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Obliegenheitsverletzung Kfz-Haftpflichtversicherung – Gegenüberstellung von Fahrzeugen

AG Mönchengladbach-Rheydt – Az.: 20 C 288/17 – Urteil vom 01.03.2019

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 19.10.2018 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Die Parteien waren über eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung miteinander verbunden. Versichert war das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ….

In Abschnitt E.1.1.3 der AKB des Versicherungsvertrages steht unter anderem:

„Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist. Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:

(…)

Sie müssen unsere für die Aufklärung des Schadens erforderlichen Weisungen befolgen, soweit dies für Sie zumutbar ist. Sie müssen uns Untersuchungen zu den Umständen des Schadenereignisses und zu unserer Leistungspflicht ermögliche, soweit es Ihnen zumutbar ist.“

Auf den übrigen Inhalt des Versicherungsvertrages wird Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 9 ff. GA)

Am 13.06.2016 wurde das Beklagtenfahrzeug durch den Sachverständigen, Herrn …, im Rahmen einer Untersuchung im Auftrag der … Versicherung bei der Überprüfung eines Schadensfalls gesteuert. Hierbei rollte er mit dem Fahrzeug rückwärts und stieß dabei aus Unachtsamkeit gegen ein geparktes Fahrzeug. Der Geschädigte meldete sodann einen Schaden in Höhe von 2.761,45 EUR nebst Rechtsanwaltsgebühren an.

… wies im Rahmen der Schadensanzeige darauf hin, dass er bezüglich der anmeldeten Schadenshöhe und dem Umfang des geltend gemachten Schadens aus seiner Sicht Bedenken hätte. In seiner Wahrnehmung sei er nur langsam mit dem Auspuff gegen die hintere linke Seite des anderen Fahrzeugs gestoßen. Daraufhin ließ die Klägerin den Schaden von einem eigenen Sachverständigen überprüfen. Dieser bestätigte die Einschätzung des …, wies aber darauf hin, dass eine abschließende Beurteilung nur im Rahmen einer Gegenüberstellung erfolgen könne, also auch das Fahrzeug des Beklagten untersucht werden sollte.

Am 26.09.2016 teilte der Beklagte dem Sachverständigenbüro der Klägerin mit, dass er Bedenken bezüglich einer Gegenüberstellung habe. Zwei Tage später wurde er im Rahmen eines Telefonats durch eine Mitarbeiterin der Klägerin auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen und gab schließlich sein Einverständnis ab. Dies erklärte er auch noch einmal gegenüber dem Sachverständigenbüro. Als der Sachverständige wegen einer Terminabsprache bei dem Beklagen anrief, teilte dieser ihm mit, dass er das Fahrzeug verkauft habe und die Käuferdaten nicht mitteilen werde. Dies erklärte er auch gegenüber der Klägerin. Mit Schreiben vom 05.10.2016 wurde der Beklagte letztmalig erfolglos aufgefordert, eine Nachbesichtigung zu ermöglichen. Ihr wurden auch keine Unterlagen zu den beteiligten Fahrzeugen von dem Beklagten vorgelegt. Anschließend regulierte die Klägerin zur Vermeidung eines kostenintensiven Prozesses die angemeldete Forderung.

Mit Schreiben vom 21.07.2017 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die angefallenen Aufwendungen in Höhe von 2.500,00 EUR bis zum 20.08.2017 zu zahlen. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Der Beklagte überreichte im Klageverfahren ein Gutachten vom 25.06.2016, auf das Bezug genommen wird (Bl. 91 ff. GA).

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 2.500,00 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2018 der Beklagte nicht erschienen ist, ist Versäumnisurteil ergangen. Er hat gegen das ihm am 21.06.2018 zugestellte Versäumnisurteil mit bei Gericht am 05.07.2018 eingegangen Schriftsatz Einspruch eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 ist sodann die Klägerin nicht erschienen. Gegen das ihr am 18.09.2018 zugestellte Versäumnisurteil hat sie mit Schriftsatz vom 20.09.2018 Einspruch eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2018 ist der Beklagte erneut nicht erschienen, sodass erneut Versäumnisurteil gegen ihn ergangen ist. Gegen das Versäumnisurteil vom 19.10.2018, das ihm am 25.10.2018 zugestellt wurde, hat mit bei Gericht am 08.11.2018 eingegangen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 19.10.2018, AZ 20 C 288/18, aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 19.10.2018, AZ 20 C 288/18 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, es sei, bevor er das Fahrzeug im November 2016 verkauft habe, ein Gutachten erstellt worden.

Es fehle an der Kausalität. Das Fahrzeug hätte jederzeit besichtigt werden können. Der Sachverständige … hätte als Zeuge auch herhalten können. Eine Gegenüberstellung hätte es im Übrigen auch nicht bedurft, da ein Gutachten auch hätte anhand eines Vergleichsfahrzeug erstellt werden können.

Der Beklagte ist der Ansicht, da aufgrund des bereits eingeholten Gutachtens eine neue Untersuchung nicht erforderlich gewesen sei.

Entscheidungsgründe

I.

Aufgrund des zulässigen Einspruchs wurde der Rechtsstreit wieder in die Lage vor dem Säumnis gesetzt, § 342 ZPO.

Der Einspruch war statthaft und fristgerecht gemäß §§ 338, 339 ZPO eingelegt. Die Einspruchsschrift wurde, auch nach gerichtlichem Hinweis, nicht begründet (§ 340 Abs. 3 ZPO).

II.

Der Einspruch war in der Sache nicht erfolgreich, denn die zulässige Klage ist begründet.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der 2.500,00 EUR gemäß § 426 BGB iVm § 116 VVG, denn der Beklagte hat arglistig eine Obliegenheitspflicht verletzt, sodass die Klägerin gemäß § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden ist.

Die Voraussetzungen des Regressanspruchs im Rahmen eines Gesamtschuldnerverhältnisses liegen vor (§ 426 BGB iVm § 116 VVG).

a)

Die Klägerin, als Versicherer, hatte für einen Unfallschaden im Außenverhältnis aus den §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB iVm § 115 VVG einzustehen. Unstreitig traf den Beklagten die volle Haftung aus dem Unfallereignis vom 13.06.2016 als sein Fahrzeug ein anderes beschädigte. Einzig der Schadensumfang war streitig.

b)

Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand ein „krankes“ Versicherungsverhältnis. Danach muss der Versicherer eine Versicherungsleistung nicht erbringen, wenn der Versicherungsnehmer eine vertragliche Obliegenheit arglistig verletzt.

Der Beklagte hat gegen seine vertraglich auferlegte Aufklärungspflicht aus E.1.1.3 der AKB arglistig verstoßen, sodass die Klägerin verpflichtet war eine Leistung an einen Dritten zu zahlen, ohne genau feststellen zu können, in welchem Umfang sie eigentlich konkret zur Leistung verpflichtet war.

Der Beklagte hat nicht alles zumutbare getan, um den Schadensfall aufzuklären, insbesondere hat er nicht die zumutbaren Weisungen der Klägerin befolgt. Das Verhalten des Beklagten ist insofern als arglistig zu bewerten.

Für den Vorwurf der Arglist genügt bereits das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer schon dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Dagegen ist keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers erforderlich (BGH NJW-RR 2011, 1329).

Ein solches Verhalten lag vorliegend vor. Es wäre für ihn zumutbar gewesen, das Fahrzeug für eine Gegenüberstellung zur Verfügung zu stellen. Er hat sich auch wiederholt geweigert, den Weisungen der Klägerin zu folgen. Im Hinblick darauf, dass der streitgegenständliche Versicherungsfall auch nicht seinetwegen eingetreten ist, kann nicht nachvollzogen werden, warum er sich eine weiteren Untersuchung entzieht. Eine solche Untersuchung wäre nicht zu seinem Nachteil gewesen. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, treffen ihn die Pflichten aus den in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKBen. Das Bereitstellen des Fahrzeugs zu einem ihm möglichen Zeitpunkt wäre ebenfalls zumutbar gewesen. Der Einwand des Beklagten, das Fahrzeug hätte jederzeit für eine Besichtigung bereit gestanden, ist zu pauschal und rechtlich unerheblich. Unstreitig wurde der Beklagte mehrmals kontaktiert, unstreitig hat er zu keinem Zeitpunkt der Klägerin mitgeteilt, dass das Fahrzeug jederzeit besichtigt werden können. Wann er dies der Klägerin gesagt haben will, trägt er nicht vor. Unerheblich ist auch, dass grundsätzlich eine Begutachtung anhand von Vergleichsfahrzeugen erfolgen könne. Da das Fahrzeug bis November 2016 noch zur Verfügung gestanden hat, ist nicht ersichtlich, warum ein Vergleichsfahrzeug hätte verwendet werden müssen. Gerade bei Verkehrsunfällen kann der Sachverständige am besten die Schäden begutachten, wenn die unfallbeteiligten Fahrzeuge besichtigt werden können. Das im Laufe des Verfahrens vorgelegte Gutachten ändert auch nichts daran, dass der Beklagte gegen seine Obliegenheitspflicht verstoßen hat. Der Klägerin lagen, ebenfalls unstreitig, keine Unterlagen vor. Er hat das Gutachten auch nicht der Klägerin angeboten, als diese ihn wiederholt kontaktiert hatte. Es sind darüber hinaus auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dagegen sprechen würden, dass eine Gegenüberstellung unzumutbar gewesen wäre.

Gegen den Beklagten spricht erschwerend, dass er, trotz der gerichtlichen erteilten Hinweise sich innerhalb der Stellungnahmefrist auch nicht weiter dazu geäußert hat.

2.

Der Beklagte wurde auch mit Schreiben vom 05.10.2016 auf den Verlust des Versicherungsschutzes hingewiesen.

Die Leistungsfreiheit setzt weiter voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer vorher deutlich über den Anspruchsverlust belehrt hat, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht. Dabei handelt es sich um ein aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitetes Korrektiv für die gravierenden Rechtsfolgen, die den Versicherungsnehmer bei Anwendung des „Alles-oder-Nichts-Prinzips“ treffen können. Die Belehrung bezweckt insoweit den Schutz des Versicherungsnehmers vor einem drohenden Rechtsverlust bei falschen Angaben. Sie darf keinen Zweifel darüber lassen, dass der zu erstattende Schadenbericht, um den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu verlieren, vollständig und richtig sein muss und dazu auch die Beantwortung der im Schadenberichtsformular gestellten Fragen gehört, soweit der Versicherungsnehmer zu einer Beantwortung in der Lage ist (BGH NJW-RR 2011, 1329, m.w.N.).

Diese Voraussetzung hat die Klägerin erfüllt. Aufgrund unwidersprochenem Vortrag der Klägerin, der gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, steht fest, dass der Beklagte sowohl telefonisch als auch mit Schreiben vom 05.10.2016 auf die Rechtsfolgen hingewiesen wurde. Darüber hinaus besteht auch keine Veranlassung davon auszugehen, dass er die Regelung bis zum Verkauf des Fahrzeugs im November vergessen haben könnte. Er hat mit der Klägerin den Vertrag zu November 2015 geschlossen, der streitgegenständliche Vorfall war ein gutes halbes Jahr später.

3.

Aufgrund der fehlenden Informationen musste die Klägerin den Schaden im Außenverhältnis regulieren.

Den dem Beklagten obliegenden Kausalitätsgegenbeweis iSd § 28 Abs. 3 VVG konnte er nicht führen. Die Einwände des Beklagten können die Obliegenheitsverletzung nicht beseitigen. Sie sind rechtlich unerheblich, da sie zu pauschal sind. Insbesondere lag das von dem Beklagten eingereichte Gutachten der Klägerin erst im Klageverfahren vor. Wie bereits festgestellt, hätte eine gestattete Nachbesichtigung ohne Weiteres eine Feststellung ermöglicht, ob und wenn ja, in welchem Umfang eine Erstattungspflicht tatsächlich gegenüber dem Geschädigten zu erfolgen gewesen wäre.

Auch nach dem gerichtlich erteilten Hinweis auf die fehlende Substantiierung seines Vortrags, hat er innerhalb der Stellungnahmefrist nicht weiter vorgetragen. Dies geht zu seinen Lasten.

4.

Es kann insofern dahinstehen, ob der Beklagte zusätzlich gegen seine Aufklärungspflichten verstoßen hat, indem er die Daten des Käufers nicht preisgegeben hat.

5.

Der Beklagte hat, entsprechend den AKBen, Aufwendungen bis zu 2.500,00 EUR an die Klägerin zu leisten.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB ab dem 21.08.2017. Der Beklagte war mit der Zahlung im Verzug. Er wurde mit Schreiben vom 21.07.2017 unter Fristsetzung bis zum 20.08.2017 zur Zahlung aufgefordert.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 3 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

 

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