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Monatsfrist – Rechte des Versicherers bei Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers

OLG Bamberg – Az.: 1 U 127/10 – Beschluss vom 03.02.2011

I. Der Senat beabsichtigt; die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 05.112010 – Az.: 23 O 823/09 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 13.460,64 Euro festzusetzen.

II. Dem Kläger wird. Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bis spätestens 21. Februar 2011.

Gründe

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) und dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vorliegen. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 05.11.2010 – Az.: 23 O 823/09 – einstimmig zurückzuweisen. Hierzu sowie zum vorgesehenen Berufungsstreitwert wird Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

I.

Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 05.11.2010 erweist sich nach Überprüfung durch das Berufungsgericht anhand des Berufungsvorbringens als beanstandungsfrei. Der Senat nimmt hierauf Bezug, sieht sich jedoch, insbesondere aufgrund der Berufungsangriffe, zu folgenden ergänzenden Ausführungen veranlasst:

1. Ohne Erfolg rügt die Berufung die vom Erstrichter erfolgte Ablehnung der vom Kläger beantragten Beeidigung des Zeugen P. K.. Die Zivilprozessordnung kennt keine Pflicht des Tatrichters zur Beeidigung von Zeugen. Die Entscheidung hierüber gehört vielmehr zu einem Teilbereich der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, sodass sie der pflichtgemäßen Ermessensausübung des Tatrichters unterliegt, § 391 ZPO, Einer Überprüfung und eventuellen Korrektur unterfällt eine solche tatrichterliche Entscheidung nur insoweit, als von dem eingeräumten Ermessen nicht oder missbräuchlich Gebrauch gemacht wurde. Der Erstrichter hat in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegt, warum er dem klägerischen Antrag auf Beeidigung des Zeugen nicht entsprochen hat. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen ist die Ermessensentscheidung des Erstgerichts nicht zu beanstanden. Die Rüge des Berufungsführers könnte aber selbst dann, wenn man einen Ermessensfehlgebrauch annehmen wollte, keinen Erfolg haben, denn ein solcher hätte sich nicht entscheidungserheblich auf das angefochtene Urteil ausgewirkt. Hätte der Zeuge nämlich, wie vom Kläger behauptet, vor einer angeordneten Vereidigung seine bisherige Aussage revidiert und den klägerischen Tatsachenvortrag zu den behauptet angegebenen zahnärztlichen Vorbehandlungen bestätigt, so ergäbe sich daraus zwar möglicherweise eine vollständige Offenlegung seitens des Klägers, zugleich aber eine fehlerhafte Weitergabe durch den Zeugen K. Dieser handelte jedoch nicht als Versicherungsagent, sondern als Versicherungsmakler. Da er seine Tätigkeit gewerblich ausübte, ist er Handelsmakler i.S.v. § 93 HGB. Als solcher hat er ausdrücklich oder konkludent mit dem Versicherungsnehmer einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen, durch den er verpflichtet wurde, dessen Interessen wahrzunehmen. Das bedeutet, dass er grundsätzlich nicht (Empfangs-)vertreter und Erfüllungsgehilfe des Versicherers ist und dass die §§ 69 ff VVG (§§ 43 ff VVG a.F.) auf ihn nicht anwendbar sind (BGH VersR 1999, 1481; OLG Düsseldorf RuS 2003, 205; OLG Köln RuS 2004, 95; Senatsbeschluss v. 02.07.2010, Az.: 1 U 47/10). Somit müsste sich der Kläger auch ein eventuelles Fehlverhalten des Maklers zurechnen lassen.

2. Der Kläger behauptet außerdem, das Erstgericht habe eine Nichteinhaltung der Monatsfrist des § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG durch den Versicherer übersehen. Allerdings erweist sich auch dieser Einwand als unbegründet.

Die Monatsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, „Kenntnis“ erlangt. Erforderlich ist insoweit positive und zuverlässige Kenntnis des Versicherers. Vorliegend hatte die Beklagte die schriftliche Auskunft des Dr. Ka. (Anlage B 5) zwar bereits am 04.09.2009 erhalten, die hierin gemachten Angaben waren aber, insbesondere bezüglich der maßgeblichen Zeitpunkte der ärztlichen Vorbehandlungen, (noch) nicht vollständig, sodass insoweit eine weitere Rückfrage veranlasst war. Eine solche Rückfrage vor einer positiven oder negativen Entscheidung über einen Rücktrittsgrund entsprach dem von einem Versicherer zu fordernden sachgerechten Vorgehen, wonach er gehalten ist, ein bestehendes Versicherungsverhältnis nicht mit einem vorschnellen Rücktritt „auf Verdacht“ zu belasten (vgl. BGHZ 108, 326). Er darf sich insbesondere zunächst vergewissern, ob dem Versicherungsnehmer angelastet werden kann, erfragte, ihm bei Antragstellung bekannte oder vor Vertragsschluss bekanntgewordene Gefahrumstände nicht oder nicht zutreffend angegeben zu haben. Zwar darf eine im Einzelfall – wie auch vorliegend – gebotene Rückfrage nicht unnötig verzögert werden, um es nicht dem Belieben des Versicherers zu überlassen, den Fristbeginn auszulösen, doch ist ihm hierfür jedenfalls eine angemessene Zeit einzuräumen (BGH VersR 1991, 170). Vorliegend hat die Beklagte die erforderliche Rückfrage bei dem behandelnden Arzt Dr. Ka. am 09.09.2009, somit nur wenige Tage nach Erhalt des noch unvollständigen schriftlichen Berichts, vorgenommen, sodass dies zweifellos als eine Nachfrage innerhalb angemessener Zeit zu bewerten ist. Da das Schreiben der Beklagten vom 06.10.2009 den Kläger am 07.10.2009 erreichte, ist die Monatsfrist des § 21 Abs. 1 Satz 1 VVG eingehalten.

3. In seinem Berufungsbegründungsschriftsatz wendet der Kläger darüber hinaus ein, das genannte Schreiben der Beklagten vom 06.10.2009 weise entgegen § 21 Abs. 1 Satz 1 VVG, § 126 BGB keine Unterschrift auf und genüge daher nicht dem Schriftformerfordernis. Hierbei handelt es sich um neuen Sachvortrag, für den die Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Erstinstanzlich hatte der Kläger an der Urheberschaft der Beklagten für das Schreiben sowie an der Einhaltung des Schriftformerfordernisses keinen Zweifel gelassen („… erklärte diese mit Schreiben vom 06.10.2009 die rückwirkende Vertragsanpassung …“ – vgl. Schriftsatz v. 12.11.2009). Zwar weist die zum Beleg des Sachvortrags vorgelegte Anlage K 4 keine Unterschrift der Beklagten auf, hierbei handelt es sich aber lediglich um eine Kopie, deren Vollständigkeit weder behauptet noch erkennbar ist. Die Beklagte hatte dasselbe Schreiben als Anlage B 6 vorgelegt, die wiederum – abweichend von der Anlage K 4 – eine Unterschrift aufweist. Allerdings ist auch insoweit darauf hinzuweisen, dass es sich ebenfalls nur um eine Kopie handelt, für die dieselben Maßstäbe zu gelten haben. Es hätte deshalb dem Kläger oblegen, den erstmals im Rechtsmittelverfahren eingebrachten Tatsachenvortrag fehlender Unterschrift – unter Vorlage des Originalschreibens – im landgerichtlichen Verfahren darzulegen.

4. Schließlich rügt die Berufung, das Landgericht habe verkannt, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anlage K 6) gar nicht Vertragsbestandteil geworden seien, da der Kläger eine schriftliche Ausfertigung erst Wochen nach Abschluss des Versicherungsvertrages erhalten habe. Unabhängig davon, dass in einem solchen Falle jedenfalls die klägerischen Leistungsanträge unschlüssig wären, da der Kläger nicht einmal ansatzweise darlegt, worauf sich seihe Zahlungsklage dem Umgang und der Höhe nach gründet, so hat der Zeuge K. den klägerischen Sachvortrag gerade nicht bestätigt. Vielmehr erklärte der Zeuge, dass der Kläger „das gesamte Paket“ erhalten habe und es nicht zutreffe, dass sie erst später nachgereicht worden seien. Der Zeuge hat insbesondere nicht ausgesagt, dass dem Kläger lediglich ein USB-Stick übergeben worden sei. Vielmehr wurden ihm die auf einem USB-Stick als pdf-Datei abgespeicherten Unterlagen ausgehändigt. Anderenfalls wäre die vom Zeugen bekundete Fertigung von Köpfen nämlich gar nicht möglich gewesen. Die Zeugenaussage steht zudem in Übereinstimmung mit dem Inhalt des Versicherungsantrags vom 12.12.2008, in dem der Kläger ausdrücklich und unterschriftlich gegengezeichnet den Erhalt der streitgegenständlichen Unterlagen bestätigt hat. Aber selbst wenn man annehmen wollte, der Kläger hätte von K. einen USB-Stick mit den hierauf in pdf-Format gespeicherten Vertragsunterlagen erhalten, so wäre dies doch im Einvernehmen mit dem Kläger erfolgt. Die Textform i.S.v. § 128b BGB wäre also auch in diesem Fall gewahrt, da die Übergabe zwar nicht mittels einer Urkunde, jedoch in einer anderen zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise übergeben worden wären (vgl. Armbrüster in MK, VVG, 2010, Rdnr. 105 zu § 7; Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), Rdnr. 3 zu § 126b). Schließlich kann aber auch diese Frage letztlich dahinstehen, da selbst bei Annahme einer vom Kläger behaupteten Informationspflichtverletzung nicht die von der Berufung‘ behauptete Rechtsfolge eines (wie auch immer gearteten) Vertrages ohne Einbeziehung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen eingetreten wäre. Vielmehr berührt die Verletzung der sich aus § 7 Abs. 1 VVG ergebenden Informationspflicht nicht die Wirksamkeit des Vertrages, vielmehr wäre der Vertrag lediglich schwebend, durch die Ausübung des Widerrufsrechts (§ 8 VVG) auflösend bedingt wirksam. Da der Kläger jedoch nicht innerhalb von 14 Tagen nach dem – jedenfalls insoweit unstreitigen – nachträglichen Erhalt der Unterlagen einen Vertragswiderruf erklärt hat, ist der Vertrag insgesamt wirksam.

5. Nach alledem muss es bei der erstgerichtlichen Entscheidung verbleiben, sodass die hiergegen gerichtete Berufung nach übereinstimmender Auffassung des Senats keinen Erfolg haben kann und zurückzuweisen sein wird.

II.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO) liegen nicht vor.

Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nr. 1222) hin.

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