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Rückzahlung von Versicherungsleistungen – Beginn der Verjährungsfrist

LG Hannover, Az.: 72 O 3/16, Urteil vom 14.03.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche auf Rückzahlung von Versicherungsleistungen.

Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer des Vereins … . Die Beklagte ist eine Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung. Frau … war Mitglied der Beklagten. Am 25.07.2004 stürzte Frau … bei einem von dem Versicherungsnehmer der Klägerin ausgerichteten Fest über einen zu einem Getränkestand führenden Versorgungsschlauch und erlitt eine linksseitige Oberschenkelhalsfraktur, die operativ behandelt wurde.

Die Beklagte nahm den Versicherungsnehmer der Klägerin aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten Frau … unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin erbrachte daraufhin – auf der Grundlage einer Haftungsquote von 100 % – für ihren Versicherungsnehmer außergerichtlich Zahlungen an die Beklagte. Insgesamt zahlte die Klägerin in der Zeit von September 2006 bis Oktober 2008 28.066,92 €.

Die Geschädigte … stürzte in der Folgezeit noch mehrmals und wurde zunehmend pflegebedürftig. Die Beklagte machte mit Klageschrift vom 23.03.2010 weitere Ansprüche aus Erstattung von Heilbehandlungskosten gegen den Versicherungsnehmer der Klägerin vor dem Landgericht Kassel geltend. Der Versicherungsnehmer der Klägerin wandte in diesem Prozess Mitverschulden der Geschädigten ein und erklärte hilfsweise die Aufrechnung mit ihm von der … Versicherung abgetretenen, auf Überzahlung beruhender Rückzahlungsansprüche.

Das Landgericht Kassel erhob Beweis über den Hergang des Unfalls u.a. durch Vernehmung des Ehemannes der Geschädigten, der aussagte, die Schläuche gesehen zu haben. Das Landgericht Kassel würdigte den Sachverhalt mit Grund-, Vorbehalts- und Teilurteil vom 07.06.2011 dahingehend, dass die Geschädigte sich ein Mitverschulden im Umfang von 50 % anrechnen lassen müsse, weil sich der Vorfall bei hellen Lichtverhältnissen ereignet habe, so dass die Geschädigte „den oder die auf dem Boden befindlichen Schläuche hätte wahrnehmen und ohne größere Anstrengungen ausweichen können“ (8 O 545/10). Mit Schlussurteil im Betragsverfahren hat das Landgericht Kassel die Ersatzansprüche der Klägerin wegen einer Vorschädigung der Geschädigten … nochmals um 50 % gekürzt (6 O 1384/14). Die dagegen eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 20.10.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht unter anderem aus, dass eventuelle Ansprüche wegen der vom Beklagten (Versicherungsnehmer der Klägerin) hilfsweise erklärten Aufrechnung erloschen seien (25 U 9/15).

Mit Antrag vom 29.12.2015 erwirkte die Klägerin einen am 07.01.2016 vom Amtsgericht Stuttgart erlassenen Mahnbescheid gegen die Beklagte über eine Hauptforderung von 14.009,25 €. Nachdem die Beklagte dagegen Widerspruch eingelegt hatte, begründete die Klägerin den Anspruch mit Anspruchsbegründung vom 15.08.2016 im streitigen Verfahren vor dem Landgericht Hannover. Die Klägerin beansprucht unter Bezugnahme auf die durch das Landgericht Kassel und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main rechtskräftig ausgesprochene Haftungsverteilung eine Rückerstattung der Hälfte der von ihr geleisteten Zahlungen.

Parallel zu dem vorliegenden Verfahren macht die Klägerin in dem Verfahren 72 O 50/16 vor dem Landgericht Hannover auch gegen die Pflegekasse der Ansprüche auf Rückzahlung der Hälfte der von ihr erbrachten Leistungen geltend.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass Rückforderungsansprüche bestehen und auch nicht verjährt seien, weil die Feststellung zur Haftungsverteilung durch das Landgericht Kassel erst durch das Urteil vom 07.06.2011 getroffen worden seien. Dieses führt sie weiter aus.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 14.009,25 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Zahlungen als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu bewerten seien und eventuellen bereicherungsrechtlichen Ansprüchen § 814 BGB entgegenstehe. Außerdem ist sie der Auffassung, dass eventuelle Rückzahlungsansprüche verjährt seien. Dazu vertritt sie die Auffassung, dass sämtliche für die Beurteilung des Sachverhalts relevanten Umstände von Anfang an bekannt gewesen seien, so dass die Verjährungsfrist für Rückforderungen bereits mit den Zahlungen begonnen habe und nicht erst mit den Entscheidungen des Landgerichts Kassel und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Die auf die Tatsachen gestützte subjektive Bewertung auf Seiten der Klägerin und ein eventueller Rechtsirrtum seien unbeachtlich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Etwaige Rückforderungsansprüche der Klägerin sind jedenfalls verjährt.

Für einen etwaigen, auf den Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gestützten Rückforderungsanspruch gilt die 3-jährige Verjährungsfrist gern. § 195 BGB. Diese beginnt gern. § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Für die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger den Vorgang rechtlich zutreffend beurteilt (BGH NJW 2008,1729). Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs hat die erforderliche Kenntnis, wenn er die Leistung und die Tatsachen kennt, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Ein Rechtsirrtum hindert den Verjährungsbeginn nicht. Bei besonders unübersichtlicher und verwickelter Rechtslage können aber ausnahmsweise auch erhebliche rechtliche Zweifel den Verjährungsbeginn bis zur Klärung ausschließen (Palandt/Ellenberger, 75. Aufl., § 199 BGB Rn. 27).

Im vorliegenden Fall geht die Kammer davon aus, dass sämtliche für die Beurteilung des Sachverhalts erforderlichen Tatsachen und Umstände bereits zum Zeitpunkt der Leistung bei der Klägerin bekannt waren und daher die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die jeweiligen Leistungen bewirkt wurden. Bei den durch ein Stolper-Hindernis verursachten Stürzen steht nämlich regelmäßig der haftungsbegründende Umstand des Hindernisbereitens dem Eigenverschuldens-Umstand gegenüber, der darauf beruht, dass das Hindernis erkennbar war und bei hinreichender Aufmerksamkeit das Darüberstolpern hätte vermieden werden können. Allein diese Erwägung führte auch im vorliegenden Fall zu der Annahme eines 50-prozentigen Mitverschuldens der Geschädigten durch das Landgericht Kassel.

Zwar war das Ergebnis der dort durchgeführten Zeugenbefragung und das sonstige Vorbringen im Prozess zum Zeitpunkt der Leistung durch die Klägerin dort noch nicht bekannt. Dieses führt jedoch nicht dazu, dass die Klägerin sich darauf berufen könnte, von den einen Rückforderungsanspruch begründenden Umständen erst zu der Zeit Kenntnis erlangt zu haben. Sie hat nämlich ersichtlich davon abgesehen, vor Bewirkung der Leistung den Sachverhalt im Hinblick auf ein etwaiges Mitverschulden der Geschädigten weiter aufzuklären oder gerichtlich aufklären zu lassen oder auch nur ihre Leistung unter den Vorbehalt der Rückforderung für den Fall der späteren Erkenntnis eines Mitverschuldens zu stellen. Dabei war die Annahme eines mitwirkenden Eigenverschuldens wegen Unaufmerksamkeit aus den o.g. Gründen hier von Anfang an – auch ohne Beweisaufnahme – naheliegend.

Die Entscheidung durch das Landgericht Kassel beruht auch nicht auf irgendwelchen, erst im Prozess zu Tage getretenen besonderen Umständen, sondern auf einer Würdigung der offenkundigen Umstände, dass der nicht abgedeckte Versorgungsschlauch, über den die Geschädigte gestolpert und gestürzt war, einerseits ein Stolperhindernis darstellte, dieses andererseits am helllichten Tag aber auch sichtbar war und bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte umgangen werden können.

Die Verjährungsfrist begann daher nach Auffassung des Gerichts am Schluss des Jahres zu laufen, in dem die jeweilige Leistung erbracht wurde. Die dem vorliegenden Fall liegen zugrunde Zahlungen erfolgten in der Zeit von 2006 bis 2008. Die Verjährungsfrist für eventuelle Rückforderungsansprüche aus diesen Leistungen endete daher am 31.12.2011 und war bei Erlaß des Mahnbescheides längst abgelaufen.

Eine Hemmung der zu dem Zeitpunkt noch nicht verjährten Rückforderungsansprüche durch die von der Beklagten gegen den Versicherungsnehmer der Klägerin geltend gemachten weiteren Forderungen vor dem Landgericht Kassel ist nicht eingetreten. Zum einen besteht insoweit keine Parteiidentität. Es ist – wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.10.2016 zutreffend hervorhebt – auch im Verhältnis der Beklagten zur Versicherungsnehmerin der Klägerin keine Feststellung einer Rückzahlungspflicht – über den durch Aufrechnung erloschenen Teil hinaus – ausgesprochen worden.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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