leistungsbereiche mit Minderleistungen § 204 I 1 Nr. Hs. 1 VVG gilt, gelten für Leistungsbereiche mit Mehrleistungen die Einschränkungen gemäß § 204 I 1 Nr. 1 Hs. 2 VVG. Es ist nicht zulässig, die Mehr- und Minderleistungen – die ohnehin schwierig zu bewerten wären – gegeneinander aufzurechnen. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis. Soweit der Zieltarif Minderleistungen aufweist, kommt der Kläger in den Genuss des deutlich niedrigeren Beitrags. Soweit Mehrleistungen erbracht werden, muss er (anteilig) die nach den allgemeinen Regeln der Risikoprüfung angepasste – risikoäquivalente – Prämie zahlen. Insgesamt bleiben ihm im Zieltarif seine erworbenen Rechte und die Altersrückstellung erhalten.

Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.6.2010 (VersR 2010, 1345) kann der Kläger sich nicht berufen. Sie betrifft eine gänzlich andere Fallgestaltung, nämlich die Erhebung eines Tarifstrukturzuschlages. Für einen solchen, allein an den Tarifwechsel anknüpfenden Sonderzuschlag gibt es keine gesetzliche Grundlage.

Danach war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 I ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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