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Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Beginn einer zum Versicherungsfall führenden Erkrankung – Vorerkrankung

Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 5 U 2/07

Urteil vom 09.01.2008

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28.11.2006, 14 O 77/03, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 132.462,72 Euro festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Beginn einer zum Versicherungsfall führenden Erkrankung – Vorerkrankung
Symbolfoto: Rido81/Bigstock

Der Kläger, Inhaber der Fa. I. und zuletzt als Transportbegleiter insbesondere für Schwertransporte im Ausland (voiture pilote) tätig, beantragte bei der Beklagten am 27.1.2000 den Abschluss einer Risiko- Lebensversicherung unter Einschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Vers.- Nr. ~7). Die Versicherung sollte am 1.3.2000 beginnen und am 1.3.2012 ablaufen, die monatliche BUZ-Rente sollte 4.000 DM betragen. Die Gesundheitsfragen, so beispielsweise nach Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule incl. Bandscheiben, nach erlittenen Unfällen, nach Untersuchungen in den letzten 5 Jahren oder einer Minderung des Grades der Erwerbs- oder Berufsfähigkeit, wurden in Anwesenheit der Versicherungsvermittlerin W. sämtlich mit „nein“ beantwortet und als der am besten über die Gesundheitsverhältnisse der zu versichernden Person informierte Arzt Dr. T., <Ort>, angegeben. Bei den persönlichen Daten ist als zuletzt ausgeübter Beruf „Kaufmann, Kurierdienst“ angegeben. Das Formular wurde von der Ehefrau des Klägers unterschrieben (Bl. 8 ff d.A.).

Am selben Tag stellte der Kläger bei der … Sachversicherungs AG den Antrag auf Abschluss einer Einzel- Unfallversicherung (Vers.-Nr. ~3), die vom 1.3.2000 bis zum 1.3.2005 laufen sollte. Angaben zu den Gesundheitsfragen wurden nicht gemacht, als zuletzt ausgeübter Beruf wurde „Kurierfahrer“ angegeben (Bl. 125 ff d.A.).

Die Verträge wurden jeweils unter Einschluss der Allgemeinen und Besonderen Vertragsbedingungen abgeschlossen.

Tatsächlich hatte der Kläger am 28.8.1997 einen Unfall erlitten. Ausweislich der von Prof. Dr. We erhobenen Anamnese in dem von der BGF veranlassten ersten Rentengutachten vom 15.6.1998 (Bl. 141 ff d.A.) erlitt der Kläger hierbei eine Clavicula- Fraktur links, ein HWS- Distorsionstrauma, einen Bruch der 4. Rippe rechts sowie diverse Schürfungen und eine Knieprellung rechts. In dem ärztlichen Bericht des Dr. S. vom 8.11.2001 (Bl. 138, 139 d.A.) werden ferner eine Distorsion des linken Handgelenks mit Carpal- Tunnel- Syndrom links sowie eine Plexusneuritis links mit Schwerpunkt C5/ C6 erwähnt. In einem von Dr. J. erstellten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 13.9.1998 (Bl. 91 ff d.A.) für die Berufsgenossenschaft werden die bestehenden Restbeschwerden unfallbedingt einer MdE von 10 % zugeordnet.

Am 6.4.2000 erlitt der Kläger einen weiteren Unfall. Von Dr. D. wurde in dem Durchgangsarztbericht vom 10.4.2000 eine HWS- Distorsion sowie Verdacht auf Commotio cerebri diagnostiziert (Bl. 140 d.A), von dem hinzugezogenen Neurologen M. ein unfallbedingtes Distorsionstrauma Grad I ohne wesentliche neurologische Ausfallerscheinungen (Bl. 145 ff d.A.).

Leistungen aus dem Unfallversicherungsvertrag lehnte die … Versicherungs AG, an die der Kläger wegen des Unfalls vom 6.4.2000 eine Unfall- Schaden- Anzeige übersandt hatte (Bl. 187 d.A.), mit Schreiben vom 27.4.2000 unter Hinweis auf Versäumung der Zahlung der Erstprämie ab (Bl. 188 d.A.).

Am 5.8.2000 beantragte der Kläger den Umtausch der Risiko- Lebensversicherung in eine Kapital- Lebensversicherung, wiederum unter Einschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Vers.-Nr. ~2) sowie der Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen. Als Versicherungsbeginn war der 1.10.2000, als Ablauf der Versicherung bei einer Laufzeit und Beitragsdauer von 17 Jahren der 1.10.2017 vorgesehen. Die monatliche Berufsunfähigkeitsrente belief sich gemäß dem Antrag zunächst auf 4.000 DM monatlich, im Dezember 2001 auf 2.164,32 Euro und gemäß dem ab dem 1.10.2002 gültigen Anpassungsnachtrag auf 2.283,64 Euro monatlich. Auch die mit diesem Antrag verbundenen und mit den Formularfragen in dem früheren Antrag identischen Gesundheitsfragen beantwortete der Kläger mit „nein“. Als zuletzt ausgeübten Beruf gab er selbständiger Kaufmann an (Bl. 16 ff d.A.).

Im Jahre 2002 beantragte der Kläger wegen im Jahre 2001 eingetretener und auf den Unfall vom 6.4.2000 zurückzuführender Gesundheitsschäden Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und machte in einem von ihm ausgefüllten und unter dem 22.5.2002 unterschriebenen Formular Angaben zum Gesundheitszustand sowie zum Beruf und beruflichen Werdegang, wo er als zuletzt ausgeübten Beruf Begleitfahrer für Schwertransporte in Frankreich und Spanien angab (Bl. 61 ff d. A.). Mit Schreiben vom 18.6.2002 erklärte die Beklagte wegen unrichtiger bzw. unvollständiger Beantwortung der Gesundheitsfragen vorsorglich den Rücktritt von der Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung. Zugleich wies sie den Kläger darauf hin, weitere Ermittlungen anzustellen (Bl. 31, 32, 34 d.A.). Mit Schreiben vom 11.10.2002 bestätigte die Beklagte den Rücktritt wegen Verschweigens der Unfälle vom 28.8.1997 und 6.4.2000 und der deswegen notwendigen fortlaufenden ärztlichen Behandlungen sowie wegen Falschangaben zur beruflichen Tätigkeit. In der mündlichen Verhandlung vom 18.2.2004 stützte sie den Rücktritt weiterhin auf verschwiegene Rückenbeschwerden aus dem Jahre 1998 (Bl. 179 d.A.).

In der Zeit vom 14.12.2001 bis zum 28.6.2002 war der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig krank geschrieben und ausweislich einer ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes vom 28.6.2002 als weiter arbeitsunfähig eingeschätzt worden (Bl. 25 d.A.).

Der Kläger hat geltend gemacht, bereits im Rahmen der ersten Antragsaufnahme die Vermittlerin W. über den Unfall vom 28.8.1997 informiert zu haben und dieser auch das Gutachten des Dr. J. gezeigt zu haben. Da dieses von einer MdE von höchstens 10 % ausgegangen sei, habe die Vermittlerin erklärt, dies müsse nicht aufgenommen werden, der Hausarzt Dr. T. könne jederzeit um Rat gefragt werden. Bei der zweiten Unterschriftleistung in Anwesenheit des Vermittlers K. sei ebenso verfahren worden. Diesem sei auch der Rentenbescheid der BG, in dem eine 10%-ige Behinderung festgestellt sei, vorgelegt worden. Gesundheitsfragen seien nicht mehr gestellt worden. Im Übrigen habe der Vermittler K. wegen seit Jahren bestehender Geschäftsbeziehungen von dem Unfall aus 1997 gewusst (Bl. 85 ff, 121 ff, 214/215 d.A.).Von dem zweiten Unfall habe die Beklagte auch Kenntnis durch eine entsprechende Schadensanzeige gehabt, wie deren Leistungsablehnung wegen Versäumung der Frist für die Zahlung der Erstprämie vom 27.2.2000 zeige. Weiterhin habe er diesen Unfall der Vermittlerin W. gemeldet. Im Hinblick darauf, dass seine MdE mit höchstens 10 % bewertet worden sei, habe er auch nicht von erheblichen Vorerkrankungen ausgehen müssen. Weiterhin habe er gegenüber der Vermittlerin W. seinen Beruf als Begleitfahrer angegeben und darauf bestanden, dass die französische Bezeichnung „voiture pilote“ aufgenommen werde, indes habe die Vermittlerin in Ermangelung einer Vorstellung von diesem Berufsbild in das Antragsformular Kurierfahrer aufgenommen. Auch der Vermittler K. habe gewusst, dass er Begleitfahrer sei. Er sei jedenfalls mit Blick auf die von ihm zuletzt ausgeübte – näher beschriebene – Tätigkeit (Bl. 65,124 d.A.) seit dem 14.12.2001 zu 60 % berufsunfähig, was sich aus dem Arztbericht des Dr. B. vom 23.9.2002 (Bl. 26 ff d.A.) ergebe.

Die Beklagte ist dem vollinhaltlich entgegen getreten und hat insbesondere das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat nach Durchführung von Beweisaufnahmen durch Vernehmung von Zeugen (Bl. 175 ff, 238 ff d.A.) sowie die Einholung eines fachorthopädischen Sachverständigengutachtens (Bl. 261 ff d.A.) nebst Ergänzungsgutachten (Bl. 311 ff d.A.) die Klage abgewiesen (Bl. 351 ff d.A.), weil der Nachweis einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nicht geführt sei. Die von dem Sachverständigen festgestellten Beschwerden rechtfertigten allenfalls einen Grad der Berufsunfähigkeit in Höhe von 30 %.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass unter Berücksichtigung des bei ihm vorgefundenen Krankheitsbildes – mäßig ausgeprägtes Cervikalsyndrom mit geringfügiger Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, mäßig ausgeprägte Spondylosis deformans C4/5 und C5/6, unter mäßiger Deformierung verheilte Schlüsselbeinfraktur links, operativ behandeltes Carpaltunnelsyndrom, mäßige Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, ganz geringfügige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks –, der konkret ausgeübten Tätigkeit als Begleitfahrer für Schwertransporte sowie der ärztlichen Stellungnahmen der ihn behandelnden Ärzte, die einen Grad der Berufsunfähigkeit von 60 % festgestellt hätten, die Bewertung des Grades der Berufsunfähigkeit durch den gerichtlichen Sachverständigen nicht nachvollziehbar sei.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 28.11.2006, 14 0 77/03, die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 2.283,84 Euro monatlich, beginnend ab Februar 2003, sowie rückständige Rente ab Dezember 2001 bis Januar 2003 in Höhe von insgesamt 31.970,96 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Ihm stehen Ansprüche aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht zu, weil er nicht nachgewiesen hat, nach Abschluss des Vertrages bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein

1.

Gemäß §§ 1, 2 BBUZ der zur Vertragsgrundlage gemachten Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung verspricht der Versicherer Leistungen für den Fall, dass der Versicherte während der Dauer der Zusatzversicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig wird. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte in Folge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit – ganz oder in einem bestimmten Grad – auszuüben, die auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass der Verlust der Fähigkeit, den Beruf bzw. eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben, erst während der Vertragsdauer eingetreten sein darf. War der Versicherte bereits vor Vertragsabschluss nicht mehr fähig, in seinem konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein, kann die Feststellung nicht getroffen werden, dass der Versicherte die Fähigkeit zur Berufsausübung erst während der Vertragsdauer verloren hat (BGH, Urt. v. 27.1.1993, IV ZR 309/91, VersR 1993, 469).

Den Nachweis, dass es ihm während der Dauer des Versicherungsvertrages in Folge Krankheit zu mindestens 50 % unmöglich geworden ist, seiner zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit weiter nachzugehen, hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht erbracht.

a.

Zwar wird man dem Kläger nicht absprechen können, dass bei ihm eine Krankheit im Sinne von § 2 BBUZ vorliegt.

Dabei kann auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Krankheit“ nicht allein deshalb geschlossen werden, weil der Kläger in der Zeit vom 14.12.2001 bis zum 28.6.2002 und auch danach weiter arbeitsunfähig krank geschrieben war. Zwar gilt, wenn der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, außerstande gewesen ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit, § 2 Abs. 3 BBUZ. Indes entbindet dies den Versicherten nicht davon zu beweisen, dass tatsächlich bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist. § 2 Abs. 3 BBUZ enthält lediglich eine unwiderlegliche Vermutung hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit und erspart dem Versicherungsnehmer den Nachweis der Prognose; die Vorschrift fingiert jedoch nicht das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit für den dort geregelten Zeitraum (BGH, VersR 1993, 562).

Jedoch lassen die Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. den hinreichenden Schluss auf das Vorliegen einer Krankheit im Sinne der Versicherungsvertragsbedingungen zu.

Als Krankheit im Sinne dieser Vorschrift kommt jeder körperliche oder geistige Zustand in Betracht, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und so nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder die berufliche Einsatzmöglichkeit dauerhaft auszuschließen oder zu beeinträchtigen. Hierzu zählen alle Störungen des Organismus des Versicherten mit der Folge objektiv feststellbarer physischer oder psychischer oder auch subjektiv empfundener Veränderungen (Senat, Urt. v. 23.7.2004, 5 U 683/03, VersR 2005, 63; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., BUZ § 2, Rdnr. 3, m.w.N.).

Ein solcher vom normalen Gesundheitszustand abweichender Zustand liegt beim Kläger vor. Wie der vom Landgericht mit der Erstellung eines fachorthopädischen Sachverständigengutachtens sowie eines Ergänzungsgutachtens und von dem Senat mit der Erläuterung seiner Gutachten beauftragte Sachverständige unter Auswertung sämtlicher ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten – unwidersprochen für den Zeitpunkt der Untersuchung – festgestellt hat, sind bei dem Kläger an krankhaften Veränderungen und Störungen ein mäßig ausgeprägtes degeneratives Cervikalsyndrom mit nur geringfügiger Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, eine mäßig ausgeprägte Spondylosis deformans C4/5 und C5/6, eine unter mäßiger Deformierung festknöchern verheilte Schlüsselbeinfraktur links ohne funktionelle Beeinträchtigung des Schultergürtels, ein operativ behandeltes Carpaltunnelsyndrom links mit mäßigen Restbeschwerden, eine mäßig endgradige Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks sowie eine diskrete und ganz geringfügige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks verzeichnen. Auf Grund der neurologischen Befundungen konnte er eine wie von Dr. B. festgestellte Plexusnervenläsion ausschließen. Weiterhin war für ihn das von Dr. B. festgestellte chronische HWS- Syndrom mit „radiculärer Symptomatik“ nicht nachvollziehbar, und zwar auch nicht für das Jahr 2002, weil diese in keiner Weise Gegenstand späterer Feststellungen gewesen sei. Ferner wirkt sich die festknöchern verheilte Clavicula-Fraktur nach Auffassung des Sachverständigen nicht auf die berufliche Tätigkeit des Klägers aus. Es verbleiben nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen der HWS, der linken Schulter – minimale Einschränkung in der Abduktion – und des linken Kniegelenks in der Beugung. Der Sachverständige führt diese krankhaften Veränderungen maßgebend auf den Unfall aus dem Jahre 1997 sowie auf die seit 1980 bestehenden Rückenbeschwerden zurück, weil die bei dem Unfall im Jahre 2000 erlittene HWS- Distorsion nach seiner Beurteilung folgenlos ausgeheilt und die Kniesymptomatik links als unfallunabhängig zu bewerten ist (Bl. 261 ff / 282 ff d.A., Bl. 311 ff d.A.).

Auch wenn, wie der Sachverständige in einer Gesamtschau feststellt, diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. der hieraus resultierende, von ihm im Dezember 2001 festgestellte körperliche Zustand des Klägers einschließlich der vorhandenen Beschwerden, bei allen gleichaltrigen Männern, die die berufliche Tätigkeit des Klägers (Begleitfahrer für Schwertransporte, „voiture pilote“) – von dem Sachverständigen aus eigener Anschauung als „Knochenjob“ bezeichnet – ausüben, im Wesentlichen vorhanden sind (Bl. 261 ff, 450, 484 ff d.A.), bedeutet dies nicht, dass es sich hierbei um einen normgerechten Zustand handelt. Hiervon könnte nur dann gesprochen werden, wenn der von dem Sachverständigen vorgefundene körperliche Zustand des Klägers einschließlich der hieraus resultierenden Beschwerden – Schmerzsymptomatik – dem durchschnittlichen gesundheitlichen Zustand eines Mannes seines Alters entspricht. Dem ist jedoch nicht so. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei dem Kläger neben den geringfügigen unfallbedingten Veränderungen, die keine oder nur sehr geringe Funktionsbeeinträchtigungen der betroffenen Körperteile bedingten, die altersüblichen degenerativen Veränderungen wie bei jedem gleichaltrigen Mann zu finden sind. Der Sachverständige hat seine Aussage aber dahingehend eingeschränkt, dass lediglich Männer im Alter des Klägers, die die gleiche Tätigkeit wie dieser regelmäßig ausüben, einen dem körperlichen Zustand des Klägers vergleichbaren Gesundheitszustand mit dem von dem Kläger beschriebenen Beschwerdebild (Schmerzen) aufweisen. Nach der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers, die unwidersprochen geblieben ist, war prägend für seine Tätigkeit als Begleitfahrer für Schwertransporte, dass er – je nach Auftrag mit Anschlussauftrag ununterbrochen drei oder vier Wochen lang – ein tägliches Arbeits- und Fahrpensum von 9 bis 12 Stunden, unter Umständen auch bis zu 15 Stunden zu bewältigen hatte, lediglich unterbrochen von einer Pause von 45 Minuten nach (jeweils) 9 Stunden und Übernachtungen auf einer kleinen Pritsche im PKW. Ferner hatte er während der Fahrt die Verkehrsregelung vom PKW aus, überwiegend mit dem linken Arm, vorzunehmen, Schilder und Warnbaken in den durchzufahrenden Ortschaften oder an Baustellen auf der geplanten Strecke ab- und aufzubauen, sowie im Bedarfs- oder Pannenfall einfache Handreichungen zu leisten. Auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen wird also nur ein Mann im Alter des Klägers, der den Beruf des Begleitfahrers unter den von dem Kläger geschilderten Arbeitsbedingungen ausübt, wegen altersgemäßer degenerativer Veränderungen bei einer Begleitfahrt von ununterbrochen 9 bis 12 Stunden die von dem Kläger beschriebene Schmerzsymptomatik, der mangels tatsächlicher Möglichkeiten auch nicht präventiv durch krankengymnastische Übungen begegnet werden kann, entwickeln. Wenn aber lediglich solche Männer im Alter des Klägers, die regelmäßig die gleiche Tätigkeit wie dieser ausüben, unter den von dem Kläger geklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen leiden und die in Rede stehenden Beschwerden aufweisen, handelt es sich nicht um einen altersentsprechenden Normzustand. Vielmehr ist, auch wenn spezifisch nur diese Berufsgruppe betroffen ist, dieser Zustand als Krankheit im Sinne von § 2 BBUZ zu qualifizieren.

b.

Nach den weiteren von dem Sachverständigen getroffenen Feststellungen steht jedoch fest, dass die behauptete Berufsunfähigkeit nicht während der Vertragsdauer eingetreten ist, sondern bereits vor dem 27.1.2000, dem Zeitpunkt des ersten Antrags auf Abschluss einer Risiko- Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, vorgelegen hat.

Dies hat der Sachverständige zunächst aus der für die Erstellung des ersten Rentengutachtens im Jahre 1998 erfolgten Begutachtung sowie den in diesem Gutachten von Prof. Dr. We gezogenen Schlussfolgerungen abgeleitet, der bei einer Bewegungseinschränkung des linken Schultereckgelenks, einer unter Verformung verheilten Schlüsselbeinfraktur sowie einer unfallunabhängigen chronisch rezidivierenden Lumbalgie bei Bandscheibenvorfall L5/S1 eine MdE in Höhe von 10 % bis zum 31.12.1998 und für die Zeit danach eine MdE von unter 10 % angenommen und weiter festgestellt hat, dass der Kläger die gleichen Arbeiten weiter ausführen könne (Bl. 141 ff d.A.). Nach Auffassung des Sachverständigen haben die später eingetretenen Erkrankungen des Knies und der Hand nicht zu einer für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit relevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes beigetragen, weil bezüglich des operativ behandelten Carpaltunnelsyndrom nur mäßige Restbeschwerden und bezüglich des linken Kniegelenks auch nur minimale Bewegungseinschränkungen vorlägen, die keine wesentlichen krankhaften Veränderungen darstellten und von daher auch nicht geeignet seien, zu einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit zu führen. Aus den nämlichen Erwägungen spielten auch die Unfallfolgen aus dem Jahre 2000 keine Rolle, weil die HWS- Distorsion folgenlos ausgeheilt sei.

Diese Ausführungen hat der Sachverständige auf Nachfrage des Senats (Bl. 467/468 d.A.) weiter dahingehend präzisiert, dass die Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1997 und 1999 altersübliche Veränderungen zeigten, wie sie bei gleichaltrigen Männern zu finden seien, nämlich mäßige degenerative Veränderungen der HWS sowie minimale Beeinträchtigungen der linken Schulter und des linken Kniegelenks. Hieraus sei zu folgern, so der Sachverständige weiter, dass der Kläger bereits vor dem 27.1.2000 lediglich 6 bis 8 Stunden als „voiture pilote“ ununterbrochen und schmerzfrei habe tätig sein können. Die von ihm vorgenommene prozentuale Einschätzung des Grades der Berufsunfähigkeit von 30 % (Bl. 313, 285 d.A.) sei deshalb als rein zeitliche Einschränkung der Fähigkeiten des Klägers, seine bisherige Tätigkeit als Begleitfahrer von Schwertransporten mit einem Zeitrahmen von ununterbrochen 9 bis 12 Stunden auszuüben, zu verstehen (Bl. 450/451 d.A.). Sie orientiere sich weniger an den körperlichen Veränderungen, die allenfalls als geringfügig zu bezeichnen seien, als vielmehr an den allgemeinen Umständen und der Arbeitsschwere, die für einen Mann ab 50 Jahren eine erhebliche Belastung darstellten. Mit Blick hierauf sei bei unveränderter beruflicher Tätigkeit des Klägers deshalb bereits vor dem 27.1.2000 mit einer Fortdauer der Beschwerden zu rechnen gewesen (Bl. 484 ff d.A.).

Damit steht fest, dass der Kläger bereits vor Antragstellung die Verrichtungen, die für die von ihm konkret ausgeübte Tätigkeit eines Begleitfahrers für Schwertransporte prägend sind, voraussichtlich dauerhaft nicht ausüben konnte, nämlich ein Fahrpensum von 9 bis 12 Stunden, unter Umständen auch 15 Stunden, zu absolvieren. Denn war der Gesundheitszustand des Klägers vor dem 27.1.2000 unverändert der gleiche wie zum Zeitpunkt des behaupteten Eintritts der Berufsunfähigkeit im Dezember 2001, ist die Berufsunfähigkeit nicht während der Vertragsdauer, sondern früher eingetreten. Zwar kommt es für die Frage des Vorliegens bzw. des Eintritts des Versicherungsfalles nicht auf den Zeitpunkt es Auftretens der Krankheit usw. an, sondern auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit selbst (vgl. statt aller Voit/ Knappmann in Prölss/ Martin, VVG, 27. Aufl., BBUZ § 1, Rdnr. 4, 5, m.w.N.). Der körperliche Zustand, aus dem der Kläger Berufsunfähigkeit seit Dezember 2001 ableitet, entspricht jedoch dem vor Antragstellung am 27.1.2000. Auch vor dem 27.1.2000 konnte der Kläger lediglich 6 bis 8 Stunden ununterbrochen und schmerzfrei tätig sein. Dann aber war der Kläger bereits vor Antragstellung berufsunfähig.

Dass der Kläger vor Vertragsabschluss ungeachtet seiner Beschwerden als voitre pilote tätig war, ist unerheblich. Zwar führt ein solcher „Raubbau an der Gesundheit“ nach Abschluss eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages nicht dazu, dass ein Versicherer den Eintritt von Berufsunfähigkeit leugnen darf, weil die versicherte Person weiterhin, ohne dass ihr dies dem Versicherer gegenüber obläge, berufstätig ist. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine solche, gesundheitliche Gefahren bergende Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit vor Abschluss des Versicherungsvertrages zur Absicherbarkeit des bereits eingetretenen Risikos führt. Denn der Versicherungsvertrag der Parteien bestimmt klar und unabhängig von den Möglichkeiten des Versicherers zur Risikoprüfung, dass lediglich eine nach seinem Abschluss eingetretene Berufsunfähigkeit von seiner Deckung erfasst ist.

Von daher kann unentschieden bleiben, ob durch den „Umtausch“ der gemäß Antrag vom 27.1.2000 unter der Versicherungsschein-Nummer ~7 mit Wirkung zum 1.3.2000 abgeschlossenen Risikolebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung in die am 5.8.2000 unter der Versicherungsschein-Nummer ~2 mit Wirkung zum 1.10.2000 abgeschlossene Kapitallebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung das ursprüngliche Vertragsverhältnis lediglich eine Abänderung erfahren hat oder ein neuer Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherungsvertrag zustande gekommen ist (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 16.5.2007, 5 U 590/06-74). In dem einen wie in dem anderen Fall lagen der Eintritt der Berufsunfähigkeit und damit der „Versicherungsfall“ vor dem Vertragsabschluss.

Auch aus diesem Grund liegt keine bedingungsgemäße, nämlich während der Vertragsdauer eingetretene Berufsunfähigkeit vor.

c.

Soweit der Kläger mit dem mit Schriftsatz vom 26.10.2007 vorgelegten Arztbericht der Dres. Sch. vom 5.10.2007 offensichtlich vortragen will, zwischen dem ersten Gutachten, von dem Sachverständigen A. erstellt am 8.5.2005 (Bl. 261 ff d.A.), und seinem gegenwärtigen gesundheitlichen Zustand bestehe ein Unterschied, der jedenfalls nunmehr Berufsunfähigkeit herbeigeführt habe, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung.

War der Kläger, wie festgestellt, bereits vor Antragstellung berufsunfähig, kommt es auf eine zwischenzeitliche Verschlimmerung vorhandener Leiden oder auf das Auftreten neuer Erkrankungen nicht an.

Von daher kann die Frage, ob dieses Vorbringen des Klägers im Berufungsrechtszug mit Blick auf § 533 ZPO überhaupt Berücksichtigung finden kann, unentschieden bleiben. Dasselbe gilt für das Vorbringen des Klägers in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4.1.2008.

2.

Liegen bereits die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte Versicherungsschutz versprochen hat, nicht vor, kann dahinstehen, ob die Beklagte im Übrigen in Folge Rücktritts vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten leistungsfrei ist, §§ 16, 17 VVG.

III.

Da dem Kläger Ansprüche aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung nicht zustehen, hat seine Berufung keinen Erfolg und ist diese mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3,9 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen der Zulassung nicht vorliegen.

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